L 6 SB 2447/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 3331/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2447/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 18. April 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger wegen einer wesentlichen Verschlimmerung statt mit 70 nunmehr mit 80 festzustellen ist und ob der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" ("G") erfüllt.

Bei dem 1950 geborenen Kläger stellte das Landratsamt B. (LRA) den GdB zuletzt mit 70 seit 15. Mai 2003 fest (Ausführungsbescheid vom 21. Dezember 2005). Grundlage dessen war das in dem vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) geführten Verfahren S 1 SB 705/04 abgegebene Anerkenntnis des Beklagten, mit dem der GdB wegen einer wesentlichen Verschlimmerung von bisher 60 auf 70 angehoben worden war. Dieser Beurteilung lagen die nachfolgend genannten Gesundheitsstörungen zugrunde:

Seelische Störung, Abhängigkeitserkrankung (in Heilungsbewährung) Teil-GdB 40 Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Zehensenkerschwäche rechts Teil-GdB 30 Schlaf-Apnoe-Syndrom Teil-GdB 20 Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke Teil-GdB 10 Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10 Diabetes mellitus Teil-GdB 10 Gicht mit Gelenkbeteiligung Teil-GdB 10 Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks Teil-GdB 10.

Am 28. Juni 2006 beantragte der Kläger erneut die Erhöhung des GdB und machte eine Verschlimmerung bereits anerkannter bzw. neu aufgetretene Gesundheitsstörungen wie folgt geltend: Wirbelsäulenleiden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Zehenheberschwäche, Schmerzsyndrom, Hüft- und Kniegelenkserkrankung, Fersensporn rechts. Ferner beantragte er die Anerkennung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Das LRA holte den Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. M. vom 6. Juli 2006 ein und veranlasste die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme des Dr. E. vom 25. Juli 2006. Dieser sah keine wesentliche Verschlimmerung im Vergleich zu den dem Bescheid vom 21. Dezember 2005 zugrunde liegenden Funktionsbeeinträchtigungen, weder in der Gesamtbeurteilung noch in der Bewertung der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" sah er nicht als erfüllt an.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2006 lehnte das LRA den Neufeststellungsantrag des Klägers daraufhin mit der Begründung ab, eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen, die einen höheren GdB rechtfertigen könnten, sei nicht eingetreten. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, der bisher festgestellte GdB von 70 werde seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr gerecht. Der Befund im Bereich der Wirbelsäule und dort vor allem auch die Schmerzzustände hätten deutlich zugenommen. Deshalb sei ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom zu berücksichtigen und ein Teil-GdB von 40 zugrunde zu legen. Darüber hinaus rechtfertigten die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke jeweils einen Teil-GdB von 20. In der sodann eingeholten vä Stellungnahme vom 17. November 2006 sah die Ärztin K. sowohl die Wirbelsäulen- als auch die Hüft- und Kniegelenksveränderungen als hinreichend bewertet an. Hinweise auf ungewöhnliche, bisher nicht berücksichtigte Schmerzzustände ergäben sich aus dem Bericht des Dr. M. nicht. Eine erhebliche Gehbehinderung resultiere aus den Funktionsbeeinträchtigungen nicht.

Mit Bescheid vom 21. November 2006 lehnte es das LRA ab, die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen. Der Kläger sei in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. Juli 2006 sowie gegen den Bescheid vom 21. November 2006, der nach der Rechtsmittelbelehrung gemäß § 86 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Vorverfahrens gegen den Bescheid vom 31. Juli 2006 geworden sei, zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 28. November 2006 Klage beim SG und wiederholte sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Darüber hinaus machte er geltend, auch die seelische Störung sei mit einem Teil-GdB von 40 nicht mehr ausreichend bewertet. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. B. habe im Rahmen des Rentenverfahrens eine erhebliche psychische Beeinträchtigung beschrieben, die für sich betrachtet auch ohne die Alkoholproblematik mit einem GdB von 40 nicht mehr ausreichend bewertet sei. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Zu den Ermittlungen des SG legte er die vä Stellungnahme des Dr. K. vom 23. August 2007 vor, der die bisherige Bewertung weiterhin für angemessen erachtete und lediglich zusätzlich eine chronische Magenschleimhautentzündung mit einem Teil-GdB von 10 bewertete, was jedoch keinen Einfluss auf den Gesamt-GdB habe.

Das SG hörte Dr. M. unter dem 23. März 2007, Dr. B. unter dem 3. April 2007 sowie den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. unter dem 2. Mai 2007 schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. M. schätzte den GdB für die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule mit 50 ein, ebenso den Gesamt-GdB, bei dem er mit Teil-GdB-Werten von jeweils 10 noch eine Supraspinatustendopathie sowie eine Gonarthrose links berücksichtigte. Die Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr sah er eingeschränkt, jedoch seien dem Kläger Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, durchaus noch zumutbar. Dr. B. ging diagnostisch von einer chronischen Schmerzstörung bei den beschriebenen orthopädischen Erkrankungen, einem Diabetes mellitus, einem chronischen Alkoholmissbrauch mit Abhängigkeitsentwicklung, bei dem es aber nach anhaltender Abstinenz in den letzten Jahren durchaus zu einer Besserung gekommen sei, und einer dysthymen Entwicklung aus. Den GdB bewertete er unter Berücksichtigung der schweren chronischen Schmerzstörung mit erheblichen Schwierigkeiten des sozialen Anpassungsvermögens mit 60. Hinsichtlich der Gehfähigkeit führte er aus, der Kläger könne in einem Zeitraum von 30 Minuten zwei Kilometer zurücklegen. Dr. M. bewertete den Gesamt-GdB mit 80 und schätzte die Gehstrecke des Klägers im Hinblick auf das wegen des Bandscheibenschadens immer wieder einknickende linke Bein auf ca. zwei Kilometer pro Stunde. Das SG erhob ferner das nervenärztliche Gutachten des Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 19. November 2007. Dieser erachtete die Bemessung der seelischen Störung und der Abhängigkeitserkrankung (in Heilungsbewährung) mit einem Teil-GdB von 40 als weit überhöht, da die Alkoholabhängigkeit längst abgeklungen sei und diese daher keinen GdB mehr rechtfertige. Eine schwerwiegende seelische Störung habe er anlässlich seiner Untersuchung nicht erkennen können, weshalb sich insoweit allenfalls die Bewertung mit einem Teil-GdB von 30 rechtfertige, was allerdings bereits hoch gegriffen sei. Außerordentlich hoch erscheine auch die Bewertung für die Beeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30, da radikuläre Symptome anlässlich der Untersuchung nicht hätten festgestellt werden können und solche auch vom behandelnden Nervenarzt nicht beschrieben seien. Die degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, die vom Lebensalter her durchaus zu erwarten seien, rechtfertigten keinen höheren GdB als 20. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom mit Maskenbeatmung sei zutreffend mit einem GdB von 20 bewertet. Die übrigen Behinderungen (Funktionsbehinderungen der Hüft- und Kniegelenke, Diabetes mellitus, Gicht mit Gelenkbeteiligung, Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks) seien geringgradig und rechtfertigten lediglicht Einzel-GdB-Werte von 10, die jedoch für den Gesamt-GdB ohne Relevanz seien. Insgesamt sei der festgestellte GdB von 70 angesichts des erhobenen Befundes weit überhöht. Der begehrte GdB von 80 sei "nicht diskutabel"; auch ließen sich Merkzeichen in keiner Weise begründen. Angemessen sei nach der Befundsituation ein Gesamt-GdB von 50. Mit Gerichtsbescheid vom 18. April 2008 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, eine wesentliche Verschlimmerung, die eine Höherbewertung des GdB rechtfertige, sei nicht eingetreten. Dies gelte für sämtliche der in die Bewertung eingeflossenen Funktionsbehinderungen. Hinsichtlich der Abhängigkeitserkrankung sei vielmehr sogar Heilungsbewährung eingetreten, weshalb für die Alkoholabhängigkeit kein GdB mehr anzusetzen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Bevollmächtigten des Klägers am 22. April 2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 23. Mai 2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe sich zu Unrecht auf das Gutachten des Dr. H. gestützt, obwohl dieses nicht richtig erkennen lasse, woher der Sachverständige seine Erkenntnisse herleite. Dieser habe im Wesentlichen den bekannten Akteninhalt dargelegt; eine nennenswerte Untersuchung habe nicht stattgefunden. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung "seelische Störung, Abhängigkeitserkrankung" sei aus rechtlichen Gründen weiterhin von einem Teil-GdB von 40 auszugehen, da ein förmliches Herabsetzungsverfahren nicht stattgefunden habe. Ungeachtet dessen entspreche die behauptete Abstinenz und damit die unterstellte Heilungsbewährung aber auch nicht den Tatsachen, wie dem Schreiben des Dr. B. an seinen Bevollmächtigten vom 2. Juni 2008, das er vorgelegt hat, zu entnehmen sei; danach sei er im April einmal alkoholrückfällig geworden. Auch habe Dr. B. bestätigt, dass von einer Ausheilung der depressiven Störung nicht auszugehen sei. Die Verschlechterung von orthopädischer Seite ergebe sich im Übrigen aus der Auskunft des Dr. M. vom 23. März 2007, der über vier starke Schmerzschübe allein im Jahr 2006 berichtet habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 18. April 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 31. Juli 2006 und 21. November 2006 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2006 zu verurteilen, den GdB ab 28. Juni 2006 mit 80 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass die Abhängigkeitserkrankung nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit neu zu beurteilen sei und wegen deren Ausheilung nur noch die bestehende seelische Störung mit einem Teil-GdB von 30 bewertet werden könne. Insgesamt betrage der aktuelle Gesamt-GdB daher lediglich noch 60.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat das Gutachten des Orthopäden Dr. Z. vom 3. Februar 2009 erhoben. Dieser stufte die Wirbelsäulenschäden beim Kläger im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule jeweils höchstens als mittelgradig ein und bewertete diese mit einem GdB von 30. Die Beeinträchtigungen von Seiten der Hüft- und Kniegelenke sah er als geringgradig an und mit einem GdB von 10 angemessen bewertet. Für die bisher nicht gewürdigte Problematik des Vorfußes mit Versteifung im Großzehengelenk hielt er lediglich einen GdB von 0 bis 10 für angemessen, zumal sich die fehlende Abrollfähigkeit des Großzehengrundgelenks durch eine Schuhzurichtung bestens kompensieren lasse. Eine Änderung der bisherigen Einstufung sei weder hinsichtlich der Teil-GdB-Werte noch in Bezug auf den Gesamt-GdB gerechtfertigt. Eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit sah der Sachverständige nicht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge einschließlich der Akte des Verfahrens S 1 SB 705/04 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Bescheide des Beklagen vom 31. Juli 2006 und 21. November 2006, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte es abgelehnt hat, den GdB beim Kläger wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu erhöhen und nunmehr mit 80 festzustellen. Eine Verschlimmerung der Funktionsbeeinträchtigungen im Vergleich zu dem Zustand, wie er dem Bescheid vom 21. Dezember 2005 zugrunde gelegen hat und der es nunmehr rechtfertigen würde, den GdB mit dem höheren GdB von 80 zu bewerten, ist nicht eingetreten. Auch erfüllt der Kläger nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G".

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen der geltend gemachten Ansprüche dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass beim Kläger im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) keine Verschlimmerung von Funktionsbeeinträchtigungen eingetreten ist, die es rechtfertigen würde, den GdB nunmehr höher zu bewerten und auch keine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, die die Feststellung des Merkzeichens "G" erlauben würde. Der Senat schließt sich in jeder Hinsicht der Beurteilung des SG an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.

Soweit der Kläger sich im Berufungsverfahren gegen die Verwertbarkeit des vom SG erhobenen Gutachtens des Dr. H. mit der Begründung gewandt hat, dieser habe überwiegend die Aktenlage referiert und keine nennenswerte Untersuchung durchgeführt, weshalb seine Einschätzung "ziemlich im freien Raum" stehe, vermag der Senat diese Einwände nicht nachzuvollziehen. Dem Gutachten des Dr. H. sind vielmehr ausführliche anamnestische Angaben zu entnehmen, wobei sich neben der Familienanamnese Ausführungen zu früheren Erkrankungen des Klägers finden, und eine Suchtanamnese sowie wie eine biographische Anamnese erhoben wurde. Der Kläger wurde darüber hinaus zu seinem Tagesablauf befragt und hatte Gelegenheit, seine aktuellen Beschwerden darzulegen. Im Gutachten des Dr. H. ist darüber hinaus der von internistischer Seite erhobene Befund beschrieben, ferner ist die Darstellung eines ausführlichen neurologischen und psychiatrischen Befundes enthalten. An Zusatzuntersuchungen wurden ein EEG, ein Dopplersonogramm der hirnversorgenden Arterien sowie eine AEP durchgeführt, ferner eine EMG-Untersuchung mit Messung der Nervenleitgeschwindigkeit. Die Darstellung des Klägers, wonach eine eigentliche Untersuchung nicht stattgefunden habe, ist vor dem Hintergrund dessen in keiner Weise nachzuvollziehen.

Durch das vom Senat gemäß § 109 SGG erhobene Gutachten des Dr. Z. haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass im Sinne der Darstellung des Klägers eine Verschlimmerung seiner Beeinträchtigungen von orthopädischer Seite eingetreten ist, die nunmehr eine höhere Bewertung des entsprechenden Teil-GdB rechtfertigt. Dr. Z. hat vielmehr die Richtigkeit der bisherigen Bewertung ausdrücklich bestätigt und keinerlei Gründe für eine Anhebung der jeweiligen GdB-Werte gesehen. Vielmehr hat er ebenso wie zuvor schon der Beklagte die Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30 und die Funktionsbehinderungen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke mit Teil-GdB-Werten von jeweils 10 weiterhin für angemessen erachtet. Den Ausführungen des Dr. Z. kann bei genauer Betrachtung allenfalls entnommen werden, dass die Funktionsbehinderungen von Seiten der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30 eher zu großzügig als zu gering bewertet sind. Denn Dr. Z. sah die Wirbelsäulenschäden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule beim Kläger jeweils "höchstens" als mittelgradig an und verneinte es bei Anwendung der herangezogenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2008 (AHP) ausdrücklich, die vorliegenden Veränderungen und Störungen in zwei Etagen als "mittelgradig bis schwer" zu bezeichnen. Nur mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten rechtfertigen es aber nach den AHP bzw. den nunmehr anzuwendenden "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG), die als Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2412) zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten sind, den GdB insoweit mit 30 zu bemessen. Die von Beklagtenseite vorgenommene Einstufung für die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen erscheint daher nicht als zu gering, sondern eher als großzügig bemessen.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass eine Höherbewertung des GdB letztlich auch schon unter dem Gesichtspunkt scheitern würde, dass hinsichtlich der Abgängigkeitserkrankung zwischenzeitlich Heilungsbewährung mit der Folge eingetreten ist, dass sich insoweit die Bewertung mit einem GdB nicht mehr rechtfertigt und die seelische Störung lediglich noch isoliert in die Bewertung eingestellt werden kann. Hierauf hat der Beklagte im Berufungsverfahren zutreffend hingewiesen. Eines förmliches Herabsetzungsverfahren bedarf es für die Berücksichtigung dieser Besserung im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens nicht, da Teil-GdB-Werten keine Bindungswirkung zukommt. Eine Höherbewertung des GdB mit dem vom Kläger begehrten Wert von 80 wäre daher nur dann in Betracht gekommen, wenn mit der wegen Ablaufs der Heilungsbewährung eingetretenen Besserung der Abhängigkeitserkrankung gleichzeitig eine deutliche Verschlimmerung einer oder mehrerer anderer Funktionsbeeinträchtigungen einhergegangen wäre, die trotz der berücksichtigten Besserung gleichwohl zu einem zum Vergleichszeitpunkt wesentlich schlechteren Gesamtleidenszustand geführt hätten.

Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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