Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1224/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4225/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 4. August 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 17. November bis 7. Dezember 2007 zu gewähren.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die weitere Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 17. November bis 7. Dezember 2007.
Der 1961 geborene Kläger war bis zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 16. November 2007 (letzter Arbeitstag) abhängig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Der Internist und Vertragsarzt Dr. W. stellte am 16. November 2007, voraussichtlich bis 23. November 2007, sowie nachfolgend am 23. November 2007, voraussichtlich bis 2. Dezember 2007, fest, dass der Kläger arbeitsunfähig krank ist. Der Orthopäde Dr. S. stellte am 30. November 2007 Arbeitsunfähigkeit (AU) fest, dies voraussichtlich bis 7. Dezember 2007.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 3. Dezember 2007 und Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2008 die Gewährung von Krg ab. Ein Anspruch nach § 19 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe wegen der vorrangigen Familienversicherung, die keinen Krg-Anspruch vorsehe, nicht.
Die Agentur für Arbeit F. gewährte zunächst mit Bescheid vom 8. November 2007 Arbeitslosengeld (Alg) vom 17. November 2007 bis zum 16. Juni 2008 (Leistungsbetrag 46,39 EUR täglich), zahlte dieses aber nicht aus. Vielmehr lehnte sie die Gewährung von Alg mit Bescheid vom 28. November 2007 ab, da der Kläger als arbeitsunfähig der Vermittlung nicht zur Verfügung stehe. Auf den Widerspruch des Klägers nahm die Beigeladene mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 den Bescheid vom 8. November 2007 zurück und teilte mit, der Bescheid vom 28. November 2007 sei überholt. Den Widerspruch wies die Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2008 zurück. Ab dem 8. Dezember 2007 erhielt der Kläger wieder Alg. Das vom Kläger gegen die Beigeladene betriebene Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) ruht im Hinblick auf diese Entscheidung (S 7 AL 391/08).
Die vom Kläger am 11. März 2008 bei dem SG gegen die Beklagte erhobene Klage hat das SG nach Beiladung der Bundesagentur für Arbeit (Beschluss vom 6. Mai 2008) mit Gerichtsbescheid vom 4. August 2008 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krg, da die Mitgliedschaft als Beschäftigter nach § 190 Abs. 2 SGB V am 15. November 2008 geendet habe. Die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V seien nicht erfüllt, da der Anspruch auf Krg nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung beginnen könne. Dem nachgehenden Anspruch nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V gehe nach Satz 2 die Familienversicherung (§ 10 SGB V) vor, für die nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V kein Anspruch auf Krg bestehe.
Der Kläger hat hiergegen am 3. September 2008 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bereits am 16. November 2007 dem Grunde nach einen Anspruch auf Krg gehabt zu haben, der zum Fortbestand der Versicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V geführt habe. Die ärztliche Feststellung der AU bestimme lediglich den Zeitpunkt der Zahlung. Jedenfalls bestehe eine systemwidrige Lücke. Wäre er am 15. November 2007 arbeitsunfähig krank geworden, wäre er als Beschäftigter krankenversichert und zum Bezug von Krg berechtigt gewesen. Wäre er am 17. November 2007 arbeitsunfähig krank geworden, wäre er schon im Alg-Bezug gewesen und hätte einen entsprechenden Anspruch auf Krg gehabt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 4. August 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 17. November bis 7. Dezember 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auf Anfrage des Senats hat sie mitgeteilt, dass das kalendertäglich zu leistende Krg 48,21 EUR betragen hätte.
Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert.
Dr. W. sowie Dr. S., Nachfolger von Dr. Sp., haben sich als sachverständige Zeugen zu den beim Kläger erhobenen Befunden im November und Dezember 2007, seiner Arbeitsunfähigkeit und etwaigen Bescheinigungen derselben geäußert (AS 69, 70 der Senatsakten).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß den §§ 143, 144, 151 S SGG zulässig, da insgesamt ein Anspruch auf Krg geltend gemacht wird, der 750 EUR übersteigt.
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von Krg im streitigen Zeitraum.
Versicherte haben nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Kläger war bei der Beklagten am 17. November 2007 versichert. Zunächst bestand die Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift sind in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte (vgl. § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch), die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers endete aber am 16. November 2007, damit auch die durch diese Beschäftigung begründete Mitgliedschaft bei der Beklagten (vgl. § 190 Abs. 2 SGB V).
Die Mitgliedschaft bestand nicht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fort, weil der Kläger am 16. November 2007, dem letzten Tag seines Beschäftigungsverhältnisses, noch keinen Anspruch auf Krg hatte. Ein Anspruch auf Krg konnte nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V frühestens am Tag nach der ärztlichen Feststellung entstehen, damit erst am 17. November 2007. An diesem Tag war der Kläger nicht mehr als Arbeitnehmer versichert. Der Karenztag führt damit zur Unterbrechung der Voraussetzungen des Krg-Anspruchs, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 26. Juni 2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 und B 1 KR 2/07 R) dem Fortbestehen der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V entgegensteht. Bezogen hat der Kläger Krg am 17. November 2007 ebenfalls nicht.
Der Kläger war aber nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) versichert. Danach sind versicherungspflichtig Personen, die in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch ab Beginn des zweiten Monats bis zur zwölften Woche einer Sperrzeit (§ 144 SGB III) oder ab Beginn des zweiten Monats wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 143 Abs. 2 SGB III) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist.
Die Mitgliedschaft der Bezieher von Alg beginnt mit dem Tag, von dem an die Leistung bezogen wird (§ 186 Abs. 2a SGB V). Sie endet mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen wird (§ 190 Abs. 12 SGB V). Unter dem "Bezug" von Leistungen im Sinne der genannten Bestimmungen ist zunächst der tatsächliche - auch rechtswidrige - Bezug von Alg zu verstehen. Dabei machen allerdings § 5 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB V und § 190 Abs 12 SGB V deutlich, dass Beginn und Ende des Versicherungsverhältnisses nicht durch den Zahlungszeitpunkt, sondern durch die von der Arbeitsverwaltung getroffene Bestimmung über den Bewilligungszeitraum ("für") bestimmt werden (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003, B 12 KR 20/02 R). Eigenständig und alternativ gleichwertig liegt ein Krankenversicherungsschutz begründender "Bezug" von Alg aber auch in dem Zeitraum vor, für den es durch besonderen Verwaltungsakt zuerkannt worden ist. Mit dem Erlass eines derartigen Verwaltungsakts steht für den gesamten Bewilligungszeitraum gleichzeitig fest, dass auch die Krankenversicherung der Arbeitslosen besteht. Auf die Erfüllung hierdurch anerkannter Ansprüche und im Zusammenhang mit ihr getroffene Bestimmungen kommt es in derartigen Fällen nicht mehr zusätzlich an. Andernfalls hinge der Versicherungsschutz von der bloßen Zufälligkeit ab, ob die Arbeitsverwaltung ihren bindend anerkannten Verpflichtungen nachkommt. Ebenso wenig ist in derartigen Fällen von Belang, ob die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des Alg-Bezugs tatsächlich vorlagen (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003, B 12 KR 20/02 R).
Die Beigeladene hat dem Kläger ab 17. November 2007 Alg bewilligt, womit die Versicherung in der KVdA begann. Dass dieser Bescheid mit einem weiteren Bescheid vom 11. Dezember 2007 wieder aufgehoben worden ist, ist für den hier streitigen Zeitraum unerheblich. Dies folgt aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Dort ist diese Rechtsfolge ausdrücklich zwar nur für die Entscheidung bestimmt, "die zum Bezug der Leistung geführt hat". Ob solch ein Bescheid hier vorliegt, könnte man für den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2007 in Zweifel ziehen, da aus diesem letztlich tatsächlich keine Leistungen erbracht worden sind. Wenn jedoch für die Versicherung in der KVdA sowohl die Bewilligung von Alg wie die bloße tatsächliche Zahlung von Alg ausreicht, ist es nicht einzusehen, warum das Vertrauen des Versicherten in den Bestand seiner Krankenversicherung in einem Fall nicht geschützt wird, in dem ein Bescheid später (und im hier zu entscheidenden Fall noch nicht einmal bestandskräftig) zurückgenommen wird, auf den noch keine Leistungen gewährt worden sind (ebenso Peters in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB V Rdnr. 45 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 1996, 12 RK 45/95, SozR 3-2500 § 251 Nr. 1).
Die ärztliche Feststellung der AU (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V) lag im gesamten streitigen Zeitraum vor.
Der Kläger war auch arbeitsunfähig. Dies gilt auch dann, wenn man auf den hier maßgeblichen Versicherungsschutz in der KVdA (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 21/05 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 9) abstellt. Maßstab für die Beurteilung der AU sind danach alle Beschäftigungen, die dem Versicherten zu diesem Zeitpunkt gemäß § 121 Abs. 1 und 3 SGB III arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Hierzu gehören im Grundsatz alle leichten Arbeiten des Arbeitsmarktes.
Nach den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. W. und Dr. S. bestand eine deutliche schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk und linken Mittelfuß und eine Gehbehinderung. Dr. W. hat ein humpelndes Gangbild beschrieben. Nach Dr. S. bestand unter Berücksichtigung der Ergebnisse der von Dr. Sp. veranlassten Magnetresonanztherapie eine aktivierte Sprunggelenksproblematik, die entzündungshemmende und stabilisierende Maßnahmen erforderlich machte. Sowohl Dr. W. wie Dr. S. haben in ihren Aussagen gegenüber dem Senat eine AU nicht nur in Bezug auf die letzte Tätigkeit des Klägers als Drucker, sondern bezogen auf leichte Tätigkeiten des Arbeitsmarkts bejaht.
Der Anspruch auf Krg ruhte auch nicht wegen des Bezugs von Alg (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V, § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Höhe des Anspruchs auf Krg richtet sich nach § 47 b SGB V.
Auf die Berufung des Klägers war daher der Gerichtsbescheid aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die im Verfahren keine Anträge gestellt hat, ist dabei nicht geboten (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2009, § 193 Rn. 11a).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die weitere Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 17. November bis 7. Dezember 2007.
Der 1961 geborene Kläger war bis zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 16. November 2007 (letzter Arbeitstag) abhängig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Der Internist und Vertragsarzt Dr. W. stellte am 16. November 2007, voraussichtlich bis 23. November 2007, sowie nachfolgend am 23. November 2007, voraussichtlich bis 2. Dezember 2007, fest, dass der Kläger arbeitsunfähig krank ist. Der Orthopäde Dr. S. stellte am 30. November 2007 Arbeitsunfähigkeit (AU) fest, dies voraussichtlich bis 7. Dezember 2007.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 3. Dezember 2007 und Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2008 die Gewährung von Krg ab. Ein Anspruch nach § 19 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe wegen der vorrangigen Familienversicherung, die keinen Krg-Anspruch vorsehe, nicht.
Die Agentur für Arbeit F. gewährte zunächst mit Bescheid vom 8. November 2007 Arbeitslosengeld (Alg) vom 17. November 2007 bis zum 16. Juni 2008 (Leistungsbetrag 46,39 EUR täglich), zahlte dieses aber nicht aus. Vielmehr lehnte sie die Gewährung von Alg mit Bescheid vom 28. November 2007 ab, da der Kläger als arbeitsunfähig der Vermittlung nicht zur Verfügung stehe. Auf den Widerspruch des Klägers nahm die Beigeladene mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 den Bescheid vom 8. November 2007 zurück und teilte mit, der Bescheid vom 28. November 2007 sei überholt. Den Widerspruch wies die Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2008 zurück. Ab dem 8. Dezember 2007 erhielt der Kläger wieder Alg. Das vom Kläger gegen die Beigeladene betriebene Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) ruht im Hinblick auf diese Entscheidung (S 7 AL 391/08).
Die vom Kläger am 11. März 2008 bei dem SG gegen die Beklagte erhobene Klage hat das SG nach Beiladung der Bundesagentur für Arbeit (Beschluss vom 6. Mai 2008) mit Gerichtsbescheid vom 4. August 2008 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krg, da die Mitgliedschaft als Beschäftigter nach § 190 Abs. 2 SGB V am 15. November 2008 geendet habe. Die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V seien nicht erfüllt, da der Anspruch auf Krg nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung beginnen könne. Dem nachgehenden Anspruch nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V gehe nach Satz 2 die Familienversicherung (§ 10 SGB V) vor, für die nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V kein Anspruch auf Krg bestehe.
Der Kläger hat hiergegen am 3. September 2008 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bereits am 16. November 2007 dem Grunde nach einen Anspruch auf Krg gehabt zu haben, der zum Fortbestand der Versicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V geführt habe. Die ärztliche Feststellung der AU bestimme lediglich den Zeitpunkt der Zahlung. Jedenfalls bestehe eine systemwidrige Lücke. Wäre er am 15. November 2007 arbeitsunfähig krank geworden, wäre er als Beschäftigter krankenversichert und zum Bezug von Krg berechtigt gewesen. Wäre er am 17. November 2007 arbeitsunfähig krank geworden, wäre er schon im Alg-Bezug gewesen und hätte einen entsprechenden Anspruch auf Krg gehabt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 4. August 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 17. November bis 7. Dezember 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auf Anfrage des Senats hat sie mitgeteilt, dass das kalendertäglich zu leistende Krg 48,21 EUR betragen hätte.
Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert.
Dr. W. sowie Dr. S., Nachfolger von Dr. Sp., haben sich als sachverständige Zeugen zu den beim Kläger erhobenen Befunden im November und Dezember 2007, seiner Arbeitsunfähigkeit und etwaigen Bescheinigungen derselben geäußert (AS 69, 70 der Senatsakten).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß den §§ 143, 144, 151 S SGG zulässig, da insgesamt ein Anspruch auf Krg geltend gemacht wird, der 750 EUR übersteigt.
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von Krg im streitigen Zeitraum.
Versicherte haben nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Kläger war bei der Beklagten am 17. November 2007 versichert. Zunächst bestand die Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift sind in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte (vgl. § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch), die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers endete aber am 16. November 2007, damit auch die durch diese Beschäftigung begründete Mitgliedschaft bei der Beklagten (vgl. § 190 Abs. 2 SGB V).
Die Mitgliedschaft bestand nicht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fort, weil der Kläger am 16. November 2007, dem letzten Tag seines Beschäftigungsverhältnisses, noch keinen Anspruch auf Krg hatte. Ein Anspruch auf Krg konnte nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V frühestens am Tag nach der ärztlichen Feststellung entstehen, damit erst am 17. November 2007. An diesem Tag war der Kläger nicht mehr als Arbeitnehmer versichert. Der Karenztag führt damit zur Unterbrechung der Voraussetzungen des Krg-Anspruchs, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 26. Juni 2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 und B 1 KR 2/07 R) dem Fortbestehen der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V entgegensteht. Bezogen hat der Kläger Krg am 17. November 2007 ebenfalls nicht.
Der Kläger war aber nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) versichert. Danach sind versicherungspflichtig Personen, die in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch ab Beginn des zweiten Monats bis zur zwölften Woche einer Sperrzeit (§ 144 SGB III) oder ab Beginn des zweiten Monats wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 143 Abs. 2 SGB III) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist.
Die Mitgliedschaft der Bezieher von Alg beginnt mit dem Tag, von dem an die Leistung bezogen wird (§ 186 Abs. 2a SGB V). Sie endet mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen wird (§ 190 Abs. 12 SGB V). Unter dem "Bezug" von Leistungen im Sinne der genannten Bestimmungen ist zunächst der tatsächliche - auch rechtswidrige - Bezug von Alg zu verstehen. Dabei machen allerdings § 5 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB V und § 190 Abs 12 SGB V deutlich, dass Beginn und Ende des Versicherungsverhältnisses nicht durch den Zahlungszeitpunkt, sondern durch die von der Arbeitsverwaltung getroffene Bestimmung über den Bewilligungszeitraum ("für") bestimmt werden (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003, B 12 KR 20/02 R). Eigenständig und alternativ gleichwertig liegt ein Krankenversicherungsschutz begründender "Bezug" von Alg aber auch in dem Zeitraum vor, für den es durch besonderen Verwaltungsakt zuerkannt worden ist. Mit dem Erlass eines derartigen Verwaltungsakts steht für den gesamten Bewilligungszeitraum gleichzeitig fest, dass auch die Krankenversicherung der Arbeitslosen besteht. Auf die Erfüllung hierdurch anerkannter Ansprüche und im Zusammenhang mit ihr getroffene Bestimmungen kommt es in derartigen Fällen nicht mehr zusätzlich an. Andernfalls hinge der Versicherungsschutz von der bloßen Zufälligkeit ab, ob die Arbeitsverwaltung ihren bindend anerkannten Verpflichtungen nachkommt. Ebenso wenig ist in derartigen Fällen von Belang, ob die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des Alg-Bezugs tatsächlich vorlagen (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003, B 12 KR 20/02 R).
Die Beigeladene hat dem Kläger ab 17. November 2007 Alg bewilligt, womit die Versicherung in der KVdA begann. Dass dieser Bescheid mit einem weiteren Bescheid vom 11. Dezember 2007 wieder aufgehoben worden ist, ist für den hier streitigen Zeitraum unerheblich. Dies folgt aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Dort ist diese Rechtsfolge ausdrücklich zwar nur für die Entscheidung bestimmt, "die zum Bezug der Leistung geführt hat". Ob solch ein Bescheid hier vorliegt, könnte man für den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2007 in Zweifel ziehen, da aus diesem letztlich tatsächlich keine Leistungen erbracht worden sind. Wenn jedoch für die Versicherung in der KVdA sowohl die Bewilligung von Alg wie die bloße tatsächliche Zahlung von Alg ausreicht, ist es nicht einzusehen, warum das Vertrauen des Versicherten in den Bestand seiner Krankenversicherung in einem Fall nicht geschützt wird, in dem ein Bescheid später (und im hier zu entscheidenden Fall noch nicht einmal bestandskräftig) zurückgenommen wird, auf den noch keine Leistungen gewährt worden sind (ebenso Peters in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB V Rdnr. 45 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 1996, 12 RK 45/95, SozR 3-2500 § 251 Nr. 1).
Die ärztliche Feststellung der AU (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V) lag im gesamten streitigen Zeitraum vor.
Der Kläger war auch arbeitsunfähig. Dies gilt auch dann, wenn man auf den hier maßgeblichen Versicherungsschutz in der KVdA (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 21/05 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 9) abstellt. Maßstab für die Beurteilung der AU sind danach alle Beschäftigungen, die dem Versicherten zu diesem Zeitpunkt gemäß § 121 Abs. 1 und 3 SGB III arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Hierzu gehören im Grundsatz alle leichten Arbeiten des Arbeitsmarktes.
Nach den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. W. und Dr. S. bestand eine deutliche schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk und linken Mittelfuß und eine Gehbehinderung. Dr. W. hat ein humpelndes Gangbild beschrieben. Nach Dr. S. bestand unter Berücksichtigung der Ergebnisse der von Dr. Sp. veranlassten Magnetresonanztherapie eine aktivierte Sprunggelenksproblematik, die entzündungshemmende und stabilisierende Maßnahmen erforderlich machte. Sowohl Dr. W. wie Dr. S. haben in ihren Aussagen gegenüber dem Senat eine AU nicht nur in Bezug auf die letzte Tätigkeit des Klägers als Drucker, sondern bezogen auf leichte Tätigkeiten des Arbeitsmarkts bejaht.
Der Anspruch auf Krg ruhte auch nicht wegen des Bezugs von Alg (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V, § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Höhe des Anspruchs auf Krg richtet sich nach § 47 b SGB V.
Auf die Berufung des Klägers war daher der Gerichtsbescheid aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die im Verfahren keine Anträge gestellt hat, ist dabei nicht geboten (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2009, § 193 Rn. 11a).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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