S 12 KA 98/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 98/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 44/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Tätigkeitsschwerpunkte im Bereich der Endodontie und der Füllungstherapie stellen keine Praxisbesonderheit einer vertragszahnärztlichen Praxis dar. Bei diesen Gebieten handelt es sich um das typische Leistungsspektrum einer zahnärztlichen Praxis.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwertes in den vier Quartalen I bis IV/02 in Höhe von insgesamt 14.408,82 Euro.

Die Klägerin ist seit Januar 2001 als Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

In den Quartalen I bis IV/02 ergaben sich folgende Abrechnungswerte der Klägerin (in nachfolgender Tabelle abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG):

Quartal Fallzahl Pkte. pro Fall Mehrkosten pro Fall in Pkte. In %
I/2002 VZA- 223 125 45 56,3 VG- 464 80
II/2002 VZA- 194 125 48 62,3 VG- 475 77
III/2002 VZA- 192 128 51 66,2 VG- 457 77
IV/2002 VZA- 240 126 56 80,0 VG- 544 70

Der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen - Hessen – führte für die Quartale I bis IV/05 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bzgl. der konservierenden-chirurgischen Leistungen durch. Der Prüfungsausschuss lud die Klägerin zu einer Prüfsitzung, an der sie teilnahm.

Mit Bescheid vom 22.05.2003, der Klägerin am 16.10.2005 zugestellt, setzte der Prüfungsausschuss II für die streitbefangenen Quartale eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 8.851,77 EUR fest. Er kürzte den Gesamtfallwert auf das 1,5-fache des Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm er folgende Honorarreduzierungen vor:
I/05 um 966,01 EUR
II/05 um 1.516,10 EUR
III/05 um 1.996,67 EUR
IV/05 um 4.372,99 EUR

Hiergegen legte die Klägerin am 22.10.2003 und die Beigeladenen zu 2) bis 8) am 05.11.2003 Widerspruch ein.

Zur Begründung ihres Widerspruchs trug die Klägerin vor, ihre Praxis weise unterdurchschnittliche Scheinzahlen auf. Zwar sei bei Erreichen von 20% der durchschnittlichen Scheinzahl grundsätzlich eine statistische Vergleichsprüfung möglich, die auftretenden Unwägbarkeiten seien jedoch durch zu gewährende Toleranzen auszugleichen. Bei niedrigen Fallzahlen fehlten die "Verdünnerscheine" und würden viele Leistungen in einem kurzen Zeitraum pro Behandlungsfall abgerechnet werden. Der Sanierungsbedarf eines Durchschnittspatienten werde in der Durchschnittspraxis nicht in jedem Quartal abgearbeitet. Die Streckung der Behandlungsfälle über mehrere Quartale finde nicht statt. Die Kosten pro Patient erhöhten sich dann. Sie habe in den streitbefangenen Quartalen 52%, 59%, 58% bzw. 46% weniger Behandlungsfälle als der Durchschnitt. Es handele sich bei ihr auch um eine Praxisneugründerin. Sie habe zwar zum 01.01.2001 eine bestehende Praxis des Vertragszahnarztes Dr. L übernommen. Es handele sich jedoch um eine neue Praxis, was nicht zuletzt an den stark erhöhten diagnostischen Leistungen ablesbar sei. Bei Neugründern würden gerade in den ersten Quartalen hohe Überschreitungswerte zum Fachgruppendurchschnitt vorliegen. Der Prüfungsausschuss habe auch gegen seine Beratungspflicht aus § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V verstoßen. Es lägen auch entscheidungsrelevante Besonderheiten vor. Es handele sich um eine sehr junge Praxis mit stark unterdurchschnittlichen Fallzahlen. Das Klientel der Praxis werde vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es überwiegend jung und aufgrund der Praxisneugründung für sie unbekannt sei. Zudem lägen Tätigkeitsschwerpunkte im Bereich der Endodontie und der Füllungstherapie vor. Dies führe dazu, dass die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis zuzüglich hoher Toleranzen festzulegen sei. Nicht berücksichtigt worden sei, dass sie eine überdurchschnittliche Zahl an PAR-Fällen aufweise. Zwar bewegten sich die absoluten Zahlen unter dem Fachgruppendurchschnitt. Es müsse jedoch ihre unterdurchschnittliche Fallzahl berücksichtigt werden. Sie behandle ca. 2,07 PA-Fälle gegenüber 1,18 PA-Fälle auf 100 Behandlungsfälle des Fachgruppendurchschnitts. Die Begleitleistungen könnten nicht Gegenstand eines statistischen Kostenvergleichs werden. Unberücksichtigt geblieben seien noch die deutlichen Minderaufwendungen im Bereich ZE-Behandlungen. Sie weise je 100 Behandlungsfälle durchschnittlich ca. 4,7 ZE-Fälle gegenüber 14,2 ZE-Fälle des Fachgruppendurchschnitts auf. Die hierdurch entstandenen Einsparungen hätten im Rahmen der Ausübungen des Kürzungsermessens zwingend berücksichtigt werden müssen. Die Ausführungen bezüglich der Einzelziffern seien unbegründet, es fehle eine Bezugnahme zu konkreten Fällen. Soweit die Leistungen nach Nr. 25 und 26 lege artis erbracht worden seien, seien sie herauszurechnen gewesen. Gleiches gelte für den Röntgenbereich, speziell für die Leistungsziffer Ä925d.

Der Beklagte führte eine weitere Prüfsitzung durch, an der die Klägerin mit ihrer Prozessbevollmächtigten teilnahm.

Mit Beschluss vom 24.10.2007, ausgefertigt am 05.03.2008 und der Klägerin am 06.03.2008 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und gab dem Widerspruch der Beigeladenen zu 2) bis 8) statt. Er setzte eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 14.533,81 EUR fest, die er unter Berücksichtigung der HVM-Einbehalte auf 14.408,82 EUR reduzierte. Zur Begründung führte er aus, er habe einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Hierfür sei die Fallzahl der Klägerin ausreichend. Die Grenze zur unwirtschaftlichen Behandlungsweise sehe man im Bereich des Gesamtfallwertes bei einer Überschreitung von 40 %. Die Abrechnungswerte der Klägerin legten daher eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nahe. Um sich ein Bild über die Behandlungs- und Vorgehensweise der Klägerin zu machen, habe er nach Durchsicht aller Behandlungsfälle sowie die im Vorfeld der Sitzung gesandten digitalen Aufnahmen durch den Berichterstatter in der Sitzung eine exemplarische Auswahl einer eingehenden Überprüfung unterzogen. In mehreren Fällen hätten die elektronischen Eintragungen nicht mit den Eintragungen auf dem Abrechnungsschein übereingestimmt. Die ärztlichen Aufzeichnungen hätte keine Dokumentation der Röntgenbefunde enthalten. Die auf dem Abrechnungsschein angegebene Röntgenbegründung habe häufig nicht mit den tatsächlichen Behandlungsmaßnahmen im Einklang gestanden. Oftmals seien vor der Leistung nach Nr. 01 (U) die Position Ä1 (Ber) abgerechnet worden. Die selektive Vorgehensweise im Bereich der Vitalitätsprüfungen (Nr. 8) sei für den Ausschuss nicht mit einer wirtschaftlichen Behandlungsweise in Einklang zu bringen. Neben der Gebühr für eine Sonderleistung könne die Nr. Ä1 (Ber) nur im Zusammenhang mit der ersten Sonderleistung im Behandlungsfall abgerechnet werden. Es gehöre zu einer rationellen und wirtschaftlichen Behandlungsweise, dass eine notwendige Prüfung mehrerer Zähne in einer Sitzung vorgenommen und nicht auf mehrere Sitzungen verteilt werde. Röntgenologisch seien oftmals lediglich 1 bis 2 Zähne dargestellt worden, anstatt mit einer Röntgenaufnahme 3 Zähne zu erfassen. Weitere Abrechnungsfälle zeigten eine unwirtschaftliche Vorgehensweise. Die Leistungen nach den Nr. 12 (bMF) und 49 (Exc1) im Zusammenhang mit Zahnersatzmaßnahmen würden häufig kombiniert abgerechnet werden. Diese Vorgehensweise sei zwar im Ausnahmefalle möglich, insbesondere sei hier jedoch zu beachten, dass es sich bei diesen Leistungen um therapeutisch artverwandte Leistungen handele und deren gleichzeitige Abrechnung nur in Ausnahmefällen notwendig medizinisch sinnvoll erscheine. Die Leistung nach Nr. 12 sei auch im Zusammenhang mit okklusalen Füllungen zur Abrechnung gelangt, was weder mit den Vertragsbestimmungen noch medizinisch kausal in Übereinstimmung zu bringen sei. Die Berechnung der Leistung nach Nr. 12 im Zusammenhang mit den Nrn. 18, 20 und 91 für das Verdrängen des Zahnfleisches zum Zwecke der Abformung, z. B. mittels Retraktionsringen oder –fäden sei nicht möglich. Die Klägerin verwende bei Füllungen kein Amalgam. Intakte Amalgamfüllungen im Seitenzahnbereich seien durch Compositefüllungen ausgetauscht worden. Das Anlegen von Spanngummi (Nr. 12) werde in der Regel mit zur Abrechnung gebracht, obwohl die Gebührenposition bei der Verwendung von Composites in die private Mehrkostenregelung falle. Auch läge die Vermutung nahe, dass einige Patienten auf Grund ihrer finanziellen Situation zur Weiterbehandlung nicht mehr erschienen seien, jedoch andererseits kariöse Defekte unversorgt geblieben seien. Anhand der vorgelegten Röntgenaufnahmen seien die angegebenen Füllungen teilweise nicht nachvollziehbar gewesen. Teilweise hätten die ärztlichen Aufzeichnungen entgegen dem vorliegenden Behandlungsschein anderslautende Füllungsflächen enthalten. Ferner gelangten mehrflächige Füllungen zur Abrechnung, obwohl in kurzem zeitlichen Abstand eine Zahnersatzversorgung erfolgt sei. Es bestünden deshalb erhebliche Zweifel an der Notwendigkeit aller abgerechneten Füllungsleistungen. Die Nr. Ä167 umfasse die Entfernung eines oberflächlichen unter der Haut der Schleimhaut gelegenen fühlbaren Fremdkörpers. Es seien die vertraglichen Bestimmungen dieser Leistungen nicht hinreichend beachtet worden. Besonderheiten seien aus der Dokumentation der Vertragsärztin nicht hervorgegangen. Die Leistung nach Nr. 10 (üZ) sei auch im Zusammenhang mit der Zahnsteinentfernung in einer Sitzung abgerechnet worden. Die Klägerin habe hierzu ausgeführt, dass eine prophylaktische Fluoridierung mit Elmex Fluid nach der Zahnsteinentfernung durchgeführt worden sei. Die prophylaktische Behandlung sei in den Vertragsbestimmungen nicht enthalten und somit nicht abrechenbar. Wünsche ein Patient eine Anästhesie, welche medizinisch nicht notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sei, so könne diese nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen berechnet werden. Bei der exemplarischen Überprüfung der Behandlungsfälle habe sich herauskristallisiert im Gegensatz zu den Erkenntnissen des Prüfungsausschusses, dass die Ausgestaltung des behandlerischen Vorgehens in ganz wesentlichen Elementen nicht mit dem Gebot einer kassenwirtschaftlichen Tätigkeit konform gehe. Durch ein gezielteres und differenzierteres Vorgehen in der Behandlungsweise ließen sich Einsparungen erzielen, ohne dass dabei die Effizienz der Behandlung und/oder die zahnärztliche Sorgfaltspflicht verletzt würde. Die Vorgehensweise der Klägerin habe sowohl unter dem Gesichtspunkt der Systematik als auch vom Umfang her nicht mit dem Gebot einer wirtschaftlichen Behandlungsweise als vereinbar angesehen werden können. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Praxisbesonderheiten sowie kompensatorischer Einsparungen seien nicht ersichtlich. Die gesonderte Berücksichtigung eines diagnostischen Anfangsbedarfs sei nicht möglich gewesen, da dies im zahnmedizinischen Bereich ohnehin allenfalls eingeschränkt vorliege. Im Übrigen handele es sich nicht um eine Anfängerpraxis, sondern um eine Praxisübernahme. Die Prüfquartale hätten bereits das 5. – 8. vollständige Quartal nach Niederlassung betroffen. Gerade bei den diagnostischen Leistungen im Rahmen der Belegprüfung habe der Ausschuss den Eindruck einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise gewonnen. Die von der Klägerin geltend gemachten Behandlungsschwerpunkte im Bereich der Endodontie und Füllungstherapie gehörten zum typischen Behandlungsspektrum einer Zahnarztpraxis. Das Argument einer schnelleren Durchsanierung könne nur dann Bedeutung erlangen, sofern ein erhöhter Sanierungsbedarf zu verzeichnen sei. Dieser habe nicht festgestellt werden können. Auch sei jede zahnärztliche Praxis darauf ausgerichtet, eine zügige Therapie durchzuführen. Ferner weise Hessen einen guten vertragszahnärztlichen Versorgungsstandard auf. Die Leistungen müssten auch indikationsbezogen erfolgen und auch alle anderen hessischen Zahnärzte würden zahnerhaltend tätig werden. Die gelte insbesondere auch deshalb, weil die Zahnerhaltung schon seit Jahren zu dem zahnmedizinischen Standard gehöre. Das Fehlen sog. Verdünnerscheine habe nicht bestätigt werden können. Die Belegfallprüfung habe auch Behandlungsfälle gezeigt, bei denen bei fortgesetzter Behandlung in den Folgequartalen oft nur ein geringer Behandlungsbedarf bestanden habe. Eine Besonderheit wegen der PAR-Behandlung sei nicht anzuerkennen. Fast alle PAR-Fälle gingen auch als Behandlungsfälle in die Statistik der konservierend-chirurgischen Behandlung ein. Begleitleistungen führten auch nicht notwendig zu erhöhten durchschnittlichen Kosten. Einsparungen im Zahnersatzbereich seien nicht zu berücksichtigen, da davon auszugehen sei, dass auch alle anderen Zahnärzte nur dann von einer konservierenden Versorgung eines Zahnes absähen, wenn die Erhaltungsfähigkeit nicht mehr gegeben sei. Im Ergebnis hätten keine Praxisbesonderheiten sowie kompensatorische Einsparungen, die geeignet gewesen wären, den ausgewiesenen Mehraufwand zu rechtfertigen, anhand der vorliegenden Behandlungsscheine sowie den statistisch erfassten Abrechnungszahlen festgestellt werden können. Er halte nach allem eine nachhaltigere Kürzung auf den 1,4-fachen hessischen Vergleichswert für erforderlich. Soweit eine Beratung reklamiert werde, übersehe die Klägerin, dass sie seit 2002 nahezu regelmäßig in Prüfverfahren involviert gewesen sei. Bei Abrechnungsüberschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses sei eine gezielte Beratung keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Kürzungsbescheides.

Hiergegen hat die Klägerin am 19.03.2008 die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend zu ihrem Widerspruchsvorbringen vor, der Beklagte verkenne die Reichweite der notwendigen intellektuellen Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die von ihr geltend gemachten Praxisbesonderheiten sowie kompensatorischen Einsparungen seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Sie habe ihren Leistungsschwerpunkt auf die endodontische und füllungstherapeutische Behandlung gelegt und dadurch deutliche Minderaufwendungen bei der Extraktion und den prothetischen Leistungen gehabt. Die Prüfgremien müssten sich auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auseinandersetzen. Es werde verkannt, dass sie eine Berufsanfängerin sei. Es sei auch eine Beratung vor Kürzung angezeigt. Eine Praxisbesonderheit komme auf Grund einer Spezialisierung in Betracht. Der Beklagte habe auch anhand von nur 6 Patienten eine große Anzahl fachlich nicht nachvollziehbarer Behandlungsabläufe festgestellt. Dies sei nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 05.03.2008 den Beklagten zu verurteilen, über ihren Widerspruch erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Beschluss. Ergänzend führt er aus, endodontische und füllungstherapeutische Maßnahmen gehörten zum typischen Behandlungsspektrum einer Zahnarztpraxis. Es sei nicht ersichtlich, dass hierin eine Praxisbesonderheit liegen könnte. Praxisbesonderheiten ergäben sich stets aus der Morbidität des Klientels. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das Patientengut der Klägerin in starkem Maße behandlungsbedürftiger sei als das Klientel der Vergleichsgruppe. Er habe einen statistischen Kostenvergleich durchgeführt. Dessen Ergebnis sei lediglich auf Grund der Einzelfallbetrachtung zu bestätigen gewesen. Er habe daher nicht von 6 Behandlungsfällen auf die Wirtschaftlichkeit geschlossen. Es handele sich nicht um eine Anfängerpraxis, sondern um eine Praxisübernahme.

Die Beigeladenen zu 2) bis 6) und 8) beantragen übereinstimmend,
die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen. Die übrigen Beteiligten haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 20.03.2008 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 1) und 7) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 05.03.2008 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.05.2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Klage war daher abzuweisen.

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.

Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 3773).

Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urt. v. 16. Juli 2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, zitiert nach juris, Rdnr. 17 m. w. N.).

Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.1995 - Az: 6 RKa 37/93, BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106. Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund hat das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2000 - Az: B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urt. v. 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, aaO., juris Rdnr. 23).

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei den Zahnärzten um eine inhomogene Arztgruppe handeln könnte und deshalb Veranlassung bestünde, der Verwaltung eine Sachaufklärung in dieser Richtung aufzugeben. Berücksichtigt man, dass es auch in der Zahnheilkunde und den angrenzenden ärztlichen Bereichen besondere Fach(zahn)ärzte für Spezialgebiete gibt, die besondere Fachgruppen bilden (Fachzahnärzte für Kieferorthopädie, Gebietsärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie), und ein großer Teil der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen ist, so bleiben im Wesentlichen lediglich die in Teil 1 des Bema aufgeführten "konservierenden und chirurgischen Leistungen und Röntgenleistungen" als Prüfungsgegenstand übrig. Da ferner in der Zahnheilkunde generell die Erhaltung der Zähne vorrangiges Behandlungsziel ist, kann angenommen werden, dass die allgemeinen Zahnarztpraxen in etwa einen gleichen Behandlungsbedarf zu befriedigen haben (vgl. BSG, Urt. v. 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, SozR 2200 § 368n Nr. 48 = BSGE 62, 24 = SGb 1988, 549 = USK 87212, juris Rdnr. 20).

Ein statistischer Kostenvergleich kann dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, dass es die Ärzte der Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen. Zwar ist es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, dass der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so dass die Relation von behandlungsintensiven und weniger aufwändigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muss als bei großen. Eine in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben, dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional in die Höhe treiben Deshalb ist zu verlangen, dass der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Krankenkasse ist daher nur mit der Einschränkung zugelassen worden, dass diese mindestens 20 v. H. der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen. Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu beachten, sondern muss auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten Patienten besonders niedrig ist. Soweit seit 1995 die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft wird, hat dies zur Folge, dass die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr - wie zuvor - jeweils nur einen Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen spricht, dass dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen unter 500 liegen, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urt. v. 09.09.1998 - Az: B 6 KA 50/97 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 45 = NZS 1999, 310 = Breith 1999, 664 = USK 98174, juris Rdnr. 15 bis 19).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.

Der Beschluss ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Durch die Ladung zur mündlichen Verhandlung des Beklagten hat eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X).

Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Der Beklagte hat einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Er hat das Vorliegen eines sog. offensichtlichen Missverhältnisses dargelegt. Darüber hinaus hat er die Ergebnisse seiner Belegfallprüfung über mehrere Seiten offengelegt. Von daher ist der Bescheid ausreichend begründet.

Der Beklagte hat die Absetzungsfrist für den Bescheid von fünf Monaten eingehalten.

Auf die Dauer oder den Umfang der Erörterung einzelner Belegfälle kommt es nicht an. Bei einer statistischen Vergleichsprüfung kommt es auf die durchschnittlich für einen Belegfall zur Verfügung stehende Zeit nicht an, da diese Fälle nur exemplarisch aufgeführt werden, um sich über das Behandlungsverhalten des Zahnarztes ein Bild zu machen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.03.2007 – L 11 KA 25/05 – juris Rdnr. 26 = www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Der angefochtene Bescheid ist in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat den Kläger mit den Abrechnungswerten aller hessischen Vertragszahnärzte verglichen. Dies war nicht zu beanstanden, da der Kläger ebenfalls als Vertragszahnarzt zugelassen und als solcher tätig ist. Soweit der Beklage Honorarberichtigungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise vorgenommen hat, war nicht zu beanstanden, dass er vom Vorliegen eines sog. offensichtlichen Missverhältnisses bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes von 40 % ausging. Dies steht im Einklang mit der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG. Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Praxis des Klägers trotz geringerer Fallzahl mit der Vergleichsgruppe statistisch verglichen werden kann, da seine Praxis in allen streitbefangenen Quartalen für die Durchführung einer statistischen Vergleichsprüfung hinreichend groß war.

Nicht zu folgen vermochte die Kammer dem Einwand, die Beklagte habe die klägerischen Praxisbesonderheiten und kompensatorische Einsparungen nicht berücksichtigt. Solche sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Geringere Fallzahlen ermöglichen auch nicht ein "Durchsanieren" im Sinne einer Praxisbesonderheit. Eine Praxisbesonderheit liegt nur vor, wenn ein Patientengut zu behandeln ist, das einen im Vergleich zu den übrigen hessischen Zahnärzten wesentlich erhöhten Behandlungsbedarf hätte, wobei weiter zu unterstellen ist, dass es einer Praxis mit geringer Fallzahl möglich ist, diese Patienten sogleich, meist in einem Quartal zu behandeln. Nach Auffassung der fachkundig besetzten Kammer führt ein sog. "Durchsanieren" grundsätzlich nicht zu erhöhten Abrechnungswerten, da maßgeblich für den Umfang der notwendigen Behandlung ausschließlich der Befund bei den Patienten ist. Ein erhöhter Fallwert kann daher nur notwendig werden, wenn insgesamt die Patientenstruktur einer Praxis Patienten aufweist, die einer wesentlich umfangreicheren Behandlung als die Patienten der Vergleichsgruppe bedürfen. Der Kammer war nicht nachvollziehbar, weshalb gerade in der klägerischen Praxis, die bereits seit Januar 2001 am jetzigen Standort besteht, ein erhöhter Anteil sog. "sanierungsbedürftiger" Patienten hätte vorhanden gewesen sein sollen. Dies ist auch im Verfahren nicht näher dargelegt worden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.12.2005 – S 12 KA 48/05 – juris Rdnr. 42 = www.sozialgerichtsbarkeit.de; v. 07.12.2005 – S 12 KA 34/05 –; v. 13.09.2006 – S 12 KA 1166/05 – juris = www.sozialgerichtsbarkeit.de; v. 13.06.2007 - S 12 KA 770/06 - juris Rdnr. 38 = www.sozialgerichtsbarkeit.de; v. 05.12.2007– S 12 KA 197/07 – juris Rdnr. 35 = www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Behandlung schwerer Fälle stellt keine Praxisbesonderheit dar, da sie im durchschnittlichen Gesamtfallwert bereits enthalten ist (vgl. SG PR., Urt. v. 05.09.2007 – S 2 KA 434/06 – www.zahn-forum.de). Es ist nicht ersichtlich, weshalb Praxen mit geringeren Fallzahlen einen höheren Anteil an sog. schweren Fällen haben sollten als größere Praxen. Statistischen Zufälligkeiten wird mit der genannten Mindestfallzahl für einen statistischen Kostenvergleich und der Erstreckung des Prüfungszeitraums auf mehrere Quartale begegnet.

Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass Patienten sich in der Regel nicht in (zahn-)ärztliche Behandlung begeben, weil ihr sie bisher behandelnder (Zahn-)Arzt seine Praxis aufgegeben hat, sie deshalb eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes in Kauf nehmen und dass infolge dessen bei Aufnahme der Behandlung durch einen anderen (Zahn-)Arzt ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.03.2008 – L 11 KA 88/06 – juris Rdnr. 57). Dies gilt erst recht für die Übernahme einer Praxis. Die Kammer geht davon aus, dass auch die Behandlungsunterlagen übernommen wurden. Von daher war ihr nicht nachvollziehbar, dass aufgrund des Inhaberwechsels vermehr diagnostische Leistungen angefallen sein sollten.

Eine Praxisbesonderheit liegt auch nicht in den vorgetragenen Tätigkeitsschwerpunkten im Bereich der Endodontie und der Füllungstherapie vor. Bei diesen Gebieten handelt es sich um das typische Leistungsspektrum einer zahnärztlichen Praxis. Im Übrigen kommt es entscheidend auf das Krankheitsbild der Patientenschaft an. Klägerseits wird nicht nachvollziehbar dargelegt und belegt, dass aufgrund besonderer Fertigkeiten und Kenntnisse ein von der Vergleichsgruppe signifikant abweichendes Patientenklientel behandelt wird. Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden soll, durch die Arbeitsweise werde besonders zahnerhaltend gearbeitet, so kann hierdurch eine Praxisbesonderheit nicht nachgewiesen werden. Zahnerhaltung gehört seit langem zum zahnärztlichen Therapiestandard. Auch die Vergleichsgruppe ist einer zahnschonenden und zahnerhaltenden Behandlungsweise seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten verpflichtet (vgl. SG Marburg, Urt. v. 13.12.2006– S 12 KA 797/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 38). Allein aus dem auch in Relation zur Fallzahl geringeren Umfang von ZE-Leistungen kann nicht auf eine kompensatorische Ersparnis geschlossen werden. Extraktionen sind indikationsbezogen vorzunehmen unter Beachtung wirtschaftlicher Behandlungsgrundsätze. Soweit im Einzelfall die Beurteilung der Indikationslage umstritten sein kann, so wird dies im statistischen Kostenvergleich hinreichend durch den Toleranzbereich der sog. Streubreite und hier weiter der sog. Übergangszone bis zur Grenze zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit erfasst. Für die Vielzahl der Fälle ist aber von einer zahnmedizinisch eindeutigen Indikationslage auszugehen, so dass der Behandlungsumfang an zahnmedizinischen Standards ausgerichtet werden kann.

Die statistische Vergleichsprüfung beruht auf einer Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten bzw. der Einzelleistungspositionen des überprüften Arztes mit denen der Vergleichsgruppe nach Abschluss des jeweiligen Quartals und geht davon aus, dass die Vertragsärzte der gleichen Fachgruppe den gleichen medizinischen Standard anwenden. Bereits aus diesem Grunde kann ein Vertragszahnarzt nicht damit gehört werden, die Methode sei unanwendbar, weil die übrigen Vertragszahnärzte nicht lege artis behandelten. Aus dem gleichen Grunde kann auch eine Vergleichs- bzw. Gegenrechnung zu den ersparten Behandlungskosten in den Extraktionspositionen nicht durchgreifen. Ebenso wenig kann dieser Umstand als Praxisbesonderheit geltend gemacht werden, denn eine solche muss sich aus der Patientenklientel ergeben, nicht hingegen aus der Behandlungsmethode des jeweiligen Zahnarztes (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.04.2007 – L 11 KA 115/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Parodontose-Fälle bedeuteten keine Praxisbesonderheit für die Wirtschaftlichkeitsprüfung des konservierend-chirurgischen Behandlungsbereichs, der nicht Teil des parodontologischen Behandlungskomplexes ist, sondern nur im Rahmen einer Vorbehandlung zur Anwendung kommt. Im Rahmen der Vorbehandlung wird dieser Fall statistisch gleichfalls erfasst. Es gibt insofern keinen zahnmedizinischen Erfahrungssatz, das Patienten im Rahmen der Vorbehandlung regelmäßig eines höheren Sanierungsaufwands bedürften (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.12.2005 – S 12 KA 34/05; v. 13.06.2007 - S 12 KA 1080/06 -, Berufung anhängig LSG Hessen - L 4 KA 40/07 -). Soweit nach der Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Urt. v. 25.04.2007 – L 11 KA 5/05 – juris Rdnr. 25 = www.sozialgerichtsbarkeit.de) PAR-Behandlungen eine Praxisbesonderheit darstellen, da mit ihnen konservierend chirurgische Begleitleistungen einhergehen, die sich auf die Fallwerte auswirken, müssen diese Begleitleistungen nicht notwendig durch die PAR-Behandlungen entstanden sein; es ist daher Aufgabe des Vertragsarztes, der sich auf Praxisbesonderheiten beruft, darzulegen, welche der konservierend-chirurgischen Maßnahmen als Begleitleistungen zu den Parodontoseleistungen anzusehen und welche im Rahmen anderer Behandlungen angefallen sind.

Die Anerkennung einer Praxisbesonderheit wegen der Durchführung von PAR-Behandlungen bedarf daher nicht nur einer signifikant überdurchschnittlichen, also über 25 % über dem Durchschnitt liegenden Behandlungshäufigkeit, sondern auch des Nachweises seitens des Vertragszahnarztes, dass die Begleitleistungen vermehrt zu überdurchschnittlichen Behandlungsfällen geführt hätten. Hieran fehlt es. Klägerseits wurden in den noch streitbefangenen Quartalen I bis IV/02 3, 8, 3 und 3 PAR-Behandlungsfälle gegenüber der Vergleichsgruppe mit 5, 6, 6 und 6 PAR-Behandlungsfällen abgerechnet. Gemessen an der eigenen Fallzahl liegt damit lediglich im Quartal II/02 eine überdurchschnittliche Behandlungshäufigkeit vor. Selbst bei einem bisher weder behaupteten noch nachgewiesenen überdurchschnittlichen Sanierungsbedarf sind diese absoluten Zahlen auch im Hinblick auf die geringe Fallzahl der klägerischen Praxis von nur marginaler Bedeutung.

Auf eine vorherige Beratung oder die Möglichkeit, auf festgestellte Unwirtschaftlichkeiten reagieren zu können, kommt es nicht an. Das Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es auf ein "Verschulden" des betroffenen (Zahn)Arztes bzw. auf eine besondere Vorwerfbarkeit für die festgestellte unwirtschaftliche Behandlungsweise - anders als z. B. im Falle eines echten Schadensregresses - nicht ankommt. Entsprechend ist es ohne Belang, ob der Vertrags(zahn)arzt in der Lage war, die Unwirtschaftlichkeit selbst zu erkennen. Ein Vertrags(zahn)arzt ist vor der Vorenthaltung bzw. Rückforderung von Honoraren für nicht vergütungsfähige Leistungen nur geschützt, wenn ein anderer Beteiligter, insbesondere die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung, insoweit einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt. Vergleichbares fehlt hier. Ein Betroffener muss vielmehr regelmäßig auch nach Erteilung eines Honorarbescheides noch bis zum Ablauf von vier Jahren seit Ergehen des Bescheides mit Honorarkürzungsmaßnahmen in Folge einer Wirtschaftlichkeitsprüfung rechnen (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 1 = Breith 2003, 801 = USK 2003-134, juris Rdnr. 36 m. w. N.). Ein anderes Ergebnis kann auch nicht etwa aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip hergeleitet werden. Zwar bestimmt § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V, dass gezielte Beratungen eines unwirtschaftlich behandelnden Vertrags(zahn)arztes weiteren Maßnahmen "in der Regel" vorangehen "sollen". Eine Ausnahme von dieser Regel ist aber gerechtfertigt und eine Honorarkürzung daher auch ohne derartige vorangegangene gezielte Beratung nicht rechtswidrig, wenn Überschreitungen des Vergleichsgruppendurchschnitts im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses vorliegen, wie dies hier der Fall ist (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 RSozR 4-2500 § 106 Nr. 1 = Breith 2003, 801 = USK 2003-13, juris Rdnr. 37 m. w. N.).

Ermessensfehler hinsichtlich der Höhe des Berichtigungsbetrages sind nicht ersichtlich.

Bei der Festlegung der Höhe der Honorarkürzungen als Reaktion auf die festgestellte Unwirtschaftlichkeit steht den Prüfgremien regelmäßig ein Ermessensspielraum zu, der die Möglichkeit einer ganzen Bandbreite denkbarer vertretbarer Entscheidungen - vom gänzlichen Unterlassen einer Kürzung über die Zubilligung einer Toleranz im Bereich der Übergangszone bis hin zur Kürzung des gesamten unwirtschaftlichen Mehraufwandes eröffnet. Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ist eine derartige Ermessensentscheidung von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ein Gericht darf sein Kürzungsermessen dagegen nicht an die Stelle desjenigen der Prüfgremien setzen. Die Honorarkürzung muss in angemessener Weise mit dem festgestellten Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit korrespondieren (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R – aaO., juris Rdnr. 33 f. m. w. N.).

Der Gesichtspunkt der Anfängerpraxis ist auf die Anfangsphase vertrags(zahn)ärztlicher Tätigkeit beschränkt. Die anzuerkennende Dauer der Einarbeitungsphase hängt von nicht generalisierbaren Umständen des Einzelfalls ab. So kann z. B. eine längere Dauer anerkannt werden bei bloßer Teilzeittätigkeit im Rahmen eines Job-Sharing. Jedenfalls für eine Dauer über vier Quartale hinaus sind allerdings stets besondere Gründe zu fordern, die von den Prüfgremien oder den Tatsachengerichten festgestellt sein müssen (vgl. BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 24/03 R - GesR 2004, 424 = MedR 2004, 577 = USK 2004-12, juris Rdnr. 19). Das erste Prüfquartal I/02 ist aber bereits das fünfte Quartal seit Niederlassung.

Die von der Klägerin behaupteten Einsparungen im ZE-Bereich waren auch im Rahmen der Ausübungen des Kürzungsermessens nicht zwingend zu berücksichtigen. Es fehlt, wie bereits ausgeführt, an einem Zusammenhang zwischen der geprüften konservierend-chirurgischen Behandlungsweise und dem Umfang an ZE-Leistungen.

Nach allem war der angefochtene Beschluss nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Saved