Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 5040/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2655/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.11.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Verletztenrente wegen Lärmschwerhörigkeit.
Der im Jahre 1948 geborene Kläger ist t Staatsangehöriger. Er war im Bundesgebiet von 1973 bis 1976 als Bauarbeiter, anschließend bis 1992 in der Karosseriemontage eines Auto-herstellers und nach rund zweieinhalbjähriger Arbeitslosigkeit schließlich von 1995 bis zum er-neuten Eintritt von Arbeitslosigkeit im Jahre 2005 als Fahrer eines Schwerlastkraftwagens bei einem Steinbruchbetrieb beschäftigt.
Auf eine im Juni 1996 bei der Beigeladenen erstattete ärztliche Anzeige erkannte die Beklagte mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 23.02.1998 eine beim Kläger vorliegende Innenohr-schwerhörigkeit beidseits als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrank-heitenverordnung (BKV) an. Unabhängig von der durch Lärm am Arbeitsplatz verursachten Hörstörung bestünden eine audiologisch abgrenzbare anlagebedingte Schwerhörigkeit links so-wie Ohrgeräusche links. Ein Anspruch auf Rente wegen der Berufskrankheit bestehe nicht, da der durch berufliche Lärmeinwirkung verursachte Anteil der Schwerhörigkeit keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bedinge.
Nachdem der den Kläger behandelnde Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. F. im Mai 2000 und im Januar 2004 gegenüber der Beigeladenen eine zunehmende Hörstörung nebst Tinnitus links angezeigt hatte, nahm die Beklagte erneut Ermittlungen auf. Mit Bescheid vom 26.11.2004 lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Wider-spruchsbescheid vom 20.07.2005 zurück. Eine relevante betriebliche Lärmbelastung habe nur bis zum Jahre 1992 bestanden. Für die ab dem Jahre 1995 ausgeübte Tätigkeit liege die Lärmein-wirkung unter dem erforderlichen Mindestschallpegel. Daher könne die seither eingetretene Hörverschlechterung nicht als lärmbedingt anerkannt werden.
Am 10.08.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten des Direktors der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren Klinik T. , Prof. Dr. Z. , eingeholt. Darin ist ausgeführt, beim Kläger liege eine beidseitige mittelgradige Perzeptionsschwerhörigkeit, links etwas ausgeprägter als rechts, vor. Der tonaudiometrische Hörverlust betrage 20% rechts und 35% links. Die aktuell ermittelten Hörschwellen seien besser als die früher angegebenen. Dies hänge mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer deutlichen Aggravationstendenz des Klägers zusammen. Darüber hinaus bestehe ein beidseitiger Tinnitus aurium. Die Schwerhörigkeit sei zumindest in dem Ausmaß, die auf dem rechten Ohr vorliege, als berufslärmbedingt anzuerkennen. Das die Schwerhörigkeit rechts über-schreitende Ausmaß der Schwerhörigkeit links sei nicht lärmbedingt, da eine seitengleiche Lärmbelastung vorgelegen habe und sich eine Lärmschwerhörigkeit stets seitengleich entwickle. Der beidseitige Tinnitus könne ebenfalls als berufslärmbedingt anerkannt werden. Der ton-audiometrische Hörverlust von jeweils 20% ergebe eine MdE um 0 v. H., der beidseitige Tin-nitus eine MdE um 5 v. H.
Mit Urteil vom 22.11.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es gestützt auf das eingeholte Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Z. ausgeführt, eine renten-berechtigende MdE um mindestens 20 v. H. liege nicht vor. Da von der Lärmschwerhörigkeit bekannt sei, dass sie sich als symmetrisches Bild zeige, könne der Berechnung der MdE nur der Hörverlust auf dem weniger stark belasteten Ohr zu Grunde gelegt werden. Hieraus ergebe sich unter integrierender Berücksichtigung der Ohrgeräusche eine MdE um 5 v. H. diese Entschei-dung ist dem Kläger am 07.05.2008 zugestellt worden.
Am 04.06.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, er sei bei seiner letzten Tätigkeit höheren und längeren Lärmbelastungen ausgesetzt gewesen als von Prof. Dr. Z. angenommen. Nicht berücksichtigt sei auch, dass er in der Regel mit offenem Fenster gearbeitet habe, wodurch sein linkes Ohr deutlich stärker belastet worden sei als das rechte. Darüber hinaus habe er im Rahmen der Untersuchung erhebliche Schwierigkeiten mit Nebengeräuschen und dem Druck der bei den Testungen verwandten Hörmuscheln auf seine Ohren gehabt. Der Gutachter bzw. die Hilfskraft hätten hierfür wenig Verständnis gezeigt und ihn durch wiederholte Ermahnungen zusätzlich irritiert und belastet. Beim behandelnden Arzt lägen die Messergebnisse deutlich schlechter.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.11.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlass der lärmbedingten Schwerhörigkeit als anerkannter Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV Rente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Stuttgart sowie die beigezogenen Verwal-tungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Rich-ter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Ver-handlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die angegriffenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, da ihm kein Anspruch auf Verletztenrente zusteht.
Rechtsgrundlage für die erstrebte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB VII). Dabei kann offen bleiben, ob der Versicherungsfall - hier die im Jahre 1996 angezeigte und von der Beklagten im Jahre 1998 anerkannte BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV - vor oder nach Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten ist. Zwar gilt das SGB VII nach seinem § 212 grundsätzlich nur für Versicherungsfälle nach seinem Inkrafttreten. Jedoch liegt hier ein Ausnahmefall i. S. des § 214 Abs. 3 SGB VII vor. Danach gelten u. a. die Vorschriften des SGB VII über Renten auch für vor dem Tag seines Inkrafttretens eingetretene Versicherungsfälle, wenn die Rentenleistungen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Für die Beantwortung der Frage, ob die Rentenleistungen erstmals vor oder nach Inkrafttreten des SGB VII festzusetzen waren, ist allein maßgeblich, wann die erste tatsäch-liche Entscheidung über diese Leistungen erfolgte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20.02.2001, B 2 U 1/00 R). Eine solche Entscheidung ist aber erst mit Bescheid vom 23.02.1998 und damit nach dem 31.12.1996 getroffen worden.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versiche-rungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamt-gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Ge-sundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juris-tischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Ar-beitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berück-sichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Ein-zelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtspre-chung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum heraus-gearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger, dem kein Stützrententatbestand i. S. des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zur Seite steht, keinen Anspruch auf Verletztenrente. Denn die Folgen seiner von der Beklagten bestandskräftig anerkannten Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV erreichen keine MdE um 20 v. H. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das die Schwerhörigkeit rechts überschreitende Ausmaß der Schwerhörigkeit links mit der erforderli-chen hinreichenden Wahrscheinlichkeit berufsbedingt ist.
Der Senat legt dabei den von Prof. Dr. Z. ermittelten tonaudiometrischen Hörverlust von 20% rechts und 35% links zu Grunde. Denn die genannten Werte sind jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers fehlerhaft.
Dies gilt insbesondere mit Blick auf sein Vorbringen, er habe im Rahmen der Untersuchung er-hebliche Schwierigkeiten mit Nebengeräuschen und dem Druck der bei den Testungen verwand-ten Hörmuscheln auf seine Ohren gehabt, auch hätten ihn der Gutachter bzw. die Hilfskraft durch wiederholte Ermahnungen zusätzlich irritiert und belastet. Dieser Sachvortrag deutet näm-lich - als wahr unterstellt - gerade nicht daraufhin, dass die tatsächlichen Hörwerte schlechter sind als die ermittelten. Vielmehr spricht die besagte Einlassung eher dafür, dass die Hörwerte des Klägers in Wahrheit, also ohne die besagten Belastungen und Irritationen, noch besser sind als von Prof. Dr. Z. erhoben.
Soweit der Kläger vorträgt, beim behandelnden Arzt lägen die Messergebnisse deutlich schlech-ter als im Rahmen der Untersuchung durch Prof. Dr. Z. , hat der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die Abweichungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine deutliche Aggravationstendenz des Klägers zurückzuführen sind.
Der danach der Beurteilung allenfalls zu Grunde zu legende Hörverlust von 20% rechts und 35% links ergibt in seiner Gesamtheit nach der auch vom Sachverständigen angewandten gutachterli-chen Tabelle nach Feldmann (abgedr. bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverord-nung, M 2301 S. 23) eine MdE um 10 v. H. Die angeführte Tabelle nach Feldmann ordnet einen Hörverlust von 20% auf dem rechten Ohr zum einen der Normalhörigkeit (Hörverlust 0-20%) und zum anderen der geringgradigen Schwerhörigkeit (Hörverlust 20-40%) zu. Angesichts die-ses grenzwertigen Hörverlusts rechts sieht die Tabelle bei einer - im Fall des Klägers mit einem Hörverlust von 35% auf dem linken Ohr bestehenden - geringgradigen Schwerhörigkeit (Hörver-lust 20-40%) eine "Grenz"MdE von 10 v. H. vor.
Auch aus dem von Prof. Dr. Z. als berufsbedingt angesehenen beidseitigen Tinnitus ergibt sich keine Rentenberechtigung des Klägers. Denn die genannten Ohrgeräusche sind angesichts des Umstandes, dass der Kläger diese im Rahmen der Anamnese selbst nicht spontan als großes Problem angegeben hat (vgl. hierzu das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Z. ) mit einer MdE um 5 v. H. zutreffend bewertet (vgl. auch hierzu das genannte Sachverständigengutachten). Selbst bei Addition dieser durch den Tinnitus hervorgerufenen MdE zu der MdE um 10 v. H. für den Hörverlust ergibt sich keine Gesamt-MdE um 20 v. H.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Verletztenrente wegen Lärmschwerhörigkeit.
Der im Jahre 1948 geborene Kläger ist t Staatsangehöriger. Er war im Bundesgebiet von 1973 bis 1976 als Bauarbeiter, anschließend bis 1992 in der Karosseriemontage eines Auto-herstellers und nach rund zweieinhalbjähriger Arbeitslosigkeit schließlich von 1995 bis zum er-neuten Eintritt von Arbeitslosigkeit im Jahre 2005 als Fahrer eines Schwerlastkraftwagens bei einem Steinbruchbetrieb beschäftigt.
Auf eine im Juni 1996 bei der Beigeladenen erstattete ärztliche Anzeige erkannte die Beklagte mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 23.02.1998 eine beim Kläger vorliegende Innenohr-schwerhörigkeit beidseits als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrank-heitenverordnung (BKV) an. Unabhängig von der durch Lärm am Arbeitsplatz verursachten Hörstörung bestünden eine audiologisch abgrenzbare anlagebedingte Schwerhörigkeit links so-wie Ohrgeräusche links. Ein Anspruch auf Rente wegen der Berufskrankheit bestehe nicht, da der durch berufliche Lärmeinwirkung verursachte Anteil der Schwerhörigkeit keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bedinge.
Nachdem der den Kläger behandelnde Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. F. im Mai 2000 und im Januar 2004 gegenüber der Beigeladenen eine zunehmende Hörstörung nebst Tinnitus links angezeigt hatte, nahm die Beklagte erneut Ermittlungen auf. Mit Bescheid vom 26.11.2004 lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Wider-spruchsbescheid vom 20.07.2005 zurück. Eine relevante betriebliche Lärmbelastung habe nur bis zum Jahre 1992 bestanden. Für die ab dem Jahre 1995 ausgeübte Tätigkeit liege die Lärmein-wirkung unter dem erforderlichen Mindestschallpegel. Daher könne die seither eingetretene Hörverschlechterung nicht als lärmbedingt anerkannt werden.
Am 10.08.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten des Direktors der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren Klinik T. , Prof. Dr. Z. , eingeholt. Darin ist ausgeführt, beim Kläger liege eine beidseitige mittelgradige Perzeptionsschwerhörigkeit, links etwas ausgeprägter als rechts, vor. Der tonaudiometrische Hörverlust betrage 20% rechts und 35% links. Die aktuell ermittelten Hörschwellen seien besser als die früher angegebenen. Dies hänge mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer deutlichen Aggravationstendenz des Klägers zusammen. Darüber hinaus bestehe ein beidseitiger Tinnitus aurium. Die Schwerhörigkeit sei zumindest in dem Ausmaß, die auf dem rechten Ohr vorliege, als berufslärmbedingt anzuerkennen. Das die Schwerhörigkeit rechts über-schreitende Ausmaß der Schwerhörigkeit links sei nicht lärmbedingt, da eine seitengleiche Lärmbelastung vorgelegen habe und sich eine Lärmschwerhörigkeit stets seitengleich entwickle. Der beidseitige Tinnitus könne ebenfalls als berufslärmbedingt anerkannt werden. Der ton-audiometrische Hörverlust von jeweils 20% ergebe eine MdE um 0 v. H., der beidseitige Tin-nitus eine MdE um 5 v. H.
Mit Urteil vom 22.11.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es gestützt auf das eingeholte Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Z. ausgeführt, eine renten-berechtigende MdE um mindestens 20 v. H. liege nicht vor. Da von der Lärmschwerhörigkeit bekannt sei, dass sie sich als symmetrisches Bild zeige, könne der Berechnung der MdE nur der Hörverlust auf dem weniger stark belasteten Ohr zu Grunde gelegt werden. Hieraus ergebe sich unter integrierender Berücksichtigung der Ohrgeräusche eine MdE um 5 v. H. diese Entschei-dung ist dem Kläger am 07.05.2008 zugestellt worden.
Am 04.06.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, er sei bei seiner letzten Tätigkeit höheren und längeren Lärmbelastungen ausgesetzt gewesen als von Prof. Dr. Z. angenommen. Nicht berücksichtigt sei auch, dass er in der Regel mit offenem Fenster gearbeitet habe, wodurch sein linkes Ohr deutlich stärker belastet worden sei als das rechte. Darüber hinaus habe er im Rahmen der Untersuchung erhebliche Schwierigkeiten mit Nebengeräuschen und dem Druck der bei den Testungen verwandten Hörmuscheln auf seine Ohren gehabt. Der Gutachter bzw. die Hilfskraft hätten hierfür wenig Verständnis gezeigt und ihn durch wiederholte Ermahnungen zusätzlich irritiert und belastet. Beim behandelnden Arzt lägen die Messergebnisse deutlich schlechter.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.11.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlass der lärmbedingten Schwerhörigkeit als anerkannter Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV Rente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Stuttgart sowie die beigezogenen Verwal-tungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Rich-ter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Ver-handlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die angegriffenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, da ihm kein Anspruch auf Verletztenrente zusteht.
Rechtsgrundlage für die erstrebte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB VII). Dabei kann offen bleiben, ob der Versicherungsfall - hier die im Jahre 1996 angezeigte und von der Beklagten im Jahre 1998 anerkannte BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV - vor oder nach Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten ist. Zwar gilt das SGB VII nach seinem § 212 grundsätzlich nur für Versicherungsfälle nach seinem Inkrafttreten. Jedoch liegt hier ein Ausnahmefall i. S. des § 214 Abs. 3 SGB VII vor. Danach gelten u. a. die Vorschriften des SGB VII über Renten auch für vor dem Tag seines Inkrafttretens eingetretene Versicherungsfälle, wenn die Rentenleistungen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Für die Beantwortung der Frage, ob die Rentenleistungen erstmals vor oder nach Inkrafttreten des SGB VII festzusetzen waren, ist allein maßgeblich, wann die erste tatsäch-liche Entscheidung über diese Leistungen erfolgte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20.02.2001, B 2 U 1/00 R). Eine solche Entscheidung ist aber erst mit Bescheid vom 23.02.1998 und damit nach dem 31.12.1996 getroffen worden.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versiche-rungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamt-gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Ge-sundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juris-tischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Ar-beitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berück-sichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Ein-zelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtspre-chung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum heraus-gearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger, dem kein Stützrententatbestand i. S. des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zur Seite steht, keinen Anspruch auf Verletztenrente. Denn die Folgen seiner von der Beklagten bestandskräftig anerkannten Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV erreichen keine MdE um 20 v. H. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das die Schwerhörigkeit rechts überschreitende Ausmaß der Schwerhörigkeit links mit der erforderli-chen hinreichenden Wahrscheinlichkeit berufsbedingt ist.
Der Senat legt dabei den von Prof. Dr. Z. ermittelten tonaudiometrischen Hörverlust von 20% rechts und 35% links zu Grunde. Denn die genannten Werte sind jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers fehlerhaft.
Dies gilt insbesondere mit Blick auf sein Vorbringen, er habe im Rahmen der Untersuchung er-hebliche Schwierigkeiten mit Nebengeräuschen und dem Druck der bei den Testungen verwand-ten Hörmuscheln auf seine Ohren gehabt, auch hätten ihn der Gutachter bzw. die Hilfskraft durch wiederholte Ermahnungen zusätzlich irritiert und belastet. Dieser Sachvortrag deutet näm-lich - als wahr unterstellt - gerade nicht daraufhin, dass die tatsächlichen Hörwerte schlechter sind als die ermittelten. Vielmehr spricht die besagte Einlassung eher dafür, dass die Hörwerte des Klägers in Wahrheit, also ohne die besagten Belastungen und Irritationen, noch besser sind als von Prof. Dr. Z. erhoben.
Soweit der Kläger vorträgt, beim behandelnden Arzt lägen die Messergebnisse deutlich schlech-ter als im Rahmen der Untersuchung durch Prof. Dr. Z. , hat der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die Abweichungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine deutliche Aggravationstendenz des Klägers zurückzuführen sind.
Der danach der Beurteilung allenfalls zu Grunde zu legende Hörverlust von 20% rechts und 35% links ergibt in seiner Gesamtheit nach der auch vom Sachverständigen angewandten gutachterli-chen Tabelle nach Feldmann (abgedr. bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverord-nung, M 2301 S. 23) eine MdE um 10 v. H. Die angeführte Tabelle nach Feldmann ordnet einen Hörverlust von 20% auf dem rechten Ohr zum einen der Normalhörigkeit (Hörverlust 0-20%) und zum anderen der geringgradigen Schwerhörigkeit (Hörverlust 20-40%) zu. Angesichts die-ses grenzwertigen Hörverlusts rechts sieht die Tabelle bei einer - im Fall des Klägers mit einem Hörverlust von 35% auf dem linken Ohr bestehenden - geringgradigen Schwerhörigkeit (Hörver-lust 20-40%) eine "Grenz"MdE von 10 v. H. vor.
Auch aus dem von Prof. Dr. Z. als berufsbedingt angesehenen beidseitigen Tinnitus ergibt sich keine Rentenberechtigung des Klägers. Denn die genannten Ohrgeräusche sind angesichts des Umstandes, dass der Kläger diese im Rahmen der Anamnese selbst nicht spontan als großes Problem angegeben hat (vgl. hierzu das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Z. ) mit einer MdE um 5 v. H. zutreffend bewertet (vgl. auch hierzu das genannte Sachverständigengutachten). Selbst bei Addition dieser durch den Tinnitus hervorgerufenen MdE zu der MdE um 10 v. H. für den Hörverlust ergibt sich keine Gesamt-MdE um 20 v. H.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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