Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AL 4992/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3823/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Teilaufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01.02.2002 bis 16.04.2002, vom 17.04.2002 bis 13.07.2002, vom 17.07.2002 bis 23.09.2003 und vom 01.12.2003 bis 29.01.2004 sowie die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 7.486,46 EUR.
Der 1950 geborene Kläger, griechischer Staatsangehöriger, stand bei der Beklagten bereits im Jahr 1995 im Leistungsbezug. Vom 15.05.1995 bis 31.01.2002 übte er gegen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 4.382,- DM, im Jahr 2001 zuzüglich Weihnachtsgeld in Höhe von 2.150,- DM und Urlaubsgeld in Höhe von 3.058,80 DM eine Vollzeittätigkeit als Elektromotorenwickler bei der Firma B. + G. GmbH in S. aus. Die Firma B. + G. GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.01.2002. Der Kündigungstermin wurde im vor dem Arbeitsgericht Stuttgart am 14.01.2002 geschlossenen Vergleich bestätigt.
Am 15.01.2002 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 01.02.2002 bei der Beklagten arbeitslos, worauf er ausweislich des Antrags auf Alg aufgefordert wurde, bei der Antragsabgabe u.a. die Arbeitsbescheinigung mitzubringen. Bei einem Abgabeversuch am 29.01.2002 wurde der Kläger gebeten, noch die Kündigung und den arbeitsgerichtlichen Vergleich beizubringen. Am 06.02.2002 gab der Kläger den Antrag ab. Auf dem Antrag bestätigte er den Erhalt des Merkblattes 1. In der Verwaltungsakte findet sich nach dem Arbeitslosengeldantrag die an den Kläger gerichtete Arbeitsbescheinigung der Firma B. + G. GmbH vom 21.01.2002, die keinen Eingangsstempel der Beklagten trägt und in der das dem Kläger im Jahr 2001 gewährte Bruttoentgelt mit 4.382,- EUR zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld angegeben wird.
Am 19.02.2002 übersandte die Firma B. + G. GmbH der Beklagten per Fax das Kündigungsschreiben und die vorangegangenen Abmahnungen.
Mit Bescheid vom 21.02.2002 wurde dem Kläger ab dem 01.02.2002 Alg in Höhe von wöchentlich 250,18 EUR nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.025,- EUR bewilligt.
Am 11.03.2002 und 26.03.2002 sprach der Kläger bei der Arbeitsvermittlung vor. Ausweislich der BewA-Vermerke wurde der Kläger beim ersten Termin auf Eigenbemühungen hingewiesen, beim zweiten Termin teilte er mit, er beabsichtige zum Zwecke der Arbeitssuche nach Griechenland zurückzukehren. Bei einem weiteren Kontakt am 12.04.2002 informierte er die Beklagte über seine Ausreise nach Griechenland am 17.04.2002.
Während des Griechenlandaufenthalts bezog der Kläger in der Zeit vom 17.04.2002 bis 13.07.2002 auf seinen Antrag vom 02.04.2002 Alg-Leistungen nach E 303 in der bisherigen Höhe (Bescheinigung vom 16.04.2002).
Am 15.07.2002 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos, worauf ihm die Beklagte unter Beibehaltung des Bemessungsentgelts und der sonstigen Leistungsmerkmale ab 17.07.2002 Alg in gleicher Höhe bewilligte (Bescheid vom 24.07.2002). Durch Änderungsbescheid vom 13.01.2003 wurde der wöchentliche Leistungssatz unter Beibehaltung des Bemessungsentgelts und der sonstigen Leistungsmerkmale für die Zeit ab 01.01.2003 an die Leistungsverordnung 2003 angepasst und auf 246,82 EUR festgesetzt. Die bewilligten Leistungen bezog der Kläger bis zu einer Arbeitsaufnahme am 24.09.2003.
Vom 24.09.2003 bis 24.11.2003 übte der Kläger eine Beschäftigung als Elektriker aus und bezog im September 2003 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 362,60 EUR, im Oktober 2003 in Höhe von 1.836,28 EUR und im November 2003 in Höhe von 1.348,86 EUR.
Am 01.12.2003 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Hierauf wurde ihm mit Bescheid vom 08.01.2004 Alg ab dem 01.12.2003 in Höhe von 246,82 EUR wöchentlich nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsgeld von weiterhin 1.025,- EUR bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom selben Tag wurde für die Zeit vom 01.01.2004 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 29.01.2004 Alg in Höhe von 262,71 EUR wöchentlich unter Beibehaltung des gerundeten Bemessungsentgelts in Höhe von 1.025,- EUR bewilligt und geleistet.
Im Februar 2004 bekam die Beklagte Zweifel hinsichtlich der in der Arbeitsbescheinigung vom 21.01.2002 bescheinigten Bruttoarbeitsentgelte des Klägers. Auf Nachfrage bestätigte die Firma B. + G. GmbH, dass die in der Arbeitsbescheinigung ausgedruckten Entgelte nicht Euro-, sondern DM-Beträge seien und übersandte unter dem 23.02.2004 eine korrigierte Arbeitsbescheinigung.
Im Rahmen der Anhörung wies der Kläger darauf hin, er habe stets richtige Angaben gemacht und sich wegen des Geldes keine Gedanken gemacht. Er habe angenommen, dass es unter Berücksichtigung der Steuerklasse stimmen würde. Wenn er weniger oder mehr bekommen hätte, hätte er es auch nicht bemerkt.
Mit Bescheid vom 14.05.2004/Widerspruchsbescheid vom 06.07.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.02.2002 bis 16.04.2002, 17.04.2002 bis 13.07.2002, 17.07.2002 bis 23.09.2003 und vom 01.12.2003 bis 29.01.2004 teilweise - nämlich in Höhe der Differenz zwischen dem bewilligten Alg auf der Grundlage eines Euro-Bruttoentgelts und eines zu beanspruchenden Alg auf der Grundlage eines DM-Bruttoentgelts - auf und forderte vom Kläger einen überzahlten Gesamtbetrag in Höhe von 7.486,46 EUR zurück.
Dagegen hat der Kläger am 29.07.2004 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er noch einmal darauf hingewiesen, dass er immer korrekte Angaben gemacht habe. Er habe dem jeweiligen Sachbearbeiter bei jedem Antrag die Verdienstbescheinigungen der letzten drei Monate vorgelegt. Die Beklagte habe daher sein tatsächliches Einkommen gekannt. Es sei hier im Rahmen der Sachbearbeitung nicht sorgfältig gearbeitet worden. Dies müsse sich die Beklagte selbst zurechnen lassen. Die Berechnung des Alg sei für ihn als Laien nicht nachvollziehbar. Er könne sich darauf verlassen, dass das Alg von dem entsprechenden Sachbearbeiter mit Fachkenntnissen richtig errechnet werde. Es sei auch nicht so, dass jeder wisse, dass das Alg deutlich geringer sei als das ehemalige Nettoeinkommen. Entsprechende Erläuterungen oder Merkblätter habe er, der der deutschen Sprache kaum mächtig sei, nicht auf griechisch erhalten. Es könne ihm maximal ein leicht fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Dieses werde durch die Kenntnis, die bei der Beklagten vorgelegen habe, relativiert bzw. egalisiert.
Mit Urteil vom 30.03.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei mindestens grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich seiner Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide vorzuwerfen. Bereits aufgrund der Höhe des geleisteten Alg hätte es sich ihm aufdrängen müssen, dass die Zahlung in dieser Höhe nicht richtig sein könne. Es sei ihm ohne weiteres möglich gewesen, anhand des Bewilligungsbescheides den wöchentlichen Leistungssatz von 250,18 EUR zu erkennen und mit dem bislang erzielten monatlichen Arbeitsentgelt zu vergleichen. Die Umrechnung des bis Ende 2001 noch in DM erzielten Verdienstes in Euro sei ihm möglich gewesen. Zudem habe ihm auch die Verdienstbescheinigung in Euro für den Monat Januar 2002 vorgelegen. Der Kläger habe Alg in Höhe von - auf den Monat umgerechnet - etwa 1.072,- EUR bezogen. Dies habe beinahe dem vorherigen Nettoverdienst von monatlich umgerechnet 1.118,- EUR entsprochen. Es könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass Lohnersatzleistungen der Beklagten nicht im Bereich des Nettoeinkommens lägen, sondern deutlich darunter. Dies ergebe sich auch aus dem Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Empfang der Kläger bestätigt habe. Auf mangelnde Sprachkenntnisse könne sich ein Ausländer nicht berufen. Abgesehen davon hätte sich der Kläger von seiner Ehefrau, die Deutsche sei, helfen lassen können. Zudem habe der Kläger bereits 1995 Alg bezogen. Gegen die damalige Bewilligung, die ja aus seiner Sicht zu niedrig gewesen sein müsse, habe er sich nicht gewandt. Der Einfluss der Steuerklasse ergebe sich ebenfalls aus dem Merkblatt. Auch bezüglich der Weiterbewilligungen des Alg habe beim Kläger grobe Fahrlässigkeit vorgelegen. Denn die Leistungshöhe sei nahezu unverändert gewesen, so dass sich auch hier die Rechtswidrigkeit geradezu habe aufdrängen müssen. Dass der Kläger selbst richtige Angaben gemacht habe, schließe grobe Fahrlässigkeit nicht aus. Dasselbe gelte auch im Zusammenhang damit, dass die Beklagte einen Fehler bei der Berechnung des Alg gemacht habe. Ein Fehlverhalten der Beklagten könne nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung eine Rolle spielen. Einen Ermessensspielraum habe die Beklagte im Hinblick auf die Rückforderung jedoch nicht. Die Beklagte habe auch die Jahresfrist für die Rücknahme eingehalten. Der Einwand der Entreicherung gegenüber dem Erstattungsanspruch nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei nicht möglich.
Gegen die am 30.06.2006 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 31.07.2006, einem Montag, Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens vertritt er die Ansicht, dass ihm, der der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei, ein Merkblatt in griechischer Sprache hätte ausgehändigt werden müssen. Ohne ein solches Merkblatt habe er über keine Unterlagen verfügt, aus denen er sich ein eigenes Bild über die Bemessungs- und Berechnungsgrundlage hätte machen können. Dies gelte auch im Hinblick auf die Steuerklasse. Auch insoweit sei für ihn nicht erkennbar gewesen, wie sich diese auf das Alg auswirke. Soweit auf die frühere Arbeitslosigkeit Bezug genommen werde, sei für ihn als rechtlichen Laien nicht erkennbar, ob sich im Laufe der Zeit rechtliche Änderungen ergeben hätten. Des weiteren sei aufgrund der zum Jahreswechsel erfolgten Währungsumstellung zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er sich wie jeder andere auch mit der Erfassung des Betrags schwergetan habe. Im Übrigen sei ihm in Anwesenheit seiner Ehefrau von dem Sachbearbeiter der Beklagten, Herr E., am 26.03.2002 bestätigt worden, dass das Alg zutreffend berechnet sei. Er habe diesbezüglich nachgefragt, weil es ihm zu hoch erschienen sei. Dass Herr E. mit der Leistungsbewilligung und der Ermittlung der Höhe des Alg nichts zu tun habe, sei ihm nicht bekannt gewesen. Herr E. sei ihm bei der Abgabe des Antragsformulars als der in Zukunft zuständige Sachbearbeiter genannt worden. Die Arbeitsbescheinigung der Firma B. + G. sei weder ihm noch seiner Ehefrau bekannt. Da die Beklagte mit der Firma im Kontakt gestanden habe, sei davon auszugehen, dass die Arbeitsbescheinigung von der Firma an die Beklagte übermittelt worden sei. Dass er die Arbeitsbescheinigung eingereicht habe, könne auch nicht aus der Tatsache gefolgert werden, dass sie keinen Eingangsstempel der Beklagten trage. Im Übrigen habe er bzw. seine Ehefrau neben dem Antrag auf Alg ein weiteres Formular ausgefüllt, in dem er sein bisheriges Gehalt in DM angegeben habe. Ein Verschulden treffe ihn nicht.
Schreiben des Senats an den früheren Arbeitgeber des Klägers wegen der von diesem ausgestellten Arbeitsbescheinigung kamen als unzustellbar zurück.
Die Berichterstatterin des Senats hat die Zeugin A. M., die Ehefrau des Klägers, am 17.10.2008 als Zeugin gehört. Sie hat unter anderem angegeben, dass sie die Arbeitsbescheinigung der Firma B. + G. GmbH nicht kenne. Bei dem Termin am 26.03.2002, bei dem es eigentlich um die Jobvermittlung gegangen sei, habe ihr Ehemann den Sachbearbeiter Herrn E. gefragt, ob der errechnete Betrag korrekt sei. Hierauf habe Herr E. geantwortet, sie würden ihren Job kennen. Er wisse, was er tue. Sie sei sowohl bei der Antragstellung als auch bei dem Gespräch am 26.03.2002 dabei gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. März 2006 und den Bescheid vom 14. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Juli 2004 aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte trägt vor, fehlende Sprachkenntnisse und ihr Mitverschulden änderten am Vorliegen von grober Fahrlässigkeit nichts. Sie sei davon überzeugt sei, dass die Arbeitsbescheinigung der Firma B. + G. GmbH vom 21.01.2002 dem Kläger ausgehändigt oder zugesandt worden sei. Dies ergebe sich aus der im Adressfeld genannten Anschrift des Klägers, dem fehlenden Posteingangsstempel auf der Bescheinigung und dem zeitlichen Ablauf. Gegenstand der Vorsprache am 26.03.2002 sei die Arbeitssuche in Griechenland gewesen. Die Ehefrau des Klägers sei bei diesem Gespräch ausweislich des BewA-Vermerks nicht mit dabei gewesen. Bezweifelt werde, dass Herr E. die angeblich geäußerten Bedenken des Klägers bezüglich der Korrektheit des Bescheides deutlich zurückgewiesen habe. Herr E. sei Arbeitsvermittler und kein Sachbearbeiter. Die Arbeitsvermittler verwiesen stets an die zuständigen Mitarbeiter der Fachbereiche. Der genaue Gegenstand der Gespräche mit Herrn E. werden sich aufgrund Zeitablaufs jedoch nicht mehr ermitteln lassen. Dies habe der Kläger zu verantworten, da er seine Einwände nicht früher ins Verfahren eingebracht habe. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Kläger von den unzutreffenden Eintragungen in der Arbeitsbescheinigung hätte Kenntnis nehmen können. Es deute auch nichts darauf hin, dass er den Bewilligungsbescheid in erforderlicher Weise zur Kenntnis genommen habe. Dieses Verhalten sei grob fahrlässig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von Alg teilweise aufgehoben und überzahlte Leistungen in einem Umfang von 7.486,46 EUR zurückgefordert.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Behördenentscheidung ist § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Vorschrift darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nach Unanfechtbarkeit, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X schließt die Rücknahme aus, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Letzteres ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X allerdings dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, ist der Verwaltungsakt abweichend von den allgemeinen Regelungen zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) Bei der Rücknahme sind die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X zu beachten.
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Beklagte zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die zugunsten des Klägers erfolgte Bewilligung von Alg in dem von ihr geltend gemachten Umfang von Beginn an rechtswidrig war. Das hier streitige Alg hätte nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 164,15 EUR bzw. 162,61 EUR bzw. 167,23 EUR anstelle von 250,18 EUR bzw. 246,82 EUR bzw. 262,71 EUR gezahlt werden müssen. Der Ansatz des höheren Bemessungsentgelts ist dadurch zustande gekommen, dass der frühere Arbeitgeber des Klägers in der Arbeitsbescheinigung - fehlerhaft - keine Umrechnung des DM-Betrags in Euro vorgenommen hat. Darüber hinaus ist die dementsprechende Rücknahmeentscheidung auch fristgerecht erfolgt. Dies hat das SG im Urteil vom 30.03.2006 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Wie das SG ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise entschieden hat, weshalb auch insoweit auf die Entscheidungsgründe verwiesen wird, steht der Teilrücknahme der Bewilligung von Alg für die Zeiten vom 01.02.2002 bis 16.04.2002, 17.04.2002 bis 13.07.2002, 17.07.2002 bis 23.09.2003 und vom 01.12.2003 bis 29.01.2004 auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Bestand der Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 21.02.2002, 16.04.2002, 24.07.2002, 13.01.2003 und 08.01.2004 entgegen. Der Kläger vermag sich auf den von ihm geltend gemachten Vertrauensschutzes nicht zu berufen. Denn er hat die Rechtswidrigkeit der genannten Bewilligungsbescheide zumindest grob fahrlässig verkannt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X setzt nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Legaldefinition voraus, dass der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn die in der fraglichen Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und daher nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff). In subjektiver Hinsicht ist ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Der Versicherte muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem Maße verletzt haben. Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Dabei besteht zu Lasten des durch einen Verwaltungsakt Begünstigten die aus dem Sozialrechtsverhältnis herzuleitende Obliegenheit, den erteilten Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R - in SozR 3-1300 § 45 Nr. 45; von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, Rn. 24 zu § 45).
In Ansehung dessen beruhte die Unkenntnis des Klägers von der teilweisen Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung von Alg im Anschluss an seine am 01.02.2002 eingetretene Arbeitslosigkeit auf einer besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung. Dem Kläger musste sich bei Erhalt der Bewilligungsbescheide schon angesichts des überhöhten wöchentlichen Bemessungsentgelts aufdrängen, dass die bewilligten Leistungen fehlerhaft zu hoch berechnet waren. Ihm war, wie das SG in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, ohne weiteres möglich, bereits anhand des ersten Bewilligungsbescheides vom 21.02.2002 den wöchentlichen Leistungssatz von 250,18 EUR und das gerundete wöchentliche Bemesssungsentgelt von 1.025 EUR zu erkennen und zumindest mit dem im Januar 2002 erzielten monatlichen Nettoarbeitsentgelt in Euro zu vergleichen. Insoweit war nicht einmal eine Umrechnung von DM in Euro erforderlich. Hieraus ergab sich für ihn, dass sein Alg nahezu dem vorherigen Nettoverdienst entsprach. Dass dies nicht richtig sein kann, folgt nicht nur aus dem Merkblatt 1. Vielmehr ist allgemein bekannt, dass Lohnersatzleistungen nicht im Bereich des Nettoeinkommens angesiedelt sind. Dass dies dem Kläger bekannt gewesen sein muss, ergibt sich auch aus der Tatsache des Bezugs von Alg in der Vergangenheit. Zwar lag dieser Alg-Bezug im Jahr 2002 bereits sieben Jahre zurück. Dass in diesen sieben Jahren jedoch die Lohnersatzleistungen nicht auf die Höhe des bisherigen Nettoarbeitsentgelts angehoben worden sind, muss auch dem Kläger bekannt gewesen sein.
Dahingestellt bleiben kann, ob durch eine Nachfrage des Klägers bei Herrn E. wegen der Rechtmäßigkeit der Zahlung der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfallen wäre. Denn eine Nachfrage, für die der Kläger die Beweislast trägt, ist nicht nachgewiesen. In den Akten findet sich hierüber kein Nachweis. Der BewA-Vermerk über die Vorsprache des Klägers am 26.03.2002 befasst sich nur mit der beabsichtigten Rückkehr des Klägers in sein Heimatland. Die weiteren BewA-Vermerke enthalten ebenfalls keine Angaben über eine Rückfrage des Klägers wegen der Höhe des Alg. Auch die Gesamtumstände sprechen nach Auffassung des Senats gegen eine Nachfrage. Zu beachten ist insoweit insbesondere die Antwort des Klägers im Rahmen der Anhörung. Bei dieser hat der Kläger am 05.04.2004 angegeben, er habe sich "wegen des Geldes keine Gedanken gemacht. Wenn ich weniger oder mehr bekommen hätte, würde ich es auch nicht merken". Diese erste Äußerung spricht eindeutig gegen eine Rückfrage. Der Kläger ging nach seinem damaligen Vortrag davon aus, dass alles seine Richtigkeit hat. Eine Nachfrage erübrigte sich deshalb. Im Übrigen hätte es, wenn eine Nachfrage stattgefunden hätte, nahe gelegen, sofort hierauf hinzuweisen und diesen Vortrag nicht erstmals im Berufungsverfahren zu machen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die als Zeugin gehörte Ehefrau des Klägers, A. M., eine Nachfrage bei dem Sachbearbeiter E. am 26.03.2002 bestätigt hat. Dass die Zeugin den Kläger bei diesem Termin begleitet hat, geht aus dem BewA-Vermerk nicht hervor. Wie sich aus dem BewA-Vermerk über den Kontakt mit dem Kläger am 23.07.2002 ergibt, wurde die Anwesenheit der Ehefrau von dem Sachbearbeiter E. grundsätzlich vermerkt. Angesichts dessen bestehen Zweifel daran, dass die Klägerin am 26.03.2002 bei der Vorsprache tatsächlich mit dabei war, so dass auf der Grundlage ihrer Aussage die Nachfrage nicht nachgewiesen ist.
Abweichendes gilt auch nicht mit Blick auf die dem ersten Bewilligungsbescheid vom 21.02.2002 nachfolgenden Bescheide. Bei dem Bescheid vom 24.07.2002 handelte es sich um einen bloßen Wiederbewilligungsbescheid nach der Rückkehr aus Griechenland. Eine erneute Prüfung des Leistungsanspruchs durch die Beklagte erfolgte hierdurch auch für den Kläger ersichtlich nicht. Ebenso verhält es sich mit dem Änderungsbescheid vom 13.01.2003. Denn dieser Bescheid betraf allein die Anpassung der Leistungen an die Leistungsentgeltverordnung 2003; eine erneute Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Leistungsmerkmale lag auch diesem Bescheid - ohne weiteres ersichtlich - nicht zu Grunde (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 05.04.2006 - L 3 AL 1948/05 -). Eine grobe Fahrlässigkeit ist auch nicht unter Berücksichtigung des Bescheids vom 08.01.2004 zu verneinen. Zwar handelte es sich hier nicht um eine bloße Wiederbewilligung auf Grund der bisherigen Beschäftigung oder Anpassung einer bereits erfolgten Leistungsbewilligung, sondern um eine im Anschluss an ein erneutes Beschäftigungsverhältnis erfolgte Wiederbewilligung von Alg für die Zeit ab 01.12.2003. Der Kläger durfte und konnte auch bei Erlass dieses Bescheids jedoch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte den Berechnungsfehler entdeckt und ihn nicht mehr wiederholt. Denn es handelte sich hier um keinen Fehler der Beklagten. Die Beklagte hat auf der Grundlage der ihr bekannten Arbeitsbescheinigung das Alg richtig berechnet. Dass die Arbeitsbescheinigung falsch war, hat die Beklagte (auch) bei Erlass des Bescheids vom 08.01.2004 nicht gewusst. Im Gegensatz dazu war dem Kläger dieser Fehler der Firma B. + G. GmbH in der Arbeitsbescheinigung jedoch bekannt oder hätte ihm zumindest bekannt sein müssen. Der Kläger bestreitet zwar, dass er selbst die fehlerhafte Arbeitsbescheinigung der Beklagten vorgelegt hat. Bestätigt wird dies auch von seiner Ehefrau A. M ... Nach dem sich aus der Akte ergebenden Verwaltungsablauf ergeben sich hier aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Arbeitsbescheinigung von der Firma B. + G. angefordert hat bzw. dass die Firma B. + G. GmbH diese Arbeitsbescheinigung der Beklagten direkt vorgelegt hat. Vielmehr findet sich auf der Arbeitsbescheinigung nur die Adresse des Klägers. Sie war an den Kläger gerichtet. Der Kläger war bei der Arbeitslosmeldung auch dazu aufgefordert worden, die Arbeitsbescheinigung vorzulegen. Dies entspricht dem normalen Ablauf. Als der Kläger einen ersten Abgabeversuch am 29.01.2002 machte, wurde nur vermerkt, dass er noch die Kündigung und den arbeitsgerichtlichen Vergleich vorlegen müsse. Die Arbeitsbescheinigung wurde nicht angemahnt. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Arbeitsbescheinigung bereits abgegeben hatte. Ende Januar/Anfang Februar 2002 stand die Beklagte auch noch nicht in Kontakt mit der Arbeitgeberin. Die Beklagte hat sich erst im weiteren Verlauf an die Arbeitgeberin gewandt, worauf ihr diese - wie sich aus den jeweiligen Kopfzeilen der Blätter (Bl. 6-9, 18 der Verwaltungsakte) ergibt - das Kündigungsschreiben und die vorangegangenen Abmahnungen per Fax am 19.02.2002 übersandte. Aus dieser Arbeitsbescheinigung, die demzufolge vom Kläger der Beklagten vorgelegt wurde, ergibt sich, dass die Arbeitgeberin die Bruttoarbeitsentgelte des Klägers im Jahr 2001 anstelle in DM in Euro angegeben hat. Diesen Fehler, der im Bereich der Tatsachenermittlung liegt, hätte der Kläger ohne weiteres erkennen können. Ein Antragsteller dürfte zwar nicht gehalten sein, eine Arbeitsbescheinigung des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Er hat jedoch die von ihm beizubringenden Unterlagen daraufhin zu überprüfen, ob sie vollständig sind. Bei der Durchsicht und Überprüfung, ob der Verdienst eingetragen ist, hätte ihm ohne weiteres auffallen können und müssen, dass das Bruttoarbeitsentgelt (auch) im Jahr 2001 in Euro- und nicht in DM-Beträgen angegeben worden ist, dies insbesondere auch deshalb, weil er nach seinem Vortrag im Übrigen weitere richtige Verdienstbescheinigungen vorgelegt hat. Damit ist dem Kläger weiterhin der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu machen.
Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht deshalb, weil der Kläger dem Arbeitsvermittler nach seinem Vortrag jeweils Verdienstbescheinigungen vorgelegt hat. Die Arbeitsvermittlung ist von der Leistungsabteilung zu trennen. Die dort vorgelegten Verdienstbescheinigungen dienten lediglich dazu, zu überprüfen, ob eine Arbeitsstelle und die dortigen Verdienstmöglichkeit für den Kläger zumutbar ist. Für die Berechnung des Alg waren die Verdienstbescheinigungen nicht maßgebend. Die Leistungsabteilung, die für die Berechnung Bewilligung des Alg zuständig war, orientierte sich allein an der vom Kläger vorgelegten Arbeitsbescheinigung der Arbeitgeberin.
Vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil der Kläger nur unzureichend deutsch spricht. Fehlende Sprachkenntnisse hindern das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nicht. Es trifft die der deutschen Sprache nicht ausreichend Kundigen, worauf auch das SG nicht zu beanstandender Weise hingewiesen hat, die Pflicht, sich ggf. Klarheit zu verschaffen (BSG, Urteil vom 24.04.1997 - 11 RAr 89)96 - in juris.de). Dies war beim Kläger auch ohne weiteres möglich, nachdem seine Ehefrau Deutsche ist.
Der gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Betrag von insgesamt 7.486,46 EUR ist zutreffend errechnet. Auf Verbrauch der Leistung oder Fähigkeit zur Erstattung kommt es vorliegend nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen, da der Frage, ob und inwieweit den Arbeitslosen eine Pflicht zur Überprüfung der Arbeitsbescheinigung trifft und deren Nichtbefolgung den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X begründet, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Teilaufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01.02.2002 bis 16.04.2002, vom 17.04.2002 bis 13.07.2002, vom 17.07.2002 bis 23.09.2003 und vom 01.12.2003 bis 29.01.2004 sowie die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 7.486,46 EUR.
Der 1950 geborene Kläger, griechischer Staatsangehöriger, stand bei der Beklagten bereits im Jahr 1995 im Leistungsbezug. Vom 15.05.1995 bis 31.01.2002 übte er gegen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 4.382,- DM, im Jahr 2001 zuzüglich Weihnachtsgeld in Höhe von 2.150,- DM und Urlaubsgeld in Höhe von 3.058,80 DM eine Vollzeittätigkeit als Elektromotorenwickler bei der Firma B. + G. GmbH in S. aus. Die Firma B. + G. GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.01.2002. Der Kündigungstermin wurde im vor dem Arbeitsgericht Stuttgart am 14.01.2002 geschlossenen Vergleich bestätigt.
Am 15.01.2002 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 01.02.2002 bei der Beklagten arbeitslos, worauf er ausweislich des Antrags auf Alg aufgefordert wurde, bei der Antragsabgabe u.a. die Arbeitsbescheinigung mitzubringen. Bei einem Abgabeversuch am 29.01.2002 wurde der Kläger gebeten, noch die Kündigung und den arbeitsgerichtlichen Vergleich beizubringen. Am 06.02.2002 gab der Kläger den Antrag ab. Auf dem Antrag bestätigte er den Erhalt des Merkblattes 1. In der Verwaltungsakte findet sich nach dem Arbeitslosengeldantrag die an den Kläger gerichtete Arbeitsbescheinigung der Firma B. + G. GmbH vom 21.01.2002, die keinen Eingangsstempel der Beklagten trägt und in der das dem Kläger im Jahr 2001 gewährte Bruttoentgelt mit 4.382,- EUR zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld angegeben wird.
Am 19.02.2002 übersandte die Firma B. + G. GmbH der Beklagten per Fax das Kündigungsschreiben und die vorangegangenen Abmahnungen.
Mit Bescheid vom 21.02.2002 wurde dem Kläger ab dem 01.02.2002 Alg in Höhe von wöchentlich 250,18 EUR nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.025,- EUR bewilligt.
Am 11.03.2002 und 26.03.2002 sprach der Kläger bei der Arbeitsvermittlung vor. Ausweislich der BewA-Vermerke wurde der Kläger beim ersten Termin auf Eigenbemühungen hingewiesen, beim zweiten Termin teilte er mit, er beabsichtige zum Zwecke der Arbeitssuche nach Griechenland zurückzukehren. Bei einem weiteren Kontakt am 12.04.2002 informierte er die Beklagte über seine Ausreise nach Griechenland am 17.04.2002.
Während des Griechenlandaufenthalts bezog der Kläger in der Zeit vom 17.04.2002 bis 13.07.2002 auf seinen Antrag vom 02.04.2002 Alg-Leistungen nach E 303 in der bisherigen Höhe (Bescheinigung vom 16.04.2002).
Am 15.07.2002 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos, worauf ihm die Beklagte unter Beibehaltung des Bemessungsentgelts und der sonstigen Leistungsmerkmale ab 17.07.2002 Alg in gleicher Höhe bewilligte (Bescheid vom 24.07.2002). Durch Änderungsbescheid vom 13.01.2003 wurde der wöchentliche Leistungssatz unter Beibehaltung des Bemessungsentgelts und der sonstigen Leistungsmerkmale für die Zeit ab 01.01.2003 an die Leistungsverordnung 2003 angepasst und auf 246,82 EUR festgesetzt. Die bewilligten Leistungen bezog der Kläger bis zu einer Arbeitsaufnahme am 24.09.2003.
Vom 24.09.2003 bis 24.11.2003 übte der Kläger eine Beschäftigung als Elektriker aus und bezog im September 2003 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 362,60 EUR, im Oktober 2003 in Höhe von 1.836,28 EUR und im November 2003 in Höhe von 1.348,86 EUR.
Am 01.12.2003 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Hierauf wurde ihm mit Bescheid vom 08.01.2004 Alg ab dem 01.12.2003 in Höhe von 246,82 EUR wöchentlich nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsgeld von weiterhin 1.025,- EUR bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom selben Tag wurde für die Zeit vom 01.01.2004 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 29.01.2004 Alg in Höhe von 262,71 EUR wöchentlich unter Beibehaltung des gerundeten Bemessungsentgelts in Höhe von 1.025,- EUR bewilligt und geleistet.
Im Februar 2004 bekam die Beklagte Zweifel hinsichtlich der in der Arbeitsbescheinigung vom 21.01.2002 bescheinigten Bruttoarbeitsentgelte des Klägers. Auf Nachfrage bestätigte die Firma B. + G. GmbH, dass die in der Arbeitsbescheinigung ausgedruckten Entgelte nicht Euro-, sondern DM-Beträge seien und übersandte unter dem 23.02.2004 eine korrigierte Arbeitsbescheinigung.
Im Rahmen der Anhörung wies der Kläger darauf hin, er habe stets richtige Angaben gemacht und sich wegen des Geldes keine Gedanken gemacht. Er habe angenommen, dass es unter Berücksichtigung der Steuerklasse stimmen würde. Wenn er weniger oder mehr bekommen hätte, hätte er es auch nicht bemerkt.
Mit Bescheid vom 14.05.2004/Widerspruchsbescheid vom 06.07.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.02.2002 bis 16.04.2002, 17.04.2002 bis 13.07.2002, 17.07.2002 bis 23.09.2003 und vom 01.12.2003 bis 29.01.2004 teilweise - nämlich in Höhe der Differenz zwischen dem bewilligten Alg auf der Grundlage eines Euro-Bruttoentgelts und eines zu beanspruchenden Alg auf der Grundlage eines DM-Bruttoentgelts - auf und forderte vom Kläger einen überzahlten Gesamtbetrag in Höhe von 7.486,46 EUR zurück.
Dagegen hat der Kläger am 29.07.2004 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er noch einmal darauf hingewiesen, dass er immer korrekte Angaben gemacht habe. Er habe dem jeweiligen Sachbearbeiter bei jedem Antrag die Verdienstbescheinigungen der letzten drei Monate vorgelegt. Die Beklagte habe daher sein tatsächliches Einkommen gekannt. Es sei hier im Rahmen der Sachbearbeitung nicht sorgfältig gearbeitet worden. Dies müsse sich die Beklagte selbst zurechnen lassen. Die Berechnung des Alg sei für ihn als Laien nicht nachvollziehbar. Er könne sich darauf verlassen, dass das Alg von dem entsprechenden Sachbearbeiter mit Fachkenntnissen richtig errechnet werde. Es sei auch nicht so, dass jeder wisse, dass das Alg deutlich geringer sei als das ehemalige Nettoeinkommen. Entsprechende Erläuterungen oder Merkblätter habe er, der der deutschen Sprache kaum mächtig sei, nicht auf griechisch erhalten. Es könne ihm maximal ein leicht fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Dieses werde durch die Kenntnis, die bei der Beklagten vorgelegen habe, relativiert bzw. egalisiert.
Mit Urteil vom 30.03.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei mindestens grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich seiner Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide vorzuwerfen. Bereits aufgrund der Höhe des geleisteten Alg hätte es sich ihm aufdrängen müssen, dass die Zahlung in dieser Höhe nicht richtig sein könne. Es sei ihm ohne weiteres möglich gewesen, anhand des Bewilligungsbescheides den wöchentlichen Leistungssatz von 250,18 EUR zu erkennen und mit dem bislang erzielten monatlichen Arbeitsentgelt zu vergleichen. Die Umrechnung des bis Ende 2001 noch in DM erzielten Verdienstes in Euro sei ihm möglich gewesen. Zudem habe ihm auch die Verdienstbescheinigung in Euro für den Monat Januar 2002 vorgelegen. Der Kläger habe Alg in Höhe von - auf den Monat umgerechnet - etwa 1.072,- EUR bezogen. Dies habe beinahe dem vorherigen Nettoverdienst von monatlich umgerechnet 1.118,- EUR entsprochen. Es könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass Lohnersatzleistungen der Beklagten nicht im Bereich des Nettoeinkommens lägen, sondern deutlich darunter. Dies ergebe sich auch aus dem Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Empfang der Kläger bestätigt habe. Auf mangelnde Sprachkenntnisse könne sich ein Ausländer nicht berufen. Abgesehen davon hätte sich der Kläger von seiner Ehefrau, die Deutsche sei, helfen lassen können. Zudem habe der Kläger bereits 1995 Alg bezogen. Gegen die damalige Bewilligung, die ja aus seiner Sicht zu niedrig gewesen sein müsse, habe er sich nicht gewandt. Der Einfluss der Steuerklasse ergebe sich ebenfalls aus dem Merkblatt. Auch bezüglich der Weiterbewilligungen des Alg habe beim Kläger grobe Fahrlässigkeit vorgelegen. Denn die Leistungshöhe sei nahezu unverändert gewesen, so dass sich auch hier die Rechtswidrigkeit geradezu habe aufdrängen müssen. Dass der Kläger selbst richtige Angaben gemacht habe, schließe grobe Fahrlässigkeit nicht aus. Dasselbe gelte auch im Zusammenhang damit, dass die Beklagte einen Fehler bei der Berechnung des Alg gemacht habe. Ein Fehlverhalten der Beklagten könne nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung eine Rolle spielen. Einen Ermessensspielraum habe die Beklagte im Hinblick auf die Rückforderung jedoch nicht. Die Beklagte habe auch die Jahresfrist für die Rücknahme eingehalten. Der Einwand der Entreicherung gegenüber dem Erstattungsanspruch nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei nicht möglich.
Gegen die am 30.06.2006 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 31.07.2006, einem Montag, Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens vertritt er die Ansicht, dass ihm, der der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei, ein Merkblatt in griechischer Sprache hätte ausgehändigt werden müssen. Ohne ein solches Merkblatt habe er über keine Unterlagen verfügt, aus denen er sich ein eigenes Bild über die Bemessungs- und Berechnungsgrundlage hätte machen können. Dies gelte auch im Hinblick auf die Steuerklasse. Auch insoweit sei für ihn nicht erkennbar gewesen, wie sich diese auf das Alg auswirke. Soweit auf die frühere Arbeitslosigkeit Bezug genommen werde, sei für ihn als rechtlichen Laien nicht erkennbar, ob sich im Laufe der Zeit rechtliche Änderungen ergeben hätten. Des weiteren sei aufgrund der zum Jahreswechsel erfolgten Währungsumstellung zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er sich wie jeder andere auch mit der Erfassung des Betrags schwergetan habe. Im Übrigen sei ihm in Anwesenheit seiner Ehefrau von dem Sachbearbeiter der Beklagten, Herr E., am 26.03.2002 bestätigt worden, dass das Alg zutreffend berechnet sei. Er habe diesbezüglich nachgefragt, weil es ihm zu hoch erschienen sei. Dass Herr E. mit der Leistungsbewilligung und der Ermittlung der Höhe des Alg nichts zu tun habe, sei ihm nicht bekannt gewesen. Herr E. sei ihm bei der Abgabe des Antragsformulars als der in Zukunft zuständige Sachbearbeiter genannt worden. Die Arbeitsbescheinigung der Firma B. + G. sei weder ihm noch seiner Ehefrau bekannt. Da die Beklagte mit der Firma im Kontakt gestanden habe, sei davon auszugehen, dass die Arbeitsbescheinigung von der Firma an die Beklagte übermittelt worden sei. Dass er die Arbeitsbescheinigung eingereicht habe, könne auch nicht aus der Tatsache gefolgert werden, dass sie keinen Eingangsstempel der Beklagten trage. Im Übrigen habe er bzw. seine Ehefrau neben dem Antrag auf Alg ein weiteres Formular ausgefüllt, in dem er sein bisheriges Gehalt in DM angegeben habe. Ein Verschulden treffe ihn nicht.
Schreiben des Senats an den früheren Arbeitgeber des Klägers wegen der von diesem ausgestellten Arbeitsbescheinigung kamen als unzustellbar zurück.
Die Berichterstatterin des Senats hat die Zeugin A. M., die Ehefrau des Klägers, am 17.10.2008 als Zeugin gehört. Sie hat unter anderem angegeben, dass sie die Arbeitsbescheinigung der Firma B. + G. GmbH nicht kenne. Bei dem Termin am 26.03.2002, bei dem es eigentlich um die Jobvermittlung gegangen sei, habe ihr Ehemann den Sachbearbeiter Herrn E. gefragt, ob der errechnete Betrag korrekt sei. Hierauf habe Herr E. geantwortet, sie würden ihren Job kennen. Er wisse, was er tue. Sie sei sowohl bei der Antragstellung als auch bei dem Gespräch am 26.03.2002 dabei gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. März 2006 und den Bescheid vom 14. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Juli 2004 aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte trägt vor, fehlende Sprachkenntnisse und ihr Mitverschulden änderten am Vorliegen von grober Fahrlässigkeit nichts. Sie sei davon überzeugt sei, dass die Arbeitsbescheinigung der Firma B. + G. GmbH vom 21.01.2002 dem Kläger ausgehändigt oder zugesandt worden sei. Dies ergebe sich aus der im Adressfeld genannten Anschrift des Klägers, dem fehlenden Posteingangsstempel auf der Bescheinigung und dem zeitlichen Ablauf. Gegenstand der Vorsprache am 26.03.2002 sei die Arbeitssuche in Griechenland gewesen. Die Ehefrau des Klägers sei bei diesem Gespräch ausweislich des BewA-Vermerks nicht mit dabei gewesen. Bezweifelt werde, dass Herr E. die angeblich geäußerten Bedenken des Klägers bezüglich der Korrektheit des Bescheides deutlich zurückgewiesen habe. Herr E. sei Arbeitsvermittler und kein Sachbearbeiter. Die Arbeitsvermittler verwiesen stets an die zuständigen Mitarbeiter der Fachbereiche. Der genaue Gegenstand der Gespräche mit Herrn E. werden sich aufgrund Zeitablaufs jedoch nicht mehr ermitteln lassen. Dies habe der Kläger zu verantworten, da er seine Einwände nicht früher ins Verfahren eingebracht habe. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Kläger von den unzutreffenden Eintragungen in der Arbeitsbescheinigung hätte Kenntnis nehmen können. Es deute auch nichts darauf hin, dass er den Bewilligungsbescheid in erforderlicher Weise zur Kenntnis genommen habe. Dieses Verhalten sei grob fahrlässig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von Alg teilweise aufgehoben und überzahlte Leistungen in einem Umfang von 7.486,46 EUR zurückgefordert.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Behördenentscheidung ist § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Vorschrift darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nach Unanfechtbarkeit, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X schließt die Rücknahme aus, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Letzteres ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X allerdings dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, ist der Verwaltungsakt abweichend von den allgemeinen Regelungen zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) Bei der Rücknahme sind die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X zu beachten.
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Beklagte zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die zugunsten des Klägers erfolgte Bewilligung von Alg in dem von ihr geltend gemachten Umfang von Beginn an rechtswidrig war. Das hier streitige Alg hätte nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 164,15 EUR bzw. 162,61 EUR bzw. 167,23 EUR anstelle von 250,18 EUR bzw. 246,82 EUR bzw. 262,71 EUR gezahlt werden müssen. Der Ansatz des höheren Bemessungsentgelts ist dadurch zustande gekommen, dass der frühere Arbeitgeber des Klägers in der Arbeitsbescheinigung - fehlerhaft - keine Umrechnung des DM-Betrags in Euro vorgenommen hat. Darüber hinaus ist die dementsprechende Rücknahmeentscheidung auch fristgerecht erfolgt. Dies hat das SG im Urteil vom 30.03.2006 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Wie das SG ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise entschieden hat, weshalb auch insoweit auf die Entscheidungsgründe verwiesen wird, steht der Teilrücknahme der Bewilligung von Alg für die Zeiten vom 01.02.2002 bis 16.04.2002, 17.04.2002 bis 13.07.2002, 17.07.2002 bis 23.09.2003 und vom 01.12.2003 bis 29.01.2004 auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Bestand der Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 21.02.2002, 16.04.2002, 24.07.2002, 13.01.2003 und 08.01.2004 entgegen. Der Kläger vermag sich auf den von ihm geltend gemachten Vertrauensschutzes nicht zu berufen. Denn er hat die Rechtswidrigkeit der genannten Bewilligungsbescheide zumindest grob fahrlässig verkannt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X setzt nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Legaldefinition voraus, dass der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn die in der fraglichen Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und daher nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff). In subjektiver Hinsicht ist ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Der Versicherte muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem Maße verletzt haben. Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Dabei besteht zu Lasten des durch einen Verwaltungsakt Begünstigten die aus dem Sozialrechtsverhältnis herzuleitende Obliegenheit, den erteilten Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R - in SozR 3-1300 § 45 Nr. 45; von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, Rn. 24 zu § 45).
In Ansehung dessen beruhte die Unkenntnis des Klägers von der teilweisen Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung von Alg im Anschluss an seine am 01.02.2002 eingetretene Arbeitslosigkeit auf einer besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung. Dem Kläger musste sich bei Erhalt der Bewilligungsbescheide schon angesichts des überhöhten wöchentlichen Bemessungsentgelts aufdrängen, dass die bewilligten Leistungen fehlerhaft zu hoch berechnet waren. Ihm war, wie das SG in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, ohne weiteres möglich, bereits anhand des ersten Bewilligungsbescheides vom 21.02.2002 den wöchentlichen Leistungssatz von 250,18 EUR und das gerundete wöchentliche Bemesssungsentgelt von 1.025 EUR zu erkennen und zumindest mit dem im Januar 2002 erzielten monatlichen Nettoarbeitsentgelt in Euro zu vergleichen. Insoweit war nicht einmal eine Umrechnung von DM in Euro erforderlich. Hieraus ergab sich für ihn, dass sein Alg nahezu dem vorherigen Nettoverdienst entsprach. Dass dies nicht richtig sein kann, folgt nicht nur aus dem Merkblatt 1. Vielmehr ist allgemein bekannt, dass Lohnersatzleistungen nicht im Bereich des Nettoeinkommens angesiedelt sind. Dass dies dem Kläger bekannt gewesen sein muss, ergibt sich auch aus der Tatsache des Bezugs von Alg in der Vergangenheit. Zwar lag dieser Alg-Bezug im Jahr 2002 bereits sieben Jahre zurück. Dass in diesen sieben Jahren jedoch die Lohnersatzleistungen nicht auf die Höhe des bisherigen Nettoarbeitsentgelts angehoben worden sind, muss auch dem Kläger bekannt gewesen sein.
Dahingestellt bleiben kann, ob durch eine Nachfrage des Klägers bei Herrn E. wegen der Rechtmäßigkeit der Zahlung der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfallen wäre. Denn eine Nachfrage, für die der Kläger die Beweislast trägt, ist nicht nachgewiesen. In den Akten findet sich hierüber kein Nachweis. Der BewA-Vermerk über die Vorsprache des Klägers am 26.03.2002 befasst sich nur mit der beabsichtigten Rückkehr des Klägers in sein Heimatland. Die weiteren BewA-Vermerke enthalten ebenfalls keine Angaben über eine Rückfrage des Klägers wegen der Höhe des Alg. Auch die Gesamtumstände sprechen nach Auffassung des Senats gegen eine Nachfrage. Zu beachten ist insoweit insbesondere die Antwort des Klägers im Rahmen der Anhörung. Bei dieser hat der Kläger am 05.04.2004 angegeben, er habe sich "wegen des Geldes keine Gedanken gemacht. Wenn ich weniger oder mehr bekommen hätte, würde ich es auch nicht merken". Diese erste Äußerung spricht eindeutig gegen eine Rückfrage. Der Kläger ging nach seinem damaligen Vortrag davon aus, dass alles seine Richtigkeit hat. Eine Nachfrage erübrigte sich deshalb. Im Übrigen hätte es, wenn eine Nachfrage stattgefunden hätte, nahe gelegen, sofort hierauf hinzuweisen und diesen Vortrag nicht erstmals im Berufungsverfahren zu machen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die als Zeugin gehörte Ehefrau des Klägers, A. M., eine Nachfrage bei dem Sachbearbeiter E. am 26.03.2002 bestätigt hat. Dass die Zeugin den Kläger bei diesem Termin begleitet hat, geht aus dem BewA-Vermerk nicht hervor. Wie sich aus dem BewA-Vermerk über den Kontakt mit dem Kläger am 23.07.2002 ergibt, wurde die Anwesenheit der Ehefrau von dem Sachbearbeiter E. grundsätzlich vermerkt. Angesichts dessen bestehen Zweifel daran, dass die Klägerin am 26.03.2002 bei der Vorsprache tatsächlich mit dabei war, so dass auf der Grundlage ihrer Aussage die Nachfrage nicht nachgewiesen ist.
Abweichendes gilt auch nicht mit Blick auf die dem ersten Bewilligungsbescheid vom 21.02.2002 nachfolgenden Bescheide. Bei dem Bescheid vom 24.07.2002 handelte es sich um einen bloßen Wiederbewilligungsbescheid nach der Rückkehr aus Griechenland. Eine erneute Prüfung des Leistungsanspruchs durch die Beklagte erfolgte hierdurch auch für den Kläger ersichtlich nicht. Ebenso verhält es sich mit dem Änderungsbescheid vom 13.01.2003. Denn dieser Bescheid betraf allein die Anpassung der Leistungen an die Leistungsentgeltverordnung 2003; eine erneute Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Leistungsmerkmale lag auch diesem Bescheid - ohne weiteres ersichtlich - nicht zu Grunde (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 05.04.2006 - L 3 AL 1948/05 -). Eine grobe Fahrlässigkeit ist auch nicht unter Berücksichtigung des Bescheids vom 08.01.2004 zu verneinen. Zwar handelte es sich hier nicht um eine bloße Wiederbewilligung auf Grund der bisherigen Beschäftigung oder Anpassung einer bereits erfolgten Leistungsbewilligung, sondern um eine im Anschluss an ein erneutes Beschäftigungsverhältnis erfolgte Wiederbewilligung von Alg für die Zeit ab 01.12.2003. Der Kläger durfte und konnte auch bei Erlass dieses Bescheids jedoch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte den Berechnungsfehler entdeckt und ihn nicht mehr wiederholt. Denn es handelte sich hier um keinen Fehler der Beklagten. Die Beklagte hat auf der Grundlage der ihr bekannten Arbeitsbescheinigung das Alg richtig berechnet. Dass die Arbeitsbescheinigung falsch war, hat die Beklagte (auch) bei Erlass des Bescheids vom 08.01.2004 nicht gewusst. Im Gegensatz dazu war dem Kläger dieser Fehler der Firma B. + G. GmbH in der Arbeitsbescheinigung jedoch bekannt oder hätte ihm zumindest bekannt sein müssen. Der Kläger bestreitet zwar, dass er selbst die fehlerhafte Arbeitsbescheinigung der Beklagten vorgelegt hat. Bestätigt wird dies auch von seiner Ehefrau A. M ... Nach dem sich aus der Akte ergebenden Verwaltungsablauf ergeben sich hier aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Arbeitsbescheinigung von der Firma B. + G. angefordert hat bzw. dass die Firma B. + G. GmbH diese Arbeitsbescheinigung der Beklagten direkt vorgelegt hat. Vielmehr findet sich auf der Arbeitsbescheinigung nur die Adresse des Klägers. Sie war an den Kläger gerichtet. Der Kläger war bei der Arbeitslosmeldung auch dazu aufgefordert worden, die Arbeitsbescheinigung vorzulegen. Dies entspricht dem normalen Ablauf. Als der Kläger einen ersten Abgabeversuch am 29.01.2002 machte, wurde nur vermerkt, dass er noch die Kündigung und den arbeitsgerichtlichen Vergleich vorlegen müsse. Die Arbeitsbescheinigung wurde nicht angemahnt. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Arbeitsbescheinigung bereits abgegeben hatte. Ende Januar/Anfang Februar 2002 stand die Beklagte auch noch nicht in Kontakt mit der Arbeitgeberin. Die Beklagte hat sich erst im weiteren Verlauf an die Arbeitgeberin gewandt, worauf ihr diese - wie sich aus den jeweiligen Kopfzeilen der Blätter (Bl. 6-9, 18 der Verwaltungsakte) ergibt - das Kündigungsschreiben und die vorangegangenen Abmahnungen per Fax am 19.02.2002 übersandte. Aus dieser Arbeitsbescheinigung, die demzufolge vom Kläger der Beklagten vorgelegt wurde, ergibt sich, dass die Arbeitgeberin die Bruttoarbeitsentgelte des Klägers im Jahr 2001 anstelle in DM in Euro angegeben hat. Diesen Fehler, der im Bereich der Tatsachenermittlung liegt, hätte der Kläger ohne weiteres erkennen können. Ein Antragsteller dürfte zwar nicht gehalten sein, eine Arbeitsbescheinigung des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Er hat jedoch die von ihm beizubringenden Unterlagen daraufhin zu überprüfen, ob sie vollständig sind. Bei der Durchsicht und Überprüfung, ob der Verdienst eingetragen ist, hätte ihm ohne weiteres auffallen können und müssen, dass das Bruttoarbeitsentgelt (auch) im Jahr 2001 in Euro- und nicht in DM-Beträgen angegeben worden ist, dies insbesondere auch deshalb, weil er nach seinem Vortrag im Übrigen weitere richtige Verdienstbescheinigungen vorgelegt hat. Damit ist dem Kläger weiterhin der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu machen.
Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht deshalb, weil der Kläger dem Arbeitsvermittler nach seinem Vortrag jeweils Verdienstbescheinigungen vorgelegt hat. Die Arbeitsvermittlung ist von der Leistungsabteilung zu trennen. Die dort vorgelegten Verdienstbescheinigungen dienten lediglich dazu, zu überprüfen, ob eine Arbeitsstelle und die dortigen Verdienstmöglichkeit für den Kläger zumutbar ist. Für die Berechnung des Alg waren die Verdienstbescheinigungen nicht maßgebend. Die Leistungsabteilung, die für die Berechnung Bewilligung des Alg zuständig war, orientierte sich allein an der vom Kläger vorgelegten Arbeitsbescheinigung der Arbeitgeberin.
Vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil der Kläger nur unzureichend deutsch spricht. Fehlende Sprachkenntnisse hindern das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nicht. Es trifft die der deutschen Sprache nicht ausreichend Kundigen, worauf auch das SG nicht zu beanstandender Weise hingewiesen hat, die Pflicht, sich ggf. Klarheit zu verschaffen (BSG, Urteil vom 24.04.1997 - 11 RAr 89)96 - in juris.de). Dies war beim Kläger auch ohne weiteres möglich, nachdem seine Ehefrau Deutsche ist.
Der gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Betrag von insgesamt 7.486,46 EUR ist zutreffend errechnet. Auf Verbrauch der Leistung oder Fähigkeit zur Erstattung kommt es vorliegend nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen, da der Frage, ob und inwieweit den Arbeitslosen eine Pflicht zur Überprüfung der Arbeitsbescheinigung trifft und deren Nichtbefolgung den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X begründet, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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