L 6 VG 6017/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 VG 3999/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 6017/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.11.2006 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der am 02.11.1968 geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der Kläger beantragte am 06.07.2005 beim Landratsamt L. (LRA) Beschädigtenversorgung und gab dabei an, am 07.11.2004 Opfer einer Körperverletzung geworden zu sein. Beigefügt waren die Berichte der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums L. vom 08.11.2004 und 11.11.2004 über eine Schienbeinprellung links und eine Knieprellung beidseits. Das LRA holte bei der AOK L. das über den Kläger geführte Leistungsverzeichnis ein und zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft H. bei. Daraus geht hervor, dass das Strafverfahren mit Verfügung vom 04.08.2005 eingestellt worden war, da sich der Vorfall aufgrund der widersprüchlichen Zeugenaussagen nicht mehr habe vollständig aufklären lassen. Mit Bescheid vom 04.10.2005 lehnte das LRA den Antrag des Klägers ab. Es habe kein Nachweis erbracht werden können, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2005 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 05.12.2005 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Vorgelegt wurde der Arztbrief des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. vom 09.05.2001 und der Kurzbrief der Rehabilitationsklinik Schloss Bad B. vom 05.03.2003. Mit Gerichtsbescheid vom 27.11.2006 wies das SG die Klage ab. Das SG folgte den Gründen des Widerspruchsbescheides und führte ergänzend aus, nach den in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte enthaltenen Aussagen sei nicht erwiesen, dass der Kläger Opfer einer Gewalttat geworden sei. Hiernach liege vielmehr nahe, dass er selbst den Angriff ausgelöst habe. Selbst wenn er aber Opfer geworden sein sollte, wären Leistungen zu versagen, da der Kläger die Schädigung verursacht habe oder es unbillig wäre, ihm Entschädigungen zu gewähren.

Am 04.12.2006 ging beim SG die von dem für die P. GmbH tätigen N. A. unterschriebene Postzustellungsurkunde ein, wonach am 30.11.2006 der Postbedienstete den Gerichtsbescheid zu übergeben versucht, den Gerichtsbescheid, weil die Übergabe in der Wohnung nicht möglich war, in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt und den Tag der Zustellung auf dem Umschlag, in dem der Gerichtsbescheid enthalten war, vermerkt hat. Am 25.11.2008 erkundigte sich der Kläger nach dem Sachstand des Verfahrens und führte aus, er habe einen Gerichtsbescheid nicht erhalten. Daraufhin übersandte das SG dem Kläger am 01.12.2008 erneut den Gerichtsbescheid.

Am 22.12.2008 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Er hat ausgeführt, den Gerichtsbescheid "am 27.11.2006" erhalten zu haben. Dies sei auf seine telefonische Anfrage einige Tage zuvor geschehen. Man habe ihm mitgeteilt, die Akte "sei im Keller". Das SG habe "viele Verfahren in den Keller verfrachtet, wahrscheinlich wegen der viele Hartz IV Klagen". Es sei daher zu fragen, warum sein Verfahren nicht auch dabei gewesen sein solle.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.11.2006 und den Bescheid vom 04.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Er hat ausgeführt, da ihm der Gerichtsbescheid am 05.12.2006 zugegangen sei, sei anzunehmen, dass die für den Kläger bestimmte Ausfertigung diesem in etwa zum selben Zeitpunkt zugegangen sein dürfte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist verfristet und damit als unzulässig zu verwerfen.

Rechtsgrundlagen sind die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und der Zivilprozessordnung (ZPO).

Eine Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG).

Ein Urteil ist den Beteiligten zuzustellen (§ 133 Abs. 1 und § 135 SGG). Zugestellt wird nach den Vorschriften der ZPO (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGG). Da für Gerichtsbescheide die Vorschriften über Urteile entsprechend gelten (§ 105 Abs. 1 Satz 3 SSG) und ein Gerichtsbescheid wie ein Urteil wirkt (§ 105 Abs. 3 Halbsatz 1 SGG), gilt die Berufungsfrist und das Zustellungserfordernis auch für einen Gerichtsbescheid.

Der Lauf einer Frist beginnt mit dem Tage nach der Zustellung (§ 64 Abs. 1 SGG)

Vorliegend gilt die Zustellung des Gerichtsbescheids am 30.11.2006 durch Einlegen in den Briefkasten des Klägers als erfolgt. Denn bei nicht ausführbarer Übergabe des Schriftstücks, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist (§ 180 Satz 1 ZPO). Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Dass der Gerichtsbescheid am 30.11.2006 in den Briefkasten des Klägers eingelegt worden ist, steht aufgrund der am 04.12.2006 beim SG eingegangenen Postzustellungsurkunde fest. Zum Nachweis der Zustellung ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen (§ 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO), welche im Falle des Einlegens in den Briefkasten die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll, die Angabe des Grundes, der die Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten rechtfertigt, die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist, den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung, Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde enthalten muss (§ 182 Abs. 2 ZPO) und der Geschäftsstelle unverzüglich zurückzuleiten ist (§ 182 Abs. 3 ZPO). Diesen Erfordernissen genügt die am 04.12.2006 beim SG eingegangene Postzustellungsurkunde. Der Gerichtsbescheid des SG gilt damit am 30.11.2006 als zugestellt.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, es bestehe die Möglichkeit, dass der Umschlag, dessen Zustellung in der Postzustellungsurkunde bescheinigt wurde, den Gerichtsbescheid nicht enthalten habe, ist dies auszuschließen, weil das SG dem Kläger im Dezember 2006 keine anderen Schriftstücke zugestellt hat und der Kläger mit Sicherheit bei dem SG zurückgefragt hätte, wenn der Umschlag leer gewesen wäre.

Der Lauf der Berufungsfrist hat daher am 01.12.2006 begonnen. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung dem Tage entspricht, in den der Zeitpunkt fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies wäre vorliegend Samstag, der 30.12.2006. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG), vorliegend also am Dienstag, dem 02.01.2007.

Die am 22.12.2008 eingegangene Berufung war daher verfristet.

Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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