L 12 RJ 88/00

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 11/2 RJ 471/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 RJ 88/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 22. November 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1957 geborene Kläger hat den Beruf eines Karosseriebauers erlernt und bis Februar 1997 ausgeübt. Im Juni 1991 hatte er einen Autounfall mit Sprungbeinbruch, wegen dessen Folgen er ab 1992 nur noch halbschichtig beschäftigt war. Der Kläger bezieht eine Rente der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H.

Am 27. Juni 1997 stellte der Kläger Rentenantrag. Die Beklagte wertete einen Befundbericht des Hausarztes H., H., vom 8. Juli 1997 nebst medizinischer Unterlagen des Internisten Dr. R., G., aus dem Jahre 1996, aus und veranlasste ein chirurgisches Gutachten bei Dr. M., M ... In einer unfallbedingten Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk hielt der Gutachter nur noch leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten vollschichtig, überwiegend im Sitzen und in wechselnden Körperhaltungen für möglich. Eine Begutachtung auf einem anderen ärztlichen Fachgebiet sei nicht erforderlich. Unter Bezugnahme auf diese medizinischen Ermittlungen lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 24. November 1997 ab. Den dagegen am 9. Dezember 1997 erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1998 zurück. Der Kläger könne noch zumutbare Tätigkeiten als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie verrichten.

Dagegen hat der Kläger am 10. März 1998 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben. Das Sozialgericht Gießen hat eine Auskunft vom 23. Februar 1999 beim letzten Arbeitgeber über die berufliche Tätigkeit des Klägers eingeholt und die Leistungsakte des Arbeitsamts G. beigezogen. Weiterhin hat es einen Befundbericht bei dem Hausarzt H. vom 21. April 1998 eingeholt und Beweis erhoben durch Einholung zweier Sachverständigengutachten auf fachorthopädisch-traumatologischem und unfallchirurgischem Fachgebiet bei Prof. Dr. St., Universität G., und Prof. Dr. B., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik F ... Beide Sachverständige kommen in ihren Gutachten vom 6. Januar 1999 und 23. Juni 1999 im Wesentlichen zu gleichen Ergebnissen. Danach kann der Kläger noch leichte, zumindest kurzzeitig auch mittelschwere Arbeiten regelmäßig und vollschichtig verrichten. Eine Begutachtung auf einem anderen, insbesondere internistischem Fachgebiet wird für nicht notwendig erachtet. Weiterhin findet sich bei den Akten eine Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 27. August 1999 zu den vom Kläger noch auszuübenden Verweisungstätigkeiten.

Mit Urteil vom 22. November 1999 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger wegen der Unfallfolgen zwar in seinem Leistungsvermögen eingeschränkt sei, er jedoch noch zumindest leichte Tätigkeiten in wechselnder, schwerpunktmäßig sitzender Körperhaltung, ohne hockende und kniende Zwangshaltungen und ohne Arbeiten mit Absturzgefahr, ohne dauerndes Stehen und ohne das Tragen schwerer Lasten über 20 kg über längere Strecken und mit großer Frequenz verrichten könne. Akkordarbeiten und Arbeiten mit besonderer nervlicher Belastung und hohem Zeitdruck seien nicht mehr möglich. Die Qualität der zuletzt ausgeübten Tätigkeit sei die eines Facharbeiters, wobei es sich nicht um eine besonders hochqualifizierte Arbeit gehandelt habe und der Kläger auch nicht Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion gewesen sei. Er sei deshalb auf Anlerntätigkeiten zu verweisen, für die regelmäßig eine Ausbildung von drei Monaten bis zwei Jahren notwendig sei. Nach der Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen kämen Tätigkeiten als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie in Betracht, die regelmäßig eine Anlernzeit von acht bis elf Monaten voraussetzten, die der Kläger wegen seiner Vorkenntnisse aber nach einer dreimonatigen Einarbeitungszeit verrichten könne.

Gegen das am 29. Dezember 1999 zur Post aufgelieferte Urteil hat der Kläger am 19. Januar 2000 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er ist der Ansicht, sein gesundheitliches Leistungsvermögen sei noch auf internistischem Fachgebiet aufzuklären und im Urteil des Sozialgerichtes Gießen seien die Verweisungsgrundsätze der Rechtsprechung nicht eingehalten.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme bei dem Landesarbeitsamt Hessen vom 14. August 2000 eingeholt, nach der der Kläger in erster Linie für Montiertätigkeiten im Bereich der Elektroindustrie in Betracht komme. In einer weiteren Auskunft von "Hessen Metall, Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen e. V." vom 15. Januar 2002 ist ausgeführt, dass der Kläger als Montierer und Gerätezusammensetzer im Kleinapparatebau in der Metall- und Elektroindustrie arbeiten könne. Wegen des erlernten Berufs habe er Vorkenntnisse, um nach einer Einarbeitungszeit von sechs bis acht Wochen diese Berufstätigkeit ausüben zu können. In der Regel seien Anlerntätigkeiten nach einer Anlernphase nach der Lohngruppe 4 des Lohnrahmentarifes für Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen zu vergüten. Für den Kläger, der als gelernter Karosseriebauer auch nach Zeichnungen und Vorlagen eigenverantwortlich Teile zusammensetzen können müsste, käme eine Eingruppierung nach der Lohngruppe 6 (Fähigkeiten und Kenntnisse, die denen eines Facharbeiters gleichzusetzen sind) in Betracht.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat Beweis erhoben und ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. F., W., vom 23. Juli 2002 eingeholt. Danach sind leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig möglich. Hinweise auf psychische Störungen gibt es nicht.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 22. November 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. November 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 1998 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit,
hilfsweise,
wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1. Juni 1997 zu gewähren.

Die Beklagte, die das Urteil des Sozialgerichts Gießen für zutreffend hält, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen Einzelheiten der Beweiserhebung des Sozialgerichts Gießen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist sachlich unbegründet. Bei dem Kläger liegen weder die Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit noch die weitergehenden für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§§ 43, 44 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuches - SGB VI - i. d. F. vom 31. Dezember 2000) noch die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI i. d. F. vom 1. Januar 2001. Die angefochtenen Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts Gießen sind zu Recht ergangen.

Das gesundheitliche Leistungsvermögen des Klägers steht auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet auf Grund der Beweiserhebung des Sozialgerichts Gießen fest, Erkrankungen des nervenärztlichen Fachgebiets mit erheblichem erwerbsmindernden Dauereinfluss sind durch das auf Antrag des Klägers bei Dr. F. eingeholte Gutachten ausgeschlossen. Weitere medizinische Ermittlungen sind nicht angezeigt, insbesondere gibt es keine Hinweise dafür, dass auf internistischem Fachgebiet Befunde mit erwerbsminderndem Dauereinfluss vorliegen könnten. Aus den Befundberichten des behandelnden Arztes ist lediglich bekannt, dass ein beobachtungswerter Hypertonus besteht. Prof. Dr. St. hält aus allgemeinärztlicher Sicht eine weitere Aufklärung nicht für erforderlich, weil keine signifikanten Gesundheitsstörungen vorlägen, dies gelte auch für den berichteten Bluthochdruck, der noch keiner medikamentösen Behandlung bedürfe. Dies bestätigt auch Prof. Dr. B., der auf internistischem Fachgebiet keine weiteren Beeinträchtigungen sieht. Die ausführlichen Darlegungen zum gesundheitlichen Leistungsvermögen des Klägers im Urteil des Sozialgerichts Gießen haben weiterhin Gültigkeit, der Senat macht sich die dortige Begründung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das dem Kläger verbleibende Leistungsvermögen befähigt ihn noch, Tätigkeiten als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie auszufüllen. Der Kläger war zuletzt als Facharbeiter tätig. Er wird von seinem Arbeitgeber als hochqualifiziert beschrieben, dies genügt jedoch nicht den Anforderungen der Rechtsprechung, die an die Eingruppierung in die Gruppe der besonders hochqualifizierten Facharbeiter gestellt wird. An diesem Ergebnis ändern auch die Einwände des Klägers im Berufungsverfahren nichts. Es wird nicht bestritten, dass der Lehrberuf des Karosseriebauers qualifizierte Tätigkeiten verlangt. Eine rentenrechtliche Einstufung als "besonders qualifizierter Facharbeiter" würde jedoch verlangen, dass die vom Kläger tatsächlich ausgeübte Tätigkeit eine erheblich höhere Qualität gehabt hätte, als bei den üblichen beruflichen Aufgaben eines Karosseriebauers nötig ist. Auch nach seiner Anhörung im Termin konnte der Kläger eine solche Tätigkeit nicht wahrscheinlich machen. Er hat zwar alle anfallenden Arbeiten eines Karosseriebauers allein erledigt, es handelte sich dabei jedoch um übliche Tätigkeiten. Der Senat verzichtet auch insoweit auf eine weitere Darlegung, denn das Sozialgericht Gießen hat die Rechtslage und die dazu ergangene Rechtsprechung umfassend erläutert und zutreffend festgestellt, dass sowohl nach den Einlassungen des Klägers als auch der Auskunft des Arbeitgebers von einer üblichen Facharbeitertätigkeit ausgegangen werden müsse.

Als Facharbeiter kann der Kläger, wie das Sozialgericht Gießen ebenfalls zutreffend unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung der Sozialgerichte ausgeführt hat, auf angelernte Tätigkeiten verwiesen werden, deren Qualität von einer Anlernzeit von drei Monaten bis zwei Jahren bestimmt wird. Der Senat hat durch eine ergänzende Stellungnahme des Landesarbeitsamts Hessen und durch eine Auskunft von "Hessen Metall" nochmals überprüft, ob die genannten Verweisungstätigkeiten dem Kläger tatsächlich objektiv und subjektiv zumutbar sind. Danach ergibt sich, dass der Arbeitsmarkt in ausreichender Anzahl Montiertätigkeiten bietet, die nach der Anlernphase mit der Lohngruppe 3 (Anlerntätigkeiten) des einschlägigen Tarifvertrags entlohnt werden und die das körperliche Leistungsvermögen des Klägers nicht überfordern. Wegen der beruflichen Vorbildung des Klägers und seiner Fähigkeit nach Plänen und Vorlagen arbeiten zu können, ständen ihm auch höher entlohnte Tätigkeiten (bis Lohngruppe 6) offen, für die er nur kurzfristig eingearbeitet werden müsste. Unter beruflicher Vorbildung ist dabei insbesondere technisches Verständnis, Vertrautheit mit handwerklichen und technischen Arbeitsabläufen sowie handwerkliches Geschick zu verstehen. Die für die Verweisungstätigkeit konkret benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten sind dann in einer kurzen Einarbeitungszeit zu erwarten. Es kommt also entgegen der vom Kläger im Berufungsverfahren geäußerten Ansicht nicht darauf an, ob schon detaillierte Kenntnisse des in Aussicht genommenen Verweisungsberufs bestehen. Der mit der Verweisung für den Kläger verbundene berufliche Abstieg ist gering und ihm zuzumuten, zumal er, wie Dr. M. in seinem Gutachten ausgeführt hat, nicht bereit ist, sich einer qualifizierenden Umschulungsmaßnahme zu unterziehen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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