S 3 U 27/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 27/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 U 167/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob es sich bei dem Unfallgeschehen vom 30.04.2006 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die 1973 geborene Klägerin, die seit Anfang 2000 bei der Fa. C. in B-Stadt, einem IT-Betrieb mit ca. 230 Mitarbeitern, beschäftigt ist, befand sich von Freitag, dem 28.04. bis Montag, dem 01.05.2006, auf einer von ihrem Arbeitgeber veranstalteten, außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführten und in der Unfallanzeige vom 02.05.2006 als Incentive-Reise bezeichneten Reise in Lappland. Auf der vom Unternehmen ausgehändigten Reiseinformation hieß es dabei wörtlich: "( ), die Reise ist unser Dankeschön für ein erfolgreiches Geschäftsjahr. Sie soll Sie motivieren und Ihnen Freude machen, Lust wecken auf das neue Geschäftsjahr und Neugier, auf das was vor uns liegt. Die Reise ist keine Pflichtveranstaltung, die Teilnahme ist freiwillig." Im Rahmen dieser Reise fand am 30.04.2006 als Outdooraktivität eine "Snowmobilfahrt" statt. Dabei handelte es sich um eine Gruppe von 6 Snowmobilen, die von einem örtlichen "Guide" mit einem Snowmobil geführt wurde. Die Klägerin befand sich als Beifahrerin auf einem Snowmobil, welches von einem Arbeitskollegen gesteuert wurde. Sie wurde dabei während der Fahrt, bedingt durch die Unebenheiten des Bodens, mehrfach auf dem Fahrzeug hoch geschleudert und auf den Sitz zurückgeworfen, fiel jedoch zu keinem Zeitpunkt vom Snowmobil herunter. Aufgrund von Rückenschmerzen musste die Klägerin die Fahrt abbrechen und durch vor Ort hinzugezogene Rettungskräfte in eine Klinik verbracht werden. Eine konkrete Diagnose vor Ort erfolgte nicht. Nach dem Bericht des nach Rückkehr aus Lappland unmittelbar aufgesuchten Durchgangsarztes Prof. Dr. M. vom 02.05.2006 zog sie sich dabei eine LWK-1-Fraktur zu, die zu einer stationären Behandlung vom 01.05. bis 16.05.2006 im Universitätsklinikum FB. sowie einer weiteren stationären Behandlung vom 23.05. bis 13.06.2006 in der Wirbelsäulenklinik AE. führte. Der dabei eingebrachte Fixateur wurde am 24.04.2007 wieder entfernt.

Mit Bescheid vom 12.09.2006 lehnte die Beklagte Ansprüche auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 30.04.2006 ab, da es sich ihrer Auffassung nach nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Vielmehr habe es sich bei dem Aufenthalt in Lappland vom 28.04. bis 01.05.2006 um einen reinen Incentive-Aufenthalt gehandelt. Durch Incentives sollten Mitarbeiter zu besseren Leistungen motiviert werden. Das gemütliche Zusammensein und die gemeinsamen Erlebnisse sollten sich positiv auf die Zusammenarbeit auswirken. Bei dieser Reise hätten Erholung, Spaß und Freizeit im Vordergrund gestanden. Es habe sich daher um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt, die dem privaten Bereich zuzuordnen sei.

Hiergegen lies die Klägerin Widerspruch einlegen. Ihr Arbeitgeber habe sämtliche Mitarbeiter unter dem Motto "Lappland ruft" zu der Veranstaltung vom 28.04. bis 01.05.2006 eingeladen. Hingewiesen wurde insoweit auf ein der Widerspruchsbegründung beigefügtes Einladungsschreiben des Arbeitgebers, aus dem sich die näheren Reiseinformationen (Abflugzeiten, Treffpunkt, Programm, Kleidung/Ausrüstung usw.) ergeben. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Wortlaut des Einladungsschreibens (Bl. 32+33 der Verwaltungsakte der Beklagten) Bezug genommen. Der Einladung seien 124 Mitarbeiter (von 250 Mitarbeitern) gefolgt. Auch der Vorstand, d. h. die gesamte Leitung des Unternehmens sei bei der Veranstaltung, die der Förderung der betrieblichen Verbundenheit gedient habe, anwesend gewesen. Somit habe es sich um eine versicherte Tätigkeit im Rahmen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt, die sich letztlich durch nichts von einem Betriebsausflug oder einer Betriebsfeier unterschieden habe.

Nach Einholung der schriftlichen Stellungnahme der Fa. C. vom 02.11.2006, aus der sich ergibt, dass die Reise den Mitarbeitern – Auszubildende waren ausgenommen – u. a. auch als Belohnung für das gute Geschäftsergebnis angeboten worden war und auch dazu dienen sollte, die Mitarbeiter zu motivieren und zu neuen Höchstleistungen anzuspornen, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2007 als unbegründet zurück.

Mit der vor dem erkennenden Gericht am 13.03.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Anerkennung des Unfallereignisses vom 30.04.2006 als Arbeitsunfall weiter. Der Rechtsauffassung der Beklagten könne nicht gefolgt werden. Die Veranstaltung habe insbesondere auch allen Mitarbeitern der C. offengestanden. Ausgenommen gewesen seien lediglich Mitarbeiter mit weniger als 6 Monaten Betriebszugehörigkeit und Auszubildende in den ersten beiden Ausbildungsjahren sowie eine geringe Gruppe von Serviceleuten, die zur Aufrechterhaltung der betreuten Rechenzentren und eines Back-Up-Service dringend erforderlich waren.

Die Veranstaltung sei als betriebsbezogen zu qualifizieren und sei allen Mitarbeitern für den Fall versprochen worden, dass bestimmte Umsatzziele im Geschäftsjahr 2005/2006 erreicht werden. Zudem dienten derartige Reisen, deren sämtliche Kosten von der Arbeitgeberin getragen wurden, auch als weiteres strategisches Instrument, um in einem von täglichen Abwerbungsversuchen geprägten Umfeld möglichst viele Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und damit Mitarbeiterfluktuation zu vermeiden. Schließlich habe stets der Teambuilding-Charakter und nicht die Freizeitgestaltung oder die Unterhaltung der Beteiligten im Vordergrund gestanden; auch auf die Bezeichnung der Veranstaltung als Incentive-Reise könne es nicht ankommen. Maßgeblich sei allein der Inhalt der Veranstaltung.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2007 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Unfallgeschehen vom 30.04.2006 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Aus der Tatsache, dass nicht allen Mitarbeitern erlaubt war, an diesem Event mitzumachen, habe sich eindeutig gezeigt, dass die Veranstaltung eine Belohnung für erreichte Ziele gewesen sei. Es sei unstreitig, dass in Zeiten zunehmenden Konkurrenzdrucks das Instrument der Mitarbeiterbindung über das Schlagwort "Motivation" eine erhebliche Bedeutung erlangt habe. Dennoch bedingten diese Aktivitäten für sich allein gesehen nicht den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, selbst wenn das Verbundenheitsgefühlt hierdurch ohne weiteres erreicht werden könne. Es stehe jedem Unternehmen frei, seine Mitarbeiter durch sog. Belohnungsreisen zu motivieren oder sich für vergangene Leistungen zu bedanken. Es stehe ihm jedoch nicht frei, den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz auf sonst unversicherte Tatbestände auszuweiten.

Im Rahmen seiner Ermittlungen von Amts wegen hat das Gericht eine Kopie der Original-Einladung zu der streitgegenständlichen Veranstaltung von der Fa. P. AG beigezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf deren Inhalt (Bl. 60 + 61 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Von insgesamt 227 Mitarbeitern (inkl. aller Azubis und freier Mitarbeiter, Stand: 30.04.2006) seien 183 Personen zur Lapplandreise eingeladen worden. Voraussetzung für die Durchführung der Reise sei gewesen, dass die C. insgesamt ein EBT-Ziel erreicht, was der Vorstandsvorsitzende am PROFI kick off 2005 vorgegeben hatte.

Während sich die Beklagte dadurch in ihrer Entscheidung bestätigt sieht, hält die Klägerin an ihrer Rechtsauffassung fest. Nach der einschlägigen Rechtsprechung bestehe Versicherungsschutz nicht nur für den Fall, dass "alle Mitarbeiter" eines Arbeitgebers zu einer außerbetrieblichen Veranstaltung eingeladen werden und teilnehmen. Vielmehr sei eine Differenzierung – wie vorliegend erfolgt – zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Bei dem Ereignis vom 30.04.2006 handelt es sich nicht um einen von der Beklagten anzuerkennenden und zu entschädigenden Arbeitsunfall. Der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2007 ist somit rechtlich nicht zu beanstanden.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (so schon BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10).

Im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen und sind daher unfallversicherungsrechtlich geschützt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Teilnahme von Beschäftigten etwa an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb allen Beschäftigten des Unternehmens - bei Großbetrieben mindestens allen Beschäftigten einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten - offen stehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden (s u. a. BSGE 1, 179, 182; 17, 280, 281 = SozR Nr. 56 zu § 542 RVO; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 30; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 21, 40; § 539 Nr. 54; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, 12. Aufl., § 8 RdNr. 118 ff m. w. N.). Für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der von Folgendem auszugehen ist (vgl. BSG vom 09.12.2003, NZS 2004, 599-602):

Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität der Unternehmensleitung getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht oder nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt (BSG SozR Nr. 66 zu § 542 RVO aF). Die Unternehmensleitung muss nicht selbst Veranstalter sein; es genügt, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert. Veranstalter - im Auftrag der Unternehmensleitung - kann auch der Betriebsrat (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 54) oder eine Gruppe bzw. einzelne Beschäftigte des Unternehmens sein. Die Billigung der Unternehmensleitung muss sich nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Änderungen (z. B. der Arbeitszeit, das Benutzen betrieblicher Räume) erstrecken, sondern die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihr gewollt sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 11), zumal mögliche Unfälle bei solchen Veranstaltungen Auswirkungen auf die von dem Unternehmen zu zahlenden Beiträge haben können. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, die in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens erfolgen, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Filialen verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder z. B. Filiale als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert.

Um die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wesentliche "betriebliche Zielsetzung" - Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander - zu erreichen, muss die Veranstaltung grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offen stehen, von besonderen Fallgestaltungen in Großbetrieben, Versorgungsunternehmen usw. abgesehen (s. u. a. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 69). Es reicht nicht aus, dass allen Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme an einer für sie und nicht für alle Beschäftigten des Unternehmens oder Unternehmensteils ausgerichteten Veranstaltung offen steht (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 21).

Eine Anwesenheit der Unternehmensleitung während der gesamten Veranstaltung ist nicht erforderlich. Die Veranstaltung ist von der Autorität der Unternehmensleitung auch zu einer Zeit getragen, in der sie nicht selbst anwesend ist, z. B. der Betriebsrat die Veranstaltung leitet und dabei zugleich für das Unternehmen handelt (BSGE 7, 249, 253). Grundsätzlich muss die Unternehmensleitung oder Teile von ihr aber an der Veranstaltung teilnehmen, damit die betriebliche Zielsetzung Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten erreicht werden kann. Zusammenkünfte, welche der Pflege der Verbundenheit nur der Beschäftigten eines Unternehmens untereinander dienen, reichen daher nicht aus, um die Teilnahme an ihnen einer betrieblichen Tätigkeit gleichzustellen (BSG SozR Nr. 25 und 66 zu § 542 RVO aF).

Zwar ist ein Teilnahmezwang unserer heutigen Rechtsordnung fremd (BSGE a. a. O.; 7, 249, 252; BSG SozR Nr. 24 zu § 548 RVO), jedoch wird eine bestimmte Mindestbeteiligung zu fordern sein, um noch tatsächlich von einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ausgehen zu können, die den beabsichtigten Zweck erreichen kann (BSGE 7, 249, 252). Das BSG hat eine Teilnahme von drei bis fünfzehn Personen, am Unfalltag drei Personen, von 150 Betriebsangehörigen als eindeutiges Missverhältnis bezeichnet (BSG SozR Nr. 25 zu § 542 RVO aF), bei einer Beteiligungsquote von 26,5 bzw. 40 v. H. hatte es keine Bedenken gegen eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung (BSGE 7, 249, 252 f bzw. SozR Nr. 24 zu § 548 RVO). Eine feste Mindestbeteiligungsquote ist keiner dieser Entscheidungen zu entnehmen. Eine solche feste Grenze oder Relation ist angesichts der Verschiedenartigkeit der von der gesetzlichen Unfallversicherung umfassten Unternehmen aufgrund ihrer Größe und Struktur (vgl. die besonderen Fallgestaltungen wie z. B. Großbetriebe, Schichtbetriebe, Versorgungsunternehmen usw.) auch nicht festlegbar. Entscheidend sind immer die konkreten Verhältnisse im Einzelfall im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung.

Form und Ort der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sind nicht eng begrenzt, wie u. a. Weihnachtsfeiern, Jubiläen und Betriebsausflüge zeigen. Ebenso ist der Zeitpunkt der Gemeinschaftsveranstaltung für den Versicherungsschutz unerheblich, sie kann deshalb auch, wie im vorliegenden Fall, außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit an einem verlängerten Wochenende stattfinden (BSGE 7, 249, 253).

Unter Versicherungsschutz stehen bei einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung alle Verrichtungen, die mit dem Zweck der Veranstaltung vereinbar sind. Dies werden oft Verrichtungen sein, die sonst mit der betrieblichen Tätigkeit nicht im unmittelbaren, inneren Zusammenhang stehen, z. B. Tanzen beim Betriebsfest, Spazieren gehen und Baden beim Betriebsausflug, Spiele, Theateraufführungen, Chorgesang, nicht aber rein persönlich motivierte Reitvorführungen (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 40). Unter Versicherungsschutz stehen die Teilnehmer an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nämlich nur bei den Tätigkeiten, die mit dem Gesamtzweck der Veranstaltung, der sich auch auf die körperliche Entspannung und Erholung erstreckt, vereinbar bzw. vorgesehen oder üblich sind. Sportliche Betätigungen mit spielerischem Charakter sind unter diesen Voraussetzungen versichert, wenn sie der Förderung des Gemeinsinns oder des Zusammengehörigkeitsgefühls aller Beschäftigten und nicht allein dem persönlichen Interesse des Betroffenen dienen. Dabei spielt es wiederum keine Rolle, ob der oder die Teilnehmer die besondere Aktivität allein bzw. unter sich entfalten oder ob sie ihre besonderen Fähigkeiten etwa einzelnen, einigen oder gar allen anderen Teilnehmern der Gemeinschaftsveranstaltung vorführen oder vorführen wollen. Allein wenn eine derartige Vorführung zur Unterhaltung oder Belustigung aller übrigen Teilnehmer als Teil der Gemeinschaftsveranstaltung vorgesehen oder üblich war, kann sie als der Gemeinschaftspflege dienend in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehend beurteilt werden (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 40).

Es muss sich jedoch insgesamt um eine Veranstaltung handeln, welche nach ihrer Programmgestaltung an sich geeignet ist, zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens im Unternehmen beizutragen, indem sie die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Interessentenkreis der Beschäftigten anspricht. Auch eine Werbewirkung des Unternehmens, die im Zusammenhang mit einer im Interesse der Beschäftigten durchgeführten sportlichen Veranstaltung in Erscheinung tritt, wäre hierbei nicht außer Betracht zu lassen (BSG vom 28. August 1968 - 2 RU 68/68 -, BG 1969, 276, 277)

Die Teilnahme an Freizeit- und Erholungsveranstaltungen hingegen ist nicht deshalb versichert, weil diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden. Stehen Freizeit, Unterhaltung oder Erholung im Vordergrund, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang (BSGE 17, 280, 282 = SozR Nr. 56 zu § 542 RVO aF; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 21 m. w. N.). Es steht jedem Unternehmen zwar frei, seine Mitarbeiter z. B. durch "Incentive-Reisen" zu höheren Leistungen anzuspornen; das Unternehmen hat es jedoch nicht in der Hand, den gesetzlichen UV-Schutz auf sonst unversicherte Tatbestände auszuweiten, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch die persönliche Verbundenheit einer Gruppe von Beschäftigten mit dem Unternehmen gestärkt würde (s. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 21). Das Interesse der Unternehmensleitung, dass sich aus solchen Veranstaltungen wahrscheinlich auch eine Motivation zu Leistungssteigerungen ergibt, reicht nicht aus, für solche Betätigungen den rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit herzustellen (s. BSGE 17, 280, 282). Der Unternehmer honoriert insoweit eine bestimmte Leistung mit einem geldwerten Vorteil, ohne dass dadurch die vom Unternehmen finanzierte Reise für die Beschäftigten zu einer betrieblichen Tätigkeit wird. Ebenso wie die Pflege gesellschaftlicher Beziehungen, auch wenn sie für das Unternehmen wertvoll ist, nicht schon deshalb unter Versicherungsschutz steht, ist die Pflege der persönlichen Beziehungen zur Unternehmensleitung und unter den Beschäftigten trotz günstiger Auswirkungen auf die Arbeit im Unternehmen außerhalb der in den Versicherungsschutz einbezogenen Teilnahme an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 21).

Unter Berücksichtigung dieser vom BSG in zahlreichen Entscheidungen entwickelten Grundsätze steht zur Überzeugung der Kammer nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens fest, dass die Klägerin am 30.04.2006 keinen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.

Zwar war die Reise nach Lappland vom 28.04. bis 01.05.2006 ohne Zweifel von der Autorität der Unternehmensleitung, die vorliegend sogar selbst mit anwesend war, getragen. Im Übrigen wurde die Lapplandreise auch unstreitig von der Arbeitgeberin der Klägerin finanziert, organisiert und programmlich gestaltet. Die Kammer hat auch keine Bedenken was die Mindestbeteiligung betrifft. Eine Beteiligung von 124 Mitarbeitern bei 183 geladenen Personen ist – ohne auf eine bestimmte Mindestbeteiligungsquote abzustellen – in jedem Fall ausreichend (vgl. auch BSGE 7, 249, 252 f. bzw. SozR Nr. 24 zu § 548 RVO).

Die Veranstaltung muss jedoch, wie vom BSG in ständiger Rechtsprechung gefordert, grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offen stehen. Diese Voraussetzung ist jedoch zur Überzeugung der Kammer vorliegend nicht erfüllt.

Auch wenn es sich bei der Teilnehmergruppe vorliegend nicht – wie in den vom BSG in den Jahren 1994 (BSG vom 25.08.1994, SozR 3-2200 § 548 Nr. 21), 1995 (BSG vom 16.03.1995, NJW 1995, 3340-3342) und 1996 (BSG vom 14.11.1996, Die Beiträge 1997, 178-184) klar abgelehnten Arbeitsunfällen – um eine strenge Auswahl der "Besten" oder "Gewinner" des Geschäftsjahres handelte, so stand die Lapplandreise nach den eindeutigen Angaben der Arbeitgeberin der Klägerin weder den Auszubildenden in den ersten beiden Ausbildungsjahren noch Mitarbeitern zu, die noch keine 6 Monate dem Betrieb angehörten. Des Weiteren war für die Teilnahme der Azubis, auch BA Studenten, im letzten Jahr ihrer Ausbildung eine "positive interne Bewertung" Voraussetzung für die Teilnahme. Die freien Mitarbeiter waren nur dabei, sofern sie die "PROFI Vorgaben" erreicht hatten. Dies zeigt jedoch, dass auch hier letztlich nur die "verdienten" Mitarbeiter, die am Umsatzerfolg des vergangenen Geschäftsjahres beteiligt waren, belohnt werden sollten. Für sie stellte die Lapplandreise eine – im Vorfeld durch den Vorstandsvorsitzenden bei dem jährlichen Kick-Off-Meeting am 03./04.06.2005 versprochene Belohnung oder eine in Aussicht gestellte Prämie dar. Hätte dagegen tatsächlich – wie vorgetragen – die Integration der Mitarbeiter und die Verbesserung der Kommunikation der Beschäftigten mit der Unternehmensleitung oder der Austausch der Beschäftigten untereinander als Hauptziel im Vordergrund gestanden, hätte man weder die Auszubildenden noch die später hinzu gekommenen Mitarbeiter von der Reise ausnehmen dürfen. Hier wollte der Unternehmer durch die Lapplandreise vielmehr eine bestimmte Leistung mit einem geldwerten Vorteil honorieren, ohne dass dadurch die von dem Unternehmen finanzierte Reise für die Betriebsangehörigen – und damit auch für die Klägerin – zu einer betrieblichen Tätigkeit würde. Für eine solche Veranstaltung, welche als Anreiz für gesteigerte künftige Leistungen konzipiert wurde und bei welcher die Erholung und touristische Zwecke im Vordergrund standen, lehnte das BSG schon 1994 einen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz ab (BSG vom 25.08.1994, SozR 3-2200, § 548 Nr. 21).

Dass dabei als Nebeneffekt auch das betriebliche Klima verbessert und das Kennenlernen der Mitarbeiter der verschiedenen Standorte ermöglicht wird, dürfte nicht im Streit stehen. Im Vordergrund der Reise stand jedoch, was für die Kammer fest steht, Spaß, Freude und Entspannung. Dies ergibt sich auch ohne weiteres aus der Auswahl der angebotenen Aktivitäten. Insoweit ist für die Kammer auch nicht erkennbar, wie eine Integration bzw. eine Förderung der Verbundenheit von Mitarbeitern stattfinden kann, wenn eine kleine Gruppe von ca. 12 Mitarbeitern alleine oder zu zweit auf einem Snowmobil fahren. Vielmehr ist eine solche Fahrt als attraktive Freizeitgestaltung mit hohem Unterhaltungs- bzw. Spaßfaktor zu begreifen, auch wenn die Fahrt durch die Arbeitgeberin der Klägerin organisiert wurde. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin dieser Aktivität – z.B. wegen eines etwaigen Gruppendrucks – nicht hätte entziehen können, liegen nicht vor.

Auch der Hinweis, dass die Veranstaltung derartiger Reisen der Mitarbeiterbindung dienen und ein Abwerben verhindern soll, führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Das betriebliche Risiko, dass sich qualifizierte Mitarbeiter durch "Headhunter" abwerben lassen bzw. von diesen abgeworben werden, und der damit drohende Verlust von Manpower bzw. Kunden ist jedoch kein Risiko, gegen das die gesetzliche Unfallversicherung Schutz bietet. Eine solche Ausdehnung widerspricht dem ursprünglichen Gedanken, Beschäftigte oder den Beschäftigten gleichstehende Personengruppen gegen das Risiko, welches sich aus der betrieblichen oder betriebsähnlichen Tätigkeit ergibt, abzusichern. Es steht jedem Unternehmen zwar frei, seine Mitarbeiter durch derartige Veranstaltungen zu höheren Leistungen anzuspornen oder stärker an das Unternehmen zu binden; das Unternehmen hat es jedoch nicht in der Hand, den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz auf sonst unversicherte Tatbestände auszuweiten, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch die persönliche Verbundenheit einer Gruppe von Beschäftigten mit dem Betrieb gestärkt würde (so schon BSG vom 25.08.1994, a. a. O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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