L 3 U 1145/00

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 18 U 2138/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1145/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen der Kläger gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juli 2000 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1927 geborene und am 2. April 1980 verstorbene E. A. S. (S) war Ehemann bzw. Vater der Kläger und nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Beklagten vom 1. Dezember 1979 seit 1954 als kaufmännischer Angestellter bei der Firma H. AG in F. beschäftigt. Er leitete dort die Gruppe Messen und Ausstellungen. In dieser Funktion hielt er sich vom 19. Oktober bis 16. November 1961 in New Delhi (Indien) als Leiter einer Messebaugruppe auf. Eine 1977 erstmals ärztlich diagnostizierte Virus-Hepatitis Typ B führte er auf den damaligen Aufenthalt zurück. Die Kläger streiten nunmehr um die Gewährung von Witwen- bzw. Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen eines Neuprüfungsverfahrens.

Der Internist Dr. G. erstattete die ärztliche Berufskrankheiten(BK)-Anzeige am 19. Oktober 1979. S berichtete am 1. Dezember 1979 über seine Tätigkeit bei der Firma H. AG, seinen Indienaufenthalt im Jahre 1961, die Erkrankung seines Mitarbeiters K. in Form einer Schwellung im Oberbauch und gab an, nach seiner Rückkehr aus Indien habe ihn seine Beschwerdefreiheit nicht zum Arzt gehen lassen, zumal ein weiterer Auslandsaufenthalt bevorgestanden habe. Prof. E., Kurklinik B., äußerte mit Stellungnahme vom 8. Januar 1980, die Lebererkrankung des S habe schon Jahre vor dem eindeutigen Nachweis der chronisch aggressiven Hepatitis bestanden, den sie 1977 geführt hätten. Anamnestisch sei allein die Angabe des S bekannt geworden, er habe 1961 bei einem Aufenthalt in Indien engen Kontakt mit Kollegen gehabt, die an Hepatitis erkrankt seien. Daher erscheine es durchaus wahrscheinlich, dass S sich zum damaligen Zeitpunkt mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert und dass er danach eine anikterische Form der Virushepatitis durchgemacht habe, die dann in eine chronische Verlaufsform übergegangen sei. Dass er sich in den folgenden Jahren bis 1978 körperlich durchaus wohl gefühlt habe, widerspreche einer solchen Annahme nicht, solche Verläufe seien nicht selten. Erst 1979 sei seine Leistungsfähigkeit deutlich geringer geworden. Mit Bescheid vom 25. August 1980 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen gegenüber der Klägerin ab mit der Begründung, die Virushepatitis stelle keine Tropenkrankheit dar und S habe nicht zum geschützten Personenkreis der Nr. 37 der Anlage zur 6. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) gehört, die für seine 1961 erworbene Infektionskrankheit gültig sei.

Auf den Widerspruch vom 5. September 1980 hin holte die Beklagte eine Auskunft des H. K. vom 23. November 1980 ein, der angab, bei ihm sei 1961 in Indien eine Leberschwellung ärztlich festgestellt worden sowie eine Leberentzündung. Er habe deswegen nach seiner Rückkehr aus Indien keiner ärztlichen Hilfe mehr bedurft. Die Beklagte zog weitere Unterlagen bei (Sektionsbefund der Leber von S des Prof. Kx. vom 26. August 1980, Berichte über die stationären Aufenthalte des S im Kreiskrankenhaus S. ab 17. Januar 1980 und aus der H-K-Klinik in K. ab dem 4. Februar 1980). Sie ließ sodann das internistische Aktengutachten des Prof. W. vom 30. Juni 1981 erstatten. Prof. W. kam darin zu dem Ergebnis, dass die posthepatitische Leberzirrhose des S, die erstmals im März 1977 diagnostiziert worden sei und am 9. April 1980 zum Tode infolge einer Oesophagusvarizenblutung geführt habe, nicht als BK anzuerkennen sei. Ein Zusammenhang zwischen dem Tod an Leberzirrhose und dem berufsbedingten Aufenthalt in Indien 1961 bestehe nicht. Zu der posthepatitischen Leberzirrhose nach Virus B-Infektion komme noch eine alkoholische Leberschädigung hinzu, die zwar einen zusätzlichen ungünstigen Einfluss auf den Verlauf gehabt haben könne, aber nicht von ausschlaggebender originärer Bedeutung für die Leberzirrhose gewesen sei. Unterstelle man, dass S sich die Virus-B-Hepatitis tatsächlich 1961 während des Indienaufenthalts zugezogen hätte, dann läge zwischen der Infektion und der Manifestation des Krankheitsbildes ein Zeitraum von 16 Jahren. Eine solche Entwicklung sei zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Hätte eine 1961 aufgetretene Virus-Hepatitis einen chronischen Verlauf genommen, so hätten schon in den Jahren 1970 und 1972 bei den Untersuchungen von Prof. Ky. pathologische Leberbefunde gefunden werden müssen und nicht erst in den Jahren 1976/77. Berücksichtige man, dass die Virus-Hepatitis heute die zweithäufigste meldepflichtige Infektionskrankheit in der Bundesrepublik sei und es sich in 60 bis 70 % der Fälle um den Typ B handele, sei die Möglichkeit durchaus gegeben, dass S sich nach dem Aufenthalt in Indien in Deutschland eine Virus-Hepatitis zugezogen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 1981 wies die Beklagte gestützt auf das Gutachten des Prof. W. den Widerspruch zurück.

Die Klägerin legte am 24. September 1981 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage ein (S-4/U-235/81). Während des Klageverfahrens erging der Bescheid vom 24. November 1981, worin die Beklagte die ergangenen Entscheidungen insoweit klarstellte bzw. erweiterte, als darin die Gewährung einer Verletztenrente ebenso wie eine Witwenrente abgelehnt werde. Das SG zog eine Erklärung des Mitarbeiters K. vom 23. Januar 1982 über dessen Indienaufenthalt, seine Lebererkrankung und die Besserung der Erkrankung nach dreitägiger ärztlicher Behandlung bei, worin auch über das Befinden des S in Indien und nach seiner Rückkehr Mitteilung gemacht wurde. Mit Schriftsatz vom 10. Januar 1983 nahmen die Kläger die Klagen zurück.

Am 23. Oktober 1985 stellten sie den Antrag auf Neubescheidung unter Hinweis auf Unterlagen des Prof. M. von der H-K-Klinik in K., wonach S eine frühere Gelbsucht angeben habe und diese Angaben sich mit Feststellungen deckten, die die Klägerin unmittelbar im Anschluss an den Indienaufenthalt des S gemacht habe. Auffallend sei damals eine flüchtige Gelbfärbung der Augen gewesen. Man habe dem keine Bedeutung zugemessen. Eine ärztliche Konsultation sei deswegen unterblieben. Einher damit seien schwerste Erschöpfungszustände gegangen, die S bereits zur beschleunigten vorzeitigen Rückreise aus Indien gezwungen hätten. Mit Bescheiden vom 24. April 1986 lehnte die Beklagte daraufhin gegenüber den Klägern gemäß § 44 Sozialgesetzbuch 10. Band (SGB 10) die Rücknahme des bindenden Bescheides vom 25. August 1980 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1981 sowie des Bescheides vom 24. November 1981 ab. Eine Virus-Hepatitis-B sei keine Tropenkrankheit im Sinne der BKVO und unter der 6. BKVO habe die Erkrankung nicht als BK anerkannt werden können, weil S nicht zum geschützten Personenkreis gehört habe. Ein konkretes Infektionsereignis sei nicht dargetan. Die Darlegung, S habe einem verletzten Inder Erste Hilfe geleistet, sei bereits im früheren Verfahren bekannt gewesen, habe aber nicht zur Anerkennung geführt, da nicht feststehe, dass der Inder an Virushepatitis erkrankt gewesen sei. Der zeitliche Abstand zwischen dem Aufenthalt in Indien 1961 und der Manifestation der Erkrankung 1977 mache einen ursächlichen Zusammenhang nicht wahrscheinlich.

Die Kläger legten Widerspruch ein und zur Begründung Stellungnahmen des Prof. E. vom 19. Juli 1986 und des Prof. W. vom 17. Juli 1984 vor. Prof. E. äußerte darin, er halte es - wie bereits früher beschrieben - für möglich, dass S seine Hepatitis-B-Infektion seinerzeit in Indien während seines dortigen Aufenthaltes erworben habe, wofür die erhebliche Hepatitis-B-Durchseuchung in diesem Lande und die sanitär offensichtlich mangelhafte Unterbringung sprächen. Die lange Zeit zwischen der Hepatitisinfektion und der Feststellung der chronischen Hepatitis 1977 schließe den Zusammenhang nicht aus und die Tatsache, dass Brückensymptome während der gesamten Zeit zumindest hinsichtlich der Laborbefunde fehlten, sei nicht ungewöhnlich. Man kenne solche Verläufe bei chronischen Hepatitisfällen. Prof. W. äußerte, ein sicherer Hinweis für eine berufsbedingte Infektion der Virushepatitis durch den Aufenthalt in Indien könne nicht erbracht werden. Die Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges bestehe durchaus. Die Erwerbsfähigkeit des S sei ab März 1977 erheblich eingeschränkt gewesen. Mit Widerspruchsbescheiden vom 29. Juli 1986 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

Die Kläger legten am 12. August 1986 vor dem SG Klage ein und trugen vor, S habe in Indien mit Mitarbeitern zusammengewohnt und gelebt, die an Hepatitis erkrankt gewesen seien. Er habe den Mitarbeiter K. zu einem indischen Arzt begleitet, wo er einem indischen Arbeiter, der sich mit einem Bohrer den Fuß durchbohrt und stark geblutet habe, Erste Hilfe habe leisten müssen. Bei der Arbeit, wo es nur eine Toilette für alle gegeben habe, und im Bungalow habe ständiger Kontakt mit einheimischen Hilfsarbeitern und Bediensteten bestanden. Wegen starker Erschöpfung sei S nicht wie geplant mit dem Schiff, sondern mit dem Flugzeug nach Hause zurückgekehrt, wo die Klägerin eindeutige Zeichen der Hepatitis in Gestalt fahlen Aussehens und gelber Augen festgestellt habe. Die Hepatitis sei als Tropenkrankheit anzuerkennen, zumindest aber als BK nach Nr. 37 der Anlage 1 zur 7. BKVO, da der Beginn der Krankheit mit einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) frühestens ab 1974 und damit nach Inkrafttreten der 7. BKVO anzunehmen sei. S sei durch seine Tätigkeit in Indien der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt gewesen wie der in Nr. 37 bzw. 3101 der Anlage 1 zur BKVO genannte Personenkreis. Die Kläger legten eine Stellungnahme des Prof. W. vom 31. März 1989 vor, in der dieser ausführte, ausgehend von den Feststellungen des Prof. M. im Bericht vom 13. Dezember 1985, wonach S direkt im Anschluss an den Indienaufenthalt eine Gelbsucht gehabt habe, sei die Möglichkeit des Zusammenhangs in den Bereich der Wahrscheinlichkeit gerückt. Die Virushepatitis, die S in Indien erworben habe, habe zum Übergang in eine Leberzirrhose und schließlich zum Tod infolge Oesophagusvarizenblutung geführt. Die Beklagte entgegnete, ärztlicherseits sei 1961 keine Hepatitis festgestellt worden, und zwar auch nicht durch Prof. M., der diese Diagnose erstmals 1977 gestellt habe.

Mit Urteil vom 13. Juni 1989 wurde die Klage vom SG abgewiesen, da die Hepatitis-B des S nicht mit Wahrscheinlichkeit auf seinen Arbeitsaufenthalt in Indien im Jahre 1961 zurückzuführen sei. Eine Hepatitiserkrankung des Mitarbeiters K. sei ebenso wenig nachgewiesen wie eine Infektion des vom Kläger mit erster Hilfe versorgten Inders. Prof. E. und Prof. W. hielten den Zusammenhang nur für möglich. Die anders lautende Stellungnahme des Prof. W. vom 31. März 1989 sei nicht beweiskräftig, da er darin von einer Hepatitiserkrankung des S im Jahre 1961 ausgehe. Dabei handele es sich nicht um eine medizinisch gesicherte Feststellung, sondern um eine Verdachtsdiagnose des S selbst, die zudem noch im Gegensatz zu seinen eigenen Angaben vom 1. Dezember 1979 gegenüber der Beklagten stünden, wonach er sich 1961 nach seiner Rückkehr subjektiv wohl gefühlt und von einer Hepatitis nichts gewusst habe.

Die von den Klägern erhobene Berufung wurde vom Senat mit Urteil vom 16. Oktober 1991 zurückgewiesen. Im Rahmen des § 44 SGB 10 wurde festgestellt, dass den Klägern weder ein Anspruch auf Witwen- noch auf Waisenrente zustehe. Es sei nicht erwiesen, dass S sich die zum Tode führende Hepatitis-B-Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit während seines Indienaufenthaltes 1961 zugezogen habe und er somit an einer BK gelitten habe. Die Virus-B-Hepatitis sei 1977 erstmals von Prof. E. in der Kurklinik B. eindeutig nachgewiesen worden. Die Hepatitis-B stelle keine Tropenkrankheit im Sinne der BK-Ziffer 3104 dar, könne aber als Infektionskrankheit im Sinne der BK-Ziffer 3101 grundsätzlich anerkannt werden. Der für die Kläger günstigere und die Anwendung der 7. BKV gemäß § 551 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) eröffnende Zeitpunkt sei der erstmalige Eintritt einer MdE bei S, der nach Professores E. und W. erst in der zweiten Hälfte der 70 Jahre gelegen habe. Die haftungsbegründende Kausalität sei nicht erfüllt, da S während der Inkubationszeit nicht nachweisbar unmittelbaren Kontakt mit Blut von Personen gehabt habe, die ebenfalls an Hepatitis-B erkrankt gewesen seien. Da als allein denkbare Infektionsquelle das Blut des mit erster Hilfe behandelten Inders in Betracht komme, müsse feststehen, dass dieser gleichfalls an Hepatitis-B erkrankt gewesen sei, was schon daran scheitere, dass der Inder nicht einmal namentlich bekannt sei. Unerheblich sei der Nachweis schlechter hygienischer Verhältnisse, die allein für die Entstehung einer Hepatitis-A Bedeutung erlangen könnten. Auch die Anerkennung der Hepatitis-B bei S als Folge eines Arbeitsunfalles scheide aus vorgenannten Gründen aus und eine Entschädigung über § 551 Abs. 2 RVO komme wegen der fehlenden Nachweise nicht in Betracht. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wurde vom Bundessozialgericht (BSG) durch Beschluss vom 26. März 1992 als unzulässig verworfen. Am 29. Oktober 1991 und am 9. März 1994 stellten die Kläger weitere Neuprüfungsanträge mit dem Ziel, durch ein tropenfachärztliches Sachverständigengutachten den Durchseuchungsgrad der indischen Bevölkerung mit Hepatitis-B-Viren feststellen zu lassen und auf diese Weise auch den Zusammenhang der Lebererkrankung des S mit seinem Aufenthalt in Indien. Nach dem fachmedizinischen Schrifttum sei von einer hohen Durchseuchung der Bevölkerung des Tropengebietes mit Hepatitis-B-Viren auszugehen, wobei jeder dritte Bewohner Infektionsträger sein solle. Mit Bescheiden vom 27. Oktober 1994 lehnte die Beklagte gegenüber den Klägern die Aufhebung der früheren Bescheide ab, da diese weder rechtlich noch vom zugrundegelegten Sachverhalt her unrichtig seien und die von den Klägern nunmehr begehrten ergänzenden Ermittlungen nach der letzten berufungsgerichtlichen Entscheidung nicht erheblich seien.

Zur Begründung des Widerspruches vom 28. November 1994 legten die Kläger das tropenmedizinische Gutachten des Prof. D. vom 20. Juli 1995 vor. Prof. D. geht davon aus, dass die Hepatitis-B keine klassische Tropenkrankheit im Sinne der BK-Ziffer 3104 sondern eine Infektionskrankheit nach Ziffer 3101 der Anlage 1 zur BKV darstelle. Die Möglichkeit einer Infektion des S mit dem Hepatitis-B-Virus im Jahr 1961 während seines Aufenthalts in Indien sei denkbar. Die 1977 erstmals nachgewiesene Leberzirrhose habe sich in mehreren bis vielen Jahren aus einer Leberinfektion bei S entwickelt. Auch die bereits 1976 festgestellte vergrößerte Leber weise auf ein älteres Leiden hin. 1961 sei die Bestimmung des Australia-Antigens noch nicht möglich gewesen, womit beweiskräftige diagnostische Unterlagen fehlten, was aber das Vorliegen einer Infektion nicht ausschließe. Der Übertragungsmodus bei der Hepatitis-B erfolge in erster Linie durch Blut- bzw. Körpersekretkontakt und nur in wenigen Fällen auch fäkal-oral. Für Indien sei eine hohe Durchseuchungsrate für Hepatitis-B anzunehmen, wobei keine Zahlen für 1961 existierten. Verwertbares Zahlenmaterial gebe es ab Ende der 60 Jahre. Eine Untersuchung aus 1991 spreche von 25 Millionen Indern als Hepatitis-B-Virus Trägern. Da typische Zeichen einer akuten infektiösen Hepatitis bei S nie festgestellt worden seien, sei die Frage der Wahrscheinlichkeit des Infektionszeitpunktes aufgrund der Exposition sowie der epidemiologischen Prävalenz und des allgemeinen Risikos zu bewerten. Insgesamt sprächen mehr Gründe für die Annahme einer während eines beruflichen Aufenthalts in Indien erworbenen Hepatitis-B mit späterem Übergang in eine Zirrhose und nachfolgender Entwicklung einer portalen Hypertension nach längerer Latenz einer chronisch aktiven Hepatitis-B, die letztlich zum Tode geführt habe, als für die Annahme einer in den Jahren vor 1977 in Deutschland erworbenen Infektion. Brückensymptome seien für eine latente Erkrankung wie eine chronisch aktive Hepatitis-B nicht zu fordern. Bedeutsam seien die extrem schlechten hygienischen Verhältnisse in Indien sowie das Auftreten einer infektiösen Lebererkrankung eines Mitarbeiters, die diagnostisch jedoch nicht näher beschrieben sei. S habe zum gleichen Zeitpunkt einige Symptome gehabt, die mit einer Hepatitis vereinbar seien. Eine echte Gelbfärbung sei wohl nicht eingetreten, ein dunkler Urin und heller Stuhl seien nicht berichtet worden. Die Ehefrau habe nach der Rückkehr aber angeblich eine Gelbfärbung festgestellt. Da alle Hepatitisformen in der akuten und chronischen Phase symptomlos verlaufen könnten, könne man das Auftreten einer Hepatitis-B im Jahr 1961 nicht ablehnen. Konkurrenzursachen für eine entsprechende Erkrankung in der BRD existierten nicht. Demgegenüber sei die Infektionsgefahr in Indien wesentlich höher und auch ein Blutkontakt sei in Indien erwiesen. Aufgrund der hohen Prävalenz sei angesichts dessen der Einzelnachweis nicht erforderlich, dass der Inder tatsächlich Träger des Hepatitis-B-Antigens gewesen sei.

Die Beklagte versuchte wegen der Lebererkrankung des Arbeitskollegen H. K. eine erneute Nachfrage, die jedoch erfolglos blieb, da K. nach einem Schlaganfall nicht mehr zu einer Aussage fähig war. Die Beklagte hörte sodann Prof. S. zum Gutachten des Prof. D., der am 11. Januar 1996 ausführte, im Gegensatz zur Hepatitis-A, die durch mangelnde hygienische Umstände oder kontaminierte Speisen und Getränke fäkal-oral übertragen werde, werde die Hepatitis-B ganz überwiegend auf hämatogenem Wege übertragen. Deshalb könne ohne Nachweis eines Infektionsherganges eine Anerkennung nur bei Personen ausgesprochen werden, die einen einschlägigen und auch anhaltenden Kontakt mit Blut und Blutprodukten oder einen sehr engen pflegerischen Kontakt mit Patienten hätten. Auch der nachweisbare zeitliche Ablauf der Hepatitis-B-Erkrankung des S mache einen Zusammenhang mit dem beruflichen Aufenthalt in Indien nicht wahrscheinlich, wie dies bereits Prof. W. im Gutachten vom 30. Juni 1981 bestätigt habe. Zudem habe die Lebererkrankung des S aus der Frühform einer Leberzirrhose heraus einen rasch fortschreitenden Verlauf bis zum finalen Krankheitsbild genommen, an dessen Komplikationen er 1980 verstorben sei. Es sei wenig wahrscheinlich, dass der Krankheitsverlauf zuvor über 16 Jahre hinweg Blande gewesen sein solle, um erst dann zu exacerbieren. Selbstverständlich könne man sich trotz der geringen Durchseuchung der Bevölkerung mit dem Hepatitis-Virus-B eine Infektion auch in Mitteleuropa holen. Die von der Ehefrau beschriebene Symptomatik im Anschluss an den Indienaufenthalt deute nicht wirklich nachvollziehbar auf eine Hepatitiserkrankung des S hin. Letztlich bleibe eine Infektion des S in Indien möglich, könne aber nicht mit überwiegenden medizinischen Gründen als wahrscheinlich angesehen werden, zumal eine Infektion in der BRD nach 1961 ebenfalls möglich erscheine. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 1996 verblieb die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung, wonach die Lebererkrankung des S weder als Tropen- noch als Infektionskrankheit anerkannt werden könne. Dies ergebe sich aus der Stellungnahme des Prof. S. vom 11. Januar 1996 sowie den früheren Gutachten des Prof. W. vom 30. Juni 1981. Demgegenüber habe Prof. D. trotz anders lautender Formulierung letztlich auch nur mögliche Zusammenhänge aufzeigen können.

Die Kläger legten am 24. Mai 1996 vor dem SG Klage ein und bezogen sich zur Begründung auf die tropenärztliche Beurteilung des Prof. D ... Eine plausible Erklärung für ein entsprechendes Infektionsrisiko in der BRD vor 1977 sei nicht erkennbar und die Beweisanforderungen dürften in Fällen dieser Art nicht überspannt werden, zumal bei der Ansteckung an Malaria im Ausland auf einer Geschäftsreise bislang nicht gefordert worden sei, dass man Uhrzeit und Stunde der Ansteckung nachweisen müsse; ausreichend sei vielmehr der Nachweis der Gefährdungssituation. Im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der Klage wegen der vom Kläger F. S. erstrebten Waisenrente hat dieser vorgetragen, keinen Wehr- oder Zivildienst geleistet zu haben.

Mit Beschluss vom 10. Mai 2000 hat das SG die Verfahren der Kläger zu 1) und 2) getrennt und durch Gerichtsbescheide vom 28. Juli 2000 die Klagen abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Hinterbliebenenrenten seien auch nach Überprüfung gemäß § 44 SGB 10 nicht zu bejahen. Die Hepatitis-B stelle keine Tropenkrankheit im Sinne der BK-Ziffer 3104 dar und könne auch nicht als Infektionskrankheit im Sinne der BK-Ziffer 3101 anerkannt werden. Es sei weiterhin nicht wahrscheinlich, dass S sich die Hepatitis-B-Erkrankung während des berufsbedingten Indienaufenthalts 1961 zugezogen habe. Insbesondere sei ein direkter Blutkontakt mit einem an Hepatitis-B infizierten Inder nicht erwiesen. Auch nach Prof. D. könne der Infektionszeitpunkt nicht bestimmt werden.

Gegen die am 11. August 2000 zugestellten Gerichtsbescheide haben die Kläger am 8. September 2000 Berufungen eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom 13. November 2000 verbunden hat. Sie verweisen auf das Gutachten des Prof. D. und vertreten weiterhin die Auffassung, das SG habe die Beweisanforderungen überspannt und verstoße unter anderem gegen das Gebot des § 2 Abs. 2 SGB 1, wonach die sozialen Rechte der Betroffenen möglichst weitgehend zu verwirklichen seien. Sie haben Unterlagen des Internisten Dr. G. über die Behandlung des S vorgelegt.

Die Kläger beantragen,
die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juli 2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 27. Oktober 1994 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. April 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 25. August 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1981 sowie den Bescheid vom 24. November 1981 zurückzunehmen und ihnen Witwen- bzw. Waisenrente aus Anlass einer beim Versicherten als Berufskrankheit nach Ziffer 3101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennenden Hepatitis-B zu gewähren -
hilfsweise
aus Anlass eines vom Versicherten erlittenen Arbeitsunfalles.

Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, ihr Standpunkt sei durch die nochmalige Anhörung des Prof. S. bestätigt worden und die erstinstanzliche Entscheidung sei zutreffend. Eine konkrete Infektionsquelle sei weiterhin nicht erwiesen, was erforderlich sei. Prof. D. könne nicht gefolgt werden, da ein fester Infektionszeitpunkt nicht belegt sei und Zeichen einer akuten infektiösen Hepatitis nie festgestellt worden seien. Die Angaben des Prof. D. über den Durchseuchungsgrad in Indien wiesen eine große Streubreite auf und lägen in der Mehrzahl unter 10 v.H. Daraus könne jedenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der von S behandelte Inder infiziert gewesen sei, nicht hergeleitet werden.

Der Senat hat Leberpräparate des S vom Pathologischen Institut der Universität Würzburg beigezogen und hat sodann auf Antrag der Kläger nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Gastroenterologen Prof. Mx., Städtische Kliniken E., vom 10. Februar 2003 eingeholt. Prof. Mx. hat empfohlen, die Hepatitis-B-Erkrankung des S nicht als BK nach Ziffer 3101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Prof. Ky. habe im April 1976 erste Hinweise auf eine chronische Lebererkrankung des S beschrieben und Prof. E. habe diese im März 1977 als Stadium einer beginnenden Leberzirrhose bestätigt. Eine Hepatitis-B-Erkrankung sei dann von Prof. A. im März 1977 erstdiagnostiziert worden. Die bei Erstdiagnose bereits in einem fortgeschrittenen Stadium mit beginnender Leberzirrhose befindliche Erkrankung habe sich dann innerhalb eines Zeitraums von nicht einmal drei Jahren bis zu einem dekompensierten Stadium fortentwickelt. Die Erkrankung basiere auf einem multifaktoriellen Geschehen, wobei über den Anteil der alkoholtoxischen und der posthepatitischen Komponente letztendlich nicht entschieden werden könne. Die im April 1980 in der H-K-Klinik beschriebene Laborkonstellation belege eine aktive Virusreplikation und damit das Vorliegen einer chronischen Hepatitis-B. Auch wenn eine Infektion durch den Blutkontakt mit einem indischen Mitarbeiter möglich sei, lasse eine Vielzahl von Argumenten dies eher nicht wahrscheinlich erscheinen. Über den Infektionsstatus des verunfallten Inders lägen keine Angaben vor. Auch wenn die Durchseuchung mit Hepatitis-B in Afrika und Asien erheblich höher gewesen sei als in Europa, sei damit noch nicht klar, inwieweit es sich um einen Patienten mit durchgemachter Hepatitis-B gehandelt habe. Auch das Ausmaß eines Blutkontaktes bei der Erstehilfeleistung werde nicht näher beschrieben und es fehlten Angaben über die Hautabschnitte des S, die mit dem Blut des Inders in Kontakt gekommen seien. Eine Infektion durch intakte Haut sei äußerst unwahrscheinlich. Eine Infektion des Mitarbeiters K. mit einer akuten Hepatitis-A sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Die von der Klägerin zu 1) 29 Jahre nach dem Ereignis angegebene Gelbfärbung in den Augen des S einige Zeit nach Rückkehr aus Indien sei schwierig zu bewerten. Jedenfalls fehlten Arztkontakte des S zwischen 1961 und 1976/77 und damit über einen Zeitraum von 16 Jahren. Letztlich sei der Einschätzung der Vorgutachter Prof. W. von 1981 und des Prof. S. nichts wesentliches hinzuzufügen. Die Durchseuchungsrate mit Hepatitis-B-Viren sei geographisch sehr verschieden. Während etwa 0,3 bis 0,5 % der BRD-Bevölkerung Träger des Antigens seien, sei in einigen tropischen Ländern die Bevölkerung bis zu 30 % positiv. Es erscheine jedoch nicht zulässig, daraus eine Risikosituation herzuleiten, wie sie für die in der BK-Ziffer 3101 ausdrücklich genannten Personengruppen bestehe. Es fehlten bei S die für diese Gruppen typischen Merkmale der risikobehafteten Tätigkeit durch Umgang mit einem vorselektierten Kreis kranker Personen, der Umgang mit scharfen Instrumenten und Kanülen sowie insbesondere der häufige Kontakt mit Körpersekreten insbesondere potentiell verseuchten Blutes. Für die Durchseuchung der Allgemeinbevölkerung in Indien zu Beginn der 60er Jahre und für den jetzigen Zeitraum lägen keine über das Gutachten des Prof. D. hinausgehenden Daten vor. Die von der Klägerin zu 1) 1990 rückblickend beschriebene Gelbfärbung der Augen des S bei ansonstigem Wohlbefinden einige Wochen nach Rückkehr aus Indien wäre mit der sehr variablen Inkubationszeit der Hepatits-B-Virusinfektion von ein bis sechs Monaten vereinbar. Diese Einzelbeobachtung sei jedoch durch keine ärztliche Begutachtung oder laborchemische Untersuchung objektiviert worden und somit in ihrer Beweiskraft eingeschränkt.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG), über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§§ 124 Abs. 2, 153 SGG) ist nicht begründet, da die Hepatitis-B-Erkrankung des S von der Beklagten weder als BK nach als Folge eines Arbeitsunfalls zu entschädigen ist. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens war die Überprüfung der Bescheide der Beklagten vom 25. August 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1981 und vom 24. November 1981 auf den Neuprüfungsantrag der Kläger vom 29. Oktober 1991 bzw. 9. März 1994 hin. Die Beklagte hatte in vorgenannten Bescheiden die Anerkennung und Entschädigung einer Hepatitis-B des S als BK bzw. als Folge eines Arbeitsunfalles sowie daraus resultierende Lebzeiten- und Hinterbliebenleistungen abgelehnt. Insoweit hatte auch der Kläger zu 2) ein Rechtsschutzbedürfnis und war klagebefugt. Denn für ihn steht ein Anspruch auf Waisenrente für den Zeitraum vom 1. Januar 1987 bis 9. Juni 1989 im Streit. Der Beginnzeitpunkt ergibt sich daraus, dass der Kläger zu 2) bereits unmittelbar nach Ergehen der Senatsentscheidung vom 16. Oktober 1998 ab 29. Oktober 1991 einen "Überprüfungsantrag" gestellt hatte, den die Beklagte nicht beschieden hatte und der damit nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB 10 rückwirkende Leistungen ab 1987 möglich macht. Der Endzeitpunkt entspricht der maximalen Bezugsdauer der Waisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres nach § 595 RVO, das der Kläger zu 2) am 9. Juni 1989 vollendet hatte.

Rechtsgrundlage der erneuten Überprüfung der Beklagten ist § 44 SGB 10, wonach zu entscheiden ist, ob nach Durchführung des ersten Verwaltungsverfahrens mit Erlass des Bescheides vom 25. August 1980 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1981 sowie des Bescheides vom 24. November 1981 das Recht unrichtig angewandt wurde oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erwiesen hat. Anspruchsgrundlagen für die Gewährung der Witwen- bzw. Waisenrente sind die im Falle der Kläger noch anzuwendenden Vorschriften der §§ 589 Abs. 1 und 2, 590, 595 RVO (§ 212 SGB 7, Art. 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz), wonach bei Tod des Versicherten infolge Arbeitsunfalls Hinterbliebenenrenten zu gewähren sind. Dem Tod durch Arbeitsunfall steht der Tod eines Versicherten gleich, dessen Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer BK um 50 oder mehr v.H. gemindert war. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Voraussetzung für die Feststellung einer BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, wegen der Entschädigungsleistungen beansprucht werden, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128). Anders als die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen, die im Sinne des Vollbeweises festzustellen sind, muss für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer beruflichen Belastung und dem Eintritt einer Körperschädigung nur eine Wahrscheinlichkeit bestehen. Bei sachgemäßer Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechender Umstände müssen nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.). Der ursächliche Zusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).

Die Anerkennung der Hepatitis-B-Erkrankung des S als Folge eines Arbeitsunfalls (§ 548 Abs. 1 RVO) im Zusammenhang mit der Erstehilfeleistung an einem Inder im Jahr 1961 ist unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 16. Oktober 1991 weiterhin abzulehnen. Wie erneut Prof. Mx. im Gutachten vom 10. Februar 2003 ausgeführt hat, hätte der versorgte Inder HBV-Träger oder chronisch Hepatitis-B-Erkrankter sein müssen, was weiterhin nicht feststellbar ist. Denn der Inder ist weder namentlich bekannt noch als Virusträger zu identifizieren. Da die Hepatitis-B - wie bereits in vorgenannter Entscheidung des Senats festgestellt und im tropenärztlichen Gutachten des Prof. D. vom 20. Juli 1995 erneut bestätigt - keine Tropenkrankheit im Sinne der BK-Ziffer 3104 ist, hatte die rechtliche Beurteilung durch den Senat allein unter dem Gesichtspunkt einer Infektionserkrankung im Sinne der BK-Ziffer 3101 zu erfolgen. Eine Entschädigungsmöglichkeit über die 7. BKV eröffnete insoweit allein § 551 Abs. 3 RVO, wonach als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls bei der BK entweder der Beginn der Krankheit oder der Beginn der MdE gelten kann. Da eine MdE bei S erst in der zweiten Hälfte der 70er Jahre anzunehmen war, ließ sich mit dem erstmaligem Auftreten einer MdE die Anwendung der ab 1. Juli 1968 geltenden 7. BKV begründen. Nach deren Ziffer 3101 sind als BKen auch Infektionskrankheiten anzuerkennen, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Die vorhergehende, 1961 zum Zeitpunkt des möglichen Infektionsereignisses geltende 6. BKV beschränkte den geschützten Personenkreis auf eine bestimmte Anzahl von Unternehmen, zu denen die H. AG als Beschäftigungsunternehmen des S nicht gehört hätte. Das Neuprüfungsverfahren hat ausweislich der Ausführungen der Sachverständigen Professores D. und Mx. keine Zahlen über die Hepatitis-B-Durchseuchung der indischen Bevölkerung zum Zeitpunkt der angeblichen Infektion im Jahr 1961 erbracht. Nach den von Prof. D. im tropenärztlichen Gutachten vom 20. Juli 1995 für 1991 berichteten Zahlen sollen damals 25 Millionen Inder Träger des Hepatitis-B-Virus gewesen sein. Prof. Mx. hat im Gutachten vom 10. Februar 2003 auf eine Durchseuchungsrate der BRD-Bevölkerung mit dem HBs-Antigen von 0,3 bis 0,5 % und in einigen tropischen Ländern von bis zu 30 % hingewiesen. Diese gegenüber den früheren Verfahren neuen Erkenntnisse rechtfertigen indessen keine abweichende rechtliche Beurteilung, bei der von den Grundsätzen auszugehen ist, die in erster Linie in Anlehnung an die Gefährdungssituation von Klinikpersonal entwickelt wurde.

Die haftungsbegründende Kausalität (dazu Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung SGB 7, Kommentar, Anm. 54 zu § 8) - also der Zusammenhang zwischen beruflichem Tätigwerden und dem Auftreten der Gesundheitsgefahr - verlangt im Rahmen der BK-Ziffer 3103 nicht den Nachweis einer bestimmten Infektionsquelle, etwa gerade der Person oder des Vorgangs, durch welche die Infektion erfolgte. Sie setzt jedoch den Nachweis voraus, dass der Versicherte im konkreten Einzelfall bei der beruflichen Tätigkeit während der vermutlichen Ansteckungszeit tatsächlich - das heißt durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt war (Urteile des BSG vom 28. September 1972 - 7 RU 34/72 -; Urteil des Senats vom 18. März 1998 - L 3 U 94/95 -). Auch bei den mit der Krankenpflege befassten Pflegepersonen gilt mithin nicht jede Infektionskrankheit ohne weiteres als BK, auch wenn sie generell als besonders gefährdet erscheinen. Der in jedem Einzelfall zu führende Nachweis einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr erfordert dabei grundsätzlich die Feststellung, dass der Versicherte unter Berücksichtigung des Beginns der Erkrankung während der Inkubationszeit in einem unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakt zu ansteckungsfähigen Personen stand, die an derselben Infektionskrankheit litten. Ohne den Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakts mit mindestens einer an Hepatitis-C erkrankten Person während der Ansteckungszeit kann eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Hepatitis-C-Gefährdung aber nur dann angenommen werden, wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls regelmäßig ein gewisser Prozentsatz der betreuten Patienten unerkannt an Hepatitis-C erkrankt ist und es sich deshalb um eine besonders Hepatitisgefährdetete Einrichtung handelt (BSG, Urteil vom 30. Mai 1988 - 2 RU 33/87 -). Da S nicht zu den Personengruppen der "Gesundheitsberufe" in Alternativen 1 bis 3 der BK-Ziffer 3101 gehörte, ist der Personenkreis der dortigen Alternative 4 "Versicherte, die durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt sind" zusätzlich abzugrenzen. Diese Alternative beinhaltet keinen Auffangtatbestand für jene Fälle, die nicht unter die ersten drei Alternativen einzuordnen sind. Die Gefährdungstatbestände stehen vielmehr in einem von der sozialen Schutzwürdigkeit bestimmten Zusammenhang, so dass auch hier eine der versicherten Tätigkeit innewohnende besondere Infektionsgefährdung vorhanden sein muss; die Tätigkeit muss indessen nicht den Alternativen 1 bis 3 wesensgleich sein. Maßgebend für die Anerkennung ist vielmehr, dass der Versicherte im Einzelfall durch eine gleich wie geartete versicherte Tätigkeit unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten, bekanntermaßen mit Infektionsgefahren verbundenen Unternehmen der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war wie die im Gesundheitsdienst Tätigen, die bei ihrer Arbeit erfahrungsgemäß in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gefährdet sind. Das bloße Vorhandensein einer Gefährdung reicht anders als bei den Alternativen 1 bis 3 nicht aus und die zufällige Ansteckung durch einen erkrankten Mitarbeiter ist nicht geschützt (dazu Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Anm. 6.1 und 6.3 zu M 3101 m.w.N.; LSG Rheinland-Pfalz in Breithaupt 1976, 825; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl., S. 717, LSG Niedersachsen - Urteil vom 29. September 1997 in: HV-Info 1998, 2557). Die erhöhte Ansteckungsgefahr kann auch in den klimatischen, hygienischen sozialen und sonstigen Verhältnissen des Tätigkeitsorts begründet sein, an dem der Versicherte arbeiten und seine Freizeit verbringen muss. Aber auch dabei muss das Risiko einer Infektion im Ausland höher sein wie dasjenige der Gesamtbevölkerung in der BRD und ebenso hoch wie das des Pflegepersonals in Deutschen Krankenhäusern (BSG, a.a.O.; Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Anm. 6.5). Der zeitliche Zusammenhang zwischen Gefährdung im Beruf und Auftreten der ersten Symptome bzw. der Diagnosestellung muss gewahrt sein. Die Beachtung der jeweiligen Inkubationszeit ist von Bedeutung. Der bei der Feststellung der Infektionserkrankung erhobene Befund muss für eine Neuansteckung während der Berufstätigkeit sprechen (Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Anm. 7). Die Inkubationszeit bei der Hepatitis-B beträgt zwei bis sechs Monate (dazu ärztliches Merkblatt zur BK-Ziffer 3101 in der Fassung vom 1. Dezember 2000, Bundesarbeitsblatt 2001, 35 im Anhang).

S ist Prof. Mx. zufolge - eine gegenüber der Bundesrepublik Deutschland deutlich erhöhten Hepatitis-B-Durchseuchung der indischen Bevölkerung für das Jahr 1961 einmal zugunsten der Kläger unterstellt - den in Alternativen 1 bis 3 genannten Risikogruppen nicht vergleichbar und gehört damit schon nicht zum geschützten Personenkreis der Alternative 4. Denn er verrichtete keine diesen Gruppen vergleichbar risikobehaftete Tätigkeit. Er hatte keinen Umgang mit einem vorselektierten Personenkreis, musste nicht mit scharfen Arbeitsinstrumenten hantieren und hatte keinen regelmäßigen Kontakt mit Körpersekreten und insbesondere mit durch Hepatitis-B-Viren verseuchtem Blut. Die von den Klägern immer wieder betonten katastrophalen hygienischen Verhältnisse sind für das Entstehen einer Hepatitis-B - anders als bei der Hepatitis-A und E (dazu ärztliches Merkblatt, a.a.O.) - nicht von Bedeutung. Denn die Übertragung der Hepatitis-B erfolgt nicht durch Schmierinfektion bzw. fäkal-oral, sondern parenteral durch Kontakt mit Blut oder Körperflüssigkeiten. Ein Kontakt des S mit Blut oder Körperflüssigkeiten der indischen Bevölkerung hat allenfalls in einem Einzelfall stattgefunden, als S dem Inder Erstehilfe leistete. Dabei ist zum einen ungewiss geblieben, ob der Inder Hepatitis-B-Träger war und zum anderen, ob S seinerseits damals eine Verletzung aufgewiesen hatte, so dass ein Kontakt von Blut zu Blut überhaupt vorstellbar wäre, worauf Prof. Mx. im Gutachten vom 10. Februar 2003 hingewiesen hat.

Zudem lässt sich auch der zeitliche Zusammenhang der 1976/77 fast 16 Jahre nach der angeblichen Infektion bei S erstmals diagnostizierten Hepatitis-B-Erkrankung mit dem Indienaufenthalt von 1961 nicht herstellen. Erste auf eine Hepatitis hinweisende Befunde hatte Prof. Ky. am 12. April 1976 erhoben und Prof. E. hatte diese im März 1977 bestätigt, wie Prof. Mx. beim Nachzeichnen der Krankheitsentwicklung nochmals herausgearbeitet hat. Die als geringfügig vergrößert beschriebene Leber der Jahre 1970 und 1972 dürfte alkoholtoxischer Ursache gewesen sein, was Prof. W. im Gutachten vom 30. Juni 1981 ausgeführt hatte. Seine damalige Beurteilung ist weiterhin zutreffend, wie der gutachterlichen Stellungnahme des Prof. S. vom 11. Januar 1996 und dem Gutachten des Prof. Mx. vom 10. Februar 2003 zu entnehmen ist. Eine spätere, im Sinne der Kläger positive Stellungnahme des Prof. W. vom 31. März 1989 beruhte auf der Vorgabe, dass bei S im Anschluss an die Rückkehr aus Indien eine Hepatitis-B-Erkrankung festgestellt worden ist. Dem stehen die eigenen Angaben des S über eine stabile Gesundheit im Anschluss an die Rückkehr entgegen. Auch die Beobachtung der Klägerin zu 1), die eine Gelbfärbung der Augen bei S erkannt haben will, reicht nicht aus, um vom Bestehen einer Hepatitis-B im Anschluss an die Rückkehr aus Indien auszugehen, wie Prof. Mx. bestätigt hat und was selbst Prof. D. nicht annimmt. Schließlich spricht das rasche Fortschreiten der Erkrankung nach deren Erstfeststellung in 1976/77 bis zum Tode im Jahr 1980 gegen einen langjährigen blanden Verlauf über 15 Jahre von 1961 bis 1976, worauf Prof. S. zu Recht hinweist. Letztlich kann eine besondere Gefährdung im Sinne der 4. Alternative der BK-Ziffer 3101 bei S unter Berücksichtigung seiner beruflichen Tätigkeit, des Übertragungsmechanismus für die Hepatitis-B und der konkreten Gefährdungssituation in Indien nicht bejaht werden. Zudem fehlt es am zeitlichen Zusammenhang zwischen erstmaliger Diagnosestellung und angeblicher Hepatitis-B-Virusexposition unter Beachtung der Inkubationszeit, so dass im Ergebnis weder die Feststellung des Sachverhalts noch die rechtliche Beurteilung der streitigen Zusammenhangsfrage durch die Beklagte zu beanstanden und deren Bescheide von 1980/81 nicht zurückzunehmen sind. Die Berufung der Kläger gegen die zutreffende erstinstanzliche Entscheidung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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