L 3 U 647/99

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 1642/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 647/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 8/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. April 1999 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 1995 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin aus Anlass des Todes ihres Ehemannes B. A. Hinterbliebenenleistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Hinterbliebenenleistungen nach ihrem am 24. September 1957 geborenen und am 17. Februar 1995 verstorbenen Ehemann B. A. (Versicherter).

Der Versicherte, der wie die Klägerin der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörte, erlitt am 10. März 1994 auf dem Nachhauseweg von der Arbeit mit seinem Pkw einen Verkehrsunfall, als er in Schlangenlinien fahrend über seine sonst übliche Schnellstraßenabfahrt hinaus fuhr und frontal mit einem anderen Pkw zusammenstieß, dessen Fahrer noch an der Unfallstelle verstarb. Der Versicherte wurde deswegen später durch Urteil des Amtsgerichts Wetzlar vom 13. Dezember 1994 (Az.: Ls 23 Js 1302/94) verwarnt, wobei aufgrund eines rechtsmedizinischen Gutachtens davon ausgegangen wurde, dass er zum Unfallzeitpunkt wegen eines Zuckerschocks fahruntüchtig war. Durch den Unfall zog sich der Versicherte bei vorbestehendem insulinpflichtigem Diabetes mellitus und dialysepflichtiger Niereninsuffizienz mit renaler Anämie und HIV-Infektion ein Schädel-Hirn-Trauma und zahlreiche Frakturen u.a. im Bereich der linken Hüftgelenkpfanne zu. Im erstbehandelnden Kreiskrankenhaus W. wurde eine Operation nicht durchgeführt, weil der Versicherte die Transfusion von Fremdblutbestandteilen (Erythrozyten und Plasma, Thrombozyten) aus Glaubensgründen ablehnte. Im Zuge der Weiterbehandlung in der auf die Problematik der operativen Versorgung von Zeugen Jehovas eingerichteten unfallchirurgischen Universitätsklinik B. wurde am 21. März 1994 die Hüftgelenkluxationsfraktur links mit einer dorsalen Plattenosteosynthese versorgt und nach Sturz aus dem Bett mit der Folge einer Subluxation am 14. April 1994 ein Fixateur externe angelegt. Am 15. September 1994 wurde wegen Hüftkopfnekrose eine Hüftgelenktotalendoprothese implantiert, am 28. September 1994 wegen Pfannenlockerung ein Pfannenwechsel und am 11. Oktober 1994 wegen eines tiefen Infekts eine Wundrevision durchgeführt. Sämtliche Operationen erfolgten ohne Fremdblutübertragung. Im Januar 1995 wurde im Kreiskrankenhaus W. eine Lockerung der Abstützplatte im Operationsgebiet und außerdem eine Entzündung mit Abszessbildung festgestellt. In der Universitätsklinik B. wurde bei der anschließenden stationären Behandlung ein Wiederaufflackern des Hüftgelenkinfekts mit reichlich Staphylococcus aureus bestätigt. Die Klinik teilte der Beklagten telefonisch mit, dass die erneut erforderliche Operation (septischer Prothesenwechsel) lebensgefährlich sei, da bekanntermaßen kein Fremdblut eingesetzt werden könne, man in B. diese Operation nicht riskieren werde und der Versicherte dafür in die E-Klinik H. verlegt werden solle, da ohne Operation in jedem Fall mit tödlichem Ausgang zu rechnen sei. Die Beklagte erklärte sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden.

Am 17. Februar 1995 wurde dann in der E-Klinik H., die über besondere Erfahrungen im Bereich der septischen Endoprothesenrevision und auch des autologen Transfusionskonzepts, d.h. der Durchführung von Operationen ohne die Gabe von Fremdblut verfügt, "bei fistelnder tiefer Infektion" eine große Hüftprothesenwechseloperation mit radikalem Weichteildébridement und komplettem Austausch des Fremdmaterials durchgeführt. Vorab waren der Versicherte und die Klägerin in mehreren Aufklärungsgesprächen auf das hohe Risiko eines so ausgedehnten Eingriffs ohne Transfusion von Fremdblutderivaten bzw. darauf hingewiesen worden, dass der Versicherte ggf. an den Folgen der Operation bzw. des zu erwartenden Blutverlustes/der Blutverdünnung sterben würde. Dennoch wurde vom Versicherten die Gabe von Fremdblutprodukten auch für den Fall abgelehnt, dass sie von den Ärzten als lebensrettend eingestuft würde. Die von vielen Zeugen Jehovas ebenfalls abgelehnte maschinelle Autotransfusion (MAT), bei der intraoperativ abgesaugtes Wundblut und das postoperativ aus Drainagen verlorene Blut gesammelt, maschinell aufbereitet und zurückgegeben wird, wurde von ihm akzeptiert. Mittels dieses Verfahrens kommen allerdings nur die den Sauerstoff transportierenden Erythrozyten (rote Blutkörperchen) zur Retransfusion, nicht aber die für die Blutgerinnung essentiellen Plasmabestandteile und die Thrombozyten (Blutplättchen). Der Versicherte, dessen Hämoglobinkonzentration (HbK) zu Beginn der Operation mit 11,2 g/dl diskret erniedrigt war (Normalwerte beim Mann ca. 12,5 bis 14,5 g/dl), verlor operativ ca. fünf bis sechs Liter und postoperativ über die Drainage 12 bis 16 Liter Blut. Trotz der Rückgabe großer Mengen gewaschenen Erythrozytenkonzentrats verstarb er gegen 19.45 Uhr auf der Intensivstation an Herzkreislaufversagen wegen Mangel an Sauerstoff für die Gewebe bei schwerster Anämie (HbK 0,5 g/dl) als Folge der Massivblutung bei ausgeprägter, nicht beherrschbarer intra- und postoperativer Gerinnungsstörung. Zuvor war laut Abschlussbericht vom 20. Februar 1995 des Dr. Sch./Priv.-Doz. Dr. S., Abteilung Anästhesiologie, Intensiv- und Transfusionsmedizin, noch erfolglos versucht worden, von der Klägerin und dem Bruder des Versicherten die Zustimmung für die Gabe homologer Blutprodukte zu erhalten. Priv.-Doz. Dr. S. teilte in seinem Schreiben an die Beklagte vom 7. März 1995 mit, dass der Tod des Versicherten in mittelbarem Zusammenhang mit dem am 10. März 1994 erlittenen Unfall stehe. Im Abschlussbericht des Operateurs Dr. St./Dr. W. vom 3. April 1995 hieß es u.a., dass sich "die Indikation zur operativen Revision im Bereich des linken Hüftgelenks aus dem Wunsch des Patienten, wieder ein funktionstüchtiges Gelenk zu erhalten, das schmerzfrei ohne Fistelung in einem ausreichenden Bewegungsumfang für die nächste Zeit belastungsfähig ist," gestellt habe, dieses Ziel nach ärztlicher Auffassung nur durch eine klassische Wechseloperation zu erreichen gewesen sei und der Versicherte trotz des hohen Risikos, durch die Folgen des Blutverlustes bzw. die Blutverdünnung im Rahmen des operativen Eingriffs zu versterben, auf Durchführung der Operation "bestanden" habe.

Durch Bescheid vom 2. August 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. September 1995 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Todes des Versicherten ab. Die Operation am 17. Februar 1995 sei zwar aufgrund der Folgen des am 10. März 1994 erlittenen Arbeitsunfalls erforderlich gewesen. Der dadurch eingetretene Tod sei jedoch nicht mittelbare Folge des Arbeitsunfalls, sondern beruhe ausschließlich und rechtlich allein wesentlich darauf, dass der Versicherte aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas durch seine höchstpersönliche Entscheidung die Gabe von Bluttransfusionen trotz mehrfacher Aufklärung über die möglichen lebensgefährlichen Folgen seitens der behandelnden Ärzte abgelehnt habe und damit den tödlichen Ausgang der Operation aus religiösen Gründen billigend in Kauf genommen habe. Es sei davon auszugehen, dass der Versicherte ohne die Verweigerung von Bluttransfusionen die Operation mit Wahrscheinlichkeit überlebt hätte. Der Grundsatz der Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz -GG-) begründe keinen Anspruch auf Leistungen gegen den Staat, die allein aufgrund der religiösen Überzeugung erforderlich würden. Infolgedessen seien auch die gezahlten Vorschüsse auf die Rente im Sterbevierteljahr in Höhe von insgesamt 8.900,00 DM zu Unrecht gezahlt worden.

Am 4. Oktober 1995 hat die Klägerin hiergegen beim Sozialgericht Gießen (SG) Klage erhoben.

Das SG hat zunächst von Amts wegen das fachorthopädische Gutachten vom 30. Juli 1997 des Prof. Dr. G., Orthopädische Universitätsklinik M., eingeholt. Dieser ist davon ausgegangen, dass eine Operation zunächst überhaupt nicht hätte durchgeführt werden müssen, wenn der Versicherte nicht einen so hohen Anspruch an die Funktionstüchtigkeit des Hüftgelenks gehabt und die Operation deshalb offensichtlich gewünscht hätte. Auch im Falle der operativen Indikationsstellung hätten alternative Verfahren mit entsprechend geringerem Blutverlust zur Verfügung gestanden. Da die Blutverluste bei einer Wechseloperation ein Mehrfaches der bei einer gewöhnlichen Primäroperation auftretenden Blutverluste betragen könnten und beim Versicherten noch das Risiko einer möglicherweise darüber hinaus erhöhten Blutungsneigung bedingt durch die vorbestehende dialysepflichtige Niereninsuffizienz hinzugekommen sei, habe bei der durchgeführten Operation von vornherein das sehr hohe Risiko eines letalen Ausgangs bestanden, das durch die aufgrund des bestehenden Infekts in fraglicher Indikationsstellung durchgeführte Cell-Saving-Prozedur nicht nachhaltig habe verkleinert werden können. Durch eine ausreichende homologe Bluttransfusion hätte der tödliche Ausgang mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden werden können. Gegenüber dem Risiko des zum Tode führenden Abfalls des Hämoglobins seien die medizinischen Risiken einer Bluttransfusion (z.B. Aids- oder Hepatitisinfektion) absolut zu vernachlässigen. Zusammenfassend müsse der medizinische Sachverhalt so interpretiert werden, dass der Versicherte den Tod billigend in Kauf genommen habe.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ferner das Gutachten vom 20. November 1998 des Prof. Dr. von Bx., J-Hospital D., in Auftrag gegeben worden. Dieser hat zunächst eine Stellungnahme des Operateurs Dr. St. vom 10. September 1998 eingeholt. Darin teilte dieser mit, dass die einzeitige Wechseloperation bei dem Versicherten trotz der überragenden Risiken selbstverständlich nicht deshalb durchgeführt worden sei, weil dieser dies gewünscht und insistiert habe, sondern weil er damit einverstanden gewesen sei, dass die in der Endo-Klinik routinemäßig vorgenommene einzeitige Austauschoperation bei infizierten Kunstgelenken auch bei ihm trotz erheblicher Risiken angewendet werden sollte. Die Dringlichkeit des Eingriffs bei Vorliegen einer periprothetischen Infektion ergebe sich aus dem Krankheitsbild selbst. Ganz allgemein bestehe bei jedem Patienten mit infizierter Hüft- oder Kniegelenkendoprothese, insbesondere aber bei Personen mit reduzierter Eigenabwehr wie HIV-positiven Patienten, ein erhöhtes potentielles Risiko einer generalisierten Sepsis. Es sei also nur sinnvoll, bei Vorliegen einer solchen periprothetischen Infektion eine Methode mit maximaler Erfolgswahrscheinlichkeit anzuwenden, speziell um Risikopatienten dadurch wiederholte "kleinere" Eingriffe zu ersparen. Die angewandte Methode des einzeitigen Austauschs sei jahrzehntelang erprobt und wissenschaftlich belegbar in einem sehr hohen Maße (87 %) erfolgreich und damit auch bei Risikopatienten absolut berechtigt. Das beim Versicherten erstrebte Ergebnis der dauerhaften Sanierung des Infekts mit Prävention einer Komplikation im Sinne einer generalisierten Sepsis hätte entgegen Prof. Dr. G. anderweitig in keiner Weise erreicht werden können. Aufgrund des Verlaufs beim Versicherten, der auf ihn - den Operateur - einen dauerhaften traumatisierenden Einfluss gehabt habe, würde er heute persönlich mit Sicherheit allerdings keinen Zeugen Jehovas mehr einem septischen Hüftprothesenwechsel unterziehen, wenn dieser darauf bestehe, ohne Fremdblut operiert zu werden. Unabhängig hiervon führe er auch ohne Fremdblut weiterhin primäre Hüftgelenkoperationen und auch aseptische überschaubare Revisionseingriffe durch.

Der Sachverständige Prof. Dr. von Bx. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die dem Versicherten ärztlicherseits vorgeschlagene große Wechseloperation danach die einzige adäquate therapeutische Möglichkeit sowohl zur Verhinderung schwerer Komplikationen in Form eines systemischen septisch-toxischen und damit lebensbedrohlichen Geschehens als auch zur Erreichung eines optimalen funktionellen Ergebnisses dargestellt habe und Wünsche des Versicherten mit der medizinisch begründeten Indikation allenfalls kongruent gewesen seien. Der umfangreiche Eingriff mit Freilegung eines großen Knochen- und Weichteilgebiets und konsekutiver, nicht beherrschbarer Blutung habe den zweifellos durch Herzkreislaufversagen wegen Sauerstoffmangel der Gewebe bei schwerster Anämie eingetretenen Tod des Versicherten verursacht, der damit als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 10. März 1994 anzusehen sei. Der tödliche Verlauf sei nicht primär auf die Ablehnung einer Bluttransfusion zurückzuführen; die eingetretene Komplikation im Sinne einer schweren Blutung sei dadurch lediglich begünstigt worden. Der großen Wechseloperation müsse auch heute noch nicht zuletzt wegen des zu erwartenden hohen Blutverlustes von 3,5 bis 6 Litern ein hohes Risiko für das Überleben des Patienten attestiert werden, ohne dass dieses Risiko jedoch quantifizierbar sei. Dieses Risiko sei beim Versicherten durch seine Vorerkrankungen (Niereninsuffizienz, HIV-positiver Befund, Infektion des Hüftimplantates) sowie speziell durch seine strikte Weigerung, die Transfusion von Fremdblutprodukten zu akzeptieren, vergrößert worden. In keinem Fall habe es sich jedoch unter der vorgegebenen Bedingung der Transfusionsverweigerung um einen ausweglosen/chancenlosen Eingriff oder nur um einen verzweifelten Versuch gehandelt. Derartige Eingriffe würden zwar nur in weniger als 10 % der Fälle ohne Bluttransfusion ausgeführt. Es könne jedoch durchaus unterstellt werden, dass bei einem erheblich größeren Patientenanteil bei strenger Transfusionsindikation eine Wechseloperation auch ohne Fremdblutgabe ausgeführt werden könnte, bei der trotz höchster Sicherheitsstandards ein Restrisiko der Infektionsübertragung (HIV = extrem unwahrscheinlich, Hepatitis B und C) und der Immunsuppression (Schwächung der Körperabwehr des Empfängers) verbleibe. Ein klar definierter Grenzwert der aktuellen HbK, deren Unterschreiten eine Bluttransfusion erforderlich mache, sei medizinisch nicht gesichert, ebenso wenig ein beweisbarer Zusammenhang zwischen Transfusionsstrategie und der Überlebensrate chirurgischer Patienten. Belegt sei lediglich, dass der übliche Transfusions-"Trigger" (HbK-Wert ( 10 g/dl) ohne Nachteil für die behandelten Patienten deutlich unterschritten werden könne. Zahlreiche Untersuchungen und publizierte Erfahrungen zeigten auch, dass sich bei der operativen Versorgung von Zeugen Jehovas mit großen und größten chirurgischen Eingriffen, einschließlich unterschiedlicher klassisch blutverlustreicher Eingriffe (z.B. Hüftgelenkendoprothese, Herz- und Nierentransplantation), die klinischen Verläufe und die Effektivität der chirurgischen Intervention (Sterblichkeit, Komplikationen, funktionelles Ergebnis, Dauer der Krankenhausaufenthalte, Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess) nicht bzw. überwiegend nicht von den Verlaufsdaten "normaler" Patientenkollektive mit dem Einsatz von Bluttransfusionen unterschieden. Zudem belege die Dokumentation extremer Anämien nach dramatischen Blutverlusten durch Verletzungen oder während operativer Eingriffe bei Zeugen Jehovas, dass selbst ein HbKAbfall auf einen nach allgemeiner Lehrmeinung mit dem Leben bzw. Überleben des Menschen nicht vereinbaren Wert (HbK ( 10 % des Normalwertes/plasmatische Gerinnung nicht mehr messbar) in keineswegs seltenen Fällen auch ohne Gerinnungs- und Wundheilungsstörungen verlaufen und ohne Schaden überlebt werden könne. Demgemäß habe bei der beim Versicherten geplanten und durchgeführten großen Wechseloperation trotz des sehr hohen Risikos durchaus eine realistische Erfolgschance sowohl für das Überleben des Versicherten als auch f ür eine Behebung des mit dem Eingriff angegangenen Grundleidens bestanden, zumal der Versicherte in der Universitätsklinik B. schon mehrere größere operative Eingriffe trotz extrem niedriger HbK (( 3,5 g/dl) überstanden habe. Unzweifelhaft sei der Versicherte nicht offenen Auges in den sicheren Tod gegangen. Weder er noch der Operateur hätten das perioperative Desaster voraussehen können, sondern seien beide von einer Erfolgschance ausgegangen. Der rechtzeitige Einsatz von zusätzlichen (zum Eigenblut) Fremdblutprodukten, d.h. sowohl Erythrozyten zum Ersatz der Sauerstoffträger als auch Frischplasma und Thrombozyten zur Behandlung der schwersten Gerinnungsstörung, hätte den tödlichen Ausgang zwar höchstwahrscheinlich abwenden können, habe aber von vornherein nicht zur Diskussion gestanden.

Durch Urteil vom 13. April 1999 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Auch wenn es keine Anhaltspunkte für einen Leistungsausschluss nach § 553 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. dafür gebe, dass der Versicherte in Selbsttötungsabsicht oder gar die Klägerin in Tötungsabsicht gehandelt hätten, als sie die Bluttransfusionen ablehnten, scheitere der Anspruch der Klägerin daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod des Versicherten und seinem zuvor erlittenen Unfall und den dadurch verursachten Gesundheitsstörungen im Bereich der linken Hüfte nicht bestehe. Aufgrund der Aussagen und Berichte der behandelnden Ärzte der E-Klinik und der eingeholten Sachverständigengutachten sowie ausgehend von der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung stehe fest, dass medizinisch und rechtlich allein wesentliche Ursache des Todes des Versicherten die aufgrund seiner eindeutigen Ablehnung nicht erfolgte Bluttransfusion gewesen sei. Die auf den Unfall zurückzuführende Hüftgelenkoperation, in deren Verlauf der Versicherte verblutet sei, sei abgesehen von den üblichen Operationsrisiken nicht lebensgefährlich gewesen. Die Einengung des nahezu unbegrenzten naturwissenschaftlichen Ursachenbegriffs durch die Theorie der wesentlichen Bedingungen sei auch nach neueren dogmatischen Überlegungen letztlich eine Wertungsfrage, deren entscheidendes Kriterium der Schutzzweck der Norm sei. Ausgehend vom Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung mit seinen historischen Wurzeln in der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht liege es auf der Hand, dass seitens der Beklagten keine Leistungen aufgrund des Todes des Versicherten zu erbringen seien, weil der Tod durch die Gabe von Bluttransfusionen hätte verhindert werden können, wenn der Versicherte diese nicht abgelehnt hätte. Auf die Notwendigkeit der Operation und ihre Erfolgschancen ohne Bluttransfusion komme es für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs nicht an. Aus der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) folge nichts anderes, da es sich hierbei um ein typisches Abwehrrecht handele. Der Versicherte habe als Zeuge Jehovas die Bluttransfusion ablehnen dürfen. Er bzw. wie seine Angehörigen hätten jedoch die Folgen zu tragen, ohne hieraus besondere, über den einfach-gesetzlichen Rahmen hinausgehende Ansprüche herleiten zu können. Die §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) I seien schon deshalb nicht einschlägig, weil der Versicherte, der seine Mitwirkung durch die Ablehnung der Bluttransfusion versagt habe, nicht der Anspruchsteller sei und die Mitwirkung auch nicht nachholbar sei.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 29. April 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Mai 1999 Berufung eingelegt und vorgetragen, das Urteil des SG widerspreche dem Ergebnis des Gutachtens des Prof. Dr. von Bx., der ebenso wie der behandelnde Arzt Dr. S. den Tod ausdrücklich als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 10. März 1994 angesehen habe. Die Interpretation der Kausalitätstheorie durch das SG widerspreche auch der Rechtsprechung u.a. des Bundessozialgerichts (BSG). Fest stehe, dass der Versicherte ohne Durchführung der wegen der Unfallfolgen notwendig gewordenen neuerlichen risikoreichen Operation und die hierbei aufgetretene Komplikation einer schweren Blutung nicht verstorben wäre. Hingegen sei nicht bewiesen, dass die Ablehnung der Bluttransfusion überhaupt kausal im naturwissenschaftlichen Sinne für den Tod des Versicherten gewesen sei, weil sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen lasse, ob die schwere Blutung überhaupt bzw. bei den beim Versicherten vorbestehenden Krankheiten unter der Gabe von Fremdblutprodukten hätte gestillt werden können und der Versicherte die Operation überlebt hätte. Selbst wenn das Unterlassen einer Bluttransfusion aufgrund der eindeutigen vorherigen Ablehnung des Versicherten, die auch von ihr als Ehefrau habe akzeptiert werden müssen, wesentliche Ursache des Todes gewesen wäre, werde dadurch die "betriebliche" Ursache des Todes keineswegs verdrängt. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (E 28, 14) könne der Kausalzusammenhang unter dem Gesichtspunkt der Unterbrechung bzw. der sog. selbstgeschaffenen Gefahr nur dann entfallen, wenn dem Verletzten ein vernunftwidriges und grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden könne, er z.B. eine erfolgversprechende ärztliche Behandlung verhindere und hierfür auch verantwortlich sei. Es sei also, was das SG übersehen habe, ein subjektiver Maßstab anzulegen, wobei die Persönlichkeit des Versicherten und die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und religiös-weltanschaulichen Bindungen zu beachten seien. Ausgehend davon seien die Schlussfolgerungen des SG eindeutig unzutreffend, da der Versicherte ebenso wie die behandelnden Ärzte davon habe ausgehen können und dürfen, dass die Operation ebenso wie die vorangegangenen Operationen auch ohne die aus religiöser Überzeugung abgelehnte Fremdbluttransfusion, zu der der Versicherte zudem nach §§ 63, 65 SGB I nicht verpflichtet gewesen sei, erfolgreich verlaufen würde. Die Verweigerung der Bluttransfusion sei allenfalls neben der betrieblichen Ursache eine weitere wesentliche Teilursache des Todes gewesen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. April 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aus Anlass des Todes ihres Ehemannes B. A. Hinterbliebenenleistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und das von der Klägerin herangezogene Urteil des BSG für nicht einschlägig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nach ihrem am 17. Februar 1995 verstorbenen Ehemann aufgrund der im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Vorschriften der RVO (§ 589 Abs. 1; s. § 212 SGB VII). Denn dessen Tod ist im Rechtssinne mittelbare Folge des am 10. März 1994 erlittenen und von der Beklagten anerkannten Wegeunfalls (§ 550 Abs. 1 RVO) u.a. mit Fraktur der Hüftgelenkpfanne links.

Fest steht, dass der Versicherte am 17. Februar 1995 nach Durchführung einer septischen Hüftprothesenwechseloperation an dem durch den Wegeunfall vom 10. März 1994 verletzten linken Hüftgelenk auf der Intensivstation der E-Klinik H. an Herzkreislaufversagen wegen Sauerstoffmangel für die Gewebe infolge extremer Anämie nach massiver intra- und postoperativer Blutung bei ausgeprägter Gerinnungsstörung verstorben ist. Für das Auftreten dieser zum Tode führenden Komplikation des ärztlichen Eingriffs in Form einer massiven unstillbaren Blutung war die septische Hüftprothesenwechseloperation mit Freilegung eines großen Knochen- und Weichteilgebiets, radikalem Weichteildébridement und komplettem Austausch des Fremdmaterials bei natürlicher Betrachtung nicht nur eine conditio sine qua non bzw. Ursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern von ganz entscheidender wesentlicher Bedeutung. Dass der Wegeunfall vom 10. März 1994 u.a. mit Fraktur der linken Hüftgelenkpfanne seinerseits wesentliche Ursache der zur unstillbaren Blutung führenden Operation vom 17. Februar 1995 war, ist ebenfalls eindeutig. Nach mehrfacher Operation der linken Hüfte u.a. mit Implantation einer Hüftgelenktotalendoprothese am 15. September 1994 in der Universitätsklinik B. war es zu einer Lockerung der Prothese und außerdem zu einer tiefen Infektion mit Abszessbildung gekommen. Dementsprechend war es Zweck des septischen Prothesenwechsels am 17. Februar 1995 nach der Handlungstendenz der behandelnden Ärzte der E-Klinik, u.a. insbesondere des Operateurs Dr. St. laut dessen Stellungnahme vom 10. September 1998, den Infekt dauerhaft zu sanieren, eine schwere, lebensbedrohliche Komplikation in Form einer generalisierten Sepsis zu verhindern und die Funktion des Hüftgelenks zu verbessern bzw. wiederherzustellen. An der wesentlichen sachlichen und kausalen Verknüpfung zwischen dem Wegeunfall und dem Zweck des zum Tode führenden ärztlichen Eingriffs vom 17. Mai 1992 änderte sich selbst dann nichts, wenn entgegen der Beurteilung der Ärzte der E-Klinik H. und im Übrigen auch der Ärzte der Universitätsklinik B. laut telefonischer Mitteilung an die Beklagte vom 27. Januar 1995 sowie des Sachverständigen Prof. Dr. von Bx. eine Indikation zur Operation nicht bestanden hätte oder jedenfalls eine andere, weniger blutreiche Operation hätte durchgeführt werden können oder müssen, wie lediglich Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 30. Juli 1997 meinte (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 5. August 1993 - 2 RU 34/92 -; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13 und SozR 2200 § 548 Nr. 59). Der Auffassung des SG, der Tod des Versicherten sei deshalb keine mittelbare Arbeitsunfallfolge im Rechtssinne, weil er durch die Gabe von Fremdblutderivaten wahrscheinlich hätte verhindert werden können, diese lebensrettende Maßnahme im Rahmen der Behandlung von Arbeitsunfallfolgen jedoch nicht wegen mangelhafter ärztlicher Versorgung bzw. aufgrund einer ärztlichen Entscheidung im Sinne eines "Kunstfehlers" unterblieb, sondern wegen der präoperativen Ablehnung derartiger Transfusionen seitens des Versicherten aus rein privaten, religiösen Gründen nicht habe vorgenommen werden können und diese Entscheidung des Versicherten deshalb allein wesentliche Ursache seines Todes gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Das gilt auch für den Fall, dass der Versicherte bei Durchführung von Fremdbluttransfusionen, durch die nach dem Gutachten des Prof. Dr. von Bx. auch auf die Gerinnungsstörung hätte Einfluss genommen werden können, wahrscheinlich nicht bzw. - wie auch dieser Sachverständige ausgeführt hat - "höchstwahrscheinlich" nicht verstorben wäre.

Nach der Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung sind Ursache und Mitursache im Rechtssinne unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Kommt einer Bedingung gegenüber anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist diese Bedingung alleinige Ursache im Rechtssinne. Welche Bedingungen als wesentlich anzusehen und deshalb rechtlich Ursache oder Mitursache sind, ist nach den zutreffenden Darlegungen des SG eine Wertentscheidung, für die die Qualität der Bedingung entscheidend ist, die ihr nach der Auffassung des "praktischen Lebens" oder "täglichen Lebens" unter Berücksichtigung der gesamten, besonderen Umstände des Einzelfalls zukommt (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, § 8 SGB VII, Rdnr. 309 ff. mwN). Dabei ist vor allem im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität als ein die Kasuistik mit ausgleichendes Kriterium für die qualitative Wertung, ob die in Frage stehende Bedingung wesentlich den Erfolg mitbewirkt hat, auch der Schutzzweck der anzuwendenden Normen heranzuziehen, um die Grenzen zu ermitteln, bis zu welcher der Versicherungsschutz reicht. Hierauf beruht u.a. die Rechtsprechung zur "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs", bei der der Begriff der Unterbrechung überwiegend auf betriebliche Bedingungen bezogen wird, die als solche im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne bestehen bleiben, für die aber ein bestimmter Vorgang ihre Bewertung als "wesentlich" ausschließt, weil er die betriebliche Ursache bis zur Bedeutungslosigkeit in den Hintergrund drängt (s. Brackmann, a.a.O., § 8 SGB VII, Rdnrn. 313, 319 mwN). Dieser Vorgang kann z.B. in dem Handeln eines Dritten u.a. eines Arztes (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 91), aber auch im eigenen Handeln des Versicherten liegen (Brackmann, a.a.O., § 8 SGB VII, Rdnr. 319), wobei letzteres von der Rechtsprechung unter dem Begriff der sog. "selbstgeschaffenen, erhöhten Gefahr" abgehandelt wird, die nur eine Hilfskonstruktion für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs bildet (Brackmann, a.a.O., § 8 SGB VII, Rdnr. 171, Stichwort: "Gefahr"). Bei der Beurteilung der Frage, welche Bedeutung einem Verhalten des Verletzten unter dem Gesichtspunkt der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" bzw. der sog. "selbstgeschaffenen Gefahr" im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung zukommen kann, insbesondere einem solchen, das in der bloßen Verweigerung einer Behandlungsmaßnahme - hier Fremdbluttransfusion - besteht, sind allerdings die Grundentscheidungen des Gesetzgebers zu beachten. Denn dieser hat selbst geregelt, in welchen Fällen ein versicherungswidriges Fehlverhalten des Versicherten oder seiner Hinterbliebenen den Eintritt des Versicherungsfalls hindert oder das Entstehen von Leistungsansprüchen ausschließt oder diese einschränkt und welches Fehlverhalten unschädlich ist.

So wird in § 548 Abs. 3 RVO (jetzt § 7 Abs. 2 SGB VII) einerseits ausdrücklich klargestellt, dass - im Rahmen einer betriebsbedingten Tätigkeit - ein verbotswidriges Handeln des Versicherten, zu dem auch ein Verstoß gegen gesetzliche - auch strafrechtlich bewehrte - Verbote gehört, die Annahme eines Versicherungsfalls in Gestalt des Arbeitsunfalls nicht ausschließt, selbst wenn dieser bei einem nicht rechtswidrigen Handeln nicht eingetreten wäre (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10; Brackmann, a.a.O., § 7 SGB VII, Rdnr. 16 ff.). Andererseits wird in § 553 Satz 1 RVO klargestellt, dass der Verletzte und seine Hinterbliebenen - erst dann - keinen Anspruch haben, wenn der Verletzte den Arbeitsunfall absichtlich verursacht hat, d.h. - über ein vorsätzliches Handeln hinaus - diesen Erfolg als Ziel seines Handelns erstrebt hat; in diesem Fall liegt ein "Unfall" bzw. Versicherungsfall nicht vor (Kasseler Komm./Ricke, § 7 SGB VII, Rdnr. 6). Dass selbst vorsätzliches strafbares Verhalten des Versicherten als wesentliche Ursache des Unfalls regelmäßig nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes überhaupt führt, wird auch durch § 554 Abs. 1 RVO (jetzt § 101 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) verdeutlicht. Denn danach können Leistungen ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden, wenn der Verletzte den Arbeitsunfall beim Begehen einer Handlung erlitten hat, die nach rechtskräftigem strafgerichtlichen Urteil ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen ist. Nach Abs. 3 der Vorschrift kann den Angehörigen des Verletzten die Rente ganz oder teilweise überwiesen werden, wenn sie bei seinem Tode Anspruch auf Rente hätten (ähnlich § 101 Abs. 2 Satz 3 SGB VII). Damit wird vorausgesetzt, dass der Unfallversicherungsschutz bei diesen - qualifiziert strafbaren, auch vorsätzlich begangenen Handlungen grundsätzlich zuerst einmal bestehen bleibt, der innere Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit also durch dieses Verhalten nicht von selbst entfällt, sondern vielmehr regelmäßig mit der Folge des Entstehens von Leistungsansprüchen gegeben ist und erst die Entschädigung im Wege des pflichtgemäßen Ermessens des Unfallversicherungsträgers zeitlich begrenzt oder unbegrenzt gekürzt oder ganz versagt werden kann (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10; SozR 3-2200 § 550 Nr. 21; Brackmann, a.a.O., § 101 SGB VII, Rdnr. 15 ff.: Kasseler Komm./Ricke, § 101 SGB VII, Rdnr. 7). Beim Fehlen eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils gleich aus welchen Gründen (z.B. wegen des Todes, der Abwesenheit oder eines anderen in der Person des Versicherten liegenden Grundes, Amnestie, Verjährung) kommt auch eine Versagung nicht in Betracht. Außerdem ergibt sich aus diesen Vorschriften iVm § 589 RVO, dass für den Fall, dass der Verletzte an den Folgen des Arbeitsunfalls verstirbt, Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen wegen dieses Verhaltens des Verletzten auch bei Ergehen eines strafgerichtlichen Urteils nicht nur nicht von vornherein ausgeschlossen sind, sondern - anders als die Lebzeitenansprüche des Verletzten - deshalb auch nicht ganz oder teilweise durch eine Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers versagt werden können. Eine Versagung auch der Hinterbliebenenleistungen könnte - wenn überhaupt - allenfalls dann zulässig sein, wenn sich aus der Art und Schwere der Straftat besonders schwerwiegende Gründe ergeben, da durch die Regelung des § 554 RVO/§ 101 Abs. 2 SGB VII zumindest in erster Linie der Verletzte selbst getroffen werden soll (so Brackmann, a.a.O., § 101 SGB VII, Rdnr. 24 zu § 101 und Kasseler Komm./Ricke, § 101 SGB VII, Rdnr. 8 unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 29. Januar 1971 - 2 RU 186/67 - zu der noch etwas anderslautenden Vorschrift des § 557 RVO aF). Jedenfalls haben Angehörige und Hinterbliebene außer dem Fall der absichtlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalls durch den Verletzten (§ 553 Satz 1 RVO) lediglich dann von vornherein keinen Leistungsanspruch, wenn sie den Arbeitsunfall/Versicherungsfall mit Todesfolge selbst vorsätzlich verursacht haben (§ 553 Satz 2 RVO; s. auch § 101 Abs. 1 SGB VII).

Schließlich wird durch die eindeutige Regelung der seit dem 1. Januar 1976 geltenden §§ 63, 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 66 Abs. 2 und 3 SGB I (früher ähnlich § 624 RVO) klargestellt, dass der Verletzte nach Stattfinden eines Arbeitsunfalls im anschließenden Heilverfahren ohne jeden Nachteil Behandlungen und Untersuchungen ablehnen kann, bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder die einen erheblichen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit bedeuten (§ 65 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3) oder die ihm sonst aus wichtigem Grund nicht zugemutet werden können (§ 65 Abs. 1 Nr. 2). Selbst wenn der Versicherte nach objektiven und subjektiven Maßstäben ohne wichtigen Grund, welcher seine Weigerung entschuldigt und als berechtigt erscheinen lässt, eine Heilmaßnahme ablehnt, von der zu erwarten ist, dass sie eine Besserung seines unfallbedingten Gesundheitszustandes herbeiführen oder eine Verschlechterung verhindern wird, kann dies nur zur vollen oder teilweisen Versagung/Entziehung von Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung führen (§ 66 Abs. 2) und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass der Versicherte diese Leistungen bereits beantragt hat oder bezieht (§ 63) und über die leistungsrechtlichen Folgen seiner mangelnden Mitwirkung zuvor entsprechend und ausreichend schriftlich belehrt worden ist (§ 66 Abs. 3). Diese für alle Bereiche der Sozialversicherung geltenden Regelungen beruhen auf dem Grundsatz, dass das Sozialstaatsprinzip nicht nur anspruchs-/leistungsbegründend verstanden werden kann, sondern vom Einzelnen auch ein solidarisches Verhalten gegenüber der Gemeinschaft erfordert und mit dem Recht auf öffentliche Sozialleistungen daher grundsätzlich im Rahmen des Zumutbaren die Pflicht zur Abwendung oder Minderung des die Leistung begründenden "Schadens" verbunden ist. Der Versicherte kann bei Wahrung seiner Selbstbestimmungs- und Freiheitsrechte (Art. 1, 2 GG) zu Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen zwar nicht gezwungen werden, er muss ggf. jedoch mit Rechtsnachteilen (§ 66 SGB I) und als Folge davon mit materiellen Einbußen rechnen. Die auf den Grundsätzen der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit der Mittel beruhenden §§ 63 ff. SGB I sehen - wie § 554 RVO/§ 101 Abs. 2 SGB VII - aber nicht vor, dass eine Verletzung von Mitwirkungspflichten im Heilverfahren die materiellen Leistungsvoraussetzungen berührt und den völligen, endgültigen Verlust des Leistungsrechts bewirkt. Vielmehr bleibt das Stammrecht erhalten, das Entstehen und Fortbestehen von Ansprüchen wird nicht gehindert (BSG SozR 3-1200 § 66 Nr. 3; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., S. 603 b ff.). Insoweit bieten die §§ 63 ff. SGB I auch keine Handhabe dafür, eine durch mangelnde Mitwirkung bei der Heilbehandlung herbeigeführte Verschlechterung der Arbeitsunfallfolgen bzw. eine dauernde Vermehrung oder vorzeitige Auslösung von Ansprüchen als selbstverschuldet von der grundsätzlichen Entschädigungspflicht des Versicherungsträgers auszunehmen und dies - bei Nachholung der Mitwirkung - leistungsmindernd zu berücksichtigen. Schon gar nicht sind Sanktionen für die Hinterbliebenen eines Versicherten vorgesehen, der z.B. infolge einer durch mangelnde Mitwirkung bei der Heilbehandlung herbeigeführten Verschlechterung der Unfallfolgen oder deshalb verstirbt, weil er es unterlässt, sich einer erfolgversprechenden Heilmaßnahme zur Beseitigung eines durch den Arbeitsunfall herbeigeführten lebensbedrohlichen Zustandes zu unterziehen, was angesichts des Fehlens derartiger Sanktionen selbst in den Fällen des § 554 RVO/§ 101 Abs. 2 SGB VII zumindest für den Regelfall auch unverständlich und in hohem Maße ungerecht wäre. Auch hier zeigt die Vorschrift des § 553 RVO, die nach der Rechtsprechung des BSG auch für die haftungsausfüllende Kausalität gilt (BSG SozR 2200 § 589 Nr. 6), die Grenzen dessen auf, was unter Berücksichtigung des Wesens und Zwecks der Unfallversicherung, Schutz gegen Fremdrisiken zu gewähren, zu Lasten der Versichertengemeinschaft nicht mehr hinnehmbar ist und zum Wegfall von Leistungsansprüchen führt. Die bloße, auch unberechtigte und vorwerfbare Weigerung des Verletzten, sich ärztlich behandeln zu lassen, d.h. sein rein passives Verhalten, ist einer Selbstschädigung bzw. der absichtlichen Verschlimmerung von Arbeitsunfallfolgen bis hin zum Tod, die eine zielgerichtete Aktivität voraussetzt, aber nicht gleichzusetzen; auf das absichtliche Unterlassen der möglichen Beseitigung einer nicht absichtlich herbeigeführten Gesundheitsstörung oder der möglichen Verhinderung des nicht absichtlich herbeigeführten Todes ist § 553 Satz 1 RVO nicht entsprechend anwendbar (s. dazu auch BSG SozR 2200 § 1277 Nr. 2). Auch im vorliegenden Fall ist es von vornherein abwegig zu diskutieren, dass der Versicherte sich nach mehreren ohne Fremdbluttransfusionen erfolgreich durchgeführten Operationen zur Behandlung der Arbeitsunfallfolgen der letzten großen Operation in Selbstschädigungs- oder gar Selbsttötungsabsicht unterzogen hat, nur weil er weiterhin die Gabe von Fremdblutderivaten aus Glaubens- und Gewissensgründen präoperativ verweigerte. Dass die Klägerin durch Nichterteilung der Zustimmung zu Fremdbluttransfusionen auf Drängen der Ärzte nach Auftreten der schweren, unstillbaren Blutung den Tod des Verletzten mit direktem oder bedingtem Vorsatz herbeigeführt hat (§ 553 Satz 2 RVO), steht von vornherein ebenfalls nicht zur Debatte, weil die Klägerin an die präoperative Ablehnung von Fremdbluttransfusionen seitens des Versicherten ebenso wie die behandelnden Ärzte rechtlich gebunden war und diese Entscheidung allenfalls bei wirksamer gerichtlicher Bestellung zur Betreuerin des Versicherten hätte korrigieren können (s. dazu auch Ohler in NJW 2002, S. 194; Bender in MedR, 1999, S. 260; Bergmann in KH 1999, S. 315).

Diese Grundentscheidungen des Gesetzgebers sind bei der Kausalitätsbeurteilung zu beachten. Bei dieser können mithin unter dem Gesichtspunkt der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wegen selbstgeschaffener Gefahr" und des "Schutzzwecks der anzuwendenden Normen" nicht betriebliche Bedingungen eines Unfalls, einer Gesundheitsstörung oder des Todes wegen eines Handelns oder gar Unterlassens des Versicherten als unwesentlich ausgeschieden werden, das nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers den Eintritt des Versicherungsfalls und Leistungsfalls nicht hindern soll. Dementsprechend hat das BSG im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität stets klar gestellt, dass es einen Rechtssatz des Inhalts, dass der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte sich bewusst einer höheren Gefahr aussetzt und dadurch zu Schaden kommt, nicht gibt und selbst ein höchst sorgloses, unvernünftiges, verbotswidriges, strafbares, schuldhaftes Verhalten des Versicherten den Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall nie ausschließt, wenn der Versicherte ausschließlich betriebliche Zwecke verfolgt. Vielmehr kann die sog. selbstgeschaffene, erhöhte Gefahr erst dann Bedeutung gewinnen, wenn ihr selbstständige, betriebsfremde Motive zugrunde liegen, d.h. eine gemischte, sowohl betrieblichen als auch privaten Zwecken dienende Tätigkeit zur Beurteilung steht (u.a. BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10; BSG SozR 3-2200, § 550 Nr. 21; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 60, 93; Brackmann, a.a.O., § 8 SGB VII, Rdnr. 171 Stichwort "Gefahr" und § 7 SGB VII Rdnr. 18; Lauterbach, Unfallversicherung, § 8 SGB VII, Rdnr. 246 ff.). Auch dann ist der Begriff der "selbstgeschaffenen Gefahr" nur mit großer Vorsicht anzuwenden. Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität hat das BSG in der gesetzlichen Unfallversicherung diesen Gesichtspunkt - soweit erkennbar - zuletzt in dem von der Klägerin angeführten Urteil vom 29. Februar 1968 - 2 RU 246/64 - (= BSGE 28, 14 = SozR § 548 RVO Nr. 10 = SGb 1968, 445; s.a. Brackmann, a.a.O., § 8 SGB VII, Rdnrn. 403, 319 und § 63 SGB VII Rdnr. 14) angewandt, das sich mit den Ansprüchen der Hinterbliebenen eines Versicherten befasst, der unmittelbar nach einem Arbeitsunfall im Krankenhaus gegen dringenden ärztlichen Rat eine Behandlung ablehnte, von der angenommen wurde, dass sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sein Leben gerettet hätte. Hier hat das BSG die Auffassung vertreten, dass die Folgen der grundlosen Ablehnung einer zumutbaren Heilbehandlungsmaßnahme nicht abschließend in der damals noch geltenden Vorschrift des § 624 RVO (jetzt § 63 ff. SGB I) geregelt sind, sondern Fälle der zur Entscheidung anstehenden Art "zeitlich und denkgesetzlich" von den Anwendungsfällen des § 624 RVO abzugrenzen seien; letztere gehörten - vom Unfallzeitpunkt her betrachtet - in der Regel einem späteren Stadium an. Entsprechend der Rechtsprechung zur Unterbrechung der haftungsbegründenden Kausalität, wenn der Eintritt des Unfalls auf einer besonderen, vom Versicherten selbst geschaffenen betriebsfremden Gefahr zurückzuführen sei, habe die Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Unterbrechung der haftungsausfüllenden Kausalität durch schuldhaftes Verhalten des Versicherten zu erfolgen. Das erscheint schon im Grundsatz zweifelhaft, weil nicht erkennbar ist, wodurch sich die früheren oder späteren Fälle der grundlosen Ablehnung einer zumutbaren Heilbehandlung denkgesetzlich unterscheiden. In jedem Fall geht es um mangelnde Mitwirkung bei der Heilbehandlung und deren Folgen, die aber sowohl nach § 624 RVO als auch § 63 ff. SGB I ausgehend von dem Grundsatz der Zumutbarkeit und der Verhältnismäßigkeit der Mittel wie auch unter Beachtung der Regelungen in den §§ 548 Abs. 3, 553, 554 RVO lediglich bezogen auf den Verletzten sowie im Sinne der Leistungsentstehung mit Versagungsvorbehalt nach pflichtgemäßem Ermessen des Versicherungsträgers geregelt sind. Damit wird aber zugleich ausgeschlossen, ein solches Verhalten - ob verschuldet oder unverschuldet - zur Grundlage einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs zu machen und fü r die Folgen - die Verschlimmerung der Arbeitsunfallfolgen bis hin zum Tode als äußerster Komplikation - den Versicherungsschutz bzw. das - weitere - Entstehen von Leistungsansprüchen überhaupt und noch dazu im Verhältnis zu den Hinterbliebenen des Verletzten zu verneinen (s. auch die kritische Anmerkung von Göbelsmann zum Urteil des BSG in SGb 1968, S. 447 f). Ob die mangelnde Mitwirkung in ein früheres oder späteres Stadium nach dem Arbeitsunfall fällt, kann rechtlich nicht erheblich sein, zumal der Gesetzgeber die Verpflichtung des Verletzten zur Mitwirkung bei der Heilbehandlung ersichtlich ganz bewusst nicht auf das gesamte Versicherungsverhältnis erstreckt hat, sondern frühestens mit dem Antrag auf Sozialleistungen beginnen lässt (§ 63 SGB I).

Selbst wenn aber den rechtlichen Überlegungen des BSG in dem o.a. Urteil gefolgt und für Fälle mangelnder Mitwirkung des durch einen Arbeitsunfall Verletzten im Heilverfahren eine Unterbrechung der haftungsausfüllenden Kausalität mit der Folge des Ausschlusses von Leistungsansprüchen für möglich gehalten wird, muss die Berufung der Klägerin Erfolg haben. Der Versicherte hat sich im vorliegenden Fall einer ihm von ärztlicher Seite zur Behandlung seiner Arbeitsunfallfolgen vorgeschlagenen großen Operation in Form eines laut Gutachten des Prof. Dr. von Bx. in jedem Fall nicht ungefährlichen septischen Hüftprothesenwechsels nicht verweigert, sondern sich dazu bereit erklärt, obgleich er hierzu nach § 65 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 SGB I sicherlich nicht verpflichtet war, selbst wenn entsprechend der Einschätzung der Ärzte der Universitätsklinik B. ohne diesen septischen Prothesenwechsel in jedem Fall mit einem tödlichen Ausklang zu rechnen gewesen wäre. Der Versicherte hat zwar als Zeuge Jehovas allein oder jedenfalls in erster Linie aus religiöser Überzeugung die Gabe von Fremdblutderivaten auch für den Fall verweigert, dass dies zur Erhaltung seines Lebens als erforderlich angesehen werden würde, und nur - aber immerhin - der MAT zugestimmt. Diese präoperative Entscheidung des Versicherten stand ihrerseits jedoch in enger Beziehung zu der wegen der Arbeitsunfallfolgen ärztlicherseits als notwendig angesehenen Operation mit ihrem "betrieblichen" Zweck, die unfallbedingte Infektion des Hüftgelenks zu bekämpfen, ihre systemische, lebensgefährliche Ausbreitung zu verhindern und die Funktion der Hüfte zu verbessern bzw. wieder herzustellen, weil er sie einerseits ohne diese Operation nicht hätte treffen müssen und getroffen hätte und er andererseits die ihm als erforderlich vorgeschlagene Operation aus seiner religiösen Überzeugung heraus nur auf dieser Grundlage bzw. mit dieser Bedingung/Modalität zulassen konnte. Für eine sog. "gemischte", privaten und betrieblichen Zwecken dienende Tätigkeit, wie sie von der Rechtsprechung für die Annahme einer selbstgeschaffenen Gefahr im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität zwingend gefordert wird und bei der die Herbeiführung des gefahrbringenden Zustands durch den Versicherten einem betriebsfremden Selbstzweck gleich - oder nahekommt, ist insoweit im vorliegenden Fall grundsätzlich nichts ersichtlich. Um die präoperative Verweigerung der Zustimmung zu Fremdbluttransfusionen als allein wesentliche Ursache des Todes ansehen zu können, die die Auswirkungen der unfallbedingten Operation völlig in den Hintergrund drängt, müsste sie außerdem auch nach dem Urteil des BSG vom 29. Februar 1968 als ein völlig vernunftwidriges, widersinniges Verhalten gewertet werden können, was sich ebenfalls nicht unbedingt aufdrängt. Denn ungeachtet dieser risikoerhöhenden Einschränkung haben die im Bereich des septischen Prothesenwechsels und autologen Transfusionskonzepts besonders erfahrenen Ärzte der Endo-Klinik - wie auch der Versicherte selbst - die Operation als geeignete und erfolgversprechende Maßnahme angesehen und nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. von Bx. u.a. zur Transfusionsindikation und den nicht oder kaum unterschiedlichen Verläufen selbst großer, blutverlustreicher chirurgischer Eingriffe (Hüftgelenkendoprothese, Herz-Nierentransplantation) mit und ohne Gabe von Fremdblutderivaten auch ansehen dürfen (s. dazu auch Hessier in MedR 2000, S. 419; Bender in MedR 1999, S. 260 und MedR 2000, S. 422). Sofern sie aufgrund der Art der Operation und/oder der Konstitution des Versicherten der Ansicht gewesen wären, ohne Fremdbluttransfusionen nicht oder wahrscheinlich nicht auskommen zu können, um den Versicherten vor schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen bzw. dem Tod zu bewahren, hätten sie die Operation ebenso wie die Ärzte der Universitätsklinik B. bei Vermeidung eines Behandlungsfehlers u.U. überhaupt nicht durchführen dürfen (s. dazu Bender in MedR 1999, S. 260) und tatsächlich auch nicht durchgeführt, wie sich insbesondere auch aus der Stellungnahme des Operateurs Dr. St. v om 10. September 1998 ergibt, der erst aufgrund der speziellen Erfahrung im Falle des Versicherten derartige Operationen für sich persönlich für die Zukunft ablehnte. Schließlich hatte ja auch die Beklagte den Versicherten nicht auf der Grundlage der Vorschriften des SGB I aufgefordert, Fremdbluttransfusionen zuzustimmen oder sich einer anderen Behandlungsmaßnahme zu unterziehen, nachdem sie von den Ärzten der Universitätsklinik B. am 27. Januar 1995 über den beabsichtigten, nach Ansicht dieser Ärzte "lebensgefährlichen" septischen Prothesenwechsel ohne Fremdblutgabe in der E-Klinik informiert worden war. Zudem müsste der Versicherte auch noch für sein Verhalten bei Anlegung subjektiver Maßstäbe zumindest im Sinne grober Fahrlässigkeit verantwortlich gemacht werden können. In diesem Zusammenhang hat das BSG in seinem Urteil vom 29. Februar 1968 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gründe, weshalb bei Anlegung des gebotenen subjektiven Maßstabes eine Unterbrechung der haftungsausfüllenden Kausalität zu verneinen ist, entsprechend der Vielzahl persönlicher Struktureigenschaften mannigfaltiger Art seien und von religiös-weltanschaulichen Bindungen zu charakterlichen Defekten hinunterreichen könnten, welche die "Zurechnungsfähigkeit" zwar nicht ganz ausschließen, wohl aber geeignet sind, die Fähigkeit zur Willensbildung zu beeinträchtigen. Im vorliegenden Fall waren dem Versicherten als Zeuge Jehovas aus religiösen Gründen Fremdbluttransfusionen verboten, so dass er sich subjektiv aus Glaubens- und Gewissensgründen damit nicht einverstanden erklären konnte (s. dazu auch Bender in MedR 1999, S. 260; Oelkers in FuR 1997, S. 161). Da die Ablehnung von Fremdbluttransfusionen Ausdruck einer Glaubensüberzeugung des Versicherten war, die unter dem Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG steht (s. Öhler in NJW 2002, S. 194), hatte er für diese Entscheidung objektiv und subjektiv einen "wichtigen Grund" im Sinne des § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I (s. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., S. 80 h); die Zustimmung zu Fremdbluttransfusionen war ihm, jedenfalls soweit es um seine eigene Gesundheit und sein eigenes Leben ging, nicht zuzumuten (s. auch OLG Hamm in NJW 1968, S. 212; Bender in MedR 1999, S. 260). Soweit das SG darauf verweist, dass es sich bei Art. 4 GG um ein reines Abwehrrecht handelt, das keine Ansprüche gegen den Staat bzw. den Unfallversicherungsträger oder die Versichertengemeinschaft auf Ermöglichung und positive Förderung der Religionsausübung bzw. auf vom einfachen Gesetz nicht vorgesehene Leistungen begründet, trifft dies zwar zu. Aus Art. 4 GG muss jedoch eine mittelbare Drittwirkung in das einfache Gesetzesrecht abgeleitet werden, in dem Art. 4 GG Ausdruck einer objektiven Wertordnung mit Verfassungsrang ist und bei der Auslegung wertausfüllungsbedürftiger und wertausfüllungsfähiger Begriffe des einfachen Gesetzesrechts wie "Zumutbarkeit", "wichtiger Grund", "Verantwortlichkeit" heranzuziehen ist (s. auch LSG Celle zum Zumutbarkeitsbegriff in § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFG in NJW 1980, S. 2431). Damit haben sich das SG und die Beklagte jedoch weiter nicht befasst, weil sie es für eine "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wegen selbstgeschaffener Gefahr" abweichend von der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG und auch des von der Klägerin angeführten Urteils vom 29. Februar 1968 - offenbar in Anlehnung an die hier nicht einschlägige Rechtsprechung zu Unfällen aufgrund nicht betriebsbedingter Fahruntüchtigkeit z.B. infolge von Alkoholgenuss (s. dazu BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 4, 77; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 21; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10) - haben ausreichen lassen, dass der Versicherte bei Gabe von Fremdblutderivaten wahrscheinlich bzw. höchstwahrscheinlich nicht an den Auswirkungen der allein wegen der Arbeitsunfallfolgen durchgeführten Operation in Form einer schweren Blutung verstorben wäre.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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