L 6 U 4886/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2019/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4886/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06.10.2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 1101, 1104 und/oder 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) oder um die Anerkennung der Erkrankungen des Klägers wie eine BK gemäß § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII).

Der 1956 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1972 bis 28.02.1976 eine Lehre als Gas-Wasser-Installateur bei der Firma O. Sch. GmbH in R. und war dort noch bis 15.06.1976 als Geselle beschäftigt. Vom 08.08.1977 bis 10.08.1979 war er bei der B. A. GmbH in R. (im folgenden: B. GmbH), die Autobatterien herstellte, als Maschinenführer beschäftigt. Von Juni 1982 bis April 1985 war er als Lagerist im Hochregallager und von Mai 1985 bis November 1992 als Werkstattschreiber bei der damaligen Firma R. T. tätig. Zuletzt war vom 01.12.1992 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 16.03.1998 bei den Verkehrsbetrieben K. GmbH (VBK) als Straßenbahnfahrer beschäftigt.

Am 12.02.1999 zeigten der Nervenarzt Dr. B. und die K. Krankenkasse, am 08.07.1999 auch die VBK der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer BK an. Dr. B. führte im beigefügten Arztbrief vom 20.01.1999 aus, der Kläger leide unter einer Polyneuropathie, schweren Myopathie, Ataxie und Leistungsminderung sowie Wesensänderung, insbesondere Verlangsamung und Antriebsschwäche nach langjähriger toxischer Exposition und unter einer extremen Überempfindlichkeit. Ohne Frage sei der Beruf des Sch.s sehr hoch belastet und führe schnell zu toxischen Schäden. Es sei aber auch möglich, dass der Kläger schon als Kind durch die Pestizide in der Umgebung die ersten Schäden erlitten habe. Er legte den Bericht über die testpsychologische Untersuchung vom 18.01.1999 durch den Dipl.-Psych. K. bei. In ihrer gemeinsamen zusammenfassenden Beurteilung führten Dr. B. und Dipl.-Psych. K. aus, insgesamt sei mit Hilfe der verwendeten testpsychologischen Verfahren eine kognitive Leistungsminderung nachweisbar. Darüber hinaus habe ein Hinweis auf eine zerebrale Schädigung objektiviert werden können. Der Kläger habe im Verlauf seiner Untersuchung eine deutlich reduzierte Belastbarkeit gezeigt. Aufgrund der Chemikalienunverträglichkeit müsse von deutlichen Leistungsschwankungen in unterschiedlichen Situationen ausgegangen werden. In einem Fragebogen der Beklagten gab der Kläger an, er sei bei der Sch. GmbH Gasen, Lötmaterialien, Säuren, Ölen und Fetten ausgesetzt gewesen, bei seiner Beschäftigung bei der B. GmbH Säuren, Bleidämpfen, Abgasen von Staplern in der Halle, Laugen, flüssigem Kunststoff und Kunststoffdämpfen, während seiner Tätigkeit bei der Firma R. T. der Einwirkung von Ölen, Abgasen von Staplern, die in den Hallen gefahren seien, in denen sich auch das Büro befunden habe; außerdem sei das Büro mit übel riechenden Farben saniert worden. Als Straßenbahnfahrer sei er Abgasen in der Fahrerkabine sowie stark übelriechenden Materialien ausgesetzt gewesen. Die Beklagte zog von der AOK Baden-Württemberg den Leistungskartenauszug vom 23.06.1999 und von der K. Krankenkasse den Auszug vom 30.06.1999 bei, aus dem sich ergibt, dass der Kläger vom 18. bis 23.10.1993, 15. bis 29.05.1995 und 03. bis 23.12.1996 jeweils wegen eines psycho-physischen Erschöpfungszustands und ab 16.03.1998 u.a. wegen eines schweren psychovegetativen Erschöpfungszustandes bei chronischer Überforderung krankgeschrieben war. Die V. Betriebskrankenkasse teilte der Beklagten am 16.06.1999 mit, dass dort keine Mitgliedschaft auf Grund der Beschäftigung bei der B. GmbH mehr feststellbar sei. Die Beklagte holte von den Ärzten für Allgemeinmedizin Dr. Sch. und K. Befundberichte jeweils vom 22.07.1999 ein. Dr. Sch. teilte mit, er habe keine sicheren Befunde aus den beruflichen Bereichen. Arzt für Allgemeinmedizin K. stellte u. a. die Diagnosen einer depressiven Störung mit endogener und reaktiver Komponente, eines Überforderungssyndroms und eines psychovegetativen Erschöpfungssyndroms. Diese Diagnosen waren dem beigefügten Arztbrief des Arztes für Psychiatrie und Neurologie D. vom 09.04.1998 entnommen. Ferner waren u.a. beigefügt das Attest Dr. Sch. vom 06.11.1998, in dem dem Kläger eine gefährliche Chemikalien-Intoleranz bescheinigt wurde und dessen "Ärztliches Kurzgutachten" vom 31.03.1999 (Diagnose: chronisch-hypoxische und toxische Enzephalopathie sowie Chemikalien-Intoleranz). Von der Brunnen-Klinik H. M. zog die Beklagte den Entlassungsbericht vom 19.03.1991 über das Heilverfahren vom 10.01. bis 07.03.1991 bei (Diagnose: anankastisch gefärbte neurotische Depression, funktionelle Beschwerden [Schwindel, Kopfschmerz, Herzsymptome]). Darin ist ausgeführt, der Kläger führe seine körperlichen Beschwerden auch auf beruflichen Stress zurück, der durch die Umstellung seines Arbeitsbereichs auf Bildschirmtätigkeit bedingt sei. Dr. B. vom Ärztlichen Dienst der Stadt K. berichtete der Beklagten unter dem 03.11.1999, die Einstellungsuntersuchung vom 15.10.1992 habe keine auffälligen Befunde erbracht. Auch bei der Vorsorgeuntersuchung am 16.11.1995 sei die Klinik bis auf eine handtellergroße Rötung der Haut auf der Stirn weitgehend unauffällig gewesen, sodass keine Bedenken gegen eine Fahrtätigkeit bestanden hätten. Erst bei der Untersuchung vom 10.12.1998 habe der Kläger vielfache Beschwerden wie Kopfschmerzen, Erschöpfungszustand, Schläfrigkeit, Übelkeit mit Brechreiz, Gesichtsrötung und Juckreiz der Haut angegeben, die sich beim Betreten von fremden Räumen verstärkten. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. gab in seinem Bericht vom 18.12.1999 an, der Kläger habe sich bei ihm erstmals am 07.12.1982 vorgestellt. Am 06.10.1989 habe eine Erschöpfungsdepression vorgelegen, am 06.07.1990 Kraftlosigkeit und Leistungsschwäche, am 20.12.1990 ebenfalls Kraftlosigkeit, am 18.10.1993 ein Überforderungssyndrom und ein psycho-physischer Erschöpfungszustand, am 15.05.1995 Glieder- und Kopfschmerzen hochfrontal und am 03.12.1996 ein Erschöpfungszustand mit Rückenschmerzen. Die Beklagte zog ferner die Akten der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden bei. Darin befinden sich das Gutachten des Dr. K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 01.12.1998, das aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 23.06.1999 erstattete Gutachten des Psychiaters und Sozialmediziners L. sowie die Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 04.10.1999, des Orthopäden Dr. S. vom 29.10.1999 und des Internisten und Sozialmediziners PD Dr. v. M. vom 12.11.1999. Der Psychiater L. stellte die Diagnosen einer Dysthymie mit neurasthenischen und somatoformen Tendenzen, einer Nosophobie mit Ausdünstungs- und Vergiftungsängsten/-phobie und äußerte den Verdacht auf eine "MCS". Dr. B. beschrieb in seinem Gutachten ein schweres, bereits völlig fixiertes und chronifiziertes neurotisches Versagenssyndrom mit zunehmend generalisierender phobischer, Zwangs- und Konversions-Symptomatik. Der neurologische Befund ergebe keine Hinweise für richtungweisende organneurologische Auffälligkeiten, der psychische Befund keine Hinweise für eine hirnorganische Beeinträchtigung.

Dipl.-Ing. F. vom TAD der Beklagten führte mit Schreiben vom 27.08.1999 aus, dem TAD lägen keine Erkenntnisse vor, dass Straßenbahnfahrer toxischen Schadstoffeinwirkungen in einem höheren Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt seien. Mit Schreiben vom 10.12.1999 führte er aus, im April 1999 habe der TAD Schadstoffmessungen am Arbeitsplatz eines Omnibusfahrers in einem Verkehrsunternehmen einer südwestdeutschen Großstadt während des laufenden Fahrbetriebes über eine Schichtlänge durchgeführt. Diese Messungen hätten ergeben, dass die krebserzeugenden Stoffe Benzo(a)pyren, Benzol und Asbestfasern am Arbeitsplatz des Busfahrers nicht gefunden worden seien. Die gemessenen Konzentrationen an Dieselmotoremissionen hätten weniger als ein Zehntel des Luftgrenzwertes betragen. Diese Konzentration liege in der Größenordnung der allgemeinen Umweltbelastung im innerstädtischen Bereich. Messungen in Werkstatt- und Abstellhallen von Omnibussen hätten ergeben, dass die CO-Werte in der Spitze weit unter dem zulässigen Grenzwert von 30 ppm gelegen hätten. Da die Expositionssituation am Arbeitsplatz eines Straßenbahnfahrers dem eines Busfahrers entspreche, sei der geschilderte Befund auch für die Exposition des Klägers an seinem Arbeitsplatz als Straßenbahnfahrer zutreffend. Diese Tätigkeit sei somit nicht gefährdend.

Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der für die Sch. GmbH zuständigen früheren S. Bau-Berufsgenossenschaft gab im Bericht vom 19.10.1999 an, der Kläger sei nicht bereit gewesen, den TAD zu einem Ermittlungsgespräch zu empfangen. Man habe lediglich ein Telefongespräch führen können. Der Kläger sei bei der Sch. GmbH zu ca. 50 % als Blechnereiarbeiter und ca. 50 % als Sanitärinstallationsarbeiter beschäftigt gewesen. Er habe keine Heizungsinstallationsarbeiten durchgeführt. Im Bereich Baublechnerarbeiten habe er Blechdächer, Dachrinnen, Fallrohre und Kaminverkleidungen hergestellt. Man habe mit dem Unternehmer O. Sch. junior ein Ermittlungsgespräch geführt. Der TAD ermittelte die genauen Schadstoffprodukte unter Beiziehung der Sicherheitsdatenblätter der chemischen Stoffe. Hiernach hatte der Kläger Kontakt zu Lötwasser Z-04-S, Zinkchlorid, Kupferoxid, Ammoniumchlorid, Kolophonium, Salzsäure, Monoethylen, Glycol, Chlorwasserstoff, Hartlötflussmittel Degussapaste, Kaliumhydroxofluoroborat, Fluorwasserstoff, Dichtungspaste aus Ölgemischen und Füllstoffen, Formaldehyd, Zinnverbindungen, Bleiverbindungen und Fluoriden gehabt.

Der TAD der für die frühere Firm R. T. zuständig gewesenen früheren S. Metallberufsgenossenschaft (SMBG) teilte mit Schreiben vom 28.10.1999 mit, der Kläger sei von Juni 1982 bis April 1985 als Lagerist im Hochregallager und von Mai 1985 bis November 1992 als Werkstattschreiber bei der damaligen Firma R. T. tätig gewesen. Weder im Hochregallager noch in den Büroräumen, die sich im Inneren der Halle B (Stanz- und Presswerk) befunden hätten, hätten sich Hinweise für eine relevante Exposition ergeben. Der Büroraum in Halle B sei über die normale Hallenluft belüftet worden. Da aber in dieser Halle weder entfettet noch lackiert worden sei, könne dort keine merkliche Lösemittelexposition vorgelegen haben. In den Büroräumen seien allseitig kunststoffbeschichtete Möbel mit Spanplattenkern gewesen, die wegen der Kunststoffbeschichtung kaum Formaldehyd freigesetzt hätten. Der Fußboden des Büroraums sei aus PVC-Belag gewesen, nicht aus Teppichboden. Eine Naturholzdecke, ggf. mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln, sei ebenfalls nicht vorhanden gewesen. Die Wandfarben auf der Basis von Dispersionsfarben hätten ebenfalls zu keiner relevanten Exposition geführt. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Polyneuropathie entsprechend der BK Nr. 1317 seien deshalb nicht gegeben. Hinweise für eine andere BK nach den Nrn. 1301 ff. der Anlage zur BKV hätten sich ebenfalls nicht ergeben.

Die Präventionsabteilung der für die frühere B. GmbH zuständig gewesenen Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BGFE) teilte der Beklagten mit Schreiben vom 12.04. und 30.06.2000 mit, der Unternehmensteil, in dem der Kläger tätig gewesen sei, sei nicht mehr existent. Die B. GmbH sei liquidiert worden. Über den Verbleib von für die Arbeitssicherheit relevanten Akten sei nichts bekannt. Laut Angabe der Nachfolgefirma VB Autobatterie sei der Kläger vom 08.08.1977 bis 10.08.1979 bei der B. GmbH als Maschinenführer in der "PP-Fertigung" tätig gewesen. In der PP-Fertigung der Betriebsstätte in R. seien damals Kunststoffkästen für Autobatterien aus Polypropylen im Spritzguss hergestellt worden.

Der Kläger trug bezüglich seiner Tätigkeit als Straßenbahnfahrer vor, die Stellungnahme des TAD sei unzutreffend. Er habe als Straßenbahnfahrer Kontakt zu Pyrolyseprodukten und unverbrannten Kohlenwasserstoffen, Benzol, Aldehyden und zu den Pyrolyseprodukten gehörendem CO gehabt. Durch das häufige Anhalten seien erhebliche Mengen der genannten Schadstoffe in den Bereich eingedrungen, in dem sich der Straßenbahnfahrer befinde. Wesentlicher sei allerdings, dass er zuvor von 1985 bis 1992 in einem Büroraum gearbeitet habe, der sich im Inneren einer Fertigungshalle befunden habe und der über die normale Hallenluft belüftet worden sei. Es sei unwahrscheinlich, dass in dieser Halle in einem Stanz- und Presswerk absolut trocken gearbeitet worden sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die toxisch verursachte Encephalopathie sich sichtbar und damit klinisch feststellbar zuerst mit roten Hautflecken bzw. Rötungen zeige, die im Bereich der Hände und nicht selten auch im Kopfbereich aufträten.

Hierauf erwiderte der TAD der SMBG unter dem 04.01.2000, die Stellungnahme vom 28.10.1999 basiere auf Ermittlungen vor Ort bei der Firma M., welche den Betrieb der früheren Firma R. T. fortführe, und auf den Angaben der Sicherheitsfachkraft, des Betriebssanitäters und des Betriebsrates. In dem Stanz- und Presswerk seien überwiegend Teile für Endschalldämpfer gestanzt und geformt, jedoch nicht entfettet oder lackiert worden.

Betreffend seinen Arbeitsplatz bei der B. GmbH übersandte der Kläger mit Schreiben vom 29.08.2000 einen ausführlichen handschriftlichen Bericht mit einer Skizze.

Die Beklagte holte sodann von dem Facharzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. B. vom Ordinariat für Arbeitsmedizin der Universität H. das nach Aktenlage erstattete arbeitsmedizinisch-internistische Gutachten vom 25.10.2000 ein. Dieser führte aus, für die Lehr- und Gesellenzeit als Installateur ergäben sich bei dem Kläger u. a. inhalative Belastungen mit Löt- und Schweißrauchen, desgleichen habe eine Exposition gegenüber den in Loten enthaltenen Metallen wie Blei und vermutlich Cadmium bestanden. Eine Cadmiumexposition sei bei Hartlötern, insbesondere beim Löten von Kupferrohren beschrieben worden. Ab 1977 sei der Kläger entsprechend dem bisher unwidersprochen gebliebenen Schreiben des TAD des Unfallversicherungsträgers vom 28.08.2000 bei der Akkumulatorenherstellung inhalativ gegenüber Reizstoffen wie Pyrolyseprodukten, vor allem aber gegenüber Bleidämpfen exponiert gewesen. Zu erhöhten Bleiaufnahmen könne es bei dem Kläger vor allem beim Bleischmelzen gekommen sein. Über die Höhe der bis 1979 andauernden Schadstoffbelastung seien jedoch keine Ermittlungsergebnisse aktenkundig, insbesondere lägen keine Schadstoffmessergebnisse aus der Akkumulatorenfabrik vor. Nach 1979 habe bei dem Kläger keine arbeitsmedizinisch relevante Schadstoffbelastung mehr vorgelegen, weder als Lagerist, noch als Werkstattschreiber oder Straßenbahnfahrer. Erst Ende der 80er Jahre, also ca. 10 Jahre nach dem Ende der maßgeblichen Schadstoffbelastung, sei bei dem Kläger eine dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zuzuordnende Erkrankung diagnostiziert worden. Ausweislich der von Dr. B. erhobenen Anamnese und der Angaben des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. B. sei nämlich erstmals 1989 eine Erschöpfungsdepression, später auch ein Überforderungssyndrom und ein psychischer Erschöpfungszustand diagnostiziert worden. Auch die später mehrfach durchgeführten fachärztlichen Untersuchungen hätten weitgehend vergleichbare Diagnosen im Sinne einer reaktiven, neurotisch geprägten psychischen Funktionsstörung ergeben. Hinweise für organisch bedingte, neurologische oder psychiatrische Veränderungen im Sinne einer Polyneuropathie oder eines hirnorganischen Psychosyndroms seien dagegen nicht erhoben worden. Im Gegensatz hierzu stehe die von Dr. B. diagnostizierte neurologisch-psychiatrische Vielfacherkrankung mit einer Polyneuropathie, schweren Myopathie, schweren Ataxie, schweren Leistungsminderung und Wesensänderung. Die Schadstoffbelastung, die bis 1979 vorgelegen habe, könne jedoch für den von Dr. B. angenommenen Erkrankungskomplex nicht verantwortlich gemacht werden. Blei bzw. anorganische Bleiverbindungen führten bei akuten Intoxikationen charakteristischerweise zu heftigen Abdominalkoliken, häufig verbunden mit quälender Verstopfung. Ein für die akute wie für die chronische Bleivergiftung nahezu obligates Symptom sei die Anämie. Wesentlich seltener träten bei Blei neurotoxische Veränderungen wie periphere Nervenfunktionsstörungen oder eine Bleienzephalopathie auf. Periphere oder zentrale Nervenfunktionsstörungen träten spätestens mit einer maximalen Latenz von einem Jahr nach Beendigung der maßgeblichen Exposition auf. Bei dem Kläger ergäben sich jedoch aus den aktenkundigen Anamnesen weder Hinweise für bleitypische Abdominalkoliken oder eine bis 1979 persistierende Anämie noch für eine bis längstens 1980 aufgetretene periphere oder organisch bedingte zentralnervöse Funktionsstörung. Damit bestehe keine haftungsausfüllende Kausalität für eine Bleiintoxikation entsprechend der BK Nr. 1101 der Anlage zur BKV. Desgleichen ergäben sich nach den Aktenunterlagen keine Hinweise für eine chronische Cadmiumintoxikation. Bei den Erkrankten fänden sich tubuläre Nephropathien mit Proteinurie. Nervenfunktionsstörungen, wie sie bei dem Kläger diskutiert würden, gehörten dagegen nicht zu den durch Cadmium typischerweise ausgelösten Erkrankungen. Ebenso wenig seien Expositionen gegenüber Reizstoffen wie Pyrolysegasen, denen gegenüber der Kläger ebenfalls längstens bis 1979 ausgesetzt gewesen sei, geeignet, Nervenfunktionsstörungen zu verursachen. Dagegen könnten Nervenfunktionsstörungen wie Polyneuropathien oder Enzephalopathien durch Lösungsmittel ausgelöst werden. Hierfür sei jedoch eine langjährige und ganz erhebliche Lösungsmittelbelastung zu fordern, die bei dem Kläger mit Sicherheit nicht bestanden habe. Selbst bei einer unterstellten relevanten Lösungsmittelexposition sei die haftungsausfüllende Kausalität hinsichtlich einer BK nach der Nr. 1317 der Anlage zur BKV bei dem Kläger nicht wahrscheinlich. Dagegen spreche insbesondere das von Dr. B. für den Rentenversicherungsträger erstellte neurologisch-psychiatrische Fachgutachten. Schließlich komme ein MCS-Syndrom nicht für eine Anerkennung als BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII in Betracht.

In ihrer Stellungnahme vom 26.11.2001 kam die Staatliche Gewerbeärztin Dr. E. zu dem Ergebnis, eine BK, insbesondere nach den Nrn. 1101, 1104 oder 1317 der Anlage zur BKV, könne nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werden.

Mit Bescheid vom 19.12.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 1101, 1104 und 1317 der Anlage zur BKV sowie die Anerkennung einer Erkrankung wie eine BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Da die Erkrankung des Klägers nicht das medizinische Bild einer BK erfülle, komme es nicht darauf an, die arbeitstechnischen Voraussetzungen bis ins letzte Detail zu klären. Neue Erkenntnisse zu dem MCS-Syndrom lägen seit der letzten Ergänzung der BK-Liste nicht vor. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 31.05.2002 zurück. Der Kläger sei bei keiner seiner versicherten Tätigkeiten in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der BKV genannten Krankheit ausgesetzt gewesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Beim Kläger liege insbesondere keine Erkrankung durch Blei und seine Verbindungen oder durch Cadmium vor. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Polyneuropathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische habe auch Prof. Dr. B. nicht festgestellt.

Der Kläger erhob hiergegen am 17.06.2002 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er trug zur Begründung vor, die Beklagte habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt, ebenso die drei weiteren Berufsgenossenschaften, die mit seinem Erkrankungsfall befasst gewesen seien. Spätestens nach Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. B. vom 25.10.2000 sei die Beklagte verpflichtet gewesen, zumindest schwerpunktmäßig bezüglich der Listenstoffe Blei, Pyrolyseprodukte, Kohlenmonoxid sowie Lösungsmittel weitere Ermittlungen einzuleiten. Er habe in einem stark bleiemittierenden Betrieb gearbeitet und es sei notwendig gewesen, zu seinen umfangreichen Hart- und Weichlötarbeiten den Sachverhalt zu ermitteln. Prof. Dr. B. sei in seinem Gutachten davon ausgegangen, dass er, der Kläger, erheblich gegenüber dem extrem neurotoxischen Schwermetall Blei exponiert gewesen sei. Die Beklagte habe bezüglich der Bleiexposition lediglich mitgeteilt, der Betrieb existiere nicht mehr, sei abgerissen worden und frühere Mitarbeiter hätten nicht ausfindig gemacht werden können. Die B. GmbH in R. sei aber kein Hinterhofbetrieb gewesen, sondern ein bekannter Batteriehersteller, der mehrere hundert Mitarbeiter beschäftigt habe. Auch die von der Beklagten nicht bestrittene Tatsache, dass der Betrieb der B. GmbH wegen katastrophaler Produktionsbedingungen, die selbst die Umgebungsluft des Betriebes stark mit Blei belastet hätte, geschlossen und abgerissen worden sei, hätte der weiteren Aufklärung bedurft. Prof. Dr. B. hätte auch auf die Inhaltsstoffe der Pyrolysegase eingehen müssen. In Verbrennungsprodukten befinde sich unter anderem das ausgesprochen neurotoxische und in starkem Maße eine Encephalopathie verursachende Kohlenmonoxid. Gleiches gelte für die Feststellungen betreffend seine Belastung mit organischen Lösemitteln. Bezüglich der Tatsache, dass an seinen früheren Arbeitsplätzen keine Schadstoffmessungen durchgeführt worden seien, verwies der Kläger auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 22.01.1992 - L 2 U 836/91, in welchem das LSG eine Beweiserleichterung für den Fall angenommen habe, dass Schadstoffmessungen am Arbeitsplatz nicht durchgeführt worden seien.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 06.10.2003 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich wesentlich auf die Gutachten von Prof. Dr. B. und Dr. B ... Hinsichtlich des geltend gemachten MCS-Syndroms lägen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII nicht vor.

Mit seiner am 23.10.2003 bei dem LSG eingegangenen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Zur Begründung trägt er vor, das SG habe medizinische Befunde geprüft, ohne die tatsächlichen Expositionsverhältnisse bezüglich der fraglichen Listenstoffe und selbstverständlich auch bezogen auf sein gesamtes Arbeitsleben umfassend und richtig ermittelt zu haben. Ein solches Vorgehen sei unzulässig. Insbesondere die Expositionsverhältnisse an seinem Arbeitsplatz in der Batterieherstellung der B. GmbH sei auch nicht ansatzweise überprüft worden. Davon abgesehen verkenne das SG, dass für die Listenstoffe Blei und Cadmium nicht nur die im Gutachten von Prof. Dr. B. kurz angesprochenen Symptome beweisend seien. Im Übrigen seien die Feststellungen, die ein Gutachter im Auftrag eines Rentenversicherungsträgers getroffen habe, nicht geeignet, die hier entscheidenden arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Zusammenhangsfragen abschließend zu beurteilen. Auch die Ausführungen des SG zur MCS-Erkrankung seien nicht überzeugend. Abgesehen davon, dass Dr. B. bei ihm nie eine MCS-Erkrankung als BK festgestellt habe, sei diese Frage für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung. Hierbei spiele keine Rolle, dass einige in diesem Zusammenhang geschilderte Symptome den Krankheitssymptomen entsprächen, die bei ihm vorlägen und die als Folge der Exposition gegenüber den hier strittigen Listenstoffen zu werten seien. Weitere Beweiserhebung von Amts wegen bezüglich der einzelnen Arbeitsplätze sei erforderlich. Es treffe im Übrigen nicht zu, dass der Betrieb der B. GmbH nicht mehr existiere, die Gebäude abgerissen worden seien und frühere Mitarbeiter nicht hätten ausfindig gemacht werden können. Richtig sei vielmehr, dass die B. GmbH nach wie vor in R. in der G.str. 4 - jetzt mit dem Verkauf von Batterien über den Großhandel - tätig sei. Bis 1998 seien im Werk R. in der Industriestraße Batterien gefertigt worden. Dies habe die dortige Sekretärin Frau Sch. seiner Ehefrau mitgeteilt, die auch über frühere Arbeitskollegen von ihm Bescheid wissen dürfte. Das Betriebsgebäude stehe - wie sich aus vorgelegten Fotos ergebe - nach wie vor und werde inzwischen von einer Speditionsfirma zu Lagerzwecken genutzt. Es sei davon auszugehen, dass erhebliche Rückstände aus der Batterieproduktion feststellbar seien und darüber hinaus auch die frühere Arbeitsplatzbelastung des Klägers gut abgeschätzt werden könne. Der Kläger hat ferner ein Foto vorgelegt, welches das unmittelbar im Westen neben seinem früheren Arbeitsplatz liegende Gelände der sicherlich gerichtsbekannten Firma F. zeige. Dort seien bei der Verbrennung von Kabelmaterialien erhebliche Mengen Dioxine freigesetzt worden, was zur Schließung des Betriebs und zur Absicherung des Bodens durch eine schwere Betonplatte geführt habe. Er nehme an, dass er während seiner Tätigkeit bei der B. GmbH auch von diesem im Westen liegenden Bereich der Firma F. nicht unerheblich belastet gewesen sei durch Pyrolyseprodukte, insbesondere Dioxine und Furane. Das Gutachten von Prof. Dr. B. leide unter schweren Mängeln. Die in der Zusammenfassung des ohne ambulante Untersuchung erstatteten Gutachtens ausgesprochene Vermutung, dass bei ihm kein hirnorganisches Psychosyndrom vorliege, vielmehr ein Versagenssyndrom mit phobischer Symptomatik - ebenfalls nur ein Verdacht, kein Befund -, dürfe in Anbetracht der Schwere seiner gesundheitlichen Schäden und der Kompliziertheit des medizinischen Sachverhaltes nicht zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden. Die Beklagte und der von ihr beauftragte Mediziner Prof. Dr. B. hätten keine umfassende neurologische Untersuchung geschweige denn eine neuropsychologische Untersuchung (Psychometrie) durchgeführt. Unabhängig davon sei es im Hinblick auf die Neufassung des Merkblattes zur Listennummer 1317, die sich ausführlich mit dem hirnorganischen Psychosyndrom (der toxisch verursachten Encephalopathie) beschäftige, nunmehr herrschende Meinung in der Arbeitsmedizin, dass gerade dieses Krankheitsbild nach Beendigung der beruflichen Exposition fortbestehen, sich verschlimmern und möglicherweise sogar erst lange nach der Exposition manifest werden könne. Dies dürfte bei ihm der Fall sein.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06.10.203 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 19.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2002 festzustellen, dass bei ihm eine BK nach den Nrn. 1101, 1104 und/oder 1317 der Anlage zur BKV oder eine Krankheit vorliegt, die wie eine BK zu entschädigen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung des SG sei rechtsfehlerfrei. Aus den Akten sei ersichtlich, dass weder in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich noch in den Zuständigkeitsbereichen der anderen Berufsgenossenschaften, bei denen der Kläger in seinem Arbeitsleben versichert gewesen sei, eine erkennbare wesentliche Schadstoffexposition vorgelegen habe. Außerdem bestehe beim Kläger auf medizinischem Fachgebiet kein gesicherter organneurologischer oder hirnorganischer pathologischer Befund. Der Erkrankungskomplex von Seiten des neurologisch-psychiatrischen Gebiets betreffe ein schweres, fixiertes Versagenssyndrom mit phobischer Symptomatik, das nicht durch Schadstoffbelastungen erklärbar sei. Weiterer Ermittlungen bedürfe es nicht. Weder die haftungsbegründende noch die haftungsausfüllende Kausalität seien hier erfüllt. Das vom Senat gemäß § 109 des Sozialgerichtgesetzes (SGG) eingeholte Gutachten von Prof. Dr. K. beruhe auf zahlreichen Mutmaßungen und Analogieschlüssen, die tendenziell darauf abzielten, die Erkrankung des Klägers als BK bzw. als beruflich verursacht zu postulieren.

Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat mit Schreiben vom 04.01.2006 Prof. Dr. K. mit der Erstattung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens auf Grund einer ambulanten Untersuchung beauftragt. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Arbeitsstätten des Klägers teilweise nicht mehr existierten oder jedenfalls die früher stattgehabten Belastungen im Nachhinein kaum mehr festgestellt werden könnten, wurde der Sachverständige gebeten, für die Beurteilung des Vorliegens einer BK nach den Nrn. 1101 und 1104 jeweils von einer ausreichenden Belastung durch Blei bzw. Cadmium auszugehen. Das am 14.10.2008 erstattete Gutachten des Sachverständigen beruht auf einer Auswertung der Akten, einer Befragung der Ehefrau des Klägers, die der Sachverständige zusammen mit dem Psychiater Dr. J. durchführte und einer Literaturrecherche. Den Verzicht auf eine ambulante Untersuchung begründete der Sachverständige damit, der Kläger sei nicht in der Lage gewesen zu einer Untersuchung nach Heidelberg zu kommen. Seine Ehefrau habe ihn gebeten, von einem Gespräch mit ihm Abstand zu nehmen, da die Folgereaktionen für sie dann zu Hause nicht mehr zu ertragen wären. Damit sei auch die Möglichkeit entfallen, eine neuropsychologische und eine neurologisch-psychiatrische Zusatzuntersuchung durchzuführen.

In seiner Beurteilung hat der Sachverständige ausgeführt, die für die Ermittlung der Expositionen an den verschiedenen Arbeitsplätzen des Klägers verantwortlichen Berufsgenossenschaften seien ihren Aufgaben nicht nachgekommen. Einem neurologisch-psychiatrischen Krankheitsbild dürfe nicht a priori eine Berufsabhängigkeit abgesprochen werden. Auf dem Gelände der Metallhütte F., das westlich direkt an das Gelände der B. GmbH angeschlossen habe, hätten freigesetzte Schwermetalle und Dioxine während des Betriebs zu einem der größten Dioxinschadensfälle in der Bundesrepublik geführt. Der Betrieb sei 1986 stillgelegt worden. Bei der neuropsychologischen Untersuchung von Anwohnern hätten sich kognitive, anamnestische Defizite, eine psychomotorische Verlangsamung sowie affektive Symptome wie Irritabilität und emotionale Instabilität gezeigt. Somit sei auch der Kläger während seiner vierjährigen Tätigkeit in der Akkufabrik einer erhöhten Exposition gegenüber PCDD/PCDF ausgesetzt gewesen und es müsse davon ausgegangen werden, dass bei ihm ebenfalls eine Encephalopathie entstanden sei. Der Bericht der SMBG über den Betriebsbesuch vom 26.10.1999 bei der Firma M., der früheren Firma R. T., entspreche in keiner Weise den Anforderungen, um Informationen über mögliche Schadstoffbelastungen am Arbeitsplatz zu erhalten. Die eigene Darstellung des Klägers über die Expositionsverhältnisse unterscheide sich davon wesentlich. Im Hochregallager sei Öl aus den Gitterboxen heruntergetropft und die Fahrstraßen sowie der Boden sei immer mit Ölbindern gereinigt worden. In der Halle habe ein belastender Geruch von Abgasen der Gabelstapler, von dem Stanz- und Presswerk, der Punkterei, Schweißerei und Bohrerei geherrscht, ebenso ein Säuregeruch von der Batterieladestation. Von 1985 bis 1992 sei er im Werkbüro mittig in der Halle tätig gewesen, wobei über die Türen gelüftet geworden sei, wodurch der Gestank aus der Halle hereingedrungen sei. 1988/89 sei das Werkbüro an die Außenwand der Halle verlegt worden, dieses habe nach übelriechenden Farben und Lacken gerochen. 1984/85 hätten bei ihm Hautrötungen begonnen mit Juckreiz und leichtem Brennen im Gesicht, dann Rückenschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen und Erschöpfung. Seine Aufgaben hätte darin bestanden, die einzelnen Maschinen zu kontrollieren. Dabei sei er unterschiedlichen Ausdünstungen ausgesetzt gewesen. Im Bezug auf mögliche gesundheitliche Gefahren während der Tätigkeit des Klägers als Straßenbahnfahrer führte der Sachverständige aus, nach einer Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg von 1990 stellten die in Linienbussen gemessenen Benzolkonzentrationen für Busfahrer bei lebenslanger Exposition mit 1 µg Benzol/m3 und einer beruflichen Busfahrertätigkeit von 35 Jahren ein erheblich höheres Krebsrisiko gegenüber der Stadtbevölkerung dar. Zu den Erkrankungen des Klägers führte der Sachverständige aus, der vom Kläger verschuldete Auffahrunfall als Führer einer Straßenbahn am 27.10.1996 sei Ausdruck einer Enzephalopathie im weitesten Sinne, die in der Zeit vor diesem Arbeitsverhältnis entstanden sei und erst drei Jahre später (1999) durch den Neuropsychologen K. objektiviert worden sei. Die 1999 nachgewiesene Enzephalopathie könne mit hoher Wahrscheinlichkeit teilursächlich auf die Dioxineinwirkungen aus der benachbarten Metallhütte F. zurückgeführt werden. Hinzugekommen seien die zeitgleichen Bleibelastungen in der Werkhalle der B. GmbH. Studien an typischen Bleiarbeitsplätzen zeigten, dass selbst bei verminderten Bleibelastungen den nervalen Störungen die größte Bedeutung zugemessen werde. Wenn typische Zeichen einer akuten Bleiintoxikation wie Abdominalkoliken, Verstopfung oder Anämie bei dem Kläger nicht vorlägen, so rechtfertige dies nicht eine Verneinung der BK 1101, denn beim Kläger liege eine chronische Bleibelastung vor, die durch zentrale Nervenschäden gekennzeichnet sei ohne eine maximale Latenzzeit von einem Jahr. Den Argumenten des Prof. Dr. B. vermöge er nicht zu folgen. Unter dem Mechanismus der Cadmium-Toxizität sei dessen Bindung an zelluläre Mitochondrien von besonderer Bedeutung mit der Folge einer Inhibierung der Zellatmung und der oxidativen Phosphorylierung. Die Mitochondrienschädigung und der oxidative Stress seien fundamentale Mechanismen bei der Entstehung des klinischen Bildes einer Encephalopathie. Zutreffend habe deshalb Dr. Sch. einen chronisch-hypoxischen Prozess im Rahmen einer toxischen Enzephalopathie bejaht. Diese Ansicht sei deshalb begründet, weil Cadmium die Erythropoese (Bildung der roten Blutkörperchen) schädige. In der Literatur gebe es auch Hinweise dafür, dass chronische Cadmiumexpositionen zu einer Polyneuropathie ebenso wie zu einer Encephalopathie führen könnten. Hierdurch werde die Richtigkeit der von Dr. B. Anfang 1999 gestellten Diagnosen einer Polyneuropathie und Enzephalopathie bestätigt. Der Beginn der neurotoxischen Erkrankung sei nach den Aussagen der Ehefrau des Klägers für die Zeit bei der B. GmbH anzusetzen, weil damals ungewöhnliche körperliche und geistige Erschöpfung abends, Muskelschmerzen, ein fingernagelgroßer Haarausfall auf dem Kopf sowie rote Verfärbungen auf der rechten Gesichtshälfte aufgetreten seien. Soweit die nachfolgenden psychiatrischen Begutachtungen eine schwere Depression mit Verhaltensstörungen und möglicherweise mit konversionsneurotischen Reaktionen herausgestellt hätten, so handle es sich dabei um kein neues und be¬rufsunabhängiges Krankheitsbild. Die Depression sei vielmehr eine Weiterentwicklung des bereits lange bestehenden enzephalopathischen Krankheitsbildes, wozu wahrscheinlich auch noch Belastungen durch eine Vielzahl von toxischen Produkten bei der Firma R. T. beigetragen hätten, so dass der Weggang von der B. GmbH nicht als Expositionsende angesehen werden könne. Der beklagte Symptomenkomplex (kognitive Beeinträchtigung, affektiv-emotionale Instabilität, polytope Schmerzsymptomatik) habe bereits mehr oder weniger vor dem Unfall von 1996 bestanden. Der Kläger habe nämlich dazu tendiert, Fehler und Schwächen zu negieren sowie Symptome und Probleme zu leugnen. Dies erkläre auch sein Bestreben, bei der Einstellungsuntersuchung von 1992 bei der Stadt Karlsruhe seine bestehenden psychischen und somatischen Beeinträchtigungen eher zu negieren. Gleichwohl könne der Unfall als ein massiver psychosozialer Stressor gewirkt haben, der über eine vermehrte Aufmerksamkeitsfokussierung auf somatische Symptome sowie über eine Kaskade dysfunktionaler intrapsychischer Verarbeitungsprozesse zu einer erheblichen Intensivierung des subjektiven Beschwerdeausmaßes geführt habe. Möglicherweise könne auch die vorbestehende toxische Enzephalopathie mit einhergehender reduzierter Stresstoleranz (Vulnerabilitäts-Stress-Modell) hier eingewirkt haben. Die berufskrankheitsbedingte MdE schätze Prof. Dr. K. für die Zeit von 1982 bis 1996 mit 20 vom Hundert (v.H.) und anschließend wegen hirnorganischer Wesensveränderungen und sozialem Rückzug mit 40 v.H. ein.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, deren Statthaftigkeit keine Berufungsausschlussgründe entgegenstehen und über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zu Recht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.12.2001 festgestellt, dass die bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen keine Berufskrankheit nach den Nrn. 1101, 1104 und/oder 1317 der BKV darstellen und auch nicht gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine BK zu entschädigen sind. Mit seinem Antrag, seine Erkrankung als BK anzuerkennen, erstrebt der Kläger die gerichtliche Feststellung, dass es sich bei seiner Erkrankung um eine BK handelt oder um eine Erkrankung, die wie eine BK zu entschädigen ist. Soweit er daneben beantragt hat, diese Erkrankung entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen, hat der Kläger damit keine Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG erhoben. Denn er hat keine konkreten Leistungsansprüche gelten gemacht und für den Erlass eines allgemein auf "Entschädigung" gerichteten Grundurteils bietet das Gesetz keine Handhabe (vgl. BSG SozR 4 - 2700 § 2 Nr. 3; SozR 4 - 5671 Anlage 1 Nr. 5101 Nr. 2; SozR 4 - 2700 § 8 Nr.12). Damit war die Klage zulässig als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und BKen. Dabei sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Satz 2 dieser Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; dabei kann sie bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte eine Entscheidung darüber getroffen, ob bei dem Kläger eine BK nach der Nr. 1101 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen), gemäß der Nr. 1104 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch Cadmium oder seine Verbindungen), nach der Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopahtie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) vorliegt oder ob die Erkrankung des Klägers gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen ist. Hierdurch wird der Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens begrenzt. Der Senat hatte deshalb nicht darüber zu entscheiden, ob bei dem Kläger etwa eine Erkrankung durch Kohlenmonoxid (Nr. 1201 der Anlage zur BKV) oder eine Erkrankung durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide (Nr. 1310 der Anlage zur BKV, worunter auch Erkrankungen durch Dioxine und Furane fallen) vorliegt.

Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum Einen die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind. Das heißt, er muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können (haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20.01.1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28.06.1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Dabei ist "wesentlich" nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 13/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Hiervon ausgehend hat es das SG zu Recht abgelehnt, bei dem Kläger das Vorliegen einer BK nach den Nrn. 1101, 1104 oder 1317 festzustellen. Nicht zu beanstanden ist, dass das SG offen gelassen hat, ob die erforderlichen Expositionen für die genannten BKen an den einzelnen Arbeitsplätzen des Klägers vorlagen. Diese Frage betrifft Verhältnisse, die teilweise weit in der Vergangenheit liegen und in einer rückschauenden Betrachtung nur mit einem großen Unsicherheitsfaktor beurteilt werden können. Zu beachten ist auch, dass der Umstand, dass ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, nicht automatisch zur Anerkennung und ggf. Entschädigung der betreffenden führt. Vielmehr ist beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich der erforderliche haftungsausfüllende Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht.

Im Einzelnen gilt hinsichtlich der streitgegenständlichen BKen folgendes.

Gegenüber Blei (BK Nr. 1101 der Anlage zur BKV) kann der Kläger nur während seiner Beschäftigung bei der B. GmbH exponiert gewesen sein. Über die Dauer dieser Beschäftigung hat der Kläger widersprüchliche Angaben gemacht. In seiner undatierten Erklärung Blatt 29 der Verwaltungsakten hat er angegeben, von 1978 bis 1982 bei der B. GmbH beschäftigt gewesen zu sein. In seinem handschriftlichen Bericht betreffend die Arbeitsabläufe bei der B. GmbH hat er dagegen den Beschäftigungszeitraum auf den 08.08.1977 bis 10.08.1979 datiert. Die letztgenannte Angabe dürfte richtig sein, da sie mit dem Ergebnis der Nachforschungen der BGFE übereinstimmt, wonach der Kläger laut Angabe der Nachfolgefirma VB Autobatterie in diesem Zeitraum bei der B. GmbH in R. als Maschinenführer in der Polypropylenfertigung tätig war. Wie Prof. Dr. B. in seinem Gutachten für den Senat einleuchtend dargelegt hat, führen akute Intoxikationen mit Blei bzw. anorganischen Bleiverbindungen charakteristischerweise zu heftigen Abdominalkoliken, häufig verbunden mit quälender Verstopfung. Ein für die akute wie für die chronische Bleivergiftung nahezu obligates Symptom ist die Anämie (Blutarmut). Entsprechende Befunde hat keiner der Ärzte mitgeteilt, die den Kläger während seiner Zugehörigkeit zur B. GmbH oder auch später behandelt haben. Richtig ist allerdings auch, dass als Folge einer Bleiexposition Enzephalopathien auftreten können. Hierbei bedingen organische Bleiverbindungen, die hier nicht in Betracht kommen, vorzugsweise Störungen von Seiten des zentralen Nervensystems. Anorganische Bleiverbindungen können als Folge massiver Exposition ebenfalls zu einer Enzephalopathie führen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand I/2004, M 1101 Rdz. 3.1). Periphere oder zentrale Nervenfunktionsstörungen treten jedoch, wie sich aus der Studie von Conso et al. von 1994 ergibt, spätestens mit einer maximalen Latenz von einem Jahr nach Beendigung der maßgeblichen Exposition auf. Im Falle des Klägers hätte eine periphere oder organisch bedingte zentralnervöse Funktionsstörung danach bis längstens 1980 auftreten müssen. Tatsächlich hat erst Anfang 1999 der Neurologe Dr. B. die Diagnose einer Enzephalopathie gestellt. Soweit Prof. Dr. K. auf Seite 42 seines Gutachtens ausgeführt hat, bei dem Kläger liege eine chronische Bleibelastung vor, die durch zentrale Nervenschäden ohne eine maximale Latenzzeit von einem Jahr gekennzeichnet sei, hat er diese Auffassung nicht im Einzelnen begründet. Der pauschale Hinweis auf "die wissenschaftliche aktuelle Literatur" genügt hierfür nicht. Auf Seite 45 seines Gutachtens hat Prof. Dr. K. die Auffassung vertreten, der Beginn der neurotoxischen Erkrankung des Klägers sei nach den Aussagen der Ehefrau auf die Zeit bei der B. GmbH zu legen, weil damals eine ungewöhnliche körperliche und geistige Erschöpfung am Abend, Muskelschmerzen, ein fingernagelgroßer Haarausfall auf dem Kopf sowie rote Verfärbungen auf der rechten Gesichtshälfte aufgetreten seien. Hierdurch kann jedoch der Nachweis einer Erkrankung nicht im Sinne des Vollbeweises erbracht werden. Abgesehen von der Unsicherheit einer Zeugenaussage über einen mehr als 28 Jahre zurückliegenden Zeitraum leuchtet es dem Senat nicht ein, weshalb die genannten Symptome beweisend für eine Enzephalopathie sein sollten. Schließlich erscheint es dem Senat trotz der Ergebnisse der durch den Dipl.-Psych. K. durchgeführten testpsychologischen Untersuchung vom 18.01.1999 nicht zweifelsfrei, ob bei dem Kläger wirklich eine kognitive Leistungsminderung als Anzeichen einer toxischen Enzephalopathie vorliegt. Bei seiner Untersuchung des Klägers vom 29.09.1999 hat der Neurologe und Psychiater Dr. B. nämlich keinerlei Hinweise für eine hirnorganische Symptomatik vorgefunden. Der Kläger erwies sich vielmehr als dezidiert in den Schilderungen, auch in der gezielten Prüfung etwa der Merkfähigkeit nicht im Querschnitt gestört und auch im langen Explorationsgespräch in der Konzentration nicht erkennbar abnehmend.

Hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankung durch Cadmium oder seine Verbindungen (Nr. 1104 der Anlage zur BKV) hat Prof. Dr. B. für den Senat überzeugend ausgeführt, dass sich in den Aktenunterlagen keine Hinweise für eine chronische Cadmiumintoxikation finden. Wegen der langen Halbwertzeit dieses Metalls in den Nierentubuli finden sich bei Erkrankten tubuläre Nephropathien mit Proteinurie, anfangs vor allem eine vermehrte Ausscheidung niedermolekularer Eiweißkörper. Beim Kläger ist jedoch keine Nierenerkrankung bekannt. Nervenfunktionsstörungen, wie sie bei dem Kläger diskutiert werden, gehören nach Prof. Dr. B. jedenfalls nicht zu den durch Cadmium typischerweise ausgelösten Erkrankungen. Dies hat auch Prof. Dr. K. nicht in Abrede gestellt. Er hat jedoch einen mittelbaren Zusammenhang mit der seiner Ansicht nach beim Kläger vorhandenen Enzephalopathie in der Weise hergestellt, dass wegen der Bindung von Cadmium an zelluläre Mitochondrien eine Inhibierung der Zellatmung bis zu 75% und der oxidativen Phosphorylierung bis zu 100% eintreten könne. Die daraus resultierende verminderte ATP-Produktion führe zu einem sogenannten "oxidativen Stress". Die Mitochondrienschädigung und der oxidative Stress seien fundamentale Mechanismen bei der Entstehung des klinischen Bildes einer Enzephalopathie. Der Senat lässt offen, ob dieser Argumentation im Ausgangspunkt gefolgt werden kann. Denn auch Prof. Dr. K. hat eine Exposition gegenüber Cadmium nur für die Ausbildungs- und Gesellenzeit bei der Sch. GmbH und die Beschäftigungszeit bei der B. GmbH bejaht. Folglich fehlt es auch insoweit am zeitlichen Zusammenhang, wobei nochmals auf die fehlende Eignung der Angaben der Ehefrau zum Nachweis der Existenz einer Enzephalopathie schon während der Beschäftigungszeit bei der B. GmbH zu verweisen ist.

Hinsichtlich der geltend gemachten BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) lässt der Senat offen, ob der Kläger während seiner Lehr- und Gesellenzeit als Installateur, während seiner Beschäftigung bei der B. GmbH und auch während seiner Beschäftigung bei der damaligen Firma R. T. in einem Maße gegenüber organischen Lösungsmitteln oder deren Gemischen exponiert war, das generell geeignet war, eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie hervorzurufen. Hinsichtlich der Beschäftigung von Juni 1982 bis April 1985 als Lagerist im Hochregallager und von Mai 1985 bis November 1992 als Werkstattschreiber differieren allerdings die Angaben des Klägers und die Feststellungen, die der TAD der SMBG im Schreiben vom 28.10.1999 wiedergegeben hat, erheblich. Insbesondere gehört es nicht zu den üblichen Aufgaben eines Werkstattschreibers, "die einzelnen Maschinen zu kontrollieren". In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach den insoweit mit den Feststellungen des TAD der SMBG übereinstimmenden Angaben seiner Ehefrau vorwiegend im Büro in der Halle gearbeitet hat. Auch wenn man insoweit trotzdem noch eine relevante Exposition bejaht, hat diese jedenfalls mit dem Ende der Beschäftigung bei der Firma R. T. ihr Ende gefunden. Nicht einmal Prof. Dr. K. hat behauptet, der Kläger sei ab Dezember 1992 als Straßenbahnfahrer bei der Stadt Karlsruhe noch Lösungsmitteln oder deren Gemischen ausgesetzt gewesen. Soweit Prof. Dr. K. auf Benzolbelastungen von Busfahrern in Linienbussen hingewiesen hat, könnte eine solche nur im Rahmen der BK nach der Nr. 1303 der Anlage zur BKV relevant sei, um die im vorliegenden Rechtsstreit nicht gestritten wird. Außerdem spielt die Frage, ob eine Benzolexposition das Krebsrisiko erhöht, hier deshalb keine Rolle, weil der Kläger nicht an Krebs erkrankt ist. Entscheidend ist auch hier die Frage des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Beendigung der Exposition gegenüber Lösungsmitteln und dem Auftreten einer entsprechenden Symptomatik. Zweifelhaft erscheint allerdings bereits, ob bei dem Kläger wirklich eine Polyneuropathie vorliegt. Diese Diagnose hat soweit ersichtlich lediglich Dr. B. in seinem an Dr. Sch. gerichteten Arztbrief vom 20.01.1999 gestellt, jedoch darin keine Ausführungen dazu gemacht, wie die Polyneuropathie lokalisiert ist, wie sie sich zeitlich entwickelt hat, in welchem Verhältnis die sensiblen Ausfälle zu den motorischen stehen und ob die für eine Verursachung durch Lösungsmittel typische socken- bzw. handschuhförmige Verteilung vorliegt. Sieht man von derartigen Bedenken ab, so kommt man nicht an der Tatsache vorbei, dass diese Diagnose erst im Januar 1999 gestellt worden ist, obwohl der Kläger jedenfalls seit Dezember 1992 nicht mehr entsprechend exponiert war. Eine lösungsmittelbedingte Polyneuropathie entwickelt sich jedoch auch nach den Grundsätzen im revidierten Merkblatt zur BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV aus dem Jahr 2005 in der Regel in engem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition. Lediglich vereinzelt werden Krankheitsverläufe berichtet, bei denen es zwei bis drei Monate nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu einer Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit kommt, so dass die klinische Diagnose der Polyneuropathie auch zwei bis drei Monate nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann.

Hinsichtlich der toxischen Enzephalopathien stehen, wie Prof. Dr. B. - insoweit durch Prof. Dr. K. unwidersprochen - ausgeführt hat, vorwiegend unspezifische Störungen der Hirnfunktion wie Konzentrations- und Merkschwäche, Auffassungserschwernis, Denkstörungen und Persönlichkeitsveränderungen, vielfach auch mit Reizbarkeit und Affektschwankungen im Vordergrund. Bei dem Kläger ist jedoch, wie Prof. Dr. B. zutreffend dargelegt hat, ein hirnorganisches Psychosyndrom im Hinblick auf die aktenkundigen Befunde von Seiten des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu diagnostizieren. Zwar hat Dr. B. in seinem an Dr. Sch. gerichteten Arztbrief vom 20.01.1999 unter anderen die Diagnosen einer schweren Leistungsminderung und Wesensänderung, insbesondere Verlangsamung und Antriebsschwäche nach langjähriger toxischer Exposition gestellt. Jedoch hat der Facharzt für Psychiatrie und Sozialmedizin L. in seinem auf Grund der Untersuchung vom 23.06.1999 im Auftrag der damaligen LVA Baden erstatteten Gutachten zu Recht beanstandet, dass Dr. B. wichtige neurologische Untersuchungsschritte unterlassen hat und dass der von ihm dargestellte neurologische wie auch psychische Befund nicht ausreichend ist, um seine Diagnosen auch nur ansatzweise zu sichern. Daran ändert auch die testpsychologische Untersuchung durch den Dipl.-Psych. K. nichts. Insoweit hält der Senat für bedeutsam, dass Dr. B. bei seiner Untersuchung vom 29.09.1999 keine Hinweise für eine hirnorganische Symptomatik vorgefunden hat, wie bereits oben zur Frage einer Intoxikation durch Blei ausgeführt worden ist. Dr. B. konnte ebenso wenig wie die Ärzte der Brunnenklinik H. M. und der Psychiater L. wesentliche organ-neurologische Auffälligkeiten erkennen, wie sie bei einer toxikologischen Hirnschädigung zu erwarten wären. Mit Ausnahme von Dr. B. und Dr. Sch. haben sämtliche Ärzte, die den Kläger untersucht oder behandelt haben, Diagnosen gestellt, die nicht dem neurologischen, sondern dem psychiatrischen Fachgebiet zuzuordnen sind. Im Entlassungsbericht der Brunnenklinik H. M. finden sich die Diagnosen einer neurotischen Depression und von funktionellen Störungen psychischen Ursprungs. Der Psychiater L. spricht von einer Dysthymie mit neurasthenischen und somatoformen Tendenzen sowie von einer Nosophobie mit Ausdünstungs- und Vergiftungsängsten bzw. einer entsprechenden Phobie. Auch Dr. B. stieß auf eine gedanklich schon fast bizarr anmutende völlige Absorbierung von und Einengung auf die vermeintliche körperliche Überempfindlichkeit und die beschriebenen somatischen Beschwerden im Kontext mit Lacken, Ausgasungen und Farben. Die von ihm gestellte Diagnose eines schweren, bereits völlig fixierten und chronifizierten neurotischen Versagenssyndroms mit zunehmend generalisierender phobischer, Zwangs- und Konversionssymptomatik erscheint dem Senat daher überzeugend. Dass bei dem Kläger Verhaltensstörungen und konversionsneurotische Reaktionen vorliegen, hat letztlich auch Prof. Dr. K. nicht in Abrede gestellt. Seine Argumentation, hierbei handle es sich lediglich um Spätfolgen eines organischen, toxischen Psychosyndroms, vermag den Senat nicht zu überzeugen, weil ein vorbestehendes enzephalopathisches Krankheitsbild nicht nachgewiesen ist.

Dass ein MCS-Syndrom nicht gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine BK anerkannt werden kann, hat bereits das SG im angefochtenen Urteil ausführlich und überzeugend dargelegt. Der Senat macht sich diese Ausführungen zu eigen und verweist hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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