Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 4 VG 2745/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 5 VG 801/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 17. August 2005 abgeändert.
Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. September 2003 wird aufgehoben. I
m Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat 20 v. H. der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Widerspruchsbescheid vom 23. September 2003 aufgehoben wurde.
Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG).
Der im Jahre 1969 geborene Kläger leidet nach einer Operation an der Wirbelsäule im Juni 2000 weiterhin an Rückenschmerzen, die er auf einen Polizeieinsatz zurückführt.
Wegen dieser Rückenbeschwerden stellte er im September 2000 einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung. Dabei machte er geltend, am 19. Juni 1999 von Polizeibeamten misshandelt worden zu sein. Die schädigenden Geschehnisse werden von dem Kläger einerseits und den beteiligten Polizeibeamten andererseits unterschiedlich geschildert. Fest steht nur, dass mehrere Polizeibeamte am frühen Morgen des 19. Juni 1999 bei dem Haus des Klägers vorfuhren. Sie wollten wegen einer Unfallflucht ermitteln. Der Unfallwagen befand sich in der Grundstückseinfahrt zu dem Haus; sein Halter war dort gemeldet. Zunächst kam es zu heftigen Wortwechseln zwischen den Polizeibeamten und dem Kläger. Als dieser eine Dose Bier trinken wollte und einige Polizeibeamte ihn daran hinderten, kam es zu Handgreiflichkeiten. Mehrere Personen fielen zu Boden; schließlich wurde der Kläger überwältigt; seine Hände wurden auf dem Rücken gefesselt und er wurde bäuchlings auf dem Boden festgehalten.
Der Beklagte versuchte, den Tathergang und den relevanten medizinischen Sachverhalt weiter aufzuklären. Er zog deshalb zunächst verschiedene medizinische Unterlagen bei. Danach hatte sich der Kläger erstmals am 19. Juni 1999 gegen 14.05 Uhr in der Notfall¬ambulanz des S. Klinikums vorgestellt. Dort wurden ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades, Würgemale am Hals sowie eine Prellung mit oberflächlichem Hämatom am linken Oberarm diagnostiziert. Sofern sich in den auf die Untersuchung folgenden 72 Stunden keine Hirndrucksymptomatik ausgebildet habe, sei bei dem vorliegenden Verletzungs¬muster mit keinem bleibenden Körperschaden zu rechnen. Am 21. Juni 1999 stellte sich der Kläger bei Dipl.-Med. S. vor. Dieser diagnostizierte ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades, Würgemale im Halsbereich, eine Thoraxkontusion, eine Kontusion am linken Oberarm und eine weitere Kontusion am rechten Ellenbogen. Aufgrund der Art der Verletzungen und des Krankheitsverlaufes sei mit Spätschäden nicht zu rechnen. Den Orthopäden Dr. Z. suchte der Kläger wegen des Ereignisses am 19. Juni 1999 nicht auf; die erste Vorstellung danach erfolgte vielmehr am 3. Februar 2000 wegen Schmerzen im Lumbalbereich. Wegen Spondylolisthesis L 5/S 1 mit Instabilitätssymptomatik wurden im Juni 2000 eine postero-lumbale intersomatische Fusion und eine Reposition L 5/S 1 und sodann eine Anschlussheilbehandlung in Bad K. durchgeführt.
Außerdem zog der Beklagte die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Erfurt zu den Aktenzeichen 610 Js 28207/99 und 571 Js 31219/99 bei. Die Akte zum Aktenzeichen 610 Js 28207/99 betrifft Ermittlungen wegen der Unfallflucht, in deren Rahmen die Beamten das Wohnhaus des Klägers aufgesucht hatten. Bestandteil der Akte ist ein Vermerk des PHM S. vom 19. Juni 1999 über die hier interessierenden Vorgänge. Die Akte 571 Js 31219/99 betrifft die Ermittlungen wegen Körperverletzung im Amt gegen die an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten aufgrund einer Anzeige des Klägers vom 20. September 1999. Nach den Aussagen der Polizei¬beamten stellte sich der Sachverhalt zusammenfassend so dar, dass nach einer Unfallflucht am 19. Juni 1999, bei der das Kennzeichen des Fluchtfahrzeuges gefunden worden war, der Halter ermittelt wurde und an seinem Wohnort aufgesucht werden sollte. Insgesamt sieben Polizeibeamte fuhren mit mehreren Fahrzeugen zum Grundstück des Klägers. Auf ihr Klingeln habe der Kläger geöffnet und die Beamten sofort in aggressivem Tonfall aufgefordert, sein Grundstück zu verlassen. Dies habe er stetig wiederholt, ohne auf die Erklärungsversuche zum Grund der Ermittlungen zu achten. Er habe versucht, die Tür zu schließen, was durch einen der Beamten verhindert worden sei, indem dieser seinen Fuß in die Tür stellte. Während sich sodann der zuvor nur unvollständig bekleidete Kläger anzog, hätten die Polizisten mit Ausnahme zweier Beamtinnen, die das Grundstück gesichert hätten, den Flur betreten. Nach seiner Rückkehr habe der Kläger die Beamten aufgefordert, das Haus zu verlassen und sie weiterhin beleidigt. Während PHM S. mit Einverständnis der Lebensgefährtin des Klägers die im Obergeschoss des Hauses befindlichen Räumlichkeiten nach weiteren Personen durchsuchte, sei es im Untergeschoss zu der tätlichen Ausein¬andersetzung gekommen, nachdem der Kläger sich eine Dose Bier genommen habe und diese trinken wollte. Dies sei ihm mündlich untersagt worden, weil bis dahin nicht klar gewesen sei, ob er der Unfallflüchtige war. Es habe deshalb ein Nachtrunk vermieden werden müssen. Als der Kläger dennoch mehrfach zum Trinken ansetzte, habe ihm ein Beamter den Arm nach unten gedrückt. Die Dose sei dem Kläger nicht aus der Hand geschlagen worden. Vielmehr habe der Kläger mit der Dose in der Hand nach dem Polizisten geschlagen, der sich geduckt habe und deshalb nur gestreift worden sei. Daraufhin hätten die im Erdgeschoss verbliebenen Beamten den Kläger mit einfacher körperlicher Gewalt zu Boden gebracht und mit einer Stahlhandfessel gefesselt.
Demgegenüber behauptete der Kläger, gegen 5.00 Uhr morgens von der Polizei durch extremen Lärm geweckt worden zu sein. Nach dem Öffnen der Tür habe er keine konkrete Antwort auf seine Frage nach den Gründen hierfür erhalten; es sei ihm nur mitgeteilt worden, dass Unfallflucht vorliege. Die Polizei sei in das Haus eingedrungen. Seine Lebensgefährtin habe einem älteren Beamten auf Verlangen das Obergeschoss und die Bodenräume gezeigt, während er sich mit vier Polizisten im Erd¬geschoss in der Diele aufgehalten habe. Er habe sich ein Bier genommen, um es zu trinken. Einer der Beamten habe ihm das Bier aus der Hand geschlagen, die Büchse habe ihn am linken Auge getroffen. Er habe zum Schutz die Hände hochgehalten, sei aber sofort von mehreren Beamten zu Boden getreten und geschlagen worden. Ihm seien mit einem Knebelband die Hände auf den Rücken gefesselt, der Hals zugedrückt und in den Rücken getreten worden. Er habe mit gefesselten Händen auf dem Bauch gelegen, ein junger Beamter habe mit einem Bein auf seinem Rückgrat und mit dem anderen in seinen Nieren gekniet und sein Gesicht zu Boden gepresst. Er habe keine Gegenwehr geleistet. – Am Nachmittag desselben Tages habe er sich wegen starker Schmerzen in dem Klinikum H. W. vorgestellt. Er habe durch die Misshandlung der Polizeibeamten ein Schädelhirntrauma, Hämatome an Gesicht, Hals und Armen sowie Nieren- und Rückenschmerzen erlitten. Noch heute lägen nach einer zwischenzeitlich durchgeführten Operation infolge der Verletzungen Rückenschmerzen vor.
Im August 2000 stellte die Staatsanwaltschaft Erfurt das Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt ein. Angesichts der widersprüchlichen Angaben des Klägers einerseits und der beschuldigten Polizeibeamten andererseits sei nicht sicher zu entscheiden, welche Schilderung der Wahrheit entspreche. Daher sei den Polizeibeamten ein Fehlverhalten nicht nachzuweisen. Soweit sie eingeräumt hätten, zur Durchsetzung der vorläufigen Festnahme unmittelbaren Zwang angewandt zu haben, wäre dies angesichts von Art und Ausmaß der von ihnen behaupteten fortwährenden Widerstandshandlungen durch den Kläger zulässig und auch noch verhältnismäßig gewesen. Anhaltspunkte für einen tätlichen Exzess seien nicht ersichtlich. – Die gegen die Einstellung erhobene Beschwerde wurde von der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft verworfen; den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 10. Januar 2001 als unzulässig.
Auch das gegen den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitete Verfahren wurde vom Amtsgericht Weimar im Dezember 2001 eingestellt.
Nach Auswertung aller Unterlagen lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 16. Juni 2003 ab. Die Polizeibeamten hätten in Ausübung ihrer dienstlichen Pflicht gehandelt. Eine Überschreitung ihrer Befugnis habe nicht vorgelegen. Somit sei von ihnen keine vorsätzliche, rechtswidrige Handlung vorgenommen worden. – Der Bescheid wurde ausweislich des Absendevermerks am 17. Juni 2003 zur Post gegeben.
Am 22. Juli 2003 übergab die Lebensgefährtin des Klägers persönlich beim Versorgungs¬amt Erfurt den Widerspruch des Klägers. Damit wiederholte er, dass der Einsatz nicht so verlaufen sei, wie ihn die Einsatzkräfte schilderten, und ergänzte sein bisheriges Vorbringen.
Auf die Eingangsbestätigung des Beklagten vom 1. August 2003 mit dem Hinweis, dass die in der Rechtsbehelfsbelehrung genannte Widerspruchsfrist überschritten sei und Gelegenheit gegeben werde, die Fristversäumnis ausreichend zu begründen, trug der Kläger vor, den Bescheid vom 16. Juni erst am 23. Juni 2003 erhalten und somit die Widerspruchsfrist gewahrt zu haben. Der Zugang des erst am 5. August 2003 entwerteten Schreibens vom 1. August 2003 am 7. August 2003 mache glaubhaft, dass auch der Verwaltungsakt vom 16. Juni 2003 verspätet zugegangen ist.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2003 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Der am 17. Juni 2003 aufgegebene Bescheid gelte als mit Ablauf des 20. Juni 2003 bekannt gegeben. Die Widerspruchsfrist sei, nachdem der 20. Juli 2003 ein Sonntag war, am 21. Juli 2003 abgelaufen, der Widerspruch jedoch erst am 22. Juli 2003 eingegangen. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht genannt worden. Die Behauptung des Betroffenen, er hätte den Bescheid erst mehr als drei Tage nach seiner Aufgabe bei der Post erhalten, genüge nicht, der Behörde die Beweislast für den Zugang zu übertragen; vielmehr müssten substantiiert Umstände für ein Abweichen von der gesetzlichen Zugangsvermutung vorgebracht werden. Das sei nicht geschehen.
Dagegen hat der Kläger bei dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Der Widerspruch sei nach einem kurz nach seinem Erhalt geführten Telefonat mit der Sachbearbeiterin am 22. Juli 2003 durch seine Frau persönlich übergeben worden. Der Termin sei unter Hinweis auf die späte Zustellung vereinbart und als fristgemäß akzeptiert worden. Trotzdem sei sodann der Widerspruch wegen des Ablaufs der Widerspruchsfrist abgelehnt worden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. August 2005 abgewiesen. Zum einen habe der Beklagte den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil die Widerspruchsfrist versäumt gewesen sei. Letztlich sei diese Frage aber unerheblich, weil zum anderen ein Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht bestünde. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne einer Körperverletzung im Amt könne nicht festgestellt werden, nachdem Staatsanwaltschaft und Generalstaats¬anwaltschaft übereinstimmend das Verfahren nach § 170 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt hätten, weil ein rechtswidriges Vorgehen der Beamten nicht habe festgestellt werden können, und das eingeleitete Klageerzwingungsverfahren erfolglos geblieben sei. Im Übrigen kenne das Bundesversorgungsgesetz keine Schmerzensgeldleistung, sondern nur Versorgung für nach mehr als sechs Monaten noch bestehende Schädigungen. Die allein in Frage kommenden Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers könnten aber nicht auf das streitige Geschehen vom Juni 1999 zurückgeführt werden.
Mit der dagegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Angesichts eines bereits gebuchten Urlaubes habe er per E-Mail bei dem Sozialgericht um Verlegung des Verhandlungs¬termins gebeten. Er habe zwar trotz seiner Bitte keine Bestätigung erhalten, sei aber davon ausgegangen, dass ein Gericht Nachrichten nicht einfach ignoriere.
In der Sache trägt der Kläger vor, er habe an dem Tag des Klinikbesuches nicht vorrangig über die Rücken¬beschwerden geklagt, weil er extreme Schmerzen in anderen Bereichen gehabt habe. Der Prozess des Wirbelschadens sei schleichend, wohl aber durch den Einsatz der Polizeikräfte zustande gekommen. Er habe zunächst seine Arbeit, so gut es gegangen sei, weiter verrichtet. Erst als die Schmerzen unerträglich geworden seien, sei er zum Arzt gegangen. Vorher habe der Arzt die Diagnose nicht stellen können. Das könne weder ihm noch dem Arzt angelastet werden. Ein im Jahr 1996 in Bayern erstelltes gesundheitsmedizinisches Gutachten habe das volle Intaktsein seines Knochenbaus bestätigt. Das Wirbelgleiten sei also, auch wenn es nicht durch den Übergriff entstanden sei, jedenfalls durch diesen ausgelöst worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 17. August 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Wirbel¬säulenveränderung als Schädigungsfolge nach dem Opferentschädigungsgesetz anzuerkennen und Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils sowie der Verwaltungs¬entscheidungen. Der geltend gemachte Lendenwirbelsäulenschaden sei jedenfalls nicht ursächlich auf den angeschuldigten Vorfall zurückzuführen. Der Beginn der dies¬bezüglichen Beschwerden werde erstmals für Dezember 1999 bestätigt. Eine traumatische Einwirkung im Juni 1999 sei bei den damals stattgefundenen Untersuchungen ärztlich nicht dokumentiert und vom Kläger auch nicht angegeben worden.
Der Senat hat weitere Befundberichte eingeholt. Auf eine Nachfrage der Berichterstatterin haben Chefarzt Dr. B. und Oberarzt Dr. H. von der die Operation im Juni 2000 durchführenden Klinik für Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie und Quer¬schnitts¬gelähmte Bad B. mitgeteilt, dass die beschriebene Erkrankung des Klägers nicht mit einer Gewalteinwirkung zusammenhänge.
Der beklagte Freistaat wurde bis zum 30. April 2008 durch das Landesamt für Soziales und Familie, Abteilung 3 – Versorgung und Integrationsamt – vertreten. Dieses Amt wurde aufgelöst. Seine Aufgaben werden nunmehr von dem Landes¬verwaltungs¬amt (LVwA) wahrgenommen.
Das Gericht hat die Beteiligten mit der Ladung zum Termin am 26. Juni 2008 auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach Lage der Akten hingewiesen. Zu dem Termin ist für beide Beteiligte niemand erschienen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungs¬akte verwiesen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Gericht konnte nach § 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach Lage der Akten entscheiden; die Beteiligten waren in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist zulässig; der Senat konnte daher in der Sache entscheiden. Insbesondere ist der beklagte Freistaat auch nach der Auflösung des Landesamtes für Soziales und Familie und der Übertragung der Zuständigkeit unter anderem in Angelegenheiten zur Durchführung des OEG auf das Landesverwaltungsamt prozessfähig im Sinne des § 71 Abs. 1 SGG und ordnungs¬gemäß vertreten im Sinne des § 71 Abs. 5 SGG. Zur näheren Begründung wird auf das Urteil des Senats vom selben Tage (Az. L 5 VH 1055/06; zur Veröffentlichung vorgesehen) Bezug genommen.
Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
B.
Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet. Der Beklagte hat zwar den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen; der Antrag des Klägers hätte aber als unbegründet abgelehnt werden müssen. Das Urteil des Sozialgerichts ist insoweit abzuändern.
I.
Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht wegen der behaupteten Verweigerung des rechtlichen Gehörs vollständig aufzuheben. Zwar ist der von dem Vorsitzenden nach § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag bei Vorliegen erheblicher Gründe zu verlegen. Die Abwesenheit eines nicht vertretenen Beteiligten wegen eines bereits gebuchten Urlaubs ist in der Regel ein solcher erheblicher Grund, wenn er seine Teilnahme an dem Termin wünscht. Das Sozialgericht konnte diesen Grund jedoch bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen, weil der per E-Mail übermittelte Termins¬verlegungs¬antrag des Klägers nicht zur Akte gelangt ist. Es muss nicht ermittelt werden, ob dieser Antrag überhaupt in dem elektronischen Postfach des Sozialgerichts eingegangen ist. Weiter kann auch offen bleiben, ob der Kläger sich auf die Aufhebung des Termins ohne vorherige Mitteilung verlassen durfte oder nicht vielmehr gehalten war, sich zum Beispiel telefonisch hierüber zu erkundigen. Denn selbst wenn ein Verfahrensfehler in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegen würde, wäre dieser in jedem Falle durch die hinreichende Gewährung rechtlichen Gehörs in der Berufungsinstanz geheilt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichts¬gesetz, 8. Auflage, 2005, § 63 Rdnr. 11d).
II.
Das Urteil des Sozialgerichts ist jedoch dahingehend abzuändern, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten aufgehoben wird, weil dieser den Widerspruch des Klägers zu Unrecht als unzulässig verworfen hat. Der Widerspruch war nicht verfristet. Richtig ist, dass er bei Eingreifen der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) verfristet gewesen wäre. Hiernach gilt ein schriftlicher Verwaltungs¬akt, um den es sich bei dem Ablehnungsbescheid des Beklagten handelt, bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ausweislich des Absendevermerkes in der Verwaltungsakte des Beklagten wurde der Bescheid vom 16. Juni 2003 am 17. Juni 2003 abgesandt. Er gilt somit als am 20. Juni 2003 bekannt gegeben. Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X gilt dies jedoch nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts sowie den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Den Nachweis des Zugangs innerhalb des fingierten Dreitages¬zeitraumes konnte der Beklagte nicht führen. Dieser Beweis ist aber erforderlich, denn der Vortrag des Klägers, den Ablehnungs¬bescheid erst am 23. Juni 2003 erhalten zu haben, begründet Zweifel an einem recht¬zeitigen Zugang.
Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht geklärt. Zunächst wird überwiegend unterschieden zwischen den Anforderungen an das Bestreiten des Zugangs eines Bescheides an sich und denen, die an das Bestreiten des fingierten Zugangszeitpunktes zu stellen sind. Während die überwiegende Ansicht bei dem Zugang dessen pauschales Bestreiten genügen lässt, weil von dem Betroffenen nichts Unmögliches, nämlich die Darlegung von etwas nicht Geschehenem, verlangt werden dürfe (vgl. etwa Landes¬sozial¬gericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteile vom 23. April 2004 – Az.: L 1 KG 3408/02 – und vom 30. August 2007 – Az.: L 6 U 1140/06; Urteile des Hessischen LSG vom 9. März 2005 – Az.: L 6 AL 1276/03 – und vom 19. September 2005 – Az.: L 9 AL 81/04; Krasney in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. II, § 37 SGB X Rdnr. 6; Waschull in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB X (LPK-SGB X), 2. Auflage, 2007, § 37 Rdnr. 13), differieren die Ansichten zu den Anforderungen, die an das Bestreiten des Zugangs innerhalb von drei Tagen gestellt werden.
So wird zum Teil angenommen, dass der Zweifel zumindest ein "berechtigter" sein müsse (vgl. etwa Krasney a. a. O.) oder sogar die substantiierte Darlegung von Tatsachen erfordere, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgehe, dass ein Zugang des Bescheides erst nach dem von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X vermuteten Zeitpunkt erfolgte. Dadurch, dass der Empfänger nur vage, unsubstantiierte Angaben mache beziehungsweise ohne weitere Angaben bestreite, sei die Vermutung noch nicht widerlegt (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl., 2005, § 37 Rdnr. 13). Nach anderer Ansicht (vgl. Waschull a. a. O.) seien an die Darlegungslast des Adressaten keine höheren Anforderungen zu stellen. Versuche in dieser Richtung seien kaum praktikabel. Der Betroffene könne in der Regel nicht mehr sagen, als dass er den Verwaltungsakt gar nicht oder erst an einem bestimmten Tag erhalten habe.
Die in den Kommentaren vertretenen Auffassungen werden nach Auffassung des Senats teilweise nicht von den zitierten Entscheidungen getragen. Soweit Engelmann sich zum Beleg seiner insoweit strengsten Anforderungen auf die Entscheidung des Bundessozial¬gerichts (BSG) vom 28. September 1998 (Az.: B 11 AL 83/98 B in SozR 3-1750 § 418 Nr. 1) beruft, ist beispielsweise darauf hinzuweisen, dass dieser Beschluss die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht betraf. Vielmehr hat das BSG zur Widerlegung der in einer Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen qualifiziertes Bestreiten gefordert und dies mit der besonderen Beweiskraft öffentlicher Urkunden nach § 418 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) begründet. Auf die bloße Zugangsfiktion, die lediglich auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruht, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreicht, erscheint dies nicht übertragbar. Ebenso wenig kann nach Auffassung des Senats die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2003 (Az.: L 8 AL 279/02) in Bezug genommen werden. Zum einen ging es dort nicht um den verspäteten Zugang, sondern um den Nichtzugang eines Bescheides; zum anderen handelte es sich insoweit um einen völlig atypischen Fall, als lediglich ein Erbe vortrug, in den Unterlagen des Erblassers die fraglichen Bescheide nicht gefunden zu haben. Das von Engelmann außerdem zitierte OVG Münster hat in seinem Beschluss vom 7. März 2003 (Az.: 19 A 4216/99 in NVwZ 2001, Seite 1171 (nicht 1199 wie zitiert)) zwar tatsächlich entschieden, dass das bloße Bestreiten, den Bescheid zu dem vermuteten Zeitpunkt erhalten zu haben, nicht genügt. Das Verlangen einer substantiierten Darlegung von Tatsachen bezog das OVG aber ausschließlich auf solche Umstände, die im Kenntnis- und Einflussbereich des Adressaten liegen. Soweit er sich auf außerhalb seines Kenntnis- und Einflussbereichs liegende Tatsachen berufe, sei er in der Regel nicht in der Lage, konkrete Einzelheiten darzutun. In solchen Fällen genüge es, die geltend gemachten Tatsachen insoweit substantiiert darzulegen, als sie dem Adressaten bekannt sind oder bekannt sein müssen. Andererseits müsse jedoch aus diesen Tatsachen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit des von der Zugangsvermutung abweichenden späteren Zugangs¬zeitpunktes hervorgehen, weil die Zugangsvermutung sonst leer laufen würde. Welcher konkrete Vortrag hierfür erforderlich wäre, wird allerdings nicht ausgeführt. – Aus einem in Bezug genommenen Urteil des 15. Senates des OVG Münster vom 28. März 1995 (Az.: 15 A 3217/94) geht jedoch hervor, dass es genügen soll, wenn die Betroffene behauptet, einen Brief erst an einem konkreten Tage erhalten zu haben, und hierfür ihren Ehemann als Zeugen benennt. Weiterer Vortrag, etwa über mögliche Umstände einer verspäteten Zustellung, obläge der Klägerin nicht, weil es sich insoweit um Vorgänge außerhalb ihrer Sphäre handele. Dem entspricht der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 1987 (Az.: 5 B 132/86), nach dem der "Zweifel" im Sinne von § 37 Abs. 2 letzter Halbsatz SGB X ein "berechtigter Zweifel" sein müsse. Dieser entstehe nicht schon dadurch, dass der Empfänger der Postsendung über den angeblichen tatsächlichen Zugang nur eine vage, auf ein schlichtes Bestreiten des nach dem Gesetz zunächst zu vermutenden Zugangs hinauslaufende Behauptung aufstelle, ohne mindestens einen bestimmten Tag zu benennen, sondern nur einen unbestimmten Zeitraum angebe.
Soweit Krasney (a. a. O.) meint, Zweifel müssten "nach den darzulegenden Umständen berechtigt sein", führt auch er nicht näher aus, welche Anforderungen an die Darlegungen zu stellen sind, noch ergibt sich dies aus den in Bezug genommenen Entscheidungen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 1992 (Az.: IX ZR 105/91 in ZIP 1992, 544) betrifft die Steuerberaterhaftung und referiert insoweit insbesondere den Meinungs¬stand, ohne selbst abschließend zu den Anforderungen Stellung zu nehmen; der beklagte Steuerberater habe jedenfalls den "sichersten Weg" zu wählen. Das Urteil des Baden-Württembergischen VGH vom 14. November 1994 (Az.: 11 S 2099/81 in VBlBW 1985, 423) betrifft das Bestreiten des Zugangs überhaupt, bei dem nach auch von Krasney (a. a. O.) vertretener Ansicht eine nähere Substantiierung gar nicht möglich und daher auch nicht zu fordern ist.
Soweit die Entscheidungen den Fall des behaupteten verspäteten Zugangs betreffen, ist danach festzustellen, dass erhöhte Anforderungen an die Substantiierung, wenn überhaupt, dann ausschließlich an solche Umstände gestellt werden, die im Kenntnis- und Einflussbereich des Betroffenen liegen. Nicht ausreichend ist danach jedenfalls, dass der Betroffene schlicht bestreitet, den Bescheid rechtzeitig erhalten zu haben. Nach der von dem Beklagten zitierten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 27. November 1987 (Az.: L 1 KG 4/86 in Breith. 1988, 423) sind konkretere Angaben allerdings bereits dann nicht erforderlich, wenn glaubhaft vorgetragen wird, hierzu nicht (mehr) in der Lage zu sein.
Nach Auswertung der Literatur und eigener Meinungsbildung sind für den erkennenden Senat Zweifel im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB X zwar nicht bereits dann "berechtigt", wenn lediglich pauschal bestritten wird, einen Bescheid innerhalb von drei Tagen nach dessen Absendung erhalten zu haben. Es genügt allerdings (zunächst), dass der Betroffene vorträgt, an welchem späteren Tag der Bescheid ihm zugegangen ist. Der Behörde obliegt es sodann, in dem noch bestehenden unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu der Bekanntgabe des Bescheides dem Betroffenen aufzugeben, konkrete Anhaltspunkte mitzuteilen, die geeignet sind, diesen behaupteten Zugangszeitpunkt zu untermauern. Tut sie dies nicht und ist der Empfänger des Verwaltungsakts später wegen Zeitablaufs nicht mehr zur Darlegung solcher Umstände in der Lage, geht dies zu ihren Lasten, weil der Betroffene zunächst nicht wissen kann, welche Anforderungen an die Substantiierung seiner Angaben gestellt werden. Dabei dürfen sich die geforderten weiteren Darlegungen ausschließlich auf Umstände beziehen, die im Kenntnis- und Einflussbereich des Betroffenen liegen (so kann er etwa befragt werden, wer an dem behaupteten Tag den Briefkasten geleert hat, worauf seine Erinnerung beruht, dass es sich gerade um den behaupteten Tag gehandelt hat; bei wesentlicher Verspätung kann nachgefragt werden, warum der Briefumschlag nicht aufbewahrt und gegebenenfalls mit einem Eingangsvermerk versehen wurde), nicht jedoch auf Umstände, die eine längere Postlaufzeit begründen, weil diese ausschließlich in der Sphäre des Zustelldienstes der Post liegen.
Der Senat verkennt bei alldem nicht, dass diese – relativ – geringen Anforderungen auch die Möglichkeit des Missbrauchs eröffnen. Jedoch spricht für die hier gefundene Lösung das Gebot, dem Bürger effektiven Rechtschutz und auch die Möglichkeit der Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist zu gewährleisten, und andererseits der Umstand, dass die Behörde es selbst in der Hand hat, den Zugangszeitpunkt durch förmliche Zustellung des Verwaltungsakts nachweisbar festzustellen. Wenn sie hiervon zur Ver¬einfachung und aus Kostengründen absieht, darf dies nicht zu einer generellen verfahrensmäßigen Benachteiligung des Bürgers durch Verschlechterung der Rechtsverfolgung führen (vgl. – dort im Zusammenhang mit behauptetem Nichtzugang – Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 30. August 2007 und des Hessischen LSG vom 9. März 2005, a. a. O.).
Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger jedenfalls mehr als nur pauschal den rechtzeitigen Zugang des Ablehnungsbescheides vom 16. Juni 2003 bestritten. Zwar kann ihm nicht gefolgt werden, wenn er aus dem Zugang des Schreibens vom 1. August 2003 am 7. August 2003 auf lange Postlaufzeiten schließen will, denn dieses Schreiben ist ausweislich des Absendevermerkes erst am 4. August zur Post gegeben worden, was durch die vom Kläger mitgeteilte Entwertung per Poststempel am 5. August bestätigt wird. Auch die Bedenken des Klägers, die Behörde könne durch Zurückhalten von Bescheiden die Widerspruchsfrist entsprechend verkürzen, sind unbegründet, denn die Zugangsfiktion greift jedenfalls erst ab dem Absendetag, nicht ab dem Bescheiddatum. Der Absendetag wiederum ist von der Behörde nachzuweisen. Soweit der Kläger meint, dieser könne manipuliert werden, unterstellt er deren Mitarbeitern strafbares Verhalten in Form von Urkunden¬fälschung. Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung auf diese Weise durch Begehen einer Straftat letztlich den Fortbestand ihres Beschäftigungsverhältnisses aufs Spiel setzen würden, bestehen jedoch weder im hiesigen Fall noch in der von dem Kläger unterstellten generellen Form.
Allerdings hat der Kläger mit der sofort auf die Eingangsbestätigung mit dem Vorhalt der Fristversäumnis erfolgten Erklärung, der Bescheid sei am 23. Juni 2003 zugegangen, einen konkreten, von der Zugangsfiktion abweichenden Verlauf vorgetragen. Einzelheiten hierzu sind wegen des Zeitablaufs nicht mehr zu ermitteln. Danach besteht für den Senat ein Zweifel im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB X, infolgedessen der Beklagte den früheren Zugang des Bescheides nachzuweisen hätte. Hierzu ist er nicht in der Lage. Er kann sich daher nicht auf die Fristversäumnis berufen. Der Widerspruchsbescheid war daher rechtswidrig und aufzuheben.
III.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Wie das in Bezug genommene BVG geht auch das OEG somit von einer dreigliedrigen Kausalkette aus. Das erste Glied ist dabei der vorsätzliche, rechts¬widrige tätliche Angriff, das zweite Glied bildet die durch den schädigenden Vorgang hervorgerufene Schädigung (Primärschaden), das dritte Glied stellt die Folge der gesundheit¬lichen Schädigung (Schädigungsfolge) dar, also das Versorgungsleiden, dessen Fest¬stellung ein Antragsteller durch die Versorgungsverwaltung begehrt (vgl. zu der in gleicher Weise aufgebauten Vorschrift des § 1 Abs. 1 BVG Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage 1992, BVG § 1 Rdnr. 61).
Diese drei Glieder der Kausalkette bedürfen als anspruchs¬begründende Tatsachen des Vollbeweises. Das heißt, dass der schädigende Vorgang, der Primärschaden und die Schädigungsfolge grundsätzlich nachgewiesen werden müssen. Für den Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indes ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt. Dabei können nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, in den Fällen, in denen Unterlagen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, der Entscheidung zu Grunde gelegt werden, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Diese Beweis¬erleichterung ist auch im Verfahren über Ansprüche nach dem OEG anwendbar (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28. Juni 2000 – Az.: B 9 VG 3/99 R m. w. N.; nach juris), und zwar nicht nur im Verwaltungs-, sondern auch im gerichtlichen Verfahren (vgl. BSG, a. a. O.). Während der Beweis grundsätzlich die Vermittlung richterlicher Überzeugung von der Wahrheit der – streitigen – Behauptung erfordert, tritt bei der Glaubhaftmachung an die Stelle des Vollbeweises die Feststellung überwiegender Wahrscheinlichkeit.
Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt nach § 1 Abs. 12 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 BVG dagegen schon die Wahrschein¬lichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wahrscheinlich ist jede Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 1977 – Az.: 10 RV 15/77 in SozR 3900 § 40 BVG Nr. 9; ständige Rechtsprechung, vgl. auch BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 – Az.: 9/9a RV 1/92 in SozR 3-3100 § 38 BVG Nr. 2). Sie wird auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 8. Auflage, 2005, § 118 Rdnr. 5a).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG. Es ist nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrschein¬lichkeit erwiesen, dass er Opfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist. Die angeschuldigten Handlungen der Polizeibeamten wären nur dann rechtswidrig gewesen, wenn sie sich nicht im Rahmen erforderlicher Festnahmehandlungen gehalten hätten. Dies ist jedoch nicht nachweisbar.
Das ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass das gegen die Polizeibeamten geführte Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Erfurt eingestellt wurde und auch die dagegen gerichtete Beschwerde sowie der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfolglos geblieben sind. Weder strafrechtliche Wertungen noch zivilrechtliche Feststellungen binden in dem Verfahren nach dem OEG. Vielmehr ist im sozialgerichtlichen Verfahren eine eigen¬ständige Würdigung der erreichbaren Beweismittel vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1991– Az.: 9a/9 RVg 1/89; nach juris). Nach eigener Auswertung des Vortrages des Klägers (im Ermittlungsverfahren, gegenüber dem Beklagten und vor Gericht) einerseits und der Aussagen der Polizeibeamten in dem Ermittlungsverfahren andererseits kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass sich der Vorfall in einer bestimmten Weise zugetragen hat. Zweifel an der Richtigkeit der Schilderung des Klägers ruft insbesondere hervor, dass bereits am Tag des Ereignisses PHM S., der sich zur Zeit der Festnahme im Obergeschoss des Hauses befand und daher den Vorwurf einer Körperverletzung im Amt nicht befürchten musste, eine im Wesentlichen den späteren Schilderungen der unmittelbar beteiligten Beamten entsprechende Beschreibung der Geschehnisse niederschrieb. Insbesondere beschrieb er bereits an jenem Tag, dass der Kläger schon beim Öffnen der Haustür in aggressivem Ton verlangt habe, dass die Polizei sein Grundstück verlasse. Er habe diese Aufforderung fortlaufend wiederholt und der Mitteilung des Anwesenheits¬grundes entweder nicht folgen können oder wollen; dabei sei er immer aggressiver geworden. Ergänzend hierzu hat der Polizeibeamte R. am 21. Juni 1999 und damit ebenfalls unmittelbar nach dem Vorfall den im Hausflur abgelaufenen Vorgang insoweit gleich geschildert, als der sichtbar angetrunkene Kläger (die anschließende Blutuntersuchung stellte um 7.30 Uhr eine Blutalkohol¬konzentration von 1,20 0/00 fest) ständig wiederholt habe, dass sich die Beamten aus seinem Haus entfernen sollten. Immerhin hat auch der Kläger vorgetragen, er habe auf seine Frage, was los sei, "keine konkrete Antwort" erhalten, "nur, dass Unfallflucht vorliegt"(!). Dass er dennoch versucht hat, ein Bier zu trinken, obwohl er selbst nicht ausschließen konnte, als Verdächtiger in Betracht zu kommen, war in der konkreten Situation unangemessen. Sein Verhalten spricht eher dafür, dass er die Beamten provozieren wollte, als für seine Schilderung von deren Aggressivität. Gerade wenn eine Aggressivität der Polizeibeamten vorgelegen hätte, hätte für ihn Anlass bestanden, die Situation nicht zusätzlich zu verschärfen. Widersprüchlich sind sodann die Angaben des Klägers, ein Polizist habe ihm das Bier aus der Hand geschlagen und die Büchse habe ihn am linken Auge getroffen, und die Angaben der Polizeibeamten, einer von ihnen habe verbal und ein anderer durch Herunterdrücken des Armes versucht, den Kläger am Trinken zu hindern. Auch insoweit ist nicht feststellbar, welche der beiden Aussagen tatsächlich stimmt. Jedenfalls sind die Aussagen der Polizisten auch nicht widerlegbar. Ihre Richtigkeit unterstellt, war es gerechtfertigt, den als Täter der Unfall¬flucht noch nicht auszuschließenden Kläger am Trinken zu hindern, um einen sogenannten Nachtrunk zu vermeiden.
Ähnliches gilt für den weiteren Verlauf, bei dem es dann zu Handgreiflichkeiten gekommen ist. Es ist nicht feststellbar, ob – nach der Schilderung des Klägers – ihm das Bier aus der Hand geschlagen wurde, woraufhin er die Hände gehoben hat, aber sofort von mehreren Beamten zu Boden getreten und geschlagen worden ist, oder ob – wie die Polizeibeamten angeben – der Kläger die Bier¬dose zerdrückt und versucht hat, einen der Beamten zu schlagen. Letzteren Ablauf unterstellt, hätten die Beamten gegenüber einer versuchten Körperverletzung Notwehr oder Nothilfe geleistet und wären im Übrigen einem Widerstand des Klägers gegen Vollstreckungs¬beamte entgegengetreten. Diese Handlungen wären nicht rechtswidrig gewesen. Nach den widersprüchlichen Aussagen ist auch ein Exzess bei dieser grundsätzlich gerechtfertigten Festnahmehandlung durch Schläge und Tritte nicht erwiesen.
Die Annahme des Klägers, die Wahrheitswidrigkeit der Darstellung der Beamten ergebe sich bereits daraus, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage in dem gegen ihn eröffneten Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte "zurückgezogen" habe, geht fehl. Die Anklage wurde nicht "zurück¬gezogen", sondern das Verfahren durch das Gericht nach § 153 StPO, somit wegen angenommener geringer Schuld, eingestellt. Ein Freispruch ist damit gerade nicht erfolgt.
Weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich. Im Gegensatz zu dem Kläger kann der Senat wesentliche Widersprüche in den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die Polizei¬beamten aufgenommenen Aussagen der Angeschuldigten nicht erkennen. Er geht davon aus, dass der Sachverhalt im Rahmen der Möglichkeiten abschließend geklärt ist.
Unerheblich ist, welcher der geschilderten Abläufe wahrscheinlicher ist. Jedenfalls kann der erforderliche Beweis im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers nicht geführt werden.
Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast, nach denen jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, a. a. O., § 103 Rdnr. 19a), geht die Nichterweislichkeit des rechts¬widrigen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG zu Lasten des Klägers. Eine Regel, nach der in tatsächlicher Hinsicht im Zweifel zu Gunsten des Opfers zu entscheiden ist, gibt es im Gewalt¬opferentschädigungsrecht ebenso wenig wie im sonstigen Sozialrecht (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1988 – Az.: 9/9 a RVG 3/87; nach juris).
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Beweiserleichterungsregel des § 15 KOV-VfG. Zum einen liegt kein Fall vor, in dem Unterlagen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind. Zum anderen ist nach den widersprüchlichen Darstellungen auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der klägerischen Aussagen festzustellen. Diese ist lediglich möglich. Eine solche Möglichkeit genügt jedoch auch für die erforderliche Glaubhaftmachung nicht.
Im Übrigen ist auch der erforderliche Primär¬schaden nicht mit der notwendigen Gewissheit festzustellen. Der Kläger hat bei den Vorstellungen in der Notfallambulanz am 19. wie auch bei seinem Hausarzt am 21. Juni 1999 keine Beschwerden im Lenden¬wirbel¬säulen¬bereich angegeben; entsprechende Diagnosen wurden nicht gestellt. Die Erklärungs¬versuche des Klägers hierzu überzeugen nicht. Wenn die Schmerzen an jener Stelle im Gegensatz zu den erheblicheren sonstigen Schmerzen gering waren, ist eine hinreichende Gewalt¬einwirkung für das Hervorrufen von Folgeschäden bereits unwahrscheinlich. Darüber hinaus hat der Kläger bei seiner Vorstellung in der Wirbelsäulenambulanz der Zentral¬klinik Bad B. Anfang März 2000 angegeben, seit November 1999 an Beschwerden in der Lendenwirbelsäule zu leiden. Wenn er durchgehend gerade seit dem Vorfall im Juni 1999 Beschwerden gehabt hätte, hätte es damals nahegelegen, die Ärzte darauf hinzu¬weisen, gerade auch um eine eventuelle traumatische Ursache abklären zu lassen.
Darüber hinaus fehlt auch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen der vorliegenden Wirbelsäulenerkrankung und einem traumatischen Ereignis. Hierzu haben der Oberarzt Dr. H. sowie der Chefarzt Dr. B. der Klinik für Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie und Querschnittsgelähmte Bad B., in der der Kläger im Juni 2000 operiert wurde, ausdrücklich in ihrem Schreiben vom 22. Januar 2008 erklärt, die beschriebene Erkrankung hänge nicht mit einer Gewalteinwirkung zusammen. Wenn der Kläger dennoch meint, sie sei dadurch ausgelöst worden, widerspricht dies zum einen der sachverständigen Aussage der Ärzte und zum anderen – wie bereits ausgeführt – seinen früheren Angaben außerhalb des Gerichts¬verfahrens, Lumbalbeschwerden (erst) seit November 1999 zu haben. Angesichts der fünfmonatigen Zwischenzeit kommt ein "Auslösen" durch die Festnahmehandlung selbst bei Unterstellen der Schilderung des Klägers nicht in Betracht.
Zudem entspricht die hier festgestellte Nichterweislichkeit des Kausalzusammenhangs den Erklärungen des Hausarztes Dipl.-Med. S. und der Notfallambulanz, die jeweils in ihren Attesten über die Vorstellungen unmittelbar nach dem Vorfall mitgeteilt haben, mit Spätschäden sei nicht zu rechnen.
Nach alledem kann ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff nicht nachgewiesen werden. Unabhängig davon ist ein einschlägiger Primärschaden nicht bewiesen, und zusätzlich ist keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers mit einem traumatischen Ereignis feststellbar. Ein Versorgungsanspruch besteht hiernach nicht.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache. Der Senat hat bei der Quotelung berücksichtigt, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten zwar rechtswidrig war, weil er den Widerspruch bereits aus formellen Gründen verwarf, dass der Kläger jedoch mit seinem Begehren in der Sache letztlich unterlegen ist und diesem weit größeres Gewicht zukommt. Dies musste sich in dem Kostenausspruch niederschlagen.
Die Revision wird nur zugelassen, soweit der Widerspruchsbescheid aufge¬hoben wurde, weil die Rechtsfrage, welche Anforderungen bei behauptetem Zugang eines Verwaltungs¬akts nach Ablauf der Drei-Tage-Frist des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X an den zur Nachweis¬pflicht des Beklagten führenden Zweifel zu stellen sind, bislang nicht geklärt ist. Die Sache hat (nur) insoweit grundsätzliche Bedeutung, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Im Übrigen liegen Gründe für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vor.
Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. September 2003 wird aufgehoben. I
m Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat 20 v. H. der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Widerspruchsbescheid vom 23. September 2003 aufgehoben wurde.
Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG).
Der im Jahre 1969 geborene Kläger leidet nach einer Operation an der Wirbelsäule im Juni 2000 weiterhin an Rückenschmerzen, die er auf einen Polizeieinsatz zurückführt.
Wegen dieser Rückenbeschwerden stellte er im September 2000 einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung. Dabei machte er geltend, am 19. Juni 1999 von Polizeibeamten misshandelt worden zu sein. Die schädigenden Geschehnisse werden von dem Kläger einerseits und den beteiligten Polizeibeamten andererseits unterschiedlich geschildert. Fest steht nur, dass mehrere Polizeibeamte am frühen Morgen des 19. Juni 1999 bei dem Haus des Klägers vorfuhren. Sie wollten wegen einer Unfallflucht ermitteln. Der Unfallwagen befand sich in der Grundstückseinfahrt zu dem Haus; sein Halter war dort gemeldet. Zunächst kam es zu heftigen Wortwechseln zwischen den Polizeibeamten und dem Kläger. Als dieser eine Dose Bier trinken wollte und einige Polizeibeamte ihn daran hinderten, kam es zu Handgreiflichkeiten. Mehrere Personen fielen zu Boden; schließlich wurde der Kläger überwältigt; seine Hände wurden auf dem Rücken gefesselt und er wurde bäuchlings auf dem Boden festgehalten.
Der Beklagte versuchte, den Tathergang und den relevanten medizinischen Sachverhalt weiter aufzuklären. Er zog deshalb zunächst verschiedene medizinische Unterlagen bei. Danach hatte sich der Kläger erstmals am 19. Juni 1999 gegen 14.05 Uhr in der Notfall¬ambulanz des S. Klinikums vorgestellt. Dort wurden ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades, Würgemale am Hals sowie eine Prellung mit oberflächlichem Hämatom am linken Oberarm diagnostiziert. Sofern sich in den auf die Untersuchung folgenden 72 Stunden keine Hirndrucksymptomatik ausgebildet habe, sei bei dem vorliegenden Verletzungs¬muster mit keinem bleibenden Körperschaden zu rechnen. Am 21. Juni 1999 stellte sich der Kläger bei Dipl.-Med. S. vor. Dieser diagnostizierte ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades, Würgemale im Halsbereich, eine Thoraxkontusion, eine Kontusion am linken Oberarm und eine weitere Kontusion am rechten Ellenbogen. Aufgrund der Art der Verletzungen und des Krankheitsverlaufes sei mit Spätschäden nicht zu rechnen. Den Orthopäden Dr. Z. suchte der Kläger wegen des Ereignisses am 19. Juni 1999 nicht auf; die erste Vorstellung danach erfolgte vielmehr am 3. Februar 2000 wegen Schmerzen im Lumbalbereich. Wegen Spondylolisthesis L 5/S 1 mit Instabilitätssymptomatik wurden im Juni 2000 eine postero-lumbale intersomatische Fusion und eine Reposition L 5/S 1 und sodann eine Anschlussheilbehandlung in Bad K. durchgeführt.
Außerdem zog der Beklagte die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Erfurt zu den Aktenzeichen 610 Js 28207/99 und 571 Js 31219/99 bei. Die Akte zum Aktenzeichen 610 Js 28207/99 betrifft Ermittlungen wegen der Unfallflucht, in deren Rahmen die Beamten das Wohnhaus des Klägers aufgesucht hatten. Bestandteil der Akte ist ein Vermerk des PHM S. vom 19. Juni 1999 über die hier interessierenden Vorgänge. Die Akte 571 Js 31219/99 betrifft die Ermittlungen wegen Körperverletzung im Amt gegen die an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten aufgrund einer Anzeige des Klägers vom 20. September 1999. Nach den Aussagen der Polizei¬beamten stellte sich der Sachverhalt zusammenfassend so dar, dass nach einer Unfallflucht am 19. Juni 1999, bei der das Kennzeichen des Fluchtfahrzeuges gefunden worden war, der Halter ermittelt wurde und an seinem Wohnort aufgesucht werden sollte. Insgesamt sieben Polizeibeamte fuhren mit mehreren Fahrzeugen zum Grundstück des Klägers. Auf ihr Klingeln habe der Kläger geöffnet und die Beamten sofort in aggressivem Tonfall aufgefordert, sein Grundstück zu verlassen. Dies habe er stetig wiederholt, ohne auf die Erklärungsversuche zum Grund der Ermittlungen zu achten. Er habe versucht, die Tür zu schließen, was durch einen der Beamten verhindert worden sei, indem dieser seinen Fuß in die Tür stellte. Während sich sodann der zuvor nur unvollständig bekleidete Kläger anzog, hätten die Polizisten mit Ausnahme zweier Beamtinnen, die das Grundstück gesichert hätten, den Flur betreten. Nach seiner Rückkehr habe der Kläger die Beamten aufgefordert, das Haus zu verlassen und sie weiterhin beleidigt. Während PHM S. mit Einverständnis der Lebensgefährtin des Klägers die im Obergeschoss des Hauses befindlichen Räumlichkeiten nach weiteren Personen durchsuchte, sei es im Untergeschoss zu der tätlichen Ausein¬andersetzung gekommen, nachdem der Kläger sich eine Dose Bier genommen habe und diese trinken wollte. Dies sei ihm mündlich untersagt worden, weil bis dahin nicht klar gewesen sei, ob er der Unfallflüchtige war. Es habe deshalb ein Nachtrunk vermieden werden müssen. Als der Kläger dennoch mehrfach zum Trinken ansetzte, habe ihm ein Beamter den Arm nach unten gedrückt. Die Dose sei dem Kläger nicht aus der Hand geschlagen worden. Vielmehr habe der Kläger mit der Dose in der Hand nach dem Polizisten geschlagen, der sich geduckt habe und deshalb nur gestreift worden sei. Daraufhin hätten die im Erdgeschoss verbliebenen Beamten den Kläger mit einfacher körperlicher Gewalt zu Boden gebracht und mit einer Stahlhandfessel gefesselt.
Demgegenüber behauptete der Kläger, gegen 5.00 Uhr morgens von der Polizei durch extremen Lärm geweckt worden zu sein. Nach dem Öffnen der Tür habe er keine konkrete Antwort auf seine Frage nach den Gründen hierfür erhalten; es sei ihm nur mitgeteilt worden, dass Unfallflucht vorliege. Die Polizei sei in das Haus eingedrungen. Seine Lebensgefährtin habe einem älteren Beamten auf Verlangen das Obergeschoss und die Bodenräume gezeigt, während er sich mit vier Polizisten im Erd¬geschoss in der Diele aufgehalten habe. Er habe sich ein Bier genommen, um es zu trinken. Einer der Beamten habe ihm das Bier aus der Hand geschlagen, die Büchse habe ihn am linken Auge getroffen. Er habe zum Schutz die Hände hochgehalten, sei aber sofort von mehreren Beamten zu Boden getreten und geschlagen worden. Ihm seien mit einem Knebelband die Hände auf den Rücken gefesselt, der Hals zugedrückt und in den Rücken getreten worden. Er habe mit gefesselten Händen auf dem Bauch gelegen, ein junger Beamter habe mit einem Bein auf seinem Rückgrat und mit dem anderen in seinen Nieren gekniet und sein Gesicht zu Boden gepresst. Er habe keine Gegenwehr geleistet. – Am Nachmittag desselben Tages habe er sich wegen starker Schmerzen in dem Klinikum H. W. vorgestellt. Er habe durch die Misshandlung der Polizeibeamten ein Schädelhirntrauma, Hämatome an Gesicht, Hals und Armen sowie Nieren- und Rückenschmerzen erlitten. Noch heute lägen nach einer zwischenzeitlich durchgeführten Operation infolge der Verletzungen Rückenschmerzen vor.
Im August 2000 stellte die Staatsanwaltschaft Erfurt das Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt ein. Angesichts der widersprüchlichen Angaben des Klägers einerseits und der beschuldigten Polizeibeamten andererseits sei nicht sicher zu entscheiden, welche Schilderung der Wahrheit entspreche. Daher sei den Polizeibeamten ein Fehlverhalten nicht nachzuweisen. Soweit sie eingeräumt hätten, zur Durchsetzung der vorläufigen Festnahme unmittelbaren Zwang angewandt zu haben, wäre dies angesichts von Art und Ausmaß der von ihnen behaupteten fortwährenden Widerstandshandlungen durch den Kläger zulässig und auch noch verhältnismäßig gewesen. Anhaltspunkte für einen tätlichen Exzess seien nicht ersichtlich. – Die gegen die Einstellung erhobene Beschwerde wurde von der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft verworfen; den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 10. Januar 2001 als unzulässig.
Auch das gegen den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitete Verfahren wurde vom Amtsgericht Weimar im Dezember 2001 eingestellt.
Nach Auswertung aller Unterlagen lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 16. Juni 2003 ab. Die Polizeibeamten hätten in Ausübung ihrer dienstlichen Pflicht gehandelt. Eine Überschreitung ihrer Befugnis habe nicht vorgelegen. Somit sei von ihnen keine vorsätzliche, rechtswidrige Handlung vorgenommen worden. – Der Bescheid wurde ausweislich des Absendevermerks am 17. Juni 2003 zur Post gegeben.
Am 22. Juli 2003 übergab die Lebensgefährtin des Klägers persönlich beim Versorgungs¬amt Erfurt den Widerspruch des Klägers. Damit wiederholte er, dass der Einsatz nicht so verlaufen sei, wie ihn die Einsatzkräfte schilderten, und ergänzte sein bisheriges Vorbringen.
Auf die Eingangsbestätigung des Beklagten vom 1. August 2003 mit dem Hinweis, dass die in der Rechtsbehelfsbelehrung genannte Widerspruchsfrist überschritten sei und Gelegenheit gegeben werde, die Fristversäumnis ausreichend zu begründen, trug der Kläger vor, den Bescheid vom 16. Juni erst am 23. Juni 2003 erhalten und somit die Widerspruchsfrist gewahrt zu haben. Der Zugang des erst am 5. August 2003 entwerteten Schreibens vom 1. August 2003 am 7. August 2003 mache glaubhaft, dass auch der Verwaltungsakt vom 16. Juni 2003 verspätet zugegangen ist.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2003 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Der am 17. Juni 2003 aufgegebene Bescheid gelte als mit Ablauf des 20. Juni 2003 bekannt gegeben. Die Widerspruchsfrist sei, nachdem der 20. Juli 2003 ein Sonntag war, am 21. Juli 2003 abgelaufen, der Widerspruch jedoch erst am 22. Juli 2003 eingegangen. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht genannt worden. Die Behauptung des Betroffenen, er hätte den Bescheid erst mehr als drei Tage nach seiner Aufgabe bei der Post erhalten, genüge nicht, der Behörde die Beweislast für den Zugang zu übertragen; vielmehr müssten substantiiert Umstände für ein Abweichen von der gesetzlichen Zugangsvermutung vorgebracht werden. Das sei nicht geschehen.
Dagegen hat der Kläger bei dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Der Widerspruch sei nach einem kurz nach seinem Erhalt geführten Telefonat mit der Sachbearbeiterin am 22. Juli 2003 durch seine Frau persönlich übergeben worden. Der Termin sei unter Hinweis auf die späte Zustellung vereinbart und als fristgemäß akzeptiert worden. Trotzdem sei sodann der Widerspruch wegen des Ablaufs der Widerspruchsfrist abgelehnt worden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. August 2005 abgewiesen. Zum einen habe der Beklagte den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil die Widerspruchsfrist versäumt gewesen sei. Letztlich sei diese Frage aber unerheblich, weil zum anderen ein Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht bestünde. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne einer Körperverletzung im Amt könne nicht festgestellt werden, nachdem Staatsanwaltschaft und Generalstaats¬anwaltschaft übereinstimmend das Verfahren nach § 170 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt hätten, weil ein rechtswidriges Vorgehen der Beamten nicht habe festgestellt werden können, und das eingeleitete Klageerzwingungsverfahren erfolglos geblieben sei. Im Übrigen kenne das Bundesversorgungsgesetz keine Schmerzensgeldleistung, sondern nur Versorgung für nach mehr als sechs Monaten noch bestehende Schädigungen. Die allein in Frage kommenden Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers könnten aber nicht auf das streitige Geschehen vom Juni 1999 zurückgeführt werden.
Mit der dagegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Angesichts eines bereits gebuchten Urlaubes habe er per E-Mail bei dem Sozialgericht um Verlegung des Verhandlungs¬termins gebeten. Er habe zwar trotz seiner Bitte keine Bestätigung erhalten, sei aber davon ausgegangen, dass ein Gericht Nachrichten nicht einfach ignoriere.
In der Sache trägt der Kläger vor, er habe an dem Tag des Klinikbesuches nicht vorrangig über die Rücken¬beschwerden geklagt, weil er extreme Schmerzen in anderen Bereichen gehabt habe. Der Prozess des Wirbelschadens sei schleichend, wohl aber durch den Einsatz der Polizeikräfte zustande gekommen. Er habe zunächst seine Arbeit, so gut es gegangen sei, weiter verrichtet. Erst als die Schmerzen unerträglich geworden seien, sei er zum Arzt gegangen. Vorher habe der Arzt die Diagnose nicht stellen können. Das könne weder ihm noch dem Arzt angelastet werden. Ein im Jahr 1996 in Bayern erstelltes gesundheitsmedizinisches Gutachten habe das volle Intaktsein seines Knochenbaus bestätigt. Das Wirbelgleiten sei also, auch wenn es nicht durch den Übergriff entstanden sei, jedenfalls durch diesen ausgelöst worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 17. August 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Wirbel¬säulenveränderung als Schädigungsfolge nach dem Opferentschädigungsgesetz anzuerkennen und Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils sowie der Verwaltungs¬entscheidungen. Der geltend gemachte Lendenwirbelsäulenschaden sei jedenfalls nicht ursächlich auf den angeschuldigten Vorfall zurückzuführen. Der Beginn der dies¬bezüglichen Beschwerden werde erstmals für Dezember 1999 bestätigt. Eine traumatische Einwirkung im Juni 1999 sei bei den damals stattgefundenen Untersuchungen ärztlich nicht dokumentiert und vom Kläger auch nicht angegeben worden.
Der Senat hat weitere Befundberichte eingeholt. Auf eine Nachfrage der Berichterstatterin haben Chefarzt Dr. B. und Oberarzt Dr. H. von der die Operation im Juni 2000 durchführenden Klinik für Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie und Quer¬schnitts¬gelähmte Bad B. mitgeteilt, dass die beschriebene Erkrankung des Klägers nicht mit einer Gewalteinwirkung zusammenhänge.
Der beklagte Freistaat wurde bis zum 30. April 2008 durch das Landesamt für Soziales und Familie, Abteilung 3 – Versorgung und Integrationsamt – vertreten. Dieses Amt wurde aufgelöst. Seine Aufgaben werden nunmehr von dem Landes¬verwaltungs¬amt (LVwA) wahrgenommen.
Das Gericht hat die Beteiligten mit der Ladung zum Termin am 26. Juni 2008 auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach Lage der Akten hingewiesen. Zu dem Termin ist für beide Beteiligte niemand erschienen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungs¬akte verwiesen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Gericht konnte nach § 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach Lage der Akten entscheiden; die Beteiligten waren in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist zulässig; der Senat konnte daher in der Sache entscheiden. Insbesondere ist der beklagte Freistaat auch nach der Auflösung des Landesamtes für Soziales und Familie und der Übertragung der Zuständigkeit unter anderem in Angelegenheiten zur Durchführung des OEG auf das Landesverwaltungsamt prozessfähig im Sinne des § 71 Abs. 1 SGG und ordnungs¬gemäß vertreten im Sinne des § 71 Abs. 5 SGG. Zur näheren Begründung wird auf das Urteil des Senats vom selben Tage (Az. L 5 VH 1055/06; zur Veröffentlichung vorgesehen) Bezug genommen.
Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
B.
Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet. Der Beklagte hat zwar den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen; der Antrag des Klägers hätte aber als unbegründet abgelehnt werden müssen. Das Urteil des Sozialgerichts ist insoweit abzuändern.
I.
Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht wegen der behaupteten Verweigerung des rechtlichen Gehörs vollständig aufzuheben. Zwar ist der von dem Vorsitzenden nach § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag bei Vorliegen erheblicher Gründe zu verlegen. Die Abwesenheit eines nicht vertretenen Beteiligten wegen eines bereits gebuchten Urlaubs ist in der Regel ein solcher erheblicher Grund, wenn er seine Teilnahme an dem Termin wünscht. Das Sozialgericht konnte diesen Grund jedoch bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen, weil der per E-Mail übermittelte Termins¬verlegungs¬antrag des Klägers nicht zur Akte gelangt ist. Es muss nicht ermittelt werden, ob dieser Antrag überhaupt in dem elektronischen Postfach des Sozialgerichts eingegangen ist. Weiter kann auch offen bleiben, ob der Kläger sich auf die Aufhebung des Termins ohne vorherige Mitteilung verlassen durfte oder nicht vielmehr gehalten war, sich zum Beispiel telefonisch hierüber zu erkundigen. Denn selbst wenn ein Verfahrensfehler in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegen würde, wäre dieser in jedem Falle durch die hinreichende Gewährung rechtlichen Gehörs in der Berufungsinstanz geheilt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichts¬gesetz, 8. Auflage, 2005, § 63 Rdnr. 11d).
II.
Das Urteil des Sozialgerichts ist jedoch dahingehend abzuändern, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten aufgehoben wird, weil dieser den Widerspruch des Klägers zu Unrecht als unzulässig verworfen hat. Der Widerspruch war nicht verfristet. Richtig ist, dass er bei Eingreifen der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) verfristet gewesen wäre. Hiernach gilt ein schriftlicher Verwaltungs¬akt, um den es sich bei dem Ablehnungsbescheid des Beklagten handelt, bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ausweislich des Absendevermerkes in der Verwaltungsakte des Beklagten wurde der Bescheid vom 16. Juni 2003 am 17. Juni 2003 abgesandt. Er gilt somit als am 20. Juni 2003 bekannt gegeben. Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X gilt dies jedoch nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts sowie den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Den Nachweis des Zugangs innerhalb des fingierten Dreitages¬zeitraumes konnte der Beklagte nicht führen. Dieser Beweis ist aber erforderlich, denn der Vortrag des Klägers, den Ablehnungs¬bescheid erst am 23. Juni 2003 erhalten zu haben, begründet Zweifel an einem recht¬zeitigen Zugang.
Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht geklärt. Zunächst wird überwiegend unterschieden zwischen den Anforderungen an das Bestreiten des Zugangs eines Bescheides an sich und denen, die an das Bestreiten des fingierten Zugangszeitpunktes zu stellen sind. Während die überwiegende Ansicht bei dem Zugang dessen pauschales Bestreiten genügen lässt, weil von dem Betroffenen nichts Unmögliches, nämlich die Darlegung von etwas nicht Geschehenem, verlangt werden dürfe (vgl. etwa Landes¬sozial¬gericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteile vom 23. April 2004 – Az.: L 1 KG 3408/02 – und vom 30. August 2007 – Az.: L 6 U 1140/06; Urteile des Hessischen LSG vom 9. März 2005 – Az.: L 6 AL 1276/03 – und vom 19. September 2005 – Az.: L 9 AL 81/04; Krasney in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. II, § 37 SGB X Rdnr. 6; Waschull in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB X (LPK-SGB X), 2. Auflage, 2007, § 37 Rdnr. 13), differieren die Ansichten zu den Anforderungen, die an das Bestreiten des Zugangs innerhalb von drei Tagen gestellt werden.
So wird zum Teil angenommen, dass der Zweifel zumindest ein "berechtigter" sein müsse (vgl. etwa Krasney a. a. O.) oder sogar die substantiierte Darlegung von Tatsachen erfordere, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgehe, dass ein Zugang des Bescheides erst nach dem von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X vermuteten Zeitpunkt erfolgte. Dadurch, dass der Empfänger nur vage, unsubstantiierte Angaben mache beziehungsweise ohne weitere Angaben bestreite, sei die Vermutung noch nicht widerlegt (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl., 2005, § 37 Rdnr. 13). Nach anderer Ansicht (vgl. Waschull a. a. O.) seien an die Darlegungslast des Adressaten keine höheren Anforderungen zu stellen. Versuche in dieser Richtung seien kaum praktikabel. Der Betroffene könne in der Regel nicht mehr sagen, als dass er den Verwaltungsakt gar nicht oder erst an einem bestimmten Tag erhalten habe.
Die in den Kommentaren vertretenen Auffassungen werden nach Auffassung des Senats teilweise nicht von den zitierten Entscheidungen getragen. Soweit Engelmann sich zum Beleg seiner insoweit strengsten Anforderungen auf die Entscheidung des Bundessozial¬gerichts (BSG) vom 28. September 1998 (Az.: B 11 AL 83/98 B in SozR 3-1750 § 418 Nr. 1) beruft, ist beispielsweise darauf hinzuweisen, dass dieser Beschluss die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht betraf. Vielmehr hat das BSG zur Widerlegung der in einer Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen qualifiziertes Bestreiten gefordert und dies mit der besonderen Beweiskraft öffentlicher Urkunden nach § 418 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) begründet. Auf die bloße Zugangsfiktion, die lediglich auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruht, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreicht, erscheint dies nicht übertragbar. Ebenso wenig kann nach Auffassung des Senats die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2003 (Az.: L 8 AL 279/02) in Bezug genommen werden. Zum einen ging es dort nicht um den verspäteten Zugang, sondern um den Nichtzugang eines Bescheides; zum anderen handelte es sich insoweit um einen völlig atypischen Fall, als lediglich ein Erbe vortrug, in den Unterlagen des Erblassers die fraglichen Bescheide nicht gefunden zu haben. Das von Engelmann außerdem zitierte OVG Münster hat in seinem Beschluss vom 7. März 2003 (Az.: 19 A 4216/99 in NVwZ 2001, Seite 1171 (nicht 1199 wie zitiert)) zwar tatsächlich entschieden, dass das bloße Bestreiten, den Bescheid zu dem vermuteten Zeitpunkt erhalten zu haben, nicht genügt. Das Verlangen einer substantiierten Darlegung von Tatsachen bezog das OVG aber ausschließlich auf solche Umstände, die im Kenntnis- und Einflussbereich des Adressaten liegen. Soweit er sich auf außerhalb seines Kenntnis- und Einflussbereichs liegende Tatsachen berufe, sei er in der Regel nicht in der Lage, konkrete Einzelheiten darzutun. In solchen Fällen genüge es, die geltend gemachten Tatsachen insoweit substantiiert darzulegen, als sie dem Adressaten bekannt sind oder bekannt sein müssen. Andererseits müsse jedoch aus diesen Tatsachen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit des von der Zugangsvermutung abweichenden späteren Zugangs¬zeitpunktes hervorgehen, weil die Zugangsvermutung sonst leer laufen würde. Welcher konkrete Vortrag hierfür erforderlich wäre, wird allerdings nicht ausgeführt. – Aus einem in Bezug genommenen Urteil des 15. Senates des OVG Münster vom 28. März 1995 (Az.: 15 A 3217/94) geht jedoch hervor, dass es genügen soll, wenn die Betroffene behauptet, einen Brief erst an einem konkreten Tage erhalten zu haben, und hierfür ihren Ehemann als Zeugen benennt. Weiterer Vortrag, etwa über mögliche Umstände einer verspäteten Zustellung, obläge der Klägerin nicht, weil es sich insoweit um Vorgänge außerhalb ihrer Sphäre handele. Dem entspricht der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 1987 (Az.: 5 B 132/86), nach dem der "Zweifel" im Sinne von § 37 Abs. 2 letzter Halbsatz SGB X ein "berechtigter Zweifel" sein müsse. Dieser entstehe nicht schon dadurch, dass der Empfänger der Postsendung über den angeblichen tatsächlichen Zugang nur eine vage, auf ein schlichtes Bestreiten des nach dem Gesetz zunächst zu vermutenden Zugangs hinauslaufende Behauptung aufstelle, ohne mindestens einen bestimmten Tag zu benennen, sondern nur einen unbestimmten Zeitraum angebe.
Soweit Krasney (a. a. O.) meint, Zweifel müssten "nach den darzulegenden Umständen berechtigt sein", führt auch er nicht näher aus, welche Anforderungen an die Darlegungen zu stellen sind, noch ergibt sich dies aus den in Bezug genommenen Entscheidungen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 1992 (Az.: IX ZR 105/91 in ZIP 1992, 544) betrifft die Steuerberaterhaftung und referiert insoweit insbesondere den Meinungs¬stand, ohne selbst abschließend zu den Anforderungen Stellung zu nehmen; der beklagte Steuerberater habe jedenfalls den "sichersten Weg" zu wählen. Das Urteil des Baden-Württembergischen VGH vom 14. November 1994 (Az.: 11 S 2099/81 in VBlBW 1985, 423) betrifft das Bestreiten des Zugangs überhaupt, bei dem nach auch von Krasney (a. a. O.) vertretener Ansicht eine nähere Substantiierung gar nicht möglich und daher auch nicht zu fordern ist.
Soweit die Entscheidungen den Fall des behaupteten verspäteten Zugangs betreffen, ist danach festzustellen, dass erhöhte Anforderungen an die Substantiierung, wenn überhaupt, dann ausschließlich an solche Umstände gestellt werden, die im Kenntnis- und Einflussbereich des Betroffenen liegen. Nicht ausreichend ist danach jedenfalls, dass der Betroffene schlicht bestreitet, den Bescheid rechtzeitig erhalten zu haben. Nach der von dem Beklagten zitierten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 27. November 1987 (Az.: L 1 KG 4/86 in Breith. 1988, 423) sind konkretere Angaben allerdings bereits dann nicht erforderlich, wenn glaubhaft vorgetragen wird, hierzu nicht (mehr) in der Lage zu sein.
Nach Auswertung der Literatur und eigener Meinungsbildung sind für den erkennenden Senat Zweifel im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB X zwar nicht bereits dann "berechtigt", wenn lediglich pauschal bestritten wird, einen Bescheid innerhalb von drei Tagen nach dessen Absendung erhalten zu haben. Es genügt allerdings (zunächst), dass der Betroffene vorträgt, an welchem späteren Tag der Bescheid ihm zugegangen ist. Der Behörde obliegt es sodann, in dem noch bestehenden unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu der Bekanntgabe des Bescheides dem Betroffenen aufzugeben, konkrete Anhaltspunkte mitzuteilen, die geeignet sind, diesen behaupteten Zugangszeitpunkt zu untermauern. Tut sie dies nicht und ist der Empfänger des Verwaltungsakts später wegen Zeitablaufs nicht mehr zur Darlegung solcher Umstände in der Lage, geht dies zu ihren Lasten, weil der Betroffene zunächst nicht wissen kann, welche Anforderungen an die Substantiierung seiner Angaben gestellt werden. Dabei dürfen sich die geforderten weiteren Darlegungen ausschließlich auf Umstände beziehen, die im Kenntnis- und Einflussbereich des Betroffenen liegen (so kann er etwa befragt werden, wer an dem behaupteten Tag den Briefkasten geleert hat, worauf seine Erinnerung beruht, dass es sich gerade um den behaupteten Tag gehandelt hat; bei wesentlicher Verspätung kann nachgefragt werden, warum der Briefumschlag nicht aufbewahrt und gegebenenfalls mit einem Eingangsvermerk versehen wurde), nicht jedoch auf Umstände, die eine längere Postlaufzeit begründen, weil diese ausschließlich in der Sphäre des Zustelldienstes der Post liegen.
Der Senat verkennt bei alldem nicht, dass diese – relativ – geringen Anforderungen auch die Möglichkeit des Missbrauchs eröffnen. Jedoch spricht für die hier gefundene Lösung das Gebot, dem Bürger effektiven Rechtschutz und auch die Möglichkeit der Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist zu gewährleisten, und andererseits der Umstand, dass die Behörde es selbst in der Hand hat, den Zugangszeitpunkt durch förmliche Zustellung des Verwaltungsakts nachweisbar festzustellen. Wenn sie hiervon zur Ver¬einfachung und aus Kostengründen absieht, darf dies nicht zu einer generellen verfahrensmäßigen Benachteiligung des Bürgers durch Verschlechterung der Rechtsverfolgung führen (vgl. – dort im Zusammenhang mit behauptetem Nichtzugang – Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 30. August 2007 und des Hessischen LSG vom 9. März 2005, a. a. O.).
Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger jedenfalls mehr als nur pauschal den rechtzeitigen Zugang des Ablehnungsbescheides vom 16. Juni 2003 bestritten. Zwar kann ihm nicht gefolgt werden, wenn er aus dem Zugang des Schreibens vom 1. August 2003 am 7. August 2003 auf lange Postlaufzeiten schließen will, denn dieses Schreiben ist ausweislich des Absendevermerkes erst am 4. August zur Post gegeben worden, was durch die vom Kläger mitgeteilte Entwertung per Poststempel am 5. August bestätigt wird. Auch die Bedenken des Klägers, die Behörde könne durch Zurückhalten von Bescheiden die Widerspruchsfrist entsprechend verkürzen, sind unbegründet, denn die Zugangsfiktion greift jedenfalls erst ab dem Absendetag, nicht ab dem Bescheiddatum. Der Absendetag wiederum ist von der Behörde nachzuweisen. Soweit der Kläger meint, dieser könne manipuliert werden, unterstellt er deren Mitarbeitern strafbares Verhalten in Form von Urkunden¬fälschung. Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung auf diese Weise durch Begehen einer Straftat letztlich den Fortbestand ihres Beschäftigungsverhältnisses aufs Spiel setzen würden, bestehen jedoch weder im hiesigen Fall noch in der von dem Kläger unterstellten generellen Form.
Allerdings hat der Kläger mit der sofort auf die Eingangsbestätigung mit dem Vorhalt der Fristversäumnis erfolgten Erklärung, der Bescheid sei am 23. Juni 2003 zugegangen, einen konkreten, von der Zugangsfiktion abweichenden Verlauf vorgetragen. Einzelheiten hierzu sind wegen des Zeitablaufs nicht mehr zu ermitteln. Danach besteht für den Senat ein Zweifel im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB X, infolgedessen der Beklagte den früheren Zugang des Bescheides nachzuweisen hätte. Hierzu ist er nicht in der Lage. Er kann sich daher nicht auf die Fristversäumnis berufen. Der Widerspruchsbescheid war daher rechtswidrig und aufzuheben.
III.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Wie das in Bezug genommene BVG geht auch das OEG somit von einer dreigliedrigen Kausalkette aus. Das erste Glied ist dabei der vorsätzliche, rechts¬widrige tätliche Angriff, das zweite Glied bildet die durch den schädigenden Vorgang hervorgerufene Schädigung (Primärschaden), das dritte Glied stellt die Folge der gesundheit¬lichen Schädigung (Schädigungsfolge) dar, also das Versorgungsleiden, dessen Fest¬stellung ein Antragsteller durch die Versorgungsverwaltung begehrt (vgl. zu der in gleicher Weise aufgebauten Vorschrift des § 1 Abs. 1 BVG Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage 1992, BVG § 1 Rdnr. 61).
Diese drei Glieder der Kausalkette bedürfen als anspruchs¬begründende Tatsachen des Vollbeweises. Das heißt, dass der schädigende Vorgang, der Primärschaden und die Schädigungsfolge grundsätzlich nachgewiesen werden müssen. Für den Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indes ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt. Dabei können nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, in den Fällen, in denen Unterlagen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, der Entscheidung zu Grunde gelegt werden, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Diese Beweis¬erleichterung ist auch im Verfahren über Ansprüche nach dem OEG anwendbar (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28. Juni 2000 – Az.: B 9 VG 3/99 R m. w. N.; nach juris), und zwar nicht nur im Verwaltungs-, sondern auch im gerichtlichen Verfahren (vgl. BSG, a. a. O.). Während der Beweis grundsätzlich die Vermittlung richterlicher Überzeugung von der Wahrheit der – streitigen – Behauptung erfordert, tritt bei der Glaubhaftmachung an die Stelle des Vollbeweises die Feststellung überwiegender Wahrscheinlichkeit.
Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt nach § 1 Abs. 12 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 BVG dagegen schon die Wahrschein¬lichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wahrscheinlich ist jede Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 1977 – Az.: 10 RV 15/77 in SozR 3900 § 40 BVG Nr. 9; ständige Rechtsprechung, vgl. auch BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 – Az.: 9/9a RV 1/92 in SozR 3-3100 § 38 BVG Nr. 2). Sie wird auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 8. Auflage, 2005, § 118 Rdnr. 5a).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG. Es ist nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrschein¬lichkeit erwiesen, dass er Opfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist. Die angeschuldigten Handlungen der Polizeibeamten wären nur dann rechtswidrig gewesen, wenn sie sich nicht im Rahmen erforderlicher Festnahmehandlungen gehalten hätten. Dies ist jedoch nicht nachweisbar.
Das ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass das gegen die Polizeibeamten geführte Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Erfurt eingestellt wurde und auch die dagegen gerichtete Beschwerde sowie der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfolglos geblieben sind. Weder strafrechtliche Wertungen noch zivilrechtliche Feststellungen binden in dem Verfahren nach dem OEG. Vielmehr ist im sozialgerichtlichen Verfahren eine eigen¬ständige Würdigung der erreichbaren Beweismittel vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1991– Az.: 9a/9 RVg 1/89; nach juris). Nach eigener Auswertung des Vortrages des Klägers (im Ermittlungsverfahren, gegenüber dem Beklagten und vor Gericht) einerseits und der Aussagen der Polizeibeamten in dem Ermittlungsverfahren andererseits kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass sich der Vorfall in einer bestimmten Weise zugetragen hat. Zweifel an der Richtigkeit der Schilderung des Klägers ruft insbesondere hervor, dass bereits am Tag des Ereignisses PHM S., der sich zur Zeit der Festnahme im Obergeschoss des Hauses befand und daher den Vorwurf einer Körperverletzung im Amt nicht befürchten musste, eine im Wesentlichen den späteren Schilderungen der unmittelbar beteiligten Beamten entsprechende Beschreibung der Geschehnisse niederschrieb. Insbesondere beschrieb er bereits an jenem Tag, dass der Kläger schon beim Öffnen der Haustür in aggressivem Ton verlangt habe, dass die Polizei sein Grundstück verlasse. Er habe diese Aufforderung fortlaufend wiederholt und der Mitteilung des Anwesenheits¬grundes entweder nicht folgen können oder wollen; dabei sei er immer aggressiver geworden. Ergänzend hierzu hat der Polizeibeamte R. am 21. Juni 1999 und damit ebenfalls unmittelbar nach dem Vorfall den im Hausflur abgelaufenen Vorgang insoweit gleich geschildert, als der sichtbar angetrunkene Kläger (die anschließende Blutuntersuchung stellte um 7.30 Uhr eine Blutalkohol¬konzentration von 1,20 0/00 fest) ständig wiederholt habe, dass sich die Beamten aus seinem Haus entfernen sollten. Immerhin hat auch der Kläger vorgetragen, er habe auf seine Frage, was los sei, "keine konkrete Antwort" erhalten, "nur, dass Unfallflucht vorliegt"(!). Dass er dennoch versucht hat, ein Bier zu trinken, obwohl er selbst nicht ausschließen konnte, als Verdächtiger in Betracht zu kommen, war in der konkreten Situation unangemessen. Sein Verhalten spricht eher dafür, dass er die Beamten provozieren wollte, als für seine Schilderung von deren Aggressivität. Gerade wenn eine Aggressivität der Polizeibeamten vorgelegen hätte, hätte für ihn Anlass bestanden, die Situation nicht zusätzlich zu verschärfen. Widersprüchlich sind sodann die Angaben des Klägers, ein Polizist habe ihm das Bier aus der Hand geschlagen und die Büchse habe ihn am linken Auge getroffen, und die Angaben der Polizeibeamten, einer von ihnen habe verbal und ein anderer durch Herunterdrücken des Armes versucht, den Kläger am Trinken zu hindern. Auch insoweit ist nicht feststellbar, welche der beiden Aussagen tatsächlich stimmt. Jedenfalls sind die Aussagen der Polizisten auch nicht widerlegbar. Ihre Richtigkeit unterstellt, war es gerechtfertigt, den als Täter der Unfall¬flucht noch nicht auszuschließenden Kläger am Trinken zu hindern, um einen sogenannten Nachtrunk zu vermeiden.
Ähnliches gilt für den weiteren Verlauf, bei dem es dann zu Handgreiflichkeiten gekommen ist. Es ist nicht feststellbar, ob – nach der Schilderung des Klägers – ihm das Bier aus der Hand geschlagen wurde, woraufhin er die Hände gehoben hat, aber sofort von mehreren Beamten zu Boden getreten und geschlagen worden ist, oder ob – wie die Polizeibeamten angeben – der Kläger die Bier¬dose zerdrückt und versucht hat, einen der Beamten zu schlagen. Letzteren Ablauf unterstellt, hätten die Beamten gegenüber einer versuchten Körperverletzung Notwehr oder Nothilfe geleistet und wären im Übrigen einem Widerstand des Klägers gegen Vollstreckungs¬beamte entgegengetreten. Diese Handlungen wären nicht rechtswidrig gewesen. Nach den widersprüchlichen Aussagen ist auch ein Exzess bei dieser grundsätzlich gerechtfertigten Festnahmehandlung durch Schläge und Tritte nicht erwiesen.
Die Annahme des Klägers, die Wahrheitswidrigkeit der Darstellung der Beamten ergebe sich bereits daraus, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage in dem gegen ihn eröffneten Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte "zurückgezogen" habe, geht fehl. Die Anklage wurde nicht "zurück¬gezogen", sondern das Verfahren durch das Gericht nach § 153 StPO, somit wegen angenommener geringer Schuld, eingestellt. Ein Freispruch ist damit gerade nicht erfolgt.
Weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich. Im Gegensatz zu dem Kläger kann der Senat wesentliche Widersprüche in den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die Polizei¬beamten aufgenommenen Aussagen der Angeschuldigten nicht erkennen. Er geht davon aus, dass der Sachverhalt im Rahmen der Möglichkeiten abschließend geklärt ist.
Unerheblich ist, welcher der geschilderten Abläufe wahrscheinlicher ist. Jedenfalls kann der erforderliche Beweis im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers nicht geführt werden.
Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast, nach denen jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, a. a. O., § 103 Rdnr. 19a), geht die Nichterweislichkeit des rechts¬widrigen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG zu Lasten des Klägers. Eine Regel, nach der in tatsächlicher Hinsicht im Zweifel zu Gunsten des Opfers zu entscheiden ist, gibt es im Gewalt¬opferentschädigungsrecht ebenso wenig wie im sonstigen Sozialrecht (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1988 – Az.: 9/9 a RVG 3/87; nach juris).
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Beweiserleichterungsregel des § 15 KOV-VfG. Zum einen liegt kein Fall vor, in dem Unterlagen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind. Zum anderen ist nach den widersprüchlichen Darstellungen auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der klägerischen Aussagen festzustellen. Diese ist lediglich möglich. Eine solche Möglichkeit genügt jedoch auch für die erforderliche Glaubhaftmachung nicht.
Im Übrigen ist auch der erforderliche Primär¬schaden nicht mit der notwendigen Gewissheit festzustellen. Der Kläger hat bei den Vorstellungen in der Notfallambulanz am 19. wie auch bei seinem Hausarzt am 21. Juni 1999 keine Beschwerden im Lenden¬wirbel¬säulen¬bereich angegeben; entsprechende Diagnosen wurden nicht gestellt. Die Erklärungs¬versuche des Klägers hierzu überzeugen nicht. Wenn die Schmerzen an jener Stelle im Gegensatz zu den erheblicheren sonstigen Schmerzen gering waren, ist eine hinreichende Gewalt¬einwirkung für das Hervorrufen von Folgeschäden bereits unwahrscheinlich. Darüber hinaus hat der Kläger bei seiner Vorstellung in der Wirbelsäulenambulanz der Zentral¬klinik Bad B. Anfang März 2000 angegeben, seit November 1999 an Beschwerden in der Lendenwirbelsäule zu leiden. Wenn er durchgehend gerade seit dem Vorfall im Juni 1999 Beschwerden gehabt hätte, hätte es damals nahegelegen, die Ärzte darauf hinzu¬weisen, gerade auch um eine eventuelle traumatische Ursache abklären zu lassen.
Darüber hinaus fehlt auch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen der vorliegenden Wirbelsäulenerkrankung und einem traumatischen Ereignis. Hierzu haben der Oberarzt Dr. H. sowie der Chefarzt Dr. B. der Klinik für Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie und Querschnittsgelähmte Bad B., in der der Kläger im Juni 2000 operiert wurde, ausdrücklich in ihrem Schreiben vom 22. Januar 2008 erklärt, die beschriebene Erkrankung hänge nicht mit einer Gewalteinwirkung zusammen. Wenn der Kläger dennoch meint, sie sei dadurch ausgelöst worden, widerspricht dies zum einen der sachverständigen Aussage der Ärzte und zum anderen – wie bereits ausgeführt – seinen früheren Angaben außerhalb des Gerichts¬verfahrens, Lumbalbeschwerden (erst) seit November 1999 zu haben. Angesichts der fünfmonatigen Zwischenzeit kommt ein "Auslösen" durch die Festnahmehandlung selbst bei Unterstellen der Schilderung des Klägers nicht in Betracht.
Zudem entspricht die hier festgestellte Nichterweislichkeit des Kausalzusammenhangs den Erklärungen des Hausarztes Dipl.-Med. S. und der Notfallambulanz, die jeweils in ihren Attesten über die Vorstellungen unmittelbar nach dem Vorfall mitgeteilt haben, mit Spätschäden sei nicht zu rechnen.
Nach alledem kann ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff nicht nachgewiesen werden. Unabhängig davon ist ein einschlägiger Primärschaden nicht bewiesen, und zusätzlich ist keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers mit einem traumatischen Ereignis feststellbar. Ein Versorgungsanspruch besteht hiernach nicht.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache. Der Senat hat bei der Quotelung berücksichtigt, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten zwar rechtswidrig war, weil er den Widerspruch bereits aus formellen Gründen verwarf, dass der Kläger jedoch mit seinem Begehren in der Sache letztlich unterlegen ist und diesem weit größeres Gewicht zukommt. Dies musste sich in dem Kostenausspruch niederschlagen.
Die Revision wird nur zugelassen, soweit der Widerspruchsbescheid aufge¬hoben wurde, weil die Rechtsfrage, welche Anforderungen bei behauptetem Zugang eines Verwaltungs¬akts nach Ablauf der Drei-Tage-Frist des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X an den zur Nachweis¬pflicht des Beklagten führenden Zweifel zu stellen sind, bislang nicht geklärt ist. Die Sache hat (nur) insoweit grundsätzliche Bedeutung, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Im Übrigen liegen Gründe für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
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