L 9 U 988/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3287/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 988/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger am 30. November 2004 einen Arbeitsunfall erlitten hat und ob die bei ihm vorliegenden Beschwerden an der Brustwirbelsäule (BWS) und Atembeschwerden Folgen des geltend gemachten Arbeitsunfalls sind.

Der 1955 geborene Kläger war seit dem 1. September 1970 bei der Schreinerei R. in Muggensturm als Schreiner beschäftigt.

Er zeigte am 3. November 2006 unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Orthopäden Dr. A. vom 18. Oktober 2006 bei der Beklagten eine Berufskrankheit (BK) an und führte aus, er habe seit 1970 stets immer schwerere Lasten tragen müssen, bisweilen über 40-50 kg. Aus diesem Grund sei sein Rücken seit ca. 1985 sehr anfällig und er bekomme bei der kleinsten Anstrengung Atemnot.

Dr. A. teilte der Beklagten unter dem 12. Dezember 2006 mit, der Kläger befinde sich seit 1989 regelmäßig in seiner Behandlung. Bei der ersten Untersuchung habe er Blockaden im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) mit Druckdolenzen über den Costotransversalgelenken, den Querfortsätzen HWK 6/7 links, 5/6 rechts und der gesamten BWS festgestellt. Die Beschwerden träten in wechselnder Stärke, letztendlich jedoch kontinuierlich auf, vornehmlich im Bereich der BWS, rezidivierend im HWS-, LWS-Bereich mit gelegentlicher Schmerzausstrahlung in beide Beine, jedoch häufige Einschränkung der Atembewegung mit z.T. damit verbundenen Angstattacken.

Am 3. Januar 2007 erklärte der Kläger telefonisch und schriftlich, er habe im Oktober 2004 bei der Arbeit schwere Treppenpodeste (Gewicht ca. 40-50 kg) ins Obergeschoss tragen müssen. Seit dieser Zeit habe er eine starke Wirbelsäulenerkrankung, die sich auch als eine Entzündung des Brustkorbs äußere und zu Atemnot, Erstickungsängsten und Schmerzen beim Atmen führe. Am 10. Januar 2007 berichtigte der Kläger sein Vorbringen dahingehend, dass sich der Unfall Ende November 2004 ereignet habe. Am 6., 9. und 14. Dezember 2004 habe er sich deshalb bei Dr. A. in Behandlung befunden. Er bitte, neben der BK das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zu prüfen.

Mit Bescheid vom 12. Februar 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es seien wegen des Ereignisses im November 2004 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen, da kein Arbeitsunfall vorliege. Selbst wenn der Vorgang durch entsprechende Nachforschungen bestätigt würde, seien die Wirbelsäulenbeschwerden und Atembeschwerden nicht rechtlich wesentlich hierdurch verursacht worden und keine Leistungen zu erbringen, da eine gravierende Verletzung nicht festgestellt worden sei und die vorliegenden ärztlichen Unterlagen eine massive Vorschädigung der gesamten WS auswiesen.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren zog die Beklagte die Schwerbehindertenakte des Klägers bei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2007 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 3. Juli 2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er sein Begehren weiter verfolgte. Er habe am 30. November 2004 im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit ein ca. 50-60 kg schweres Treppenpodest über eine Treppe in das Obergeschoss getragen. Als ihm dieses aus der Hand gerutscht sei, habe er nachfassen müssen und sich hierbei gebückt und leicht nach rechts verdreht. Dabei habe er einen plötzlichen stechenden Schmerz verspürt, der ihm in den Rücken gefahren sei. Die Schmerzen hätten sich im Laufe der Woche so verschlimmert, dass er sich am 6. Dezember 2004 zu seinem Orthopäden begeben habe, bei dem er deshalb seither regelmäßig in Behandlung stehe.

Das Sozialgericht vernahm den Arbeitgeber des Klägers und die behandelnden Ärzte des Klägers auf schriftlichem Weg und zog die Unterlagen des Klägers bei der AOK Mittlerer Oberrhein bei.

Der Arbeitgeber M. R. teilte unter dem 18. Oktober 2007 mit, der Kläger habe sich beim Tragen eines Treppenpodestes verhoben, als ihm dies aus der Hand zu gleiten drohte. Der Kläger habe über Schmerzen im Rücken und Brustbereich geklagt, er habe aber seine Arbeit fortgesetzt und angegeben, sich regelmäßig nach Feierabend in ärztliche Behandlung begeben zu haben. Weder er (der Arbeitgeber) noch der Arbeitskollege H. seien direkte Zeugen des Vorfalles gewesen.

Der Arzt für innere Medizin und Allgemeinmedizin Dr. R. führte am 6. November 2007 aus, er behandele den Kläger seit Juli 1993 hausärztlich. Eine unmittelbare Konsultation wegen des Ereignisses am 30. November 2004 habe bei ihm nicht stattgefunden. Die Behandlung sei durch Dr. A. erfolgt. Er (Dr. R.) habe am 3. Dezember 2004 beim Kläger nächtliche Panikstörungen bei Beklemmung im Brustkastenbereich vor dem Hintergrund anhaltender Schmerzen nach erlittener Verletzung während der Arbeit erhoben. Am 15. Mai 2005 hätten weiterhin Schmerzen im Brustkastenbereich generalisierend auf den gesamten Rücken bestanden.

Dr. A. führte in seiner Zeugenaussage vom 16. Oktober 2007 aus, Behandlungsbeginn nach dem 30. November 2004 sei der 6. Dezember 2004 gewesen. Weitere Behandlungsdaten seien am 9. und 14. Dezember 2004 sowie mehrfach von Januar bis April 2005 gewesen. Am 19. April 2005 sei es zu einem subjektiven Beschwerderückgang gekommen, am 2. Juni 2005 seien wieder Klopfschmerzen im Bereich der BWS aufgetreten. Zu einer erneuten Schmerzverstärkung sei es im Oktober 2006 gekommen. Der Kläger habe einen Teil der Beschwerden auf die BWS projiziert und Folgebeschwerden der Verletzung vom November 2004 geltend gemacht. Wegen therapieresistenter Beschwerden seien am 12. Februar 2007 ein CT der BWS und am 11. Oktober 2007 ein MRT der BWS veranlasst worden. Bislang habe eine organisch verifizierbare Veränderung im Bereich der BWS nach dem Unfallgeschehen nicht nachgewiesen werden können. Die beim Kläger vorliegenden Beschwerden hätten sich auch häufig vor dem Unfall feststellen lassen. Eine Definition einer nachweisbaren Unfallfolge sei ihm nicht möglich.

Der Kläger legte zwei ergänzende Äußerungen von Dr. A. vom 12. November und vom 30. November 2007 vor. Das MRT vom 2. November 2007 zeige degenerative WS-Veränderungen. Unfallfolgen in Form von Stauchungen sowie Mikroverletzungen im Bereich der Rippenwirbelgelenke ließen sich nach so langer Zeit nach dem Unfallgeschehen nicht mehr nachweisen. Es seien aber nach dem Unfallereignis vermehrt Beschwerden aufgetreten, die therapeutische Maßnahmen hochfrequent nötig gemacht hätten.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2008 wies das SG die Klage ab. Es bestünden angesichts des uneinheitlichen Vorbringens des Klägers schon erhebliche Zweifel daran, dass sich der von ihm geltend gemachte Unfall tatsächlich am 30. November 2004 ereignet habe. Auch sei eine traumatische Schädigung im Bereich der BWS und/oder der Atemwegsorgane durch das Ereignis nicht erwiesen. Daher stünden dem Kläger auch keine Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu.

Gegen den am 31. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. Februar 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, es bestünden keine Zweifel daran, dass sich der Unfall am 30. November 2004 ereignet habe. Zum Beweis hierfür benenne er seine Ehefrau. Die Schmerzen im Brustkorb, verbunden mit Atemnot und Erstickungsängsten seien erstmals nach dem Unfallereignis am 30. November 2004 aufgetreten. Auch die von Dr. A. festgestellten Ruhe- und Belastungsschmerzen hätten vor dem Unfall nicht bestanden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten 12. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.Mai 2007 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 30. November 2004 ein Arbeitsunfall ist und dass die bei ihm vorliegenden Beschwerden an der Brustwirbelsäule und Atembeschwerden Folgen des Arbeitsunfalls vom 30. November 2004 sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und ist weiterhin der Auffassung, dass weder der Zeitpunkt des beschriebenen Ereignisses noch eine traumatische Läsion des Rückens nachgewiesen seien, weshalb ein Arbeitsunfall zu verneinen sei.

Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Klägers und von Dr. R. und Dr. A. Behandlungsunterlagen beigezogen, sowie Dr. A. erneut als sachverständigen Zeugen auf schriftlichem Weg vernommen (Auskunft vom 23. September 2008). Dr. A. hat die Behandlungsdaten seit 6. Dezember 2004 mitgeteilt und ausgeführt, nach seiner Einschätzung sei es durchaus möglich, dass im Rahmen der akuten Überlastung zum Unfalltage eine Verletzung der Bandscheibe C 6/7 ausgelöst worden sei, sodass die jetzt noch bestehenden Beschwerden auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Der Kläger nehme wegen ausgeprägter Atemschmerzen auch weiterhin NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) ein.

Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakte.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Mit Bescheid vom 12. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2007 hat die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 30. November 2004 als Arbeitsunfall abgelehnt und einen Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und den Beschwerden an der BWS und Atembeschwerden verneint. Zwar hat die Beklagte auch mitgeteilt, dass deshalb Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien. Damit hat die Beklagte aber nicht über eine konkrete Leistung - z. B. Verletztengeld oder Verletztenrente - entschieden. Bei sachgerechter Auslegung ist daher das Begehren des Klägers im Hinblick auf die im Ausgangsbescheid erfolgte Ablehnung eines Arbeitsunfalls als Anfechtungs- und Feststellungsklage zu sehen (BSG, Urt. vom 20. März 2007 - B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 23; Urteil vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12; LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 29. September 2008 - L 1 U 2116/08 -), mit der die Feststellung des Ereignisses vom 30. November 2004 als Arbeitsunfall und die Feststellung von Unfallfolgen begehrt wird.

Das SG hat zu Recht festgestellt, dass weder nachweisbar ist, dass der Kläger am 30. November 2004 einen Arbeitsunfall erlitten hat, noch dass es durch den geltend gemachten Vorfall zu einer Schädigung der Wirbelsäule bzw. der Atmungsorgane gekommen ist. Daher kann auch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Beschwerden an der BWS und die Atembeschwerden Unfallfolgen sind.

Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) oder infolge der Zurücklegung eines versicherten Weges (§ 8 Abs. 2 SGB VII). Zur Annahme eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang). Dies ist wertend zu entscheiden, indem untersucht wird, ob die Tätigkeit innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (ständige Rechtsprechung, BSG, Urt. vom 18. März 2008 - B 2 U 13/07 R und vom 10. Oktober 2006 -B 2 U 20/05 R in JURIS mit Hinweis auf BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70 S. 197; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 32 S. 113; BSGE 94, 262, 263 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14, Rdnr. 6). Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urt. vom 10. Oktober 2006 a.a.O. Rdnr. 14). Wie das SG kann auch der Senat auf Grund der Angaben des Klägers und der Unterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers nicht feststellen, dass der Kläger, wie von ihm geltend gemacht, am 30. November 2004 während seiner versicherten Tätigkeit ein Verhebetrauma dergestalt erlitten hat, dass er an diesem Tag auf einer Baustelle ein Treppenpodest mit einem Gewicht von 50-60 kg auf einer Treppe in das Obergeschoss getragen hatte und bei diesem Vorgang - weil ihm das Podest zu entgleiten drohte - nachfassen musste und hierbei einschießende Schmerzen in der Wirbelsäule bekam.

Die weiteren Ermittlungen des Senats, insbesondere die Behandlungsunterlagen von Dr. R. und Dr. A. ergeben mit Ausnahme der anamnestischen Angabe von Dr. R. im Eintrag vom Donnerstag, dem 2. Dezember 2004, der Kläger habe sich vor dem Wochenende - also vor dem Wochenende des 27./28. November 2004 - bei der Arbeit schwer verhoben und den Rücken gezerrt, keine Hinweise auf ein Unfallereignis, insbesondere kein solches am Dienstag, dem 30. November 2004. Die am 2. Dezember 2004 geklagten Schmerzen im Oberbauch werden von Dr. R. auf das rezidivierende Magengeschwür (positive Heliobacter-Befunde am 28. August 2003, am 13. Februar 2004, 11. August 2004 und am 23. November 2004) zurückgeführt. Die nächtliche Atemnot, geklagt am Freitag, dem 3. Dezember 2004, führte Dr. R. auf eine Beklemmungsstörung mit anamnestischer Augmentation (Panikstörung; Angststörung) zurück und überwies den Kläger zur Psychotherapie. Hinweise auf psychosomatische Störungen ergeben sich auch aus früheren Eintragungen (somatoforme autonome Funktionsstörung; Somatisierungsstörung z.B. 7. Januar 2004, 19. April 2004, 8. Oktober 2004).

Nach der vorgelegten Karteikarte mit handschriftlichen Eintragungen fand Dr. A. am Montag, dem 6. Dezember 2004 einen Druckschmerz bei Th 7-9 und diagnostizierte ein Thorakalsyndrom bei Wirbelsäulenfehlstatik und Haltungsinsuffizienz. Am Mittwoch, dem 8. Dezember 2004, war in Bezug auf das Thorakalsyndrom eine Besserung eingetreten, während sich nun eine Blockierung der Halswirbelsäule bei C1-4 (Cervikalsyndrom) fand und u.a. eine Halsbinde verordnet wurde. Am Dienstag, dem 14. Dezember 2004 wurde ein mäßiger Klopfschmerz proximal der Brustwirbelsäule und ein Druckschmerz bei Th 5/6 und bei Th 9-12 erhoben. Diagnostisch wurde ein Tietze-Syndrom (schmerzhafte Verdickung der Rippenknorpel am Sternumansatz) angenommen. Nach den Eintragungen von Dr. A. auf der Behandlungskarte wurde zu keinem Zeitpunkt der am 6. Dezember begonnenen Behandlung im Dezember 2004 ein Unfallereignis vom 30. November 2004 berichtet. Auch sind weder eine zeitnahe Unfallanzeige noch ein D-Arzt-Bericht aktenkundig.

Aber selbst wenn man - auch ohne Feststellung eines genauen Zeitpunktes - die anamnestische Angabe von Dr. R. unter dem 2. Dezember 2004 als ausreichend für die Feststellung eines während der versicherten Tätigkeit erlittenen Verhebevorgangs ansehen würde, scheitert das Feststellungsbegehren des Klägers an dem fehlenden Nachweis eines Gesundheitserstschadens.

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209). Beim Zusammentreffen einer Krankheitsanlage mit einer äußeren Einwirkung ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark und so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlich äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu etwa derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).

Dr. A. hat bereits in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 16. Oktober 2007 dargelegt, dass die beim Kläger Anfang Dezember 2004 behandelten Beschwerden im Bereich der BWS sich auch vor dem geltend gemachten Unfallereignis vom 30. November 2004 häufig feststellen ließen. Aus seinen Angaben gegenüber der Beklagten vom 12. Dezember 2006 ergibt sich, dass seit Beginn der Behandlung im Jahr 1989 Blockaden im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) mit Druckdolenzen über den Costotransversalgelenken, den Querfortsätzen HWK 6/7 links, 5/6 rechts und der gesamten BWS auftraten, aus denen letztlich kontinuierliche Beschwerden in wechselnder Stärke, vornehmlich im Bereich der BWS, resultierten. Die im Jahr 2007 durchgeführten radiologischen Untersuchungen (CT der BWS vom 12. Februar 2007 und MRT der BWS vom 2. November 2007), die eine Chondrose der gesamten BWS zeigten, ließen keine Unfallfolgen in Form von Stauchungen oder Mikroverletzungen erkennen. Die Äußerung von Dr. A. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 23. September 2008, es sei möglich, dass im Rahmen der akuten Überbelastung zum Unfalltage eine Verletzung der Bandscheibe C 6/7 ausgelöst worden sei, ist durch keinerlei zeitnahe Befundunterlagen belegt und kann daher einen derartigen Gesundheitserstschaden nicht mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit nachweisen.

Mangels eines Nachweises eines Gesundheitserstschadens entfällt auch die Prüfung, ob dieser mit Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich für die jetzt beim Kläger bestehenden Beschwerden ist. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass nicht nur die Beschwerden der BWS bereits vor dem geltend gemachten Unfallereignis bestanden, sondern auch die Atmungsstörungen in Form von Atemnot. Der Senat entnimmt der beigezogenen Schwerbehindertenakte des Klägers, dass bereits im Jahr 2002 eine intensive Diagnostik stattfand, um die Ursache für die vom Kläger geklagte Atemnot (Dyspnoe) festzustellen. Der Pneumologe und Allergologe Dr. H. bescheinigte dem Kläger im Erstantrag vom 15. Oktober 2002 das Vorliegen einer Dyspnoe ohne bronchopulmonale Ursachen und stellte auch im Befundbericht vom 11. Oktober 2002 nach dem Ausschluss eines hyperreagiblen Bronchialsystems und einer Inhalationsallergie in einem handschriftlichen Zusatz fest, dass die Atemnotbeschwerden am ehesten wirbelsäulenbedingt seien. Somit kann das Vorbringen des Klägers, die Schmerzen im Brustkorb, verbunden mit Atemnot und Erstickungsanfällen, seien erstmals nach dem Unfallereignis vom 30. November 2004 aufgetreten, nicht nachvollzogen werden.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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