L 9 R 94/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 1303/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 94/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 16. November 1957 geborene Klägerin arbeitete nach ihren Angaben im Zeitraum vom 26. Januar 1976 bis 26. Juli 1981 - mit Unterbrechungen (u. a. Schwangerschaft, Kindererziehung, Arbeitslosigkeit und eine Zeit ohne Beschäftigung ohne Arbeitslosmeldung) - als Büglerin und Montiererin. Danach war sie bis 24. Juli 1982 arbeitslos gemeldet. Vom 8. Februar 1983 bis 31. März 1984 liegen Zeiten der Schwangerschaft bzw. des Mutterschutzes und Kindererziehungszeiten vor. In der Folge absolvierte die Klägerin vom 1. September 1989 bis Juni 1992 eine Ausbildung als Arzthelferin und war anschließend in einer Praxis für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse bis 28. Februar 2001 beschäftigt. Im Zeitraum vom 1. März 2001 bis 3. März 2002 bezog sie Sozialleistungen und Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Vom 4. März bis 14. November 2002 sind Pflichtbeiträge für berufliche Ausbildung (PC-Anwendertraining, Tätigkeit in einer Übungsfirma der i. AG) entrichtet und für die Zeit vom 18. November 2002 bis 18. Juli 2003 wiederum Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit. Vom 19. Juli bis 12. Oktober 2003 war die Klägerin arbeitslos ohne Leistungsbezug und vom 14. Oktober bis 31. Dezember 2003 ist wiederum eine Pflichtbeitragszeit vermerkt, nach Angaben der Klägerin eine Tätigkeit als "Call-Agent". Danach bezog sie vom 1. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2007 Arbeitslosengeld II. Wegen der Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 4. April 2008 verwiesen.

Die Klägerin hat 3 Kinder geboren, S. am 11. Oktober 1971, M. am 20. Februar 1978 und D. am 22. März 1983.

Unter dem 16. Dezember 2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, da sie - u. a. wegen psychischer Beschwerden - seit Mitte 2004 erwerbsgemindert sei. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Mai 2006 und Widerspruchsbescheid vom 4. April 2007 ab, weil die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und auch in ihrem bisherigen Beruf als Arzthelferin noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Grundlage des ablehnenden Bescheides waren Berichte von behandelnden Ärzten, u. a. des PD Dr. H., Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin des Universitätsklinikums H., vom 30. März 2005 über ambulante Untersuchungen (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, histrionische Persönlichkeitsstörung, undifferenzierte Somatisierungsstörung, Binge eating [Essanfälle] und alimentäre Adipositas, Panikstörung, Hypothyreose und arterielle Hypertonie) und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Hartmann vom 13. Dezember 2005 (Somatisierungsstörung, Angst und Depression gemischt sowie Verdacht auf histrionische Persönlichkeitsakzentuierung) sowie ein Attest der Dipl.-Psych. B.-R. vom 19. Januar 2006 (langjährige bestehende depressive - und Angstsymptomatik, undifferenzierte Somatisierungsstörung, Essstörungen bei histrionischer Persönlichkeitsstörung mit depressiven Anteilen). Ferner lagen ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 1. März 2006 (Dysthymie mit Ängsten, undifferenzierte Somatisierungsstörung, histrionische Persönlichkeitsstörung, Essstörung und Adipositas permagna; trotz der geschilderten Beschwerden mit geklagten Störungen der Stimmungslage und des Antriebs sei die Klägerin weiterhin in der Lage, einer mindestens sechsstündigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen, möglich seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne vorwiegendes schweres Heben und Tragen sowie Zwangshaltungen und häufiges Bücken) sowie die Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. K. vom 9. März 2006 (eine Tätigkeit als Arzthelferin sei täglich sechs Stunden und mehr zumutbar) zu Grunde. Im Widerspruchsverfahren waren u. a. ein Bericht der Dipl.-Psych. B.-R. vom 12. August 2006 (depressive Verstimmungen und phobische Ängste, Essstörungen, Stimmungsschwankungen, Einschränkung der Konzentrations- und Durchhaltefähigkeit, entgegen den Ausführungen von Dr. W. sei die Klägerin nicht im dargestellten Ausmaß erwerbsfähig) sowie - nach umfangreichen Ausführungen der Klägerin zum Gutachten Dr. W. - ein Bericht der Allgemeinmedizinerin Dr. M.-K. vom 18. August 2006 und deren Attest vom 22. August 2006 sowie ein Bericht des Prof. Dr. R. vom 3. Februar 2005 (Hashimoto-Thyreoiditis) eingegangen. Des weiteren waren Gutachten der Ärztin für Psychiatrie Dr. R. de L. vom 24. Oktober 2006 (Dysthymie, Somatisierungsstörung, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und emotional instabilen Zügen; trotz des subjektiv sehr starken Leidensdrucks liege auf Grund der fachärztlichen Diagnosen weiterhin eine Leistungsfähigkeit im letzten beruflichen Rahmen als Arzthelferin und auch für andere leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes von mindestens sechs Stunden täglich vor) und des Orthopäden Dr. H. vom 25. Oktober 2006 (degeneratives Cervical- und Lumbalsyndrom, Innenmenikusläsion links; leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, länger dauernde Tätigkeiten in gebückter, vornübergeneigter, kniender oder hockender Position - seien sechs Stunden und mehr möglich, ebenso die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in einem Call-Center sowie als Arzthelferin).

Auf den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 11. April 2007 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und im Wesentlichen auf ihre psychischen Erkrankungen hingewiesen, deretwegen sie nicht in der Lage sei, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

Das SG hat ein Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 17. Oktober 2007 und - nach Stellungnahme der Beklagten mit Vorlage einer Beurteilung der Nervenärztin Dr. M.vom 6. November 2007 und nach Einwendungen der Klägerin und Anhörung der Dipl.-Psych. B.-R. (Aussage vom 12. März 2008), der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie H. (vom 17. März 2008), sowie der Allgemeinmedizinerin Dr. M.-K. (27. März 2008), die u. a. über die von ihnen erhobenen Befunde berichtet haben - dessen ergänzende Stellungnahme vom 14. Mai 2008 eingeholt.

Dr. B. hat auf Grund der vorliegenden ärztlichen Äußerungen und seiner eigenen Untersuchungen eine schwer ausgeprägte Beeinträchtigung der geistig-seelischen und sozialen Fertigkeiten festgestellt und ist zum Ergebnis gelangt, die Klägerin sei "derzeit" nicht in der Lage, durch zumutbare Willensanspannung die Auswirkungen der mehrdimensionalen Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet zu überwinden und zu einer Erwerbstätigkeit von mindestens drei Stunden pro Arbeitstag nicht in der Lage. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit bestehe nicht. Ein genaues Datum, vor welchem die Zumutbarkeit der Willensanspannung für die Überwindung der Auswirkungen dieser seelischen Störung auf die regelmäßige Ausübung einer Erwerbstätigkeit während mindestens drei Stunden pro Arbeitstag noch zu bejahen sei und nach dem sie zu verneinen sei, könne er nicht benennen. Er empfehle von einer entsprechenden Einschränkung ab 1. Juli 2007 auszugehen. Es sei durchaus möglich, dass die Einschränkungen bereits einige Zeit vorher bestanden hätten, doch verblieben diesbezüglich im Hinblick auf die vorliegenden Gutachten Unsicherheiten, die er retrospektiv nicht ausräumen könne. Es ergebe sich kein wesentlicher entscheidender Widerspruch gegenüber den sozialmedizinischen Beurteilungen der Dres. W. und R. de L ... In deren Gutachten fänden sich übereinstimmende diagnostische und sozialmedizinische Beurteilungen, die im Wesentlichen widerspruchsfrei seien.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei bereits bei Rentenantragstellung nicht mehr in der Lage gewesen, sechs Stunden täglich zu arbeiten und hat hierzu Atteste der Dr. Müller-Kölemen vom 2. Juni 2008, der Dipl.-Psych. B.-R. vom 4. Juni 2008 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Hartmann vom 5. Juni 2008 vorgelegt.

Die Beklagte hat vorgetragen, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Renten seien bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Januar 2006 nicht erfüllt. Ein Eintritt des Versicherungsfalles spätestens am 31. Januar 2006 sei indes nicht nachgewiesen.

Das SG hat mit Urteil vom 23. September 2008 die Klage abgewiesen. Die - von der Beklagten im Widerspruchsbescheid näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, seien nicht erfüllt, da die Klägerin zwar voll erwerbsgemindert sei, jedoch in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien und insbesondere eine Erwerbsminderung vor dem 1. Juli 2007 nach den vorliegenden Gutachten nicht nachgewiesen sei. Soweit die behandelnden Ärzte und die Therapeutin der Auffassung seien, den nervenärztlichen Gutachten sei nicht zu folgen, fehle hierfür eine überzeugende Begründung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das am 8. Dezember 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Januar 2009 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, sie sei spätestens im Januar 2006 erwerbsunfähig gewesen. Die dem entgegenstehenden Gutachten entbehrten jeglicher Logik. Gemäß den Attesten ihrer behandelnden Ärzte und ihrer Therapeutin sei die Erwerbsunfähigkeit spätestens im Januar 2006 eingetreten. Hierzu hat sie die bereits dem SG vorgelegten Atteste vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab 1. Januar 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein früherer Leistungsfall als 1. Juli 2007 sei nicht nachgewiesen. Hierzu hat sie eine Stellungnahme der Dr. Maier vom 29. Januar 2009 vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Einer Zustimmung der Beteiligten hierzu bedarf es nicht.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung sind die §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (seit 1. Januar 2008: bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. voller Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert oder berufsunfähig sind und in den letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§§ 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 240 Abs. 1 SGB VI).

Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung (§ 43 Abs. 4 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung auf Grund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der (oben dargelegten) sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (seit 1. Januar 2008: bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit, in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben müssen, verlängert sich auch um Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 1. Januar 1992 (§ 241 Abs. 1 SGB VI). Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit sind für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit 1. Beitragszeiten, 2. betragsfreien Zeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb nicht betragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nummern 4, 5 oder 6 vorliegt, 4. Berücksichtigungszeiten, 5. Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder 6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist (§ 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist einer Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGBVI).

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemessen hieran scheitert ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit schon daran, dass die sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in dem dem Versicherungsfall vorausgegangenen Fünfjahreszeitraum - nicht erfüllt sind. Sie wären nur erfüllt, wenn der Versicherungsfall spätestens am 31. Januar 2006 eingetreten wäre. Nur dann würden angesichts der zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 30. November 2006 aufgetretenen Lücke im Versicherungsverlauf der Klägerin in dem - wegen der Anrechnungszeit im August und September 2003 um zwei Monate verlängerten - Fünf-Jahres-Zeitraum vom 30. November 2000 bis 30. Januar 2006 die erforderlichen 36 Monate an Pflichtbeitragszeiten (2 Monate im Jahr 2000, 12 Monate im Jahr 2001, 12 Monate im Jahr 2002 und 10 Monate im Jahr 2003) erreicht.

Der Eintritt des Versicherungsfalls bis spätestens zum 31. Januar 2006 ist hier indes nicht nachgewiesen. Das SG hat bereits in den Gründen des angefochtenen Urteils dargelegt, warum ein Versicherungsfall, nämlich das Vorliegen einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderung oder von Berufsunfähigkeit vor dem 1. Juli 2007 und insbesondere bereits im Januar 2006 nicht nachgewiesen ist und deshalb ein Anspruch auf die begehrte Rente nicht besteht. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG und seinen Feststellungen nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass keine Veranlassung besteht, im Berufungsverfahren weitere medizinische Ermittlungen durchzuführen.

Auf der Grundlage der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. W., Dr. R. de L. und Dr. H., die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, stellt der Senat fest, dass die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchungen für diese Gutachten noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig war, auch als Arzthelferin, wobei dahinstehen kann, ob eine Tätigkeit in einer Praxis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse, in der die Klägerin zuletzt gearbeitet hat, als geeignet anzusehen war. Jedenfalls weisen diese Gutachten keine qualitativen oder gar quantitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin vor dem 1. Februar 2006 nach, die einer solchen Tätigkeit entgegen gestanden hätten.

Dies gilt insbesondere auch für den im Vordergrund stehenden Bereich der psychischen Gesundheitsstörungen der Klägerin. Zwar haben bereits Dr. W. und Dr. R. de L. bei der Klägerin in weitgehender Übereinstimmung eine Persönlichkeitsstörung (Dr. W.: histrionische Persönlichkeitsstörung, Dr. R. de L.: kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und emotional instabilen Zügen), eine Dysthymie und eine Somatisierungsstörung festgestellt. Beide Sachverständige haben aber durch die Auswirkungen dieser Diagnosen das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht (6 Stunden und mehr) auch im Rahmen der erlernten beruflichen Tätigkeit (noch) nicht als eingeschränkt beurteilt.

Auch Dr. B. hat die von ihm festgestellte schwere Beeinträchtigung der geistig-seelischen und sozialen Fähigkeit der Klägerin zum einen auf eine - gemischte - Persönlichkeitsstörung und zum anderen auf die mit der Diagnose einer primären Persönlichkeitsstörung verbundene reaktive vielschichtige seelische Symptomatik, vorrangig in Form von somatoformen Beschwerden und einer dysthym-ängstlichen Verstimmung, zurückgeführt. Allerdings hat er festgestellt, dass die - trotz kontinuierlicher Behandlung inzwischen eingetretene - Chronifizierung und Fixierung dieses somit im Wesentlichen übereinstimmend mit den Vorgutachtern beschriebenen Krankheitsbildes nun dazu geführt hat, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, dessen Auswirkungen mit einer zumutbaren Willensanstrengung in dem Ausmaß zu überwinden, dass sie noch in der Lage wäre, eine mindestens 6-stündige Erwerbstätigkeit auszuüben. Insofern hat er auch folgerichtig - hierauf weist die beratende Ärztin der Beklagten Dr. M. in der Stellungnahme vom 6. November 2007 zu Recht hin - den Eintritt der Leistungsminderung (wegen der nicht mehr zumutbaren Willensanstrengung) erst auf die Mitte des Jahres 2007 gelegt.

Dr. B. ist in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. Mai 2008 auch in Kenntnis der Einwendungen der behandelnden Ärzte, der Psychotherapeutin und der Klägerin selbst bei dieser Beurteilung geblieben. Er hat nach der Überzeugung des Senats auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die beiden Vorgutachten hinsichtlich der diagnostischen und sozialmedizinischen Beurteilung weitgehend übereinstimmen und in sich widerspruchsfrei sind.

Die dem entgegenstehenden Einschätzungen der behandelnden Ärzte und der Therapeutin der Klägerin überzeugen auch den Senat nicht. Sie lassen insbesondere eine kritische Distanz und ein Hinterfragen der Angaben der Klägerin nicht erkennen, was auch naturgemäß nicht Aufgabe eines Therapeuten ist. Allerdings ist ein kritisches Hinterfragen gerade im Rahmen einer Begutachtung, die den Zweck hat, den Umfang einer Leistungsbeeinträchtigung zu objektivieren, unumgänglich und dies wurde von den drei im vorliegenden Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen in übereinstimmender und damit auch überzeugender Weise geleistet. Weitere Ermittlungen sind daher nicht veranlasst.

Da die Beklagte somit zu Recht die Gewährung von Rente abgelehnt hat, hat auch das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Deshalb weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved