L 11 KR 1104/09 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1720/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1104/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von Gepäcktransportkosten in Höhe von 36,05 EUR.

Der 1949 geborene Kläger ist pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Er beantragte im März 1999 bei der Beklagten die Erstattung von Reise- und Gepäcktransportkosten in Höhe von insgesamt 163,36 EUR, die anlässlich seines stationären Krankenhausaufenthalts in A. (28. Januar 1999 bis 1. März 1999) entstanden waren. Gemäß Schreiben vom 16. März 1999 erstattete die Beklagte einen Betrag von 127,31 EUR. Mit Schreiben vom 23. März 1999 lehnte sie es ab, die ausstehenden Kosten für den Gepäcktransport zu übernehmen. Der Widerspruch des Klägers, der ausweislich der Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1999 Gleichbehandlung mit Rehabilitanden im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung gefordert hatte, blieb ohne Erfolg. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides wurde das Sozialgericht Stade als das für eine Klage zuständige Sozialgericht genannt.

Mit der am 27. Dezember 1999 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage (Aktenzeichen ursprünglich S 2 KR 14/99, später S 2 KR 14/00) verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Nach einer Aufforderung des SG, seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Klageerhebung zu belegen, nahm der Kläger am 29. Februar 2000 die Klage zurück und erhob sie gleichzeitig, unter Hinweis auf seinen am 2. Februar 2000 begründeten Wohnsitz in A., neu (Verfahren S 2 KR 427/00). Das Gericht wies auf Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage hin. Daraufhin beantragte der Kläger (unter anderem) festzustellen, dass die Klagerücknahme rechtsunwirksam, da bedingt erklärt, sei. Das Gericht wies die Beteiligten darauf hin, dass über die Feststellung, ob das Verfahren S 2 KR 14/00 durch Klagerücknahme beendet sei, in Fortsetzung dieses Rechtsstreits entschieden werde. Dieses Verfahren erhielt das Aktenzeichen S 2 KR 473/01; es wurde durch Beschluss vom 8. Oktober 2001 an das Sozialgericht Stade verwiesen und dort unter dem Aktenzeichen S 1 KR 166/01 geführt. Das Verfahren S 2 KR 427/00 wurde durch Beschluss vom 12. Oktober 2001 bis zur Erledigung des Verfahrens S 1 KR 166/01 (Sozialgericht Stade) ausgesetzt.

Das Sozialgericht Stade stellte durch Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2005 (S 1 KR 166/01) und, nachdem der Kläger Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hatte, durch Urteil vom 16. Februar 2006 (S 1 KR 16/06 WA) fest, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg (Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. September 2006, L 4 KR 5/06 NZB).

Der Kläger hat danach das ausgesetzte Verfahren S 2 KR 427/00 wieder aufgenommen. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 2 KR 1720/07 geführt worden. Die Beklagte hat ihre, den Antrag des Klägers auf Erstattung von Reise- und Gepäcktransportkosten vom März 1999 sowie die angefochtenen Entscheidungen betreffenden Akten nicht vorlegen können. Nachfragen nach dem Verbleib der Verwaltungsakten beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen haben keinen Erfolg gehabt.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2008, zu der der Kläger nicht erschienen ist, hat das SG mit Urteil vom selben Tag, dem Zustellungsbevollmächtigten des Klägers am 10. Februar 2009 zugestellt, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig. Dem stehe die in dem Verfahren S 2 KR 14/00 erklärte Klagerücknahme nicht entgegen, denn nach einer Klagerücknahme könne grundsätzlich erneut Klage erhoben werden, soweit dies noch fristgemäß möglich sei. Von einer fristgemäßen, also binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids erfolgten Klageerhebung sei hier auszugehen, denn mangels Akten lasse sich nicht mehr feststellen, wann der Widerspruchsbescheid dem Kläger bekanntgegeben worden sei. Darüber hinaus sei ungewiss, ab welchem Zeitpunkt der Kläger nach der erstmaligen Klageerhebung seinen Wohnsitz nicht mehr im Bezirk des Sozialgerichts Stade gehabt habe. Somit stehe weder fest, wann die Klagefrist zu laufen begonnen habe, noch, dass das in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides genannte Sozialgericht Stade das örtlich zuständige Sozialgericht gewesen sei. Letzteres habe die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung zur Folge, so dass die Klage auf jeden Fall innerhalb der Jahresfrist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und damit fristgemäß erhoben worden sei. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Gepäcktransports anlässlich der stationären Krankenhausbehandlung. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der seit 1. Januar 1989 insoweit unverändert geltenden Fassung übernehme die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendig seien. Mit der Einführung dieser Vorschrift sei der Anspruch von Versicherten auf Übernahme von Transportkosten gegenüber ihrer Krankenkasse wesentlich eingeschränkt worden. Nach dem am 31. Dezember 1989 außer Kraft getretenen § 194 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei nämlich noch die Erstattung der im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten einschließlich eines notwendigen Gepäcktransports vorgesehen gewesen. Seither würden nur noch Fahrkosten und auch diese nur in besonderen Fällen übernommen. Die entstandenen Fahrkosten seien dem Kläger - unbestritten - erstattet worden. Zu Unrecht berufe sich der Kläger für seinen Rechtsstandpunkt auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dieser sei nicht verletzt. Die Beschränkung des Leistungsanspruchs auf reine Fahrkosten betreffe alle Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in gleicher Weise. Die unterschiedliche Ausgestaltung von Leistungsansprüchen nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat am 9. März 2009 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Klagerücknahme sei bedingt und damit nicht rechtswirksam gewesen. Weiterhin liege eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Übernahme der Gepäcktransportkosten vor. Die Klinik in A. habe sowohl die Zulassung zur Krankenhausbehandlung als auch als Rehabilitationseinrichtung. Ihm seien im Lauf der Jahre sowohl Krankenhaus- wie Rehabilitationsleistungen in A. gewährt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum bei einer mehrwöchigen Rehabilitationsmaßnahme die Übernahme der Gepäcktransportkosten gewährt werde, bei einer mehrwöchigen Krankenhausbehandlung aber nicht, zumal in beiden Fällen das gleiche Krankheitsbild vorliege. Das SG sei auch nicht von der Pflicht zur Amtsermittlung entbunden gewesen. Auf Grund der fehlenden Akten sei es offensichtlich nicht in der Lage gewesen, die geschilderte Ungleichbehandlung zu erkennen. Auf Grund der fehlenden Akten sei die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers in der mündlichen Verhandlung zwingend erforderlich gewesen. Dieses sei aber unterblieben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. November 2008 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Beschwerde für unbegründet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Die gemäß § 145 Abs. 1 SGG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch sonstige Gründe für die Zulassung der Berufung vorliegen.

Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder ein hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Vorliegend bedarf die Berufung der Zulassung, denn begehrt wird die Bezahlung von lediglich 36,05 EUR.

Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgericht, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgericht unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Hieran gemessen ist die Berufung nicht zuzulassen.

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Voraussetzung hierfür ist, dass die Streitsache eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung klärungsbedürftig ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2005, B 1 KR 107/04 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 9). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist (BSG, Beschluss vom 22. Juli 1988, 7 BAr 104/87, SozR 1500 § 160a Nr. 65) oder wenn sie praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG, Beschluss vom 30. März 2005, B 4 RA 257/04 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 7). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (BSG, Beschluss vom 30. März 2005, a.a.O.).

§ 60 SGB V, der die Übernahme der Fahrtkosten bei der Krankenhausbehandlung regelt, gewährt keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Transportbeförderung. Hiervon gehen auch die Beteiligten aus.

Die Ungleichbehandlung zur Rechtslage bei der Rehabilitation (§ 60 Abs. 5 SGB V iV.m. § 53 Abs 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Keinesfalls müssen Krankenhausbehandlungen (§ 39 SGB V) und solche der medizinischen Rehabilitation (§ 40 SGB V) vollumfänglich gleich behandelt werden, nur weil sie in derselben Einrichtung durchgeführt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zum Fahrkostenersatz bereits entschieden, dass es das Grundgesetz erlaubt, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf einen abgeschlossenen Katalog zu begrenzen. Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Nur das, was in diesen Leistungskatalog fällt, hat die gesetzliche Krankenversicherung ihren Versicherten zu leisten. Dazu gehört die Übernahme von Fahrkosten aus weitergehenden, etwa finanziellen Gründen, nicht (BSG, Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 20/05 R, SozR 4-2500 § 60 Nr. 1). Jenseits der Regelung der Kernleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung überschreitet der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er - im Hinblick auf die begrenzten finanziellen Mittel und zur Sicherung einer "Vollversicherung" bei Fällen schwerer Krankheiten - Leistungsansprüche in weniger dringlichen Fällen beschränkt oder gar nicht erst vorsieht. Sind aber schon Leistungsbegrenzungen in Fällen der Krankenbehandlung möglich, gilt das erst recht bei ergänzenden Leistungen wie den Fahrkosten, die eine Krankenbehandlung unterstützen oder erst ermöglichen sollen, ohne selbst unmittelbar einem medizinischen Zweck zu dienen (BSG, Urteil vom 6. November 2008, B 1 KR 38/07 R, zitiert nach Juris).

Ein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Auch ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG, also ein Verfahrensmangel, liegt nicht vor. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers nach § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG zur mündlichen Verhandlung hat im Ermessen des SG gestanden; es war hierzu nicht verpflichtet (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 1983, 4 RJ 3/83, Juris; BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2005, B 7a AL 14/05 B, Juris). Ein darin liegender Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) oder das Gebot rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) ist nicht erkennbar, zumal der Kläger weder dargelegt hat, warum er in Folge der mangelnden Anordnung des persönlichen Erscheinens an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gehindert war, noch, was er im Falle seiner Teilnahme Rechtserhebliches vorgetragen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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