Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 13 RJ 2210/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 RJ 228/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 18. Januar 2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit der Rückforderung einer überzahlten Witwerrente.
Mit Bescheid vom 14. März 1990 gewährte die Beklagte dem am 14. Juni 1997 verstorbenen G. W. (Vater des Klägers) ab 1. Februar 1990 Witwerrente unter teilweiser Anrechnung des eigenen Einkommens. Diese Einkommensanrechnung kam auch in den Anpassungsbescheiden vom 27. Mai 1990 und 23. März 1991 zur Anwendung. Mit Schreiben vom 1. November 1990 teilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Beklagten mit, dass G. W. ab 1. November 1990 vorgezogenes Altersruhegeld beziehe. Aufgrund einer weiteren Mitteilung der BfA über den neuen Zahlbetrag des vorzeitigen Altersruhegeldes ab 1. Juli 1991 erließ die Beklagte am 27. Mai 1991 einen weiteren Anpassungsbescheid in dem sie unter anderem mitteilte, dass ab 1. Juli 1991 der Zahlbetrag 424,62 DM betrage. Da die Witwerrente nicht mit Einkommen zusammentreffe, trete auch kein (teilweises) Ruhen ein. Mit einem weiteren Anpassungsbescheid vom 4. Februar 1993 teilte die Beklagte mit, dass nach entsprechender Überprüfung eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 28. Februar 1993 in Höhe von 5.994,84 DM festgestellt worden sei, die zu erstatten sei. Hiergegen erhob der Vater des Klägers am 23. Februar 1993 Widerspruch. Er wandte sich sowohl gegen die Rückforderung der Überzahlung als auch generell gegen eine Einkommensanrechnung, da hierzu vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren anhängig sei. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1993 führte die Beklagte die Anhörung zu der beabsichtigten Abänderung und Rückforderung durch. Mit Bescheid vom 27. Dezember 1993 hob die Beklagte den Bescheid vom 14. März 1990 in der Gestalt der Rentenanpassungsmitteilung vom 27. Mai 1991 mit Wirkung ab 1. Juli 1991 auf und forderte den überzahlten Betrag zurück. Dabei stützte sie sich auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dem Tod von G. W. am 14. Juni 1997 hörte die Beklagte den Kläger als Sohn und Erben mit Schreiben vom 27. Oktober 1997 erneut an und erließ am 27. November 1997 unter Hinweis auf § 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den entsprechenden Erstattungsbescheid. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1998 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 6. November 1998 bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben, das dieser mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2001 stattgegeben hat. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Es lägen weder die Voraussetzungen von § 48 SGB X noch diejenigen von § 45 SGB X vor. Bei dem Kläger habe weder eine grobe Fahrlässigkeit vorgelegen noch habe die Beklagte innerhalb der nach § 45 Abs. 4 SGB X zu fordernde Jahresfrist seit Kenntnis aller Tatsachen einen entsprechenden Rückforderungsbescheid erlassen. Die Beklagte habe bereits seit dem 9. November 1990 - dem Tag des Eingangs der Mitteilung der BfA bei der Beklagten - von allen relevanten Umständen Kenntnis gehabt. Damit sei eine Bescheidrücknahme nur bis zum 9. November 1991 möglich gewesen.
Gegen diesen der Beklagten am 29. Januar 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 27. Februar 2001 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Sie ist der Auffassung, dass eine Umdeutung möglich sei und dass sämtliche Voraussetzungen von § 45 SGB X vorlägen. Insbesondere habe der Vater des Klägers grob fahrlässig gehandelt, da ihm als langjährigem Versichertenältesten sofort die Diskrepanz der Zahlungseingänge hätte auffallen müssen. Sie habe auch die Jahresfrist eingehalten, da sie frühestens mit der Überprüfung im Anpassungsbescheid vom 4. Februar 1993 von allen relevanten Tatsachen Kenntnis gehabt habe. Der entsprechende Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid sei am 27. Dezember 1993, also innerhalb der Jahresfrist, ergangen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 18. Januar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Sie ist auch sachlich begründet.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 18. Januar 2001 sowie die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Der Kläger ist nach § 1967 BGB verpflichtet, den Betrag in Höhe von 5.994,84 DM an die Beklagte zu zahlen.
Die zunächst von der Beklagten vertretene Auffassung, dass eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 SGB X dadurch eingetreten sei, dass die BfA ihr (Eingang dort am 9. November 1990) mitgeteilt habe, G. W. habe ab 1. November 1990 vorzeitiges Altersruhegeld und nicht mehr Arbeitslosengeld bezogen, ist falsch. Die Beklagte hat nämlich mit Anpassungsbescheid vom 23. März 1991 zutreffenderweise noch eine Einkommensanrechnung vorgenommen, so dass sich der Anpassungsbescheid vom 27. Mai 1991 von Anfang an als rechtswidrig erweist. Die von der Beklagten getroffene Entscheidung, es liege kein Zusammentreffen mit Einkommen vor, war deshalb unzutreffend.
Eine Korrektur kann daher lediglich nach § 45 SGB X stattfinden. Eine entsprechende Umdeutung ist dann möglich, wenn alle Voraussetzungen von § 45 SGB X vorliegen. Hierauf weist auch die Beklagte zu Recht hin.
Vorliegend ist diese Umdeutung möglich. Der Bescheid vom 14. März 1990 in der Gestalt des Anpassungsbescheides vom 27. Mai 1991 war rechtswidrig, soweit festgestellt worden ist, es liege kein Zusammentreffen mit anderweitigem Einkommen vor. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass in den vorhergehenden Anpassungsbescheiden jeweils zutreffenderweise eine Einkommensanrechnung stattgefunden hat. Daran hat sich mit dem Wechsel von Arbeitslosenbezug zu Bezug von vorzeitigem Altersruhegeld nichts geändert.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Klägers hat die Beklagte auch die Ein-Jahres-Frist eingehalten. Soweit das Sozialgericht den Beginn der Jahresfrist mit dem 9. November 1990 (Eingang der Mitteilung der BfA bei der Beklagten über den Bezug von vorzeitigem Altersruhegeld) annimmt, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Im Anpassungsbescheid vom 23. März 1991 hat die Beklagte noch zutreffend eine Einkommensanrechnung vorgenommen und den Zahlbetrag auf 123,65 DM festgesetzt. Aus den Akten der Beklagten ergibt sich erst aus dem Anpassungsbescheid vom 4. Februar 1993, dass nach erneuter Überprüfung die Überzahlung in Höhe von 5.994,84 DM festgestellt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen der Behörde, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann, auch diejenigen Tatsachen bekannt sein, die für die Aufhebung vorausgesetzt werden. Das heißt die Jahresfrist beginnt dann zu laufen, wenn die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass der Kläger die (teilweise) Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Maßgeblich ist damit der Zeitpunkt, zu dem die Behörde aufgrund des ermittelten Sachverhalts Kenntnis von der Bösgläubigkeit des Klägers hatte. Das heißt, die entsprechende Kenntnis liegt dann vor, wenn mangels vernünftiger, objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichende sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung notwendiger Tatsachen besteht. Dabei ist in erster Linie auf den Standpunkt der Behörde und zwar des für die Rücknahmeentscheidung zuständigen Sachbearbeiters abzustellen, es sei denn, deren sichere Erkenntnis liegt bei objektiver Betrachtung bereits zu einem früheren Zeitpunkt vor (Urteile des BSG vom 27. Juli 2000 - B 7 AL 88/99 R; Urteil vom 8. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 jeweils m.w.N.). Wie bereits ausgeführt, ergeben sich frühestens aus dem Anpassungsbescheid vom 4. Februar 1993 sichere Hinweise, dass die Voraussetzungen einer Aufhebung für die Vergangenheit vorliegen. Damit liegt der am 27. Dezember 1993 ergangene Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung noch innerhalb der Jahresfrist von § 45 Abs. 4 Satz 1, 2 SGB X.
Unstreitig liegt auch die Zehn-Jahres-Frist von § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X vor. Die Zehn-Jahres-Frist ist deshalb anzuwenden, da der Kläger sich entsprechend § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann, da er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (vom 27. Mai 1991) infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Nach der Gesetzesdefinition liegt grobe Fahrlässigkeit dann vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Da bei der Überprüfung jeweils auf den Einzelfall abgestellt werden muss, können hier zwei Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Zunächst ergibt sich doch ein gravierender Unterschied in den Zahlungen mit und ohne Einkommensanrechnung bzw. in den Anpassungsbescheiden vom 23. März 1991 und 27. Mai 1991. Nach einer monatlichen Zahlung von 123,65 DM ergab sich dann nach dem Bescheid vom 27. Mai 1991 ohne erkennbaren Grund ein Zahlbetrag von 424,62 DM. Ein Unterschied von über 300,00 DM monatlich muss auch einem juristischen Laien auffallen. Der Vater des Klägers war jedoch kein juristischer Laie, sondern langjähriger Versichertenältester der Beklagten, so dass hier andere Maßstäbe anzulegen sind. Durch seine langjährige Beratungspraxis hätte ihm dieser Unterschied erst recht auffallen müssen. Zutreffend weist die Beklagte in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass ihm die Regelungen der Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten nicht unbekannt gewesen sind. Dies zeigt bereits sein Hinweis auf ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren über die Anrechnung von eigenem Einkommen bei der Hinterbliebenenrente (Schreiben vom 5. März 1993). Damit entfällt eine Berufung auf ein schutzwürdiges Vertrauen im Sinne von § 45 Abs. 2 SGB X. Letztlich hat die Beklagte auch ihre Ermessenserwägungen dargelegt, die sie bis zum Abschluss des Vorverfahrens mit heilender Wirkung nachholen konnte (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar Bd. II, SGB X, § 45 Rdnr. 62). Die im Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1998 dargelegten Ermessenserwägungen sind ausreichend. Die Beklagte weist richtigerweise darauf hin, dass die rechtswidrige Leistung nicht durch den Vater des Klägers verursacht worden ist, der diesen Fehler aber hätte erkennen müssen. Auch unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sei die Rückforderung, so der Widerspruchsbescheid, nicht ermessensfehlerhaft. Diese Erwägungen sind unter Ermessensgesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden.
Letztlich hat die Beklagte auch eine zutreffende Anhörung durchgeführt. Diese muss sich zunächst auch auf Ermessenserwägungen beziehen. Für den Adressaten der Anhörung, sowohl den Vater des Klägers als auch den Klägers selbst war jedoch durch das Anhörungsschreiben klar, dass man den überzahlten Betrag zurückfordern wolle und sich die Anhörung insbesondere darauf bezog, im Rahmen der Ermessenserwägungen näheres zur finanziellen Lage zu erfahren. Eine nähere Stellungnahme in der Sache ist jedoch weder von dem Vater des Klägers noch von dem Kläger selbst erfolgt.
Abschließend ist daher festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Umdeutung der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide von § 48 SGB X nach § 45 SGB X möglich gewesen ist, da sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit der Rückforderung einer überzahlten Witwerrente.
Mit Bescheid vom 14. März 1990 gewährte die Beklagte dem am 14. Juni 1997 verstorbenen G. W. (Vater des Klägers) ab 1. Februar 1990 Witwerrente unter teilweiser Anrechnung des eigenen Einkommens. Diese Einkommensanrechnung kam auch in den Anpassungsbescheiden vom 27. Mai 1990 und 23. März 1991 zur Anwendung. Mit Schreiben vom 1. November 1990 teilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Beklagten mit, dass G. W. ab 1. November 1990 vorgezogenes Altersruhegeld beziehe. Aufgrund einer weiteren Mitteilung der BfA über den neuen Zahlbetrag des vorzeitigen Altersruhegeldes ab 1. Juli 1991 erließ die Beklagte am 27. Mai 1991 einen weiteren Anpassungsbescheid in dem sie unter anderem mitteilte, dass ab 1. Juli 1991 der Zahlbetrag 424,62 DM betrage. Da die Witwerrente nicht mit Einkommen zusammentreffe, trete auch kein (teilweises) Ruhen ein. Mit einem weiteren Anpassungsbescheid vom 4. Februar 1993 teilte die Beklagte mit, dass nach entsprechender Überprüfung eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 28. Februar 1993 in Höhe von 5.994,84 DM festgestellt worden sei, die zu erstatten sei. Hiergegen erhob der Vater des Klägers am 23. Februar 1993 Widerspruch. Er wandte sich sowohl gegen die Rückforderung der Überzahlung als auch generell gegen eine Einkommensanrechnung, da hierzu vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren anhängig sei. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1993 führte die Beklagte die Anhörung zu der beabsichtigten Abänderung und Rückforderung durch. Mit Bescheid vom 27. Dezember 1993 hob die Beklagte den Bescheid vom 14. März 1990 in der Gestalt der Rentenanpassungsmitteilung vom 27. Mai 1991 mit Wirkung ab 1. Juli 1991 auf und forderte den überzahlten Betrag zurück. Dabei stützte sie sich auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dem Tod von G. W. am 14. Juni 1997 hörte die Beklagte den Kläger als Sohn und Erben mit Schreiben vom 27. Oktober 1997 erneut an und erließ am 27. November 1997 unter Hinweis auf § 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den entsprechenden Erstattungsbescheid. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1998 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 6. November 1998 bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben, das dieser mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2001 stattgegeben hat. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Es lägen weder die Voraussetzungen von § 48 SGB X noch diejenigen von § 45 SGB X vor. Bei dem Kläger habe weder eine grobe Fahrlässigkeit vorgelegen noch habe die Beklagte innerhalb der nach § 45 Abs. 4 SGB X zu fordernde Jahresfrist seit Kenntnis aller Tatsachen einen entsprechenden Rückforderungsbescheid erlassen. Die Beklagte habe bereits seit dem 9. November 1990 - dem Tag des Eingangs der Mitteilung der BfA bei der Beklagten - von allen relevanten Umständen Kenntnis gehabt. Damit sei eine Bescheidrücknahme nur bis zum 9. November 1991 möglich gewesen.
Gegen diesen der Beklagten am 29. Januar 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 27. Februar 2001 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Sie ist der Auffassung, dass eine Umdeutung möglich sei und dass sämtliche Voraussetzungen von § 45 SGB X vorlägen. Insbesondere habe der Vater des Klägers grob fahrlässig gehandelt, da ihm als langjährigem Versichertenältesten sofort die Diskrepanz der Zahlungseingänge hätte auffallen müssen. Sie habe auch die Jahresfrist eingehalten, da sie frühestens mit der Überprüfung im Anpassungsbescheid vom 4. Februar 1993 von allen relevanten Tatsachen Kenntnis gehabt habe. Der entsprechende Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid sei am 27. Dezember 1993, also innerhalb der Jahresfrist, ergangen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 18. Januar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Sie ist auch sachlich begründet.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 18. Januar 2001 sowie die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Der Kläger ist nach § 1967 BGB verpflichtet, den Betrag in Höhe von 5.994,84 DM an die Beklagte zu zahlen.
Die zunächst von der Beklagten vertretene Auffassung, dass eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 SGB X dadurch eingetreten sei, dass die BfA ihr (Eingang dort am 9. November 1990) mitgeteilt habe, G. W. habe ab 1. November 1990 vorzeitiges Altersruhegeld und nicht mehr Arbeitslosengeld bezogen, ist falsch. Die Beklagte hat nämlich mit Anpassungsbescheid vom 23. März 1991 zutreffenderweise noch eine Einkommensanrechnung vorgenommen, so dass sich der Anpassungsbescheid vom 27. Mai 1991 von Anfang an als rechtswidrig erweist. Die von der Beklagten getroffene Entscheidung, es liege kein Zusammentreffen mit Einkommen vor, war deshalb unzutreffend.
Eine Korrektur kann daher lediglich nach § 45 SGB X stattfinden. Eine entsprechende Umdeutung ist dann möglich, wenn alle Voraussetzungen von § 45 SGB X vorliegen. Hierauf weist auch die Beklagte zu Recht hin.
Vorliegend ist diese Umdeutung möglich. Der Bescheid vom 14. März 1990 in der Gestalt des Anpassungsbescheides vom 27. Mai 1991 war rechtswidrig, soweit festgestellt worden ist, es liege kein Zusammentreffen mit anderweitigem Einkommen vor. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass in den vorhergehenden Anpassungsbescheiden jeweils zutreffenderweise eine Einkommensanrechnung stattgefunden hat. Daran hat sich mit dem Wechsel von Arbeitslosenbezug zu Bezug von vorzeitigem Altersruhegeld nichts geändert.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Klägers hat die Beklagte auch die Ein-Jahres-Frist eingehalten. Soweit das Sozialgericht den Beginn der Jahresfrist mit dem 9. November 1990 (Eingang der Mitteilung der BfA bei der Beklagten über den Bezug von vorzeitigem Altersruhegeld) annimmt, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Im Anpassungsbescheid vom 23. März 1991 hat die Beklagte noch zutreffend eine Einkommensanrechnung vorgenommen und den Zahlbetrag auf 123,65 DM festgesetzt. Aus den Akten der Beklagten ergibt sich erst aus dem Anpassungsbescheid vom 4. Februar 1993, dass nach erneuter Überprüfung die Überzahlung in Höhe von 5.994,84 DM festgestellt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen der Behörde, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann, auch diejenigen Tatsachen bekannt sein, die für die Aufhebung vorausgesetzt werden. Das heißt die Jahresfrist beginnt dann zu laufen, wenn die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass der Kläger die (teilweise) Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Maßgeblich ist damit der Zeitpunkt, zu dem die Behörde aufgrund des ermittelten Sachverhalts Kenntnis von der Bösgläubigkeit des Klägers hatte. Das heißt, die entsprechende Kenntnis liegt dann vor, wenn mangels vernünftiger, objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichende sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung notwendiger Tatsachen besteht. Dabei ist in erster Linie auf den Standpunkt der Behörde und zwar des für die Rücknahmeentscheidung zuständigen Sachbearbeiters abzustellen, es sei denn, deren sichere Erkenntnis liegt bei objektiver Betrachtung bereits zu einem früheren Zeitpunkt vor (Urteile des BSG vom 27. Juli 2000 - B 7 AL 88/99 R; Urteil vom 8. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 jeweils m.w.N.). Wie bereits ausgeführt, ergeben sich frühestens aus dem Anpassungsbescheid vom 4. Februar 1993 sichere Hinweise, dass die Voraussetzungen einer Aufhebung für die Vergangenheit vorliegen. Damit liegt der am 27. Dezember 1993 ergangene Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung noch innerhalb der Jahresfrist von § 45 Abs. 4 Satz 1, 2 SGB X.
Unstreitig liegt auch die Zehn-Jahres-Frist von § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X vor. Die Zehn-Jahres-Frist ist deshalb anzuwenden, da der Kläger sich entsprechend § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann, da er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (vom 27. Mai 1991) infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Nach der Gesetzesdefinition liegt grobe Fahrlässigkeit dann vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Da bei der Überprüfung jeweils auf den Einzelfall abgestellt werden muss, können hier zwei Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Zunächst ergibt sich doch ein gravierender Unterschied in den Zahlungen mit und ohne Einkommensanrechnung bzw. in den Anpassungsbescheiden vom 23. März 1991 und 27. Mai 1991. Nach einer monatlichen Zahlung von 123,65 DM ergab sich dann nach dem Bescheid vom 27. Mai 1991 ohne erkennbaren Grund ein Zahlbetrag von 424,62 DM. Ein Unterschied von über 300,00 DM monatlich muss auch einem juristischen Laien auffallen. Der Vater des Klägers war jedoch kein juristischer Laie, sondern langjähriger Versichertenältester der Beklagten, so dass hier andere Maßstäbe anzulegen sind. Durch seine langjährige Beratungspraxis hätte ihm dieser Unterschied erst recht auffallen müssen. Zutreffend weist die Beklagte in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass ihm die Regelungen der Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten nicht unbekannt gewesen sind. Dies zeigt bereits sein Hinweis auf ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren über die Anrechnung von eigenem Einkommen bei der Hinterbliebenenrente (Schreiben vom 5. März 1993). Damit entfällt eine Berufung auf ein schutzwürdiges Vertrauen im Sinne von § 45 Abs. 2 SGB X. Letztlich hat die Beklagte auch ihre Ermessenserwägungen dargelegt, die sie bis zum Abschluss des Vorverfahrens mit heilender Wirkung nachholen konnte (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar Bd. II, SGB X, § 45 Rdnr. 62). Die im Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1998 dargelegten Ermessenserwägungen sind ausreichend. Die Beklagte weist richtigerweise darauf hin, dass die rechtswidrige Leistung nicht durch den Vater des Klägers verursacht worden ist, der diesen Fehler aber hätte erkennen müssen. Auch unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sei die Rückforderung, so der Widerspruchsbescheid, nicht ermessensfehlerhaft. Diese Erwägungen sind unter Ermessensgesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden.
Letztlich hat die Beklagte auch eine zutreffende Anhörung durchgeführt. Diese muss sich zunächst auch auf Ermessenserwägungen beziehen. Für den Adressaten der Anhörung, sowohl den Vater des Klägers als auch den Klägers selbst war jedoch durch das Anhörungsschreiben klar, dass man den überzahlten Betrag zurückfordern wolle und sich die Anhörung insbesondere darauf bezog, im Rahmen der Ermessenserwägungen näheres zur finanziellen Lage zu erfahren. Eine nähere Stellungnahme in der Sache ist jedoch weder von dem Vater des Klägers noch von dem Kläger selbst erfolgt.
Abschließend ist daher festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Umdeutung der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide von § 48 SGB X nach § 45 SGB X möglich gewesen ist, da sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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