Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 19 AS 182/08 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 217/08 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 12. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1986 geborene Beschwerdeführer bewohnt mit seiner Mutter S. F., dem Stiefvater D. F. und der im Jahre 2004 geborenen Stiefschwester C. sowie seinem Großvater F. B.r - dem Eigentümer - das Anwesen D. in K. Ab Sommer 2003 absolvierte er eine Ausbildung zum Bürokaufmann und erhielt Leistungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Auf seinen Antrag bewilligte die Beschwerdegegnerin ab Januar 2005 ergänzende Leistungen zur Grundsicherung.
Nach Ausbau des Dachgeschosses bewohnt der Beschwerdeführer in dem Anwesen ein etwa 19 Quadratmeter großes Zimmer Er nutzt weiterhin Küche, WC und Bad in der Wohnung seiner Mutter im ersten Obergeschoss. Nach einer "Mietvereinbarung" vom 1. Januar 2006 zahlt er anteilig Wohnnebenkosten auf das Konto seiner Mutter; die Zahlung eines Mietzinses entfällt.
Am 21. Juni 2006 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen über den 31. Juli 2006 hinaus. Der Außendienst der Beschwerdegegnerin berichtete unter dem 12. Juli 2006, der Beschwerdeführer bewohne lediglich ein Zimmer im Dachgeschoss; es sei somit von einer Haushaltsgemeinschaft mit seiner Mutter auszugehen. Daraufhin lehnte die Beschwerdegegnerin den Fortzahlungsantrag mit Bescheid vom 19. Juli 2006 ab. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der Änderung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zum 1. Juli 2006 keinen eigenständigen Leistungsanspruch mehr. Er bilde jetzt eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter und den anderen Familienmitgliedern, weil er in deren Haushalt lebe. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2006 zurück. Diesbezüglich ist ein Klageverfahren (Az.: S 19 AS 2179/06) beim Sozialgericht Meiningen anhängig.
Einen weiteren Leistungsantrag lehnte die Beschwerdegegnerin mit der gleichen Begründung ab (Bescheid vom 17. April 2007).
Nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Callcenter-Agent beantragte der Beschwerdeführer am 1. November 2007 erneut Leistungen zur Grundsicherung. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2007 lehnte die Beschwerdegegnerin den Antrag ab. Zu ihrer Überzeugung bilde der Beschwerdeführer mit den anderen Familienmitgliedern eine Bedarfsgemeinschaft. Deren bereinigtes Einkommen übersteige den ermittelten Gesamtbedarf um etwa 160,00 Euro. Bedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II liege damit nicht vor.
Der Beschwerdeführer hat dagegen am 24. Januar 2008 Widerspruch eingelegt und am gleichen Tag den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 12. Februar 2008 hat das Sozialgericht Meiningen den Eilantrag abgelehnt. Im Hinblick auf das vorgetragene Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sei bereits fraglich, ob der Beschwerdeführer erwerbsfähig sei. Dies könne letztlich dahinstehen. Jedenfalls sei er nach § 9 SGB II nicht hilfebedürftig, denn er könne seinen Lebensunterhalt durch das Einkommen der Mutter und des Stiefvaters, mit denen er in einer Bedarfsgemeinschaft lebe, sicherstellen. Anhand der äußerlichen Umstände gehöre er weiterhin dem Haushalt der Mutter an. Insbesondere ändere hieran auch die Vorlage eines sogenannten "Untermietvertrages" bzw. "Mietvertrages" nichts. Bei näherer Betrachtung handele es sich nicht um Mietverträge, weil es den Vereinbarungen an einem unerlässlichen Element des Vertrages - nämlich der Entrichtung eines Mietzinses - fehle. Gerade dieser Punkt zeige, dass die engen familiären Bande für die Wohnverhältnisse dominierend seien.
Der Beschwerde hat das Sozialgericht nicht abgeholfen (Verfügung vom 11. März 2008) und dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, er habe einen (eigenen) Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung. Eine Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Er führe keinen gemeinsamen Haushalt mit den anderen Familienmitgliedern. Er suche das erste Obergeschoss nur zu Toilettengängen auf. Ansonsten seien die familiären Verhältnisse wegen seiner Erkrankung angespannt. Die Mahlzeiten nehme er allein ein. Im Übrigen sei die nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II vorgenommene Anrechnung aus Einkommen des Stiefvaters mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Hierin liege eine Verletzung des Art. 1 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG. Das Gebot des Sicherungsauftrages sei durch § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht hinreichend umgesetzt. Werde die Versorgung des Stiefkindes verweigert, seien andere Mittel zur Deckung des Bedarfs nicht vorhanden. Ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gegen den Stiefvater bestehe nicht. Ein Anordnungsgrund liege ebenfalls vor. Sein Bedarf sei unabweisbar und könne anderweitig nicht gesichert werden.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 12. Februar 2008 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab 1. November 2007 vorläufig Leistungen zur Grundsicherung in gesetzlicher Höhe zu gewähren sowie ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt V., E., zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakten und derjenigen der Beschwerdegegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beschwerdeführer hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Er ist nicht hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, summarischen Prüfung bildet er mit den anderen Familienmitgliedern eine Bedarfsgemeinschaft und muss sich deren Einkommen anrechnen lassen. Der Senat sieht entsprechend § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von einer weiteren Darstellung ab und nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts Bezug.
Hieran ändert der Vortrag im Beschwerdeverfahren nichts. Insbesondere sind die auf den 5. März 2008 datierten Eidesstattlichen Versicherungen viel zu allgemein und überdies vom Wortlaut im Wesentlichen identisch gehalten. Es wird lediglich bestritten, dass eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestehe. Eine weitergehende Substantiierung des Vortrages erfolgt nicht. Damit können die Ausführungen des Sozialgerichts zum Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft nicht in Frage gestellt werden.
Sofern der Beschwerdeführer im Hinblick auf § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II neue Fassung (n.F.) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung äußert, folgt der Senat dem - jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - nicht. Es ist nach summarischer Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber mit der Bildung einer Einsatzgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II die ihm verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen bei der Bildung zwar nicht zivilrechtlicher, aber sozialrechtlicher Verantwortungsgemeinschaften überschritten hat. Es ist verfassungsrechtlich zulässig, eine staatliche Fürsorgeleistung an eine tatsächliche Hilfebedürftigkeit zu knüpfen und diese dann zu verneinen, wenn ein Eintreten Dritter (wenn auch nicht aus zivilrechtlichen Gründen) aufgrund moralischer Verpflichtung typischerweise erwartet werden kann. Nach summarischer Prüfung ist es für den Senat unbedenklich, dass bei der Einsatzgemeinschaft an einen typischen Lebenssachverhalt angeknüpft wird. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ein Ehepartner in Notzeiten der Kinder des anderen Ehepartners, die dem Grunde nach zu Fürsorgeleistungen berechtigt sein können, für diese selbst dann aufkommt, wenn er hierzu zivilrechtlich nicht verpflichtet ist, der zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtete nicht greifbar ist und wenn sich der Ehepartner insofern beim Lebensstandard eigener leiblicher Kinder und in seinen eigenen Bedürfnissen einschränken muss. Dagegen ist es unerheblich, dass dieser Ehepartner die sich ergebenden wirtschaftlichen Einschränkungen (verständlicherweise) nicht begrüßt. Der gleichwohl bestehenden moralischen Verpflichtung wird er typischerweise gleichwohl nachkommen. Insoweit bestehen jedenfalls bei summarischer Prüfung keine grundsätzlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber der Versorgung aufgrund moralischer Verpflichtung den Vorrang vor staatlichen Transferleistungen nach dem SGB II einräumt (vgl. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Juli 2007 - Az.: L 20 B 64/07 AS ER und LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Januar 2007 - Az.: L 13 AS 27/06 ER, beide nach juris).
Selbst wenn man aber unterstellt, § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II begegne erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um geltendes Recht, dass so lange anzuwenden ist, wie es nicht vom Gesetzgeber korrigiert oder vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - beispielsweise im Wege der Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG - für nichtig erklärt wird. Solange die Rechtsnorm nicht autoritativ verbindlich für ungültig erklärt worden ist, muss sie von den normanwendenden Instanzen beachtet werden. Setzt sich das Gericht darüber im Rahmen eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinweg, verstößt es gegen das in Art. 100 GG verankerte Verwerfungsmonopol des BVerfG und entzieht sich damit der Bindung an Recht und Gesetz im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2005 - Az.: 1 BvR 1178/05 und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2007 - Az.: L 5 B 240/07 AS ER, beide nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen. Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg hat (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung). Hieran fehlt es. Auf die Ausführungen unter II. wird Bezug genommen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1986 geborene Beschwerdeführer bewohnt mit seiner Mutter S. F., dem Stiefvater D. F. und der im Jahre 2004 geborenen Stiefschwester C. sowie seinem Großvater F. B.r - dem Eigentümer - das Anwesen D. in K. Ab Sommer 2003 absolvierte er eine Ausbildung zum Bürokaufmann und erhielt Leistungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Auf seinen Antrag bewilligte die Beschwerdegegnerin ab Januar 2005 ergänzende Leistungen zur Grundsicherung.
Nach Ausbau des Dachgeschosses bewohnt der Beschwerdeführer in dem Anwesen ein etwa 19 Quadratmeter großes Zimmer Er nutzt weiterhin Küche, WC und Bad in der Wohnung seiner Mutter im ersten Obergeschoss. Nach einer "Mietvereinbarung" vom 1. Januar 2006 zahlt er anteilig Wohnnebenkosten auf das Konto seiner Mutter; die Zahlung eines Mietzinses entfällt.
Am 21. Juni 2006 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen über den 31. Juli 2006 hinaus. Der Außendienst der Beschwerdegegnerin berichtete unter dem 12. Juli 2006, der Beschwerdeführer bewohne lediglich ein Zimmer im Dachgeschoss; es sei somit von einer Haushaltsgemeinschaft mit seiner Mutter auszugehen. Daraufhin lehnte die Beschwerdegegnerin den Fortzahlungsantrag mit Bescheid vom 19. Juli 2006 ab. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der Änderung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zum 1. Juli 2006 keinen eigenständigen Leistungsanspruch mehr. Er bilde jetzt eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter und den anderen Familienmitgliedern, weil er in deren Haushalt lebe. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2006 zurück. Diesbezüglich ist ein Klageverfahren (Az.: S 19 AS 2179/06) beim Sozialgericht Meiningen anhängig.
Einen weiteren Leistungsantrag lehnte die Beschwerdegegnerin mit der gleichen Begründung ab (Bescheid vom 17. April 2007).
Nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Callcenter-Agent beantragte der Beschwerdeführer am 1. November 2007 erneut Leistungen zur Grundsicherung. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2007 lehnte die Beschwerdegegnerin den Antrag ab. Zu ihrer Überzeugung bilde der Beschwerdeführer mit den anderen Familienmitgliedern eine Bedarfsgemeinschaft. Deren bereinigtes Einkommen übersteige den ermittelten Gesamtbedarf um etwa 160,00 Euro. Bedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II liege damit nicht vor.
Der Beschwerdeführer hat dagegen am 24. Januar 2008 Widerspruch eingelegt und am gleichen Tag den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 12. Februar 2008 hat das Sozialgericht Meiningen den Eilantrag abgelehnt. Im Hinblick auf das vorgetragene Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sei bereits fraglich, ob der Beschwerdeführer erwerbsfähig sei. Dies könne letztlich dahinstehen. Jedenfalls sei er nach § 9 SGB II nicht hilfebedürftig, denn er könne seinen Lebensunterhalt durch das Einkommen der Mutter und des Stiefvaters, mit denen er in einer Bedarfsgemeinschaft lebe, sicherstellen. Anhand der äußerlichen Umstände gehöre er weiterhin dem Haushalt der Mutter an. Insbesondere ändere hieran auch die Vorlage eines sogenannten "Untermietvertrages" bzw. "Mietvertrages" nichts. Bei näherer Betrachtung handele es sich nicht um Mietverträge, weil es den Vereinbarungen an einem unerlässlichen Element des Vertrages - nämlich der Entrichtung eines Mietzinses - fehle. Gerade dieser Punkt zeige, dass die engen familiären Bande für die Wohnverhältnisse dominierend seien.
Der Beschwerde hat das Sozialgericht nicht abgeholfen (Verfügung vom 11. März 2008) und dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, er habe einen (eigenen) Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung. Eine Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Er führe keinen gemeinsamen Haushalt mit den anderen Familienmitgliedern. Er suche das erste Obergeschoss nur zu Toilettengängen auf. Ansonsten seien die familiären Verhältnisse wegen seiner Erkrankung angespannt. Die Mahlzeiten nehme er allein ein. Im Übrigen sei die nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II vorgenommene Anrechnung aus Einkommen des Stiefvaters mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Hierin liege eine Verletzung des Art. 1 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG. Das Gebot des Sicherungsauftrages sei durch § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht hinreichend umgesetzt. Werde die Versorgung des Stiefkindes verweigert, seien andere Mittel zur Deckung des Bedarfs nicht vorhanden. Ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gegen den Stiefvater bestehe nicht. Ein Anordnungsgrund liege ebenfalls vor. Sein Bedarf sei unabweisbar und könne anderweitig nicht gesichert werden.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 12. Februar 2008 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab 1. November 2007 vorläufig Leistungen zur Grundsicherung in gesetzlicher Höhe zu gewähren sowie ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt V., E., zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakten und derjenigen der Beschwerdegegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beschwerdeführer hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Er ist nicht hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, summarischen Prüfung bildet er mit den anderen Familienmitgliedern eine Bedarfsgemeinschaft und muss sich deren Einkommen anrechnen lassen. Der Senat sieht entsprechend § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von einer weiteren Darstellung ab und nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts Bezug.
Hieran ändert der Vortrag im Beschwerdeverfahren nichts. Insbesondere sind die auf den 5. März 2008 datierten Eidesstattlichen Versicherungen viel zu allgemein und überdies vom Wortlaut im Wesentlichen identisch gehalten. Es wird lediglich bestritten, dass eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestehe. Eine weitergehende Substantiierung des Vortrages erfolgt nicht. Damit können die Ausführungen des Sozialgerichts zum Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft nicht in Frage gestellt werden.
Sofern der Beschwerdeführer im Hinblick auf § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II neue Fassung (n.F.) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung äußert, folgt der Senat dem - jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - nicht. Es ist nach summarischer Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber mit der Bildung einer Einsatzgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II die ihm verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen bei der Bildung zwar nicht zivilrechtlicher, aber sozialrechtlicher Verantwortungsgemeinschaften überschritten hat. Es ist verfassungsrechtlich zulässig, eine staatliche Fürsorgeleistung an eine tatsächliche Hilfebedürftigkeit zu knüpfen und diese dann zu verneinen, wenn ein Eintreten Dritter (wenn auch nicht aus zivilrechtlichen Gründen) aufgrund moralischer Verpflichtung typischerweise erwartet werden kann. Nach summarischer Prüfung ist es für den Senat unbedenklich, dass bei der Einsatzgemeinschaft an einen typischen Lebenssachverhalt angeknüpft wird. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ein Ehepartner in Notzeiten der Kinder des anderen Ehepartners, die dem Grunde nach zu Fürsorgeleistungen berechtigt sein können, für diese selbst dann aufkommt, wenn er hierzu zivilrechtlich nicht verpflichtet ist, der zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtete nicht greifbar ist und wenn sich der Ehepartner insofern beim Lebensstandard eigener leiblicher Kinder und in seinen eigenen Bedürfnissen einschränken muss. Dagegen ist es unerheblich, dass dieser Ehepartner die sich ergebenden wirtschaftlichen Einschränkungen (verständlicherweise) nicht begrüßt. Der gleichwohl bestehenden moralischen Verpflichtung wird er typischerweise gleichwohl nachkommen. Insoweit bestehen jedenfalls bei summarischer Prüfung keine grundsätzlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber der Versorgung aufgrund moralischer Verpflichtung den Vorrang vor staatlichen Transferleistungen nach dem SGB II einräumt (vgl. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Juli 2007 - Az.: L 20 B 64/07 AS ER und LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Januar 2007 - Az.: L 13 AS 27/06 ER, beide nach juris).
Selbst wenn man aber unterstellt, § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II begegne erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um geltendes Recht, dass so lange anzuwenden ist, wie es nicht vom Gesetzgeber korrigiert oder vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - beispielsweise im Wege der Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG - für nichtig erklärt wird. Solange die Rechtsnorm nicht autoritativ verbindlich für ungültig erklärt worden ist, muss sie von den normanwendenden Instanzen beachtet werden. Setzt sich das Gericht darüber im Rahmen eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinweg, verstößt es gegen das in Art. 100 GG verankerte Verwerfungsmonopol des BVerfG und entzieht sich damit der Bindung an Recht und Gesetz im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2005 - Az.: 1 BvR 1178/05 und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2007 - Az.: L 5 B 240/07 AS ER, beide nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen. Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg hat (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung). Hieran fehlt es. Auf die Ausführungen unter II. wird Bezug genommen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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