Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 26/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 KA 17/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Oktober 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Arzneimittelregress wegen der Verordnung des Mittels Wobe-Mugos E im Streit.
Die Klägerin ist in Hamburg als praktische Ärztin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie behandelte in den Quartalen III/2000, I - III/2001 und I/2002 das am XX.XXXX 1951 geborene Mitglied der Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) B. A. wegen eines Adenokarzinoms des linken Lungenoberlappens und das am XX.XXXXXXXXX 1946 geborene Mitglied der DAK M. T. wegen eines ausgedehnten, links-zentralen Bronchialkarzinoms. Im Rahmen dieser Behandlung verordnete sie den Patienten Wobe-Mugos E Tabletten zu Lasten der DAK. Die Rezepte wurden von den Erkrankten eingelöst. Hierfür entstanden der DAK Gesamtkosten in Höhe von 4.205,62 EUR, und zwar im Quartal III/2000 Kosten in Höhe von 967,31 EUR, in den Quartalen I - III/2001 Kosten in Höhe von 1.305,16 EUR, 276,37 EUR und 1.520,06 EUR sowie im Quartal I/2002 Kosten in Höhe von 136,72 EUR.
Bei WOBE-Mugos E Tabletten handelt es sich um ein unter anderem zur Tumortherapie angebotenes Enzympräparat, welches als arzneilich wirksame Bestandteile u.a. Papain und Trypsin/Chymotrypsin enthält. Das Mittel kam 1963 als rektal zu verabreichendes Medikament, so genannte Klistiertablette, unter dem Regime des alten, bis zum 31. Dezember 1977 geltenden Arzneimittelrechts (Arzneimittelgesetz – AMG – 1961) auf den Markt. Zum 1. Januar 1978 wurde das Arzneimittelrecht ungestaltet (Arzneimittelgesetz – AMG – 1976), und an die Stelle einer bloß formellen Registrierung trat ein Zulassungsverfahren, im Rahmen dessen auch eine Wirksamkeitsprüfung vorgenommen wird. Für Alt-Arzneimittel galten Übergangsregelungen, die sicherstellen sollten, dass beim Inkrafttreten des neuen Rechts die unter der Geltung des AMG 1961 verkehrsfähig gewesenen Arzneimittel, die nach dem AMG 1976 nun der Zulassung bedurften, zunächst weiterhin zum Verkehr zugelassen waren, um während des Übergangszeitraums die Überprüfung nach den Kriterien des AMG 1976 durchzuführen (Nachzulassung). Dementsprechend zeigte der Hersteller im Juni 1978 das Arzneimittel bei der zuständigen Behörde an, so dass es zunächst weiter in Verkehr gebracht werden durfte. Zwischen 1978 und 1989 wurde die Darreichungsform geändert und das Medikament als oral zu verabreichende Filmtablette angeboten. Im Dezember 1989 – rechtzeitig vor Ablauf der 12-jährigen Übergangsfrist – beantragte der Hersteller die Verlängerung der Zulassung. Von den für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Behörden wurde ihm 1997 mitgeteilt, dass das Präparat keine Arzneimittelzulassung mehr besitze und wegen der zwischen 1978 und 1989 erfolgten Änderung der Darreichungsform einer Neuzulassung bedürfe. Mit Bescheid vom 9. Juni 1998 lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Verlängerung der Zulassung ab, ohne die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung anzuordnen. Mit Urteil vom 18. Dezember 2001 – VG 14 A 218.98 – wies das Verwaltungsgericht Berlin die daraufhin erhobene Klage des Herstellers auf Verlängerung der Altzulassung ab, weil es an einer verlängerbaren fiktiven Zulassung der Filmtabletten Wobe-Mugos E fehle; die Umwandlung der ursprünglichen "Klistier-Tablette" in eine oral zu verabreichende Filmtablette habe eine Neuzulassungspflicht nach sich gezogen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Herstellers ordnete das Oberverwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 29. Juni 2002 zunächst die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage an, wies jedoch mit Urteil vom 7. April 2005 – OVG 5 B 8.03 – die zwischenzeitlich zugelassene Berufung des Herstellers in der Hauptsache zurück, und zwar auch im Wesentlichen mit der Begründung, es habe an einer verlängerbaren fiktiven Zulassung gefehlt. Zum 1. September 2005 nahm der Hersteller Wobe-Mugos E in Deutschland aus dem Verkehr. Als WOBE-Mucos NEM (Nahrungsergänzungsmittel) kann es mittlerweile wieder rezeptfrei aus Holland bezogen werden.
Mit am 25. Juni 2001, 21. Dezember 2001, 28. März 2002, 24. Juni 2002 und 16. Dezember 2002 bei dem Prüfungsausschuss eingegangenen Anträgen begehrten der nunmehr zum Beigeladenen zu 2 zusammengeschlossene Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) und der Arbeiter-Ersatzkassen-Verband (AEV) die Prüfung der Verordnungen durch den Prüfungsausschuss bei der Beigeladenen zu 1. Zur Begründung verwiesen sie auf die in anderen Fällen von ihnen für die Verordnung von WOBE-Mugos abgegebenen Erklärungen, wonach nach Nr. 17.1 der Arzneimittelrichtlinien Organtherapeutika wie etwa das Trypsin aus der Bauchspeicheldrüse vom Schwein, welche in Wobe-Mugos enthalten seien, nicht verordnungsfähig seien. Außerdem entspreche das Arzneimittel nicht dem allgemeinen Stand der Langzeitbehandlung bei Tumoren, Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie, Metastasenprophylaxe sowie Unterstützung bei Entzündungen und Virusinfektionen (z.B. Herpes zoster). Damit sei das Präparat unwirtschaftlich nach § 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) und nach Nr. 13 der Arzneimittelrichtlinien.
Der Prüfungsausschuss bei der Beigeladenen zu 1 setzte – nachdem die Klägerin von der ihr dargebotenen Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht hatte – durch Beschlüsse vom 08. Dezember 2004 und 02. Februar 2005 die beantragten Regresse fest. Zwar sei das Präparat für die Anwendungsgebiete Langzeitbehandlung bei bösartigen Tumoren, Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie, Metastasenprophylaxe, zur Unterstützung der Langzeitbehandlung bei Entzündungen und Virusinfektionen (z.B. Herpes zoster) fiktiv zugelassen. Veröffentlichte, mit einwandfreien wissenschaftlichen Methoden gewonnene Erkenntnisse über den relevanten therapeutischen Nutzen von Enzympräparaten bei den genannten Erkrankungen fehlten indessen. Ihm werde andererseits von Vertretern der sogenannten biologischen Krebsabwehr eine Wirkung zugeschrieben. Bei dieser insgesamt nicht eindeutigen Situation könne (an sich) nur ein Hinweis dahingehend ausgesprochen werden, aufgrund des negativ zu bewertenden therapeutischen Nutzens in Verbindung mit den hohen Kosten zukünftig auf die Verordnung dieses Präparats zu verzichten. Indessen erübrige sich dieser Hinweis insofern, als Wobe-Mugos zu den nicht rezeptpflichtigen und nach den neuen Arzneimittelrichtlinien ohnehin nicht mehr verordnungsfähigen Präparaten gehöre. Gleichwohl sei von einer unzulässigen Verordnung auszugehen. Denn die Klägerin habe im Verfahren vor dem Prüfungsausschuss nicht mitgeteilt, an welcher Erkrankung die behandelten Mitglieder der Kasse gelitten hätten, so dass nicht erkennbar gewesen sei, ob eine der fiktiven Zulassung entsprechende Verordnung vorgelegen habe.
Hiergegen rief die Klägerin den beklagten Beschwerdeausschuss an und wies unter Beifügung entsprechender Unterlagen darauf hin, dass die Patienten unter Karzinomen gelitten hätten. Der Beklagte entschied durch gleichlautende Beschlüsse vom 07. Dezember 2005, dass die Regresse zu Recht ausgesprochen wurden. Es sei im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R – (SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 = BSGE 95, 132) von einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot auszugehen. Wobe-Mugos E erfülle nicht die Anforderungen an ein im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähiges Arzneimittel, sodass bei seiner Verordnung keine Leistungspflicht der Kassen begründet werde. Wegen zwischenzeitlicher Änderung der Darreichungsform habe keine Zulassung als Alt-Arzneimittel mehr bestanden. Die infolge der Einlegung von Rechtsmitteln durch den Hersteller mit Blick auf die aufschiebende Wirkung fortbestehende fiktive Zulassung genüge nicht den Anforderungen für die Verkehrsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Übrigen verstoße die Verordnung des Arzneimittels auch gegen einen Verordnungsausschluss, welcher sich aus der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (vom 21.02.1990 - BGBl. I, 301 - sogenannte Negativliste) ergebe. In der Anlage 2 der Negativliste (Fassung der Verordnung vom 16.11.2000 - BGBl. I, 1593) seien die Wirkstoffe Papainum crudum (Rohpapain) und papainhaltige Enzymgemische enthalten, das hier verordnete Arzneimittel enthalte diese Wirkstoffe und sei demgemäß über die Negativliste als unwirtschaftlich von der Versorgung nach § 31 Abs. 1 SGB V ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund sei ein Regress zu erwägen gewesen. Für diese Maßnahme habe sich der Beschwerdeausschuss entschieden, weil eine Beratung keinen Sinn mehr mache, nachdem Wobe-Mugos E aus dem Verkehr genommen worden sei, und ferner, weil Bedenken gegen die Verordnung des Medikaments sich nach Erlass der sogenannten Negativliste sowie aufgrund früherer Entscheidungen der Sozialgerichte zum Zeitpunkt der Verordnung hätten aufdrängen müssen.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Wie sie bereits im Widerspruchsverfahren dargelegt habe, seien die streitigen Verordnungen im Rahmen von Karzinombehandlungen erfolgt. Auch könne der Beklagte mit seiner von derjenigen des Prüfungsausschusses abweichenden Meinung nicht mehr gehört werden. Insoweit werde vorsorglich Verjährung und Verfristung eingewandt. Von der erst im November 2000 im Bundesgesetzblatt verkündeten Negativliste könnten Verordnungen im Quartal III/2000 nicht betroffen sein. Es habe für Wobe-Mugos E eine fiktive Zulassung bestanden. Wenn (schon) der Prüfungsausschuss die Rechtslage deshalb nicht für eindeutig gehalten habe, dann könne ihr – der Klägerin – (erst recht) nicht vorgeworfen werden, dass sie das Mittel für verordnungsfähig gehalten habe. Wenn sich schließlich dem Prüfungsausschuss noch im Dezember 2004 Bedenken wegen der Verordnungsfähigkeit nicht aufgedrängt hätten, dann könne das von ihr – der Klägerin – auch nicht verlangt werden.
Durch Urteil vom 18. Oktober 2006 hat das Sozialgericht nach Verbindung der für jedes betroffene Quartal gesondert erhobenen Klagen die beanstandeten Regresse in der Gestalt der Beschlüsse des Beklagten aufgehoben. Es sei zu Unrecht ein Regress festgesetzt worden. Zwar seien sowohl die Prüffristen als auch die Bagatellgrenze eingehalten worden, jedoch sei das Arzneimittel Wobe-Mugos E in den streitigen Quartalen weder mit Blick auf die sogenannte Negativliste noch im Übrigen von der Verordnung ausgeschlossen gewesen. Unter den Ausschluss nach der Negativliste falle das Präparat nicht, weil die Regelung nach der Negativliste sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Phytotherapie beziehe, zu denen Wobe-Mugos E nicht gehöre. Vielmehr enthalte das Arzneimittel zu einem großen Anteil auch nichtpflanzliche Bestandteile. Im Übrigen sei zwar nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. September 2005 (B 1 KR 6/04 R, a.a.O.) davon auszugehen, dass allein die durch den Suspensiveffekt eines Rechtsmittels erreichte arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit noch keinen Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit dem Arzneimittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auslöse. Jedoch sei aus Gründen des Vertrauensschutzes diese Überlegung nicht für Quartale vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts anzuwenden. Vielmehr hätten die verordnenden Ärzte vor diesem Zeitpunkt darauf vertrauen dürfen, dass auch eine allein durch das Einlegen von Rechtsmitteln erreichte Verkehrsfähigkeit sie zur Verordnung des Arzneimittels berechtige. Von einer solchen Berechtigung sei vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts eine Vielzahl von Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen ausgegangen, wenn das Präparat im Rahmen der zugelassenen Indikationen verordnet worden sei. Dies gelte selbst für den hier mehrere Jahre nach der Verordnung mit der Sache befassten Prüfungsausschuss. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung des Beklagten ermessensfehlerhaft, weil unverhältnismäßig. Da der Beklagte bereits im streitigen Bescheid deutlich gemacht habe, dass nach seiner Auffassung eine Beratung als milderes Mittel aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Herausnahme des Präparats aus dem Arzneimittelverkehr keinen Sinn mehr mache, habe die Kammer von der ansonsten bei Ermessensfehlern gebotenen Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung abgesehen und den Regress aufgehoben. Die Entscheidung ist dem Beklagten am 19. März 2007 zugestellt worden.
Mit seiner am 11. April 2007 eingelegten Berufung trägt dieser vor, die angefochtene Entscheidung überzeuge in der Sache nicht. Der Gesetzgeber habe die Regresshaftung des Arztes verschuldensunabhängig ausgestaltet. Auch wenn dies rechtspolitisch kritisiert werden möge, seien die Rechtsanwender hieran gebunden. Der vom Sozialgericht demgegenüber ins Feld geführte Vertrauensschutz gehe an dem tragenden Grund der Entscheidung des Bundessozialgerichts vorbei. Dem Mittel sei in dieser Entscheidung nicht die Verkehrsfähigkeit abgesprochen worden. Vielmehr habe es lediglich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen. Ein Vertrauen auf Verordnungsfähigkeit aber habe es nicht geben können, denn das Arzneimittelrecht postuliere seit über 30 Jahren, dass die Zulassung eines zulassungspflichtigen Medikaments einen Wirksamkeitsnachweis erfordere und dass Medikamente, die lediglich fiktiv zugelassen seien, sich mit einem nachgeholten Wirksamkeitsnachweis im Nachzulassungsverfahren bewähren müssten. Insoweit sei auf § 109 Abs. 1 AMG hinzuweisen. Danach hätten die beteiligten Kreise das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. September 2005 (B 1 KR 64/04 R, a.a.O.) keineswegs als überraschende Erkenntnis empfinden und es habe sich kein schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden können, dass das fiktiv zugelassene Mittel ohne Wirksamkeitsnachweis verordnungsfähig sei, zumal das Arznei-Telegramm frühzeitig alle Ärzte darauf hingewiesen habe, dass Wobe-Mugos E nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschrieben werden dürfe. Im Übrigen sei der Arzneimittelregress vom Gesetz grundsätzlich verschuldensunabhängig ausgestaltet. Abschließend werde auf die Entscheidung der Kammer 27 des Sozialgerichts Hamburg vom 09. Mai 2007 (S 27 KA 13/06) hingewiesen. Danach habe ein schützenswertes Vertrauen in Fällen wie dem vorliegenden nicht bestanden.
Der Beklagte/Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Oktober 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin/Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie habe bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts darauf vertrauen dürfen, dass das verkehrsfähige Arzneimittel Wobe-Mugos E habe verordnet werden dürfen. Sie habe auch nicht wissen müssen, aus welchen Gründen es verkehrsfähig und ob dies namentlich nur aufgrund von Rechtsmitteln der Fall gewesen sei. Wenn selbst eine Vielzahl von Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen von einer Verordnungsfähigkeit ausgegangen sei, dann könne von ihr nicht verlangt werden, dass sie es besser wisse. Aus diesem Grunde sei die Festsetzung des Regresses ermessensfehlerhaft.
Die Beigeladene zu 1 trägt vor, die verschuldensunabhängige Regresshaftung des Vertragsarztes gelte nach der gesetzlichen Ausgestaltung nur für die Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs. 2 Ziff. 1 SGB V. Sonstige Verordnungsprüfungen führten zu verschuldensunabhängigen Regressen in der Regel aufgrund bundesmantelvertraglicher Regelungen bzw. aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen in den regionalen Prüfungsvereinbarungen. Auch sei § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V, wonach der Grundsatz "Beratung vor Regress" gelte, als ermessensleitende Bestimmung anzusehen. Diese gelte in sämtlichen Prüfungsarten, für die nicht etwas anderes geregelt sei. In § 11 der Hamburger Prüfungsvereinbarung (Prüfungsvereinbarung) 1999 bzw. noch deutlicher in § 10 Abs. 2 und 3 Prüfungsvereinbarung 2005 sei dies entsprechend geregelt. Nach ihrem – der Beigeladenen zu 1 – Verständnis habe sich daher die Ermessensentscheidung zwischen Beratung und Regress unter Beachtung des in § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V beschriebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses nach der Offenkundigkeit des Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu richten. Dies sei als Korrektiv einer ansonsten verschuldensunabhängigen Haftung zu sehen.
Der Beigeladene zu 2 unterstützt das Vorbringen des Beklagten unter Hinweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts Marburg vom 7. Februar 2007 (S 12 KA 733/06).
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist namentlich innerhalb der Frist des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts unterliegt der Aufhebung. Die Voraussetzungen, unter denen ein Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise ausgesprochen werden kann, liegen in allen beanstandeten Quartalen vor. Ermessensfehler beim Ausspruch des Regresses sind entgegen der vom Sozialgericht geäußerten Auffassung nicht ersichtlich.
Rechtsgrundlage der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung ist § 106 SGB V. Nach dieser Vorschrift überwachen die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106 Abs. 1 SGB V). Sie prüfen deren Wirtschaftlichkeit u.a. durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, wobei die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die im Gesetz selbst geregelten Auffälligkeits- und Zufälligkeitsprüfungen hinaus nach § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V auch andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren können. In Ausfüllung dieser Ermächtigung haben die Beigeladene zu 1, der VdAK und der AEV sowie weitere Vertragspartner die Prüfungsvereinbarung vom 3. Februar 1994 geschlossen, welche in der hier maßgeblichen Fassung des 3. Nachtrags vom 21.Juni 1999 (Prüfungsvereinbarung) in § 20 bestimmt, dass auf Antrag u.a. einer Krankenkasse oder ihres Verbandes auch geprüft wird, ob ein Arzt durch Verordnung insbesondere von Arzneimitteln, von Heilmitteln, von Hilfsmitteln, von Krankenhausbehandlung, Veranlassung von Auftragsleistungen oder bei der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Anträge wegen einzelner Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel sind nur zulässig, wenn die Nettokosten der beanstandeten Mittel insgesamt mehr als DM 50 betragen. Ferner muss der Antrag innerhalb einer Frist von 9 Monaten nach Abschluss des Quartals vorliegen, in dem der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verord¬nungsausschlussregelungen vermutet wird.
Vorliegend haben der VdAK und der AEV im Rahmen des ihnen eingeräumten Antragsrechts, unter Beachtung der Bagatellgrenzenregelung und unter Einhaltung der Neunmonatsfrist (Verordnung im III. Quartal 2000 = Fristbeginn 01. Oktober 2000 – Fristende 30. Juni 2000, Antrag vom 21. Juni 2001, Verordnung im I Quartal 2001 = Fristbeginn 1. April 2001 – Fristende 31. Dezember 2001, Antrag vom 21. Dezember 2001, Verordnung im II. Quartal 2001, Fristbeginn 1. Juli 2001 – Fristende 31. März 2002, Antrag vom 28. März 2002, Verordnung im III. Quartal 2001 = Fristbeginn 01. Oktober 2001 – Fristende 30. Juni 2002, Antrag vom 24. Juni 2002, Verordnung im I. Quartal 2002 = Fristbeginn 1. April 2002 – Fristende 31. Dezember 2002, Antrag vom 16. Dezember 2002) zulässigerweise die Prüfung der streitigen Verordnungen beantragt.
Der Ausspruch der Regresse zur Höhe von insgesamt 4.205,62 EUR ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Dabei ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Regresse unerheblich, welche Gründe den Prüfungsausschuss zu ihrem Ausspruch bewogen haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil vom 09.03.1994 – 6 RKa 5/92 – BSGE 74, 59) sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nämlich allein die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses Gegenstand der Klage und unterliegen der gerichtlichen Überprüfung. Ihr unterliegen hingegen im Regelfall nicht die vorgängigen Beschlüsse des Prüfungsausschusses. Ausnahmen sind nur dann zu machen, wenn ein Beschluss des Prüfungsausschusses bereits aus formalen Gründen – etwa wegen fehlender Zuständigkeit der Prüforgane oder wegen Fehlens des für die Einleitung des Prüfverfahrens erforderlichen Antrages – der Aufhebung unterliegt (vgl. BSG a.a.O.). Ein derartiger Ausnahmefall liegt indessen nicht vor.
Nach § 20 Abs. 3 Prüfungsvereinbarung kann ein Regress festgesetzt werden, soweit festgestellt wird, dass der Arzt im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Die Höhe des Regresses richtet sich nach dem tatsächlich festgestellten oder dem geschätzten Mehraufwand. Die Klägerin hat sich schon allein dadurch in Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot gesetzt, dass sie ein Arzneimittel zu Lasten der DAK verordnet hat, welches zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden durfte. Nach § 12 Abs. 1 SGB V müssen nämlich die Leistungen der Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Forderung nach Wirtschaftlichkeit genügt die Verordnung eines Medikaments nicht, welches zwar – dies ist für WOBE-Mugos E für den streitigen Zeitraum unstreitig – für die Behandlung der in Rede stehenden Erkrankung nach Arzneimittelrecht zugelassen ist, dessen Zulassung jedoch nicht auf einer Überprüfung seiner Wirksamkeit beruht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteile vom 27.09.2005 – B 1 KR 6/04 R – SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 = BSGE 95, 132 und vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 17 ff., 22 ff.) setzt der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln nach dem SGB V mehr voraus, als die bloß formale Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels, d.h. seine Zulassung nach dem Arzneimittelrecht. Vielmehr darf ein Arzneimittel, dessen arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit sich – wie dies bei WOBE-Mugos E unstreitig der Fall war – ausschließlich auf die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen den die Zulassung nach Arzneimittelrecht versagenden Bescheid gründet, nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden, weil es bei dieser verfahrensrechtlichen Situation an einer Überprüfung hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit fehlt. Von diesen Entscheidungen des Bundessozialgerichts ausgehend, welchen der erkennende Senat folgt, lag ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sinne von § 20 Prüfungsvereinbarung vor, weil dem Arzneimittel der Wirksamkeitsnachweis fehlte und seine Verkehrsfähigkeit sich allein auf formalrechtliche/prozessuale Erwägungen gründete. Bereits damit schied eine Verordnung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung aus. Der von dem Beklagten angestellten Erwägungen zur Negativliste bedurfte es nicht.
Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses ist ferner nicht, dass dem Arzt ein Verschulden oder eine sonstige besondere Vorwerfbarkeit zur Last fällt (vgl. BSG vom 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R = SozR 3-2500 § 106 Nr. 52; BSG vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 1; BSG v. 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 28). So führt die fehlerhafte (zahn)ärztliche Verordnung von Mitteln, die nicht der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen stets zu Ersatzansprüchen gegen den Vertrags(zahn)arzt, und zwar auch dann, wenn er in "gutem Glauben" von ihrer Verordnungsfähigkeit ausging (vgl. BSG v. 14.03.2001 – B 6 KA 19/00 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 S. 283 = juris Rn. 15; BSG v. 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 27). Grundsätzlich muss der Festsetzung eines Arzneimittelregresses auch keine Beratung vorangehen (BSG vom 27.06.2001 - B 6 KA 66/00 R = SozR 3-2500 § 106 Nr. 53; BSG vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 1). § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V kommt nämlich keine Bedeutung des Inhalts zu, dass hierdurch der Grundsatz postuliert wird, jeder Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise müsse eine gezielte Beratung im Sinne eines Rechtmäßigkeitserfordernisses vorausgehen (vgl. Engelhard in: Hauck/Noftz SGB V K § 106 Rn. 538). Vielmehr stellt das Erfordernis vorgängiger Beratung gemäß § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V nur eine "Soll-Vorgabe" dar, wobei der Vorrang entsprechend dem Sinn und Zweck der Bestimmung ohnehin nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt (vgl. BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 27). So liegt es aber hier.
Der Beklagte hat auch das ihm in § 20 Abs. 3 Prüfungsvereinbarung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Dieses erfasst nicht die Frage, ob überhaupt ein Regress festgesetzt wird. Es kann vielmehr (etwa im Hinblick auf das Vorliegen einer so genannten Anfängerpraxis) nur hinsichtlich der Höhe des auszusprechenden Regresses ausgeübt werden, denn die Frage der Unwirtschaftlichkeit kann regelmäßig nur bejaht oder verneint werden (vgl. Engelhard a.a.O. Rn. 561 sowie BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 29). Die von dem Beklagten hierzu im Rahmen seiner aus dem Bescheid erkennbaren Ermessensbetätigung angestellten Erwägungen halten einer Überprüfung stand; Ermessensfehler – auf deren Feststellung sich die Überprüfung von Ermessensentscheidungen zu beschränken hat – sind nicht erkennbar.
So ist der Beklagte von einem vollständigen Sachverhalt ausgegangen. Er hat seine Entscheidung für die Verhängung eines Regresses insoweit auch rechtsfehlerfrei auf den Umstand gestützt, dass der Klägerin sich angesichts der Jahre währenden Diskussion über eine Wirksamkeit von WOBE-Mugos E Zweifel über die Verordnungsfähigkeit des Medikaments hätten aufdrängen müssen. Dies erweist sich vor dem Hintergrund der mehrfachen Veröffentlichungen im Arzneimitteltelegramm, die allen Ärzten zugänglich sind und in denen auf mehrere im Sinne fehlender Verordnungsfähigkeit ergangene (auch ober-) gerichtliche Entscheidungen hingewiesen wurde, als zutreffend. Es entspricht im Hinblick hierauf mittlerweile auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass sich ein schutzwürdiges Vertrauen der Vertragsärzte auf Verordnungsfähigkeit von WOBE-Mugos bei einem derartigen Sachverhalt nicht bilden konnte. Bei dieser Situation, in der unterschiedliche Ansichten vertreten wurden, handelte die Klägerin auf eigenes Risiko (BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 30).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten beider Rechtszüge, d.h. nach § 162 Abs. 1 VwGO sowohl die Gerichtskosten als auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Beklagten in beiden Rechtszügen zu tragen, da weder sie noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil Gründe, die dies im Hinblick auf die Billigkeit geboten hätten, nicht ersichtlich sind.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Arzneimittelregress wegen der Verordnung des Mittels Wobe-Mugos E im Streit.
Die Klägerin ist in Hamburg als praktische Ärztin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie behandelte in den Quartalen III/2000, I - III/2001 und I/2002 das am XX.XXXX 1951 geborene Mitglied der Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) B. A. wegen eines Adenokarzinoms des linken Lungenoberlappens und das am XX.XXXXXXXXX 1946 geborene Mitglied der DAK M. T. wegen eines ausgedehnten, links-zentralen Bronchialkarzinoms. Im Rahmen dieser Behandlung verordnete sie den Patienten Wobe-Mugos E Tabletten zu Lasten der DAK. Die Rezepte wurden von den Erkrankten eingelöst. Hierfür entstanden der DAK Gesamtkosten in Höhe von 4.205,62 EUR, und zwar im Quartal III/2000 Kosten in Höhe von 967,31 EUR, in den Quartalen I - III/2001 Kosten in Höhe von 1.305,16 EUR, 276,37 EUR und 1.520,06 EUR sowie im Quartal I/2002 Kosten in Höhe von 136,72 EUR.
Bei WOBE-Mugos E Tabletten handelt es sich um ein unter anderem zur Tumortherapie angebotenes Enzympräparat, welches als arzneilich wirksame Bestandteile u.a. Papain und Trypsin/Chymotrypsin enthält. Das Mittel kam 1963 als rektal zu verabreichendes Medikament, so genannte Klistiertablette, unter dem Regime des alten, bis zum 31. Dezember 1977 geltenden Arzneimittelrechts (Arzneimittelgesetz – AMG – 1961) auf den Markt. Zum 1. Januar 1978 wurde das Arzneimittelrecht ungestaltet (Arzneimittelgesetz – AMG – 1976), und an die Stelle einer bloß formellen Registrierung trat ein Zulassungsverfahren, im Rahmen dessen auch eine Wirksamkeitsprüfung vorgenommen wird. Für Alt-Arzneimittel galten Übergangsregelungen, die sicherstellen sollten, dass beim Inkrafttreten des neuen Rechts die unter der Geltung des AMG 1961 verkehrsfähig gewesenen Arzneimittel, die nach dem AMG 1976 nun der Zulassung bedurften, zunächst weiterhin zum Verkehr zugelassen waren, um während des Übergangszeitraums die Überprüfung nach den Kriterien des AMG 1976 durchzuführen (Nachzulassung). Dementsprechend zeigte der Hersteller im Juni 1978 das Arzneimittel bei der zuständigen Behörde an, so dass es zunächst weiter in Verkehr gebracht werden durfte. Zwischen 1978 und 1989 wurde die Darreichungsform geändert und das Medikament als oral zu verabreichende Filmtablette angeboten. Im Dezember 1989 – rechtzeitig vor Ablauf der 12-jährigen Übergangsfrist – beantragte der Hersteller die Verlängerung der Zulassung. Von den für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Behörden wurde ihm 1997 mitgeteilt, dass das Präparat keine Arzneimittelzulassung mehr besitze und wegen der zwischen 1978 und 1989 erfolgten Änderung der Darreichungsform einer Neuzulassung bedürfe. Mit Bescheid vom 9. Juni 1998 lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Verlängerung der Zulassung ab, ohne die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung anzuordnen. Mit Urteil vom 18. Dezember 2001 – VG 14 A 218.98 – wies das Verwaltungsgericht Berlin die daraufhin erhobene Klage des Herstellers auf Verlängerung der Altzulassung ab, weil es an einer verlängerbaren fiktiven Zulassung der Filmtabletten Wobe-Mugos E fehle; die Umwandlung der ursprünglichen "Klistier-Tablette" in eine oral zu verabreichende Filmtablette habe eine Neuzulassungspflicht nach sich gezogen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Herstellers ordnete das Oberverwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 29. Juni 2002 zunächst die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage an, wies jedoch mit Urteil vom 7. April 2005 – OVG 5 B 8.03 – die zwischenzeitlich zugelassene Berufung des Herstellers in der Hauptsache zurück, und zwar auch im Wesentlichen mit der Begründung, es habe an einer verlängerbaren fiktiven Zulassung gefehlt. Zum 1. September 2005 nahm der Hersteller Wobe-Mugos E in Deutschland aus dem Verkehr. Als WOBE-Mucos NEM (Nahrungsergänzungsmittel) kann es mittlerweile wieder rezeptfrei aus Holland bezogen werden.
Mit am 25. Juni 2001, 21. Dezember 2001, 28. März 2002, 24. Juni 2002 und 16. Dezember 2002 bei dem Prüfungsausschuss eingegangenen Anträgen begehrten der nunmehr zum Beigeladenen zu 2 zusammengeschlossene Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) und der Arbeiter-Ersatzkassen-Verband (AEV) die Prüfung der Verordnungen durch den Prüfungsausschuss bei der Beigeladenen zu 1. Zur Begründung verwiesen sie auf die in anderen Fällen von ihnen für die Verordnung von WOBE-Mugos abgegebenen Erklärungen, wonach nach Nr. 17.1 der Arzneimittelrichtlinien Organtherapeutika wie etwa das Trypsin aus der Bauchspeicheldrüse vom Schwein, welche in Wobe-Mugos enthalten seien, nicht verordnungsfähig seien. Außerdem entspreche das Arzneimittel nicht dem allgemeinen Stand der Langzeitbehandlung bei Tumoren, Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie, Metastasenprophylaxe sowie Unterstützung bei Entzündungen und Virusinfektionen (z.B. Herpes zoster). Damit sei das Präparat unwirtschaftlich nach § 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) und nach Nr. 13 der Arzneimittelrichtlinien.
Der Prüfungsausschuss bei der Beigeladenen zu 1 setzte – nachdem die Klägerin von der ihr dargebotenen Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht hatte – durch Beschlüsse vom 08. Dezember 2004 und 02. Februar 2005 die beantragten Regresse fest. Zwar sei das Präparat für die Anwendungsgebiete Langzeitbehandlung bei bösartigen Tumoren, Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie, Metastasenprophylaxe, zur Unterstützung der Langzeitbehandlung bei Entzündungen und Virusinfektionen (z.B. Herpes zoster) fiktiv zugelassen. Veröffentlichte, mit einwandfreien wissenschaftlichen Methoden gewonnene Erkenntnisse über den relevanten therapeutischen Nutzen von Enzympräparaten bei den genannten Erkrankungen fehlten indessen. Ihm werde andererseits von Vertretern der sogenannten biologischen Krebsabwehr eine Wirkung zugeschrieben. Bei dieser insgesamt nicht eindeutigen Situation könne (an sich) nur ein Hinweis dahingehend ausgesprochen werden, aufgrund des negativ zu bewertenden therapeutischen Nutzens in Verbindung mit den hohen Kosten zukünftig auf die Verordnung dieses Präparats zu verzichten. Indessen erübrige sich dieser Hinweis insofern, als Wobe-Mugos zu den nicht rezeptpflichtigen und nach den neuen Arzneimittelrichtlinien ohnehin nicht mehr verordnungsfähigen Präparaten gehöre. Gleichwohl sei von einer unzulässigen Verordnung auszugehen. Denn die Klägerin habe im Verfahren vor dem Prüfungsausschuss nicht mitgeteilt, an welcher Erkrankung die behandelten Mitglieder der Kasse gelitten hätten, so dass nicht erkennbar gewesen sei, ob eine der fiktiven Zulassung entsprechende Verordnung vorgelegen habe.
Hiergegen rief die Klägerin den beklagten Beschwerdeausschuss an und wies unter Beifügung entsprechender Unterlagen darauf hin, dass die Patienten unter Karzinomen gelitten hätten. Der Beklagte entschied durch gleichlautende Beschlüsse vom 07. Dezember 2005, dass die Regresse zu Recht ausgesprochen wurden. Es sei im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R – (SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 = BSGE 95, 132) von einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot auszugehen. Wobe-Mugos E erfülle nicht die Anforderungen an ein im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähiges Arzneimittel, sodass bei seiner Verordnung keine Leistungspflicht der Kassen begründet werde. Wegen zwischenzeitlicher Änderung der Darreichungsform habe keine Zulassung als Alt-Arzneimittel mehr bestanden. Die infolge der Einlegung von Rechtsmitteln durch den Hersteller mit Blick auf die aufschiebende Wirkung fortbestehende fiktive Zulassung genüge nicht den Anforderungen für die Verkehrsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Übrigen verstoße die Verordnung des Arzneimittels auch gegen einen Verordnungsausschluss, welcher sich aus der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (vom 21.02.1990 - BGBl. I, 301 - sogenannte Negativliste) ergebe. In der Anlage 2 der Negativliste (Fassung der Verordnung vom 16.11.2000 - BGBl. I, 1593) seien die Wirkstoffe Papainum crudum (Rohpapain) und papainhaltige Enzymgemische enthalten, das hier verordnete Arzneimittel enthalte diese Wirkstoffe und sei demgemäß über die Negativliste als unwirtschaftlich von der Versorgung nach § 31 Abs. 1 SGB V ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund sei ein Regress zu erwägen gewesen. Für diese Maßnahme habe sich der Beschwerdeausschuss entschieden, weil eine Beratung keinen Sinn mehr mache, nachdem Wobe-Mugos E aus dem Verkehr genommen worden sei, und ferner, weil Bedenken gegen die Verordnung des Medikaments sich nach Erlass der sogenannten Negativliste sowie aufgrund früherer Entscheidungen der Sozialgerichte zum Zeitpunkt der Verordnung hätten aufdrängen müssen.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Wie sie bereits im Widerspruchsverfahren dargelegt habe, seien die streitigen Verordnungen im Rahmen von Karzinombehandlungen erfolgt. Auch könne der Beklagte mit seiner von derjenigen des Prüfungsausschusses abweichenden Meinung nicht mehr gehört werden. Insoweit werde vorsorglich Verjährung und Verfristung eingewandt. Von der erst im November 2000 im Bundesgesetzblatt verkündeten Negativliste könnten Verordnungen im Quartal III/2000 nicht betroffen sein. Es habe für Wobe-Mugos E eine fiktive Zulassung bestanden. Wenn (schon) der Prüfungsausschuss die Rechtslage deshalb nicht für eindeutig gehalten habe, dann könne ihr – der Klägerin – (erst recht) nicht vorgeworfen werden, dass sie das Mittel für verordnungsfähig gehalten habe. Wenn sich schließlich dem Prüfungsausschuss noch im Dezember 2004 Bedenken wegen der Verordnungsfähigkeit nicht aufgedrängt hätten, dann könne das von ihr – der Klägerin – auch nicht verlangt werden.
Durch Urteil vom 18. Oktober 2006 hat das Sozialgericht nach Verbindung der für jedes betroffene Quartal gesondert erhobenen Klagen die beanstandeten Regresse in der Gestalt der Beschlüsse des Beklagten aufgehoben. Es sei zu Unrecht ein Regress festgesetzt worden. Zwar seien sowohl die Prüffristen als auch die Bagatellgrenze eingehalten worden, jedoch sei das Arzneimittel Wobe-Mugos E in den streitigen Quartalen weder mit Blick auf die sogenannte Negativliste noch im Übrigen von der Verordnung ausgeschlossen gewesen. Unter den Ausschluss nach der Negativliste falle das Präparat nicht, weil die Regelung nach der Negativliste sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Phytotherapie beziehe, zu denen Wobe-Mugos E nicht gehöre. Vielmehr enthalte das Arzneimittel zu einem großen Anteil auch nichtpflanzliche Bestandteile. Im Übrigen sei zwar nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. September 2005 (B 1 KR 6/04 R, a.a.O.) davon auszugehen, dass allein die durch den Suspensiveffekt eines Rechtsmittels erreichte arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit noch keinen Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit dem Arzneimittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auslöse. Jedoch sei aus Gründen des Vertrauensschutzes diese Überlegung nicht für Quartale vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts anzuwenden. Vielmehr hätten die verordnenden Ärzte vor diesem Zeitpunkt darauf vertrauen dürfen, dass auch eine allein durch das Einlegen von Rechtsmitteln erreichte Verkehrsfähigkeit sie zur Verordnung des Arzneimittels berechtige. Von einer solchen Berechtigung sei vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts eine Vielzahl von Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen ausgegangen, wenn das Präparat im Rahmen der zugelassenen Indikationen verordnet worden sei. Dies gelte selbst für den hier mehrere Jahre nach der Verordnung mit der Sache befassten Prüfungsausschuss. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung des Beklagten ermessensfehlerhaft, weil unverhältnismäßig. Da der Beklagte bereits im streitigen Bescheid deutlich gemacht habe, dass nach seiner Auffassung eine Beratung als milderes Mittel aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Herausnahme des Präparats aus dem Arzneimittelverkehr keinen Sinn mehr mache, habe die Kammer von der ansonsten bei Ermessensfehlern gebotenen Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung abgesehen und den Regress aufgehoben. Die Entscheidung ist dem Beklagten am 19. März 2007 zugestellt worden.
Mit seiner am 11. April 2007 eingelegten Berufung trägt dieser vor, die angefochtene Entscheidung überzeuge in der Sache nicht. Der Gesetzgeber habe die Regresshaftung des Arztes verschuldensunabhängig ausgestaltet. Auch wenn dies rechtspolitisch kritisiert werden möge, seien die Rechtsanwender hieran gebunden. Der vom Sozialgericht demgegenüber ins Feld geführte Vertrauensschutz gehe an dem tragenden Grund der Entscheidung des Bundessozialgerichts vorbei. Dem Mittel sei in dieser Entscheidung nicht die Verkehrsfähigkeit abgesprochen worden. Vielmehr habe es lediglich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen. Ein Vertrauen auf Verordnungsfähigkeit aber habe es nicht geben können, denn das Arzneimittelrecht postuliere seit über 30 Jahren, dass die Zulassung eines zulassungspflichtigen Medikaments einen Wirksamkeitsnachweis erfordere und dass Medikamente, die lediglich fiktiv zugelassen seien, sich mit einem nachgeholten Wirksamkeitsnachweis im Nachzulassungsverfahren bewähren müssten. Insoweit sei auf § 109 Abs. 1 AMG hinzuweisen. Danach hätten die beteiligten Kreise das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. September 2005 (B 1 KR 64/04 R, a.a.O.) keineswegs als überraschende Erkenntnis empfinden und es habe sich kein schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden können, dass das fiktiv zugelassene Mittel ohne Wirksamkeitsnachweis verordnungsfähig sei, zumal das Arznei-Telegramm frühzeitig alle Ärzte darauf hingewiesen habe, dass Wobe-Mugos E nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschrieben werden dürfe. Im Übrigen sei der Arzneimittelregress vom Gesetz grundsätzlich verschuldensunabhängig ausgestaltet. Abschließend werde auf die Entscheidung der Kammer 27 des Sozialgerichts Hamburg vom 09. Mai 2007 (S 27 KA 13/06) hingewiesen. Danach habe ein schützenswertes Vertrauen in Fällen wie dem vorliegenden nicht bestanden.
Der Beklagte/Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Oktober 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin/Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie habe bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts darauf vertrauen dürfen, dass das verkehrsfähige Arzneimittel Wobe-Mugos E habe verordnet werden dürfen. Sie habe auch nicht wissen müssen, aus welchen Gründen es verkehrsfähig und ob dies namentlich nur aufgrund von Rechtsmitteln der Fall gewesen sei. Wenn selbst eine Vielzahl von Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen von einer Verordnungsfähigkeit ausgegangen sei, dann könne von ihr nicht verlangt werden, dass sie es besser wisse. Aus diesem Grunde sei die Festsetzung des Regresses ermessensfehlerhaft.
Die Beigeladene zu 1 trägt vor, die verschuldensunabhängige Regresshaftung des Vertragsarztes gelte nach der gesetzlichen Ausgestaltung nur für die Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs. 2 Ziff. 1 SGB V. Sonstige Verordnungsprüfungen führten zu verschuldensunabhängigen Regressen in der Regel aufgrund bundesmantelvertraglicher Regelungen bzw. aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen in den regionalen Prüfungsvereinbarungen. Auch sei § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V, wonach der Grundsatz "Beratung vor Regress" gelte, als ermessensleitende Bestimmung anzusehen. Diese gelte in sämtlichen Prüfungsarten, für die nicht etwas anderes geregelt sei. In § 11 der Hamburger Prüfungsvereinbarung (Prüfungsvereinbarung) 1999 bzw. noch deutlicher in § 10 Abs. 2 und 3 Prüfungsvereinbarung 2005 sei dies entsprechend geregelt. Nach ihrem – der Beigeladenen zu 1 – Verständnis habe sich daher die Ermessensentscheidung zwischen Beratung und Regress unter Beachtung des in § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V beschriebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses nach der Offenkundigkeit des Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu richten. Dies sei als Korrektiv einer ansonsten verschuldensunabhängigen Haftung zu sehen.
Der Beigeladene zu 2 unterstützt das Vorbringen des Beklagten unter Hinweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts Marburg vom 7. Februar 2007 (S 12 KA 733/06).
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist namentlich innerhalb der Frist des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts unterliegt der Aufhebung. Die Voraussetzungen, unter denen ein Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise ausgesprochen werden kann, liegen in allen beanstandeten Quartalen vor. Ermessensfehler beim Ausspruch des Regresses sind entgegen der vom Sozialgericht geäußerten Auffassung nicht ersichtlich.
Rechtsgrundlage der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung ist § 106 SGB V. Nach dieser Vorschrift überwachen die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106 Abs. 1 SGB V). Sie prüfen deren Wirtschaftlichkeit u.a. durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, wobei die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die im Gesetz selbst geregelten Auffälligkeits- und Zufälligkeitsprüfungen hinaus nach § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V auch andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren können. In Ausfüllung dieser Ermächtigung haben die Beigeladene zu 1, der VdAK und der AEV sowie weitere Vertragspartner die Prüfungsvereinbarung vom 3. Februar 1994 geschlossen, welche in der hier maßgeblichen Fassung des 3. Nachtrags vom 21.Juni 1999 (Prüfungsvereinbarung) in § 20 bestimmt, dass auf Antrag u.a. einer Krankenkasse oder ihres Verbandes auch geprüft wird, ob ein Arzt durch Verordnung insbesondere von Arzneimitteln, von Heilmitteln, von Hilfsmitteln, von Krankenhausbehandlung, Veranlassung von Auftragsleistungen oder bei der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Anträge wegen einzelner Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel sind nur zulässig, wenn die Nettokosten der beanstandeten Mittel insgesamt mehr als DM 50 betragen. Ferner muss der Antrag innerhalb einer Frist von 9 Monaten nach Abschluss des Quartals vorliegen, in dem der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verord¬nungsausschlussregelungen vermutet wird.
Vorliegend haben der VdAK und der AEV im Rahmen des ihnen eingeräumten Antragsrechts, unter Beachtung der Bagatellgrenzenregelung und unter Einhaltung der Neunmonatsfrist (Verordnung im III. Quartal 2000 = Fristbeginn 01. Oktober 2000 – Fristende 30. Juni 2000, Antrag vom 21. Juni 2001, Verordnung im I Quartal 2001 = Fristbeginn 1. April 2001 – Fristende 31. Dezember 2001, Antrag vom 21. Dezember 2001, Verordnung im II. Quartal 2001, Fristbeginn 1. Juli 2001 – Fristende 31. März 2002, Antrag vom 28. März 2002, Verordnung im III. Quartal 2001 = Fristbeginn 01. Oktober 2001 – Fristende 30. Juni 2002, Antrag vom 24. Juni 2002, Verordnung im I. Quartal 2002 = Fristbeginn 1. April 2002 – Fristende 31. Dezember 2002, Antrag vom 16. Dezember 2002) zulässigerweise die Prüfung der streitigen Verordnungen beantragt.
Der Ausspruch der Regresse zur Höhe von insgesamt 4.205,62 EUR ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Dabei ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Regresse unerheblich, welche Gründe den Prüfungsausschuss zu ihrem Ausspruch bewogen haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil vom 09.03.1994 – 6 RKa 5/92 – BSGE 74, 59) sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nämlich allein die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses Gegenstand der Klage und unterliegen der gerichtlichen Überprüfung. Ihr unterliegen hingegen im Regelfall nicht die vorgängigen Beschlüsse des Prüfungsausschusses. Ausnahmen sind nur dann zu machen, wenn ein Beschluss des Prüfungsausschusses bereits aus formalen Gründen – etwa wegen fehlender Zuständigkeit der Prüforgane oder wegen Fehlens des für die Einleitung des Prüfverfahrens erforderlichen Antrages – der Aufhebung unterliegt (vgl. BSG a.a.O.). Ein derartiger Ausnahmefall liegt indessen nicht vor.
Nach § 20 Abs. 3 Prüfungsvereinbarung kann ein Regress festgesetzt werden, soweit festgestellt wird, dass der Arzt im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Die Höhe des Regresses richtet sich nach dem tatsächlich festgestellten oder dem geschätzten Mehraufwand. Die Klägerin hat sich schon allein dadurch in Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot gesetzt, dass sie ein Arzneimittel zu Lasten der DAK verordnet hat, welches zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden durfte. Nach § 12 Abs. 1 SGB V müssen nämlich die Leistungen der Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Forderung nach Wirtschaftlichkeit genügt die Verordnung eines Medikaments nicht, welches zwar – dies ist für WOBE-Mugos E für den streitigen Zeitraum unstreitig – für die Behandlung der in Rede stehenden Erkrankung nach Arzneimittelrecht zugelassen ist, dessen Zulassung jedoch nicht auf einer Überprüfung seiner Wirksamkeit beruht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteile vom 27.09.2005 – B 1 KR 6/04 R – SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 = BSGE 95, 132 und vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 17 ff., 22 ff.) setzt der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln nach dem SGB V mehr voraus, als die bloß formale Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels, d.h. seine Zulassung nach dem Arzneimittelrecht. Vielmehr darf ein Arzneimittel, dessen arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit sich – wie dies bei WOBE-Mugos E unstreitig der Fall war – ausschließlich auf die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen den die Zulassung nach Arzneimittelrecht versagenden Bescheid gründet, nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden, weil es bei dieser verfahrensrechtlichen Situation an einer Überprüfung hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit fehlt. Von diesen Entscheidungen des Bundessozialgerichts ausgehend, welchen der erkennende Senat folgt, lag ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sinne von § 20 Prüfungsvereinbarung vor, weil dem Arzneimittel der Wirksamkeitsnachweis fehlte und seine Verkehrsfähigkeit sich allein auf formalrechtliche/prozessuale Erwägungen gründete. Bereits damit schied eine Verordnung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung aus. Der von dem Beklagten angestellten Erwägungen zur Negativliste bedurfte es nicht.
Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses ist ferner nicht, dass dem Arzt ein Verschulden oder eine sonstige besondere Vorwerfbarkeit zur Last fällt (vgl. BSG vom 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R = SozR 3-2500 § 106 Nr. 52; BSG vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 1; BSG v. 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 28). So führt die fehlerhafte (zahn)ärztliche Verordnung von Mitteln, die nicht der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen stets zu Ersatzansprüchen gegen den Vertrags(zahn)arzt, und zwar auch dann, wenn er in "gutem Glauben" von ihrer Verordnungsfähigkeit ausging (vgl. BSG v. 14.03.2001 – B 6 KA 19/00 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 S. 283 = juris Rn. 15; BSG v. 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 27). Grundsätzlich muss der Festsetzung eines Arzneimittelregresses auch keine Beratung vorangehen (BSG vom 27.06.2001 - B 6 KA 66/00 R = SozR 3-2500 § 106 Nr. 53; BSG vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 1). § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V kommt nämlich keine Bedeutung des Inhalts zu, dass hierdurch der Grundsatz postuliert wird, jeder Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise müsse eine gezielte Beratung im Sinne eines Rechtmäßigkeitserfordernisses vorausgehen (vgl. Engelhard in: Hauck/Noftz SGB V K § 106 Rn. 538). Vielmehr stellt das Erfordernis vorgängiger Beratung gemäß § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V nur eine "Soll-Vorgabe" dar, wobei der Vorrang entsprechend dem Sinn und Zweck der Bestimmung ohnehin nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt (vgl. BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 27). So liegt es aber hier.
Der Beklagte hat auch das ihm in § 20 Abs. 3 Prüfungsvereinbarung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Dieses erfasst nicht die Frage, ob überhaupt ein Regress festgesetzt wird. Es kann vielmehr (etwa im Hinblick auf das Vorliegen einer so genannten Anfängerpraxis) nur hinsichtlich der Höhe des auszusprechenden Regresses ausgeübt werden, denn die Frage der Unwirtschaftlichkeit kann regelmäßig nur bejaht oder verneint werden (vgl. Engelhard a.a.O. Rn. 561 sowie BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 29). Die von dem Beklagten hierzu im Rahmen seiner aus dem Bescheid erkennbaren Ermessensbetätigung angestellten Erwägungen halten einer Überprüfung stand; Ermessensfehler – auf deren Feststellung sich die Überprüfung von Ermessensentscheidungen zu beschränken hat – sind nicht erkennbar.
So ist der Beklagte von einem vollständigen Sachverhalt ausgegangen. Er hat seine Entscheidung für die Verhängung eines Regresses insoweit auch rechtsfehlerfrei auf den Umstand gestützt, dass der Klägerin sich angesichts der Jahre währenden Diskussion über eine Wirksamkeit von WOBE-Mugos E Zweifel über die Verordnungsfähigkeit des Medikaments hätten aufdrängen müssen. Dies erweist sich vor dem Hintergrund der mehrfachen Veröffentlichungen im Arzneimitteltelegramm, die allen Ärzten zugänglich sind und in denen auf mehrere im Sinne fehlender Verordnungsfähigkeit ergangene (auch ober-) gerichtliche Entscheidungen hingewiesen wurde, als zutreffend. Es entspricht im Hinblick hierauf mittlerweile auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass sich ein schutzwürdiges Vertrauen der Vertragsärzte auf Verordnungsfähigkeit von WOBE-Mugos bei einem derartigen Sachverhalt nicht bilden konnte. Bei dieser Situation, in der unterschiedliche Ansichten vertreten wurden, handelte die Klägerin auf eigenes Risiko (BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – juris Rn. 30).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten beider Rechtszüge, d.h. nach § 162 Abs. 1 VwGO sowohl die Gerichtskosten als auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Beklagten in beiden Rechtszügen zu tragen, da weder sie noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil Gründe, die dies im Hinblick auf die Billigkeit geboten hätten, nicht ersichtlich sind.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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