Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 13 U 543/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 965/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Juli 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das der Klägerin zustehende Übergangsgeld.
Die 1954 geborene Klägerin war als selbstständige Friseurmeisterin tätig. Aufgrund einer ärztlichen Anzeige über das Vorliegen einer berufsbedingten ekzematösen Kontaktallergie wurde die Klägerin im Auftrag der Beklagten von dem Hautarzt Dr. A. gutachtlich untersucht. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 21. August 1995 zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestehe eine p-Phenylendiamin-Sensibilisierung aufgrund ihrer Tätigkeit als Friseurin. Das Allergen finde eine breite Anwendung insbesondere in Friseurchemikalien, deshalb solle die Klägerin nicht mehr als Friseurin tätig werden. Dr. A. verneinte das Vorliegen einer schweren Hauterkrankung und damit das Vorliegen einer Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK). Er befürwortete jedoch Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen des § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 23. November 1995 die Feststellung einer Hauterkrankung als BK ab und teilte der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tage mit, durch die Ablehnung der Hauterkrankung als BK werde der Anspruch nach § 3 BKV nicht berührt. Danach seien von der BG Leistungen zu gewähren, wenn die gefährdende Tätigkeit eingestellt worden sei, weil die Gefahr bestanden hat, dass eine BK entsteht. Diese Voraussetzung sei zu dem Zeitpunkt erfüllt, als die Klägerin ihre Tätigkeit als Friseurin eingestellt habe. Im Rahmen des § 3 BKV könnten z.B. die Kosten der beruflichen Rehabilitation und ein Minderverdienstausgleich vorgenommen werden. Es werde in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt geprüft, ob und ggf. welche beruflichen Reha-Maßnahmen durchzuführen seien.
Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, sie habe ihre Tätigkeit als Friseurin am 15. April 1995 aufgegeben, ihr letzter Arbeitstag im Betrieb sei der 16. Februar 1995 gewesen, seitdem sei sie arbeitsunfähig erkrankt, gewährte die Beklagte der Klägerin einen Vorschuss auf Übergangsleistungen nach § 3 BKV und teilte der Klägerin in dem diesbezüglichen Vorschussbescheid vom 6. Dezember 1995 mit, ihr stehe nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen ein Anspruch auf Geldleistungen zu. Die Leistung könne ihrer Höhe nach jedoch noch nicht festgestellt werden. Sie erhalte deshalb einen Vorschuss in Höhe von 14.000,00 DM auf laufende Geldleistungen für die Zeit vom 17. Februar 1995 bis 30. November 1995. Vorschüsse seien auf die zustehende Leistung anzurechnen und vom Empfänger zu erstatten, soweit sie diese übersteigen.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin im Februar 1996 mit, sie erhalte aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Berufsunfähigkeitsrente seitens der Landesversicherungsanstalt Hessen (LVA). Aufgrund von der LVA beigezogener Unterlagen wurde der Beklagten bekannt, dass die Klägerin vom 16. Februar 1995 bis 30. April 1995 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und ab dem 1. Mai 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog. Die Erwerbsunfähigkeitsrente war der Klägerin durch Bescheid vom 19. Februar 1996 gewährt worden, nachdem der Facharzt für Psychiatrie Dr. H. in einem Gutachten vom 19. Oktober 1995 zu der Beurteilung gelangt war, die Klägerin könne aufgrund einer lang anhaltenden depressiv-ängstlichen Reaktion nach psychotischer Dekompensation einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung gegenwärtig keine Leistungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erbringen. Die LVA bestätigte im Schreiben vom 9. Juli 1996, dass die Rentengewährung aufgrund der psychiatrischen Erkrankung der Klägerin erfolgt sei und die Kontaktallergie an den Händen hierbei keine Berücksichtigung gefunden habe, weil der Klägerin auch ohne diese Erkrankung Rente zu gewähren sei.
Mit Bescheid vom 12. September 1996 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe gem. § 3 Abs. 2 BKV einen Anspruch auf Übergangsleistungen ab dem 17. Februar 1995 für längstens fünf Jahre. Die Übergangsleistungen errechneten sich aus dem entgangenen Nettoentgelt unter Berücksichtigung der bezogenen Einkünfte und sonstiger wirtschaftlicher Vor- und Nachteile. Der Anspruch ende bei Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (z.B. Gewährung von Altersruhegeld, bei Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit), wenn ein Minderverdienst nicht mehr bestehe oder wenn erneut eine gefährdende Tätigkeit aufgenommen werde. Ab dem 1. Mai 1995 bestehe kein Anspruch auf Minderverdienstausgleich, weil die Klägerin wegen des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe. Für die Zeit vom 17. Februar 1995 bis 30. April 1995 stehe ihr eine Übergangsleistung in Höhe des entgangenen Netto-Arbeitsentgelts am alten Arbeitsplatz von 5.258,66 DM zu. Infolge der Vorschusszahlung sei eine Überzahlung von 8.741,34 DM eingetreten, die von der Klägerin zu erstatten sei.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Rückerstattungsforderung der Beklagten und machte geltend, sie habe dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden und eine EDV-Tätigkeit angestrebt. Sie dürfe im Übrigen auch als EU-Rentnerin eine geringfügige Tätigkeit ausüben. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. April 1997 zurück. Die durch die drohende BK verursachte Einbuße an Betätigungs- und Verdienstmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ab dem 1. Mai 1995 nicht mehr, weil die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es seien deshalb ab diesem Zeitpunkt Übergangsleistungen nicht mehr zu gewähren.
Die Klägerin hat hiergegen am 22. Mai 1997 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, auch ab 1. Mai 1995 stünde ihr ein Minderverdienstausgleich zu.
Das SG hat durch Urteil vom 5. Juli 1999 die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12. September 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1997 verpflichtet, die Klägerin im Hinblick auf den Minderverdienst über den 30. April 1995 hinaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Die angefochtenen Bescheide hat es aufgehoben soweit die Beklagte die Erstattung des überzahlten Betrages von 8.741,34 DM verlangt hat. In den Gründen hat es ausgeführt, die Hauterkrankung und die psychische Erkrankung seien gleichwertige Mitursache für den Eintritt des Minderverdienstes. Keine habe eine so überragende Bedeutung, dass die andere völlig in den Hintergrund trete und ihre Wesentlichkeit verliere. Ein Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV komme nur dann nicht in Betracht, wenn eine unabhängige Erkrankung für den Minderverdienst allein verantwortlich sei. Im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung habe die Beklagte zu berücksichtigen, dass möglicherweise nicht der gesamte tatsächliche Minderverdienst, sondern nur ein Teil davon auf die durch die Hauterkrankung bedingte Einstellung der Friseurtätigkeit der Klägerin zurückzuführen sei.
Gegen dieses ihr am 4. August 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. August 1999 am 13. August 1999 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG verkenne, dass es ein wesentlicher Unterschied sei, ob ein Versicherter sich bewusst aus dem Erwerbsleben zurückziehe oder ob ein Versicherter wegen eines von der BK unabhängigen schweren Leidens erwerbsunfähig und deshalb außerstande sei, am Erwerbsleben teilzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Juli 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, sie habe sich auch nach dem 1. Mai 1995 weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. So habe sie damit begonnen, durch Angebote für freie Mitarbeiter als Computer-Layout-Designerin Kontakte zu verschiedenen Firmen zu knüpfen und habe zur Vorbereitung auf die von ihr angestrebte Tätigkeit ab dem 1. November 1995 bei der Volkshochschule W. an einem EDV-Kurs teilgenommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch in der Sache begründet. Denn die Klägerin hat nach dem 30. April 1995 keinen Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV.
Nach § 3 BKV hat der Träger der Unfallversicherung der Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Ist die Gefahr für den Versicherten nicht zu beseitigen, hat der Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass der Versicherte die gefährdende Tätigkeit unterlässt (§ 3 Abs. 1 BKV). Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftes der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt (§ 3 Abs. 2 BKV).
Ein Anspruch auf Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV setzt einen ursächlichen Zusammenhang sowohl zwischen der drohenden BK und der Einstellung der Tätigkeit als auch zwischen dem Einstellen der Tätigkeit und dem Minderverdienst oder den sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen voraus (BSGE 40, 146, 149; Mehrtens/Perlebach, BKV, Kommentar, Stand November 2001, G § 3 Anm. 5.10; Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch -SGB- VII, Anhang III zu § 9, Rdnr. 100).
Tritt bei dem Versicherten Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ein, so kommt es bei Beurteilung des Kausalzusammenhangs darauf an, ob das zur Erwerbsunfähigkeit führende Leiden allein oder zumindest rechtlich wesentlich mit der drohenden BK zusammenhängt oder ob die Erwerbsunfähigkeit unabhängig von dem Gesundheitszustand, der die konkrete Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 1 BKV begründet hat, eingetreten ist. Beruht die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger allein oder zumindest wesentlich auf der Gesundheitsstörung, die die konkrete Gefahr im Sinne von § 3 Abs. 1 BKV begründet, besteht auch nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit weiterhin ein auf die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit kausal zurückzuführender Minderverdienst. An dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Minderverdienst und Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit mangelt es aber ab dem Zeitpunkt, ab dem Erwerbsunfähigkeit unabhängig von dem Gesundheitszustand, der die konkrete Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 1 BKV begründet hat, eingetreten ist (BSGE 40, 147, 149; Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Anm. 5.11; Lauterbach, a.a.O., Rdnr. 118).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte anerkannt, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe am 16. Februar 1995 die Gefahr fortbestand, dass eine Hauterkrankung als BK im Sinne der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV entsteht, und die Klägerin aufgrund dieser objektiv bestehenden Gefahr gezwungen war, ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin aufzugeben. Die Beklagte hat aber auch zutreffend festgestellt, dass die Kausalität zwischen Tätigkeitsaufgabe und Minderverdienst der Klägerin durch den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung weggefallen ist. Denn für den ab 1. Mai 1995 eintretenden Minderverdienst der Klägerin war allein die psychische Erkrankung der Klägerin verantwortlich. Die beruflich erworbene allergische Erkrankung hat dabei keine Rolle gespielt. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. H. vom 19. Oktober 1995. Darin hat der Sachverständige festgestellt, dass die Klägerin aufgrund der psychischen Erkrankung nicht in der Lage ist, Leistungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen. Er wies darauf hin, dass die Klägerin auch die anfallenden Haushaltsaufgaben nur partiell bewältige und zum Teil an ihre Mutter delegiere. Die LVA hat in dem Schreiben vom 9. Juli 1996 bestätigt, dass die bei der Klägerin bestehende Kontaktallergie bei der Rentenbewilligung nicht berücksichtigt wurde, und der Klägerin auch ohne diese Erkrankung Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt worden wäre. Dass die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin völlig unabhängig von der Sensibilisierung gegenüber p-Phenylendiamin eingetreten ist, ergeben auch die Feststellungen des Dr. A. in seinem Gutachten vom 21. August 1995. Dr. A. ist zu der Beurteilung gelangt, dass die kontaktallergische Hauterkrankung der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu keiner relevanten Einschränkung führt, weil die Hauterscheinungen nach Beendigung der Friseurtätigkeit vollständig abgeheilt sind und das festgestellte Allergen p-Phenylendiamin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine weite Verbreitung findet. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde von Dr. A. mit unter 10 v.H. bewertet. Die Hauterkrankung hätte folglich die Klägerin nicht daran gehindert, eine Tätigkeit anderer Art auszuüben oder eine Umschulung zu beginnen.
Da die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung objektiv nicht mehr in der Lage war, Leistungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen, und dieser Umstand allein wesentlich für die ab dem 1. Mai 1995 bestehende Erwerbsunfähigkeit und den ab diesem Zeitpunkt eintretenden Minderverdienst war, spielt es keine Rolle, ob die Klägerin subjektiv bereit war, wieder eine Berufstätigkeit aufzunehmen oder eine Umschulung zu beginnen.
Nachdem der Anspruch auf Übergangsleistungen aufgrund der der Klägerin ab 1. Mai 1995 gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente nicht mehr bestand, bedurfte es seitens der Beklagten keiner Ermessensentscheidung im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV über Art, Dauer und Höhe der Leistung.
Die von der Beklagten im Bescheid vom 12. September 1996 festgestellte Erstattungsverpflichtung der Klägerin ergibt sich aus § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I. Danach sind Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen und vom Empfänger zu erstatten, soweit sie diese übersteigen. Voraussetzung für den Erstattungsanspruch ist, dass es sich bei der gewährten Leistung um Vorschüsse im Sinne des § 42 Abs. 1 SGB I handelt. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf Geldleistung dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Ein Anspruch besteht dem Grunde nach, wenn alle für den Anspruch vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale bis auf diejenigen über die Höhe der Leistung festgestellt sind. Dies bedeutet, dass der angegangene Leistungsträger seine Zuständigkeit bejaht und aufgrund seiner Ermittlungen die Überzeugung gewonnen hat, dass der gegen ihn geltend gemachte Leistungsanspruch vorbehaltlich der Feststellung der Leistungshöhe besteht (Hauck/ Haines, SGB I, Stand: Dezember 2001, § 42 Rdnr. 4 a). Das Bestehen einer Rückerstattungspflicht gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I hängt jedoch nicht von der Rechtmäßigkeit der Vorschussbewilligung ab. Es ist deshalb unerheblich, wenn sich nach Gewährung des Vorschusses im Laufe des fortzuführenden Verwaltungsverfahrens nachträglich herausstellt, dass der Anspruch dem Grunde nach nicht bestand. Denn der Leistungsträger kann bei seiner Entscheidung über die Bewilligung eines Vorschusses naturgemäß nur seine jeweils derzeitige Auffassung von der Sach- und Rechtslage zugrunde legen. Diese Entscheidung kann sich aufgrund des fortzuführenden Verwaltungsverfahrens nachträglich ganz oder teilweise als unrichtig herausstellen (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 29. April 1997 - 4 RA 46/96 -). Dieser Auslegung schließt sich der Senat an. Denn sie entspricht dem Sinn und Zweck des § 42 SGB I. Denn die Vorschussgewährung soll den Leistungsberechtigten vor erheblichen finanziellen Schwierigkeiten bewahren und dessen wirtschaftliche Existenz sicherstellen, wenn die Bewilligung der Sozialleistung längere Bearbeitungszeiten in Anspruch nimmt. Hinge die Erstattungspflicht von der Rechtmäßigkeit der Vorschussbewilligung ab, käme nur noch in wenigen Fällen eine Vorschusszahlung in Frage. Sind umfangreichere Ermittlungen zur Feststellung eines Anspruchs erforderlich, wie dies gerade im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung häufig der Fall ist, müsste die Gewährung eines Vorschusses abgelehnt werden, weil nicht auszuschließen ist, dass sich im Laufe der Ermittlungen herausstellt, dass überhaupt kein Leistungsanspruch besteht (vgl. auch Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 27. September 2001 - L 5 U 102/00 -).
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 29. April 1997) ist der Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I eröffnet, wenn der Leistungsträger für einen an Treu und Glauben orientierten Begünstigten hinreichend verdeutlicht hat, er treffe eine lediglich einstweilige Regelung vom Typ eines Vorschusses im Sinne des § 42 Abs. 1 SGB I. Hierzu muss er wenigstens die Typus prägenden Merkmale dieses einstweiligen Verwaltungsaktes mitteilen und zumindest verdeutlichen, "er bewillige wegen eines nach seiner Ansicht dem Grunde nach bestehenden "Anspruchs" auf Geldleistungen, dessen genaue Höhe noch nicht zeitnah festgestellt werden kann, ein Recht auf Zahlungen, das noch kein dauerhafter Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Gezahlten und dessen Ausübung somit wirtschaftlich risikobehaftet ist".
Im Falle der Klägerin war der Beklagten im Zeitpunkt der Vorschussbewilligung im Dezember 1995 nicht bekannt, dass die Klägerin an einer psychischen Erkrankung leidet, die möglicherweise zur Erwerbsunfähigkeit führt. Die Beklagte musste aufgrund ihres Erkenntnisstandes davon ausgehen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Übergangsleistungen hat. Sie gewährte deshalb der Klägerin aufgrund einer vorläufigen Berechnung des Minderverdienstes, der danach für die Zeit vom 7. Februar 1995 bis 30. November 1995 voraussichtlich 20.415,97 DM betragen hätte, einen Vorschuss in Höhe von 14.000,00 DM. Im Vorschussbescheid vom 6. Dezember 1995 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihr "nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen" ein Anspruch auf Geldleistung zusteht. Die Beklagte hat somit deutlich gemacht, dass der ihrer Ansicht nach bestehende Anspruch der Klägerin auf Geldleistung noch keiner abschließenden Prüfung unterzogen wurde. Sie hat die Klägerin ferner darauf hingewiesen, dass die Höhe der Leistung noch nicht festgestellt werden kann, weil noch weitere Ermittlungen erforderlich sind. Die Klägerin wurde auch darauf hingewiesen, dass noch kein dauerhafter Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Gezahlten besteht, die Klägerin die gezahlten Vorschüsse zu erstatten hat, wenn diese die ihr zustehende Leistung übersteigen. Da folglich die Klägerin damit rechnen musste, dass sie die empfangenen Vorschüsse gem. § 42 Abs. 2 SGB I zurückzahlen muss, ist der Bescheid der Beklagten vom 12. September 1996 auch hinsichtlich des geltend gemachten Erstattungsbetrages in Höhe von 8.741,34 DM rechtmäßig. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das der Klägerin zustehende Übergangsgeld.
Die 1954 geborene Klägerin war als selbstständige Friseurmeisterin tätig. Aufgrund einer ärztlichen Anzeige über das Vorliegen einer berufsbedingten ekzematösen Kontaktallergie wurde die Klägerin im Auftrag der Beklagten von dem Hautarzt Dr. A. gutachtlich untersucht. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 21. August 1995 zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestehe eine p-Phenylendiamin-Sensibilisierung aufgrund ihrer Tätigkeit als Friseurin. Das Allergen finde eine breite Anwendung insbesondere in Friseurchemikalien, deshalb solle die Klägerin nicht mehr als Friseurin tätig werden. Dr. A. verneinte das Vorliegen einer schweren Hauterkrankung und damit das Vorliegen einer Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK). Er befürwortete jedoch Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen des § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 23. November 1995 die Feststellung einer Hauterkrankung als BK ab und teilte der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tage mit, durch die Ablehnung der Hauterkrankung als BK werde der Anspruch nach § 3 BKV nicht berührt. Danach seien von der BG Leistungen zu gewähren, wenn die gefährdende Tätigkeit eingestellt worden sei, weil die Gefahr bestanden hat, dass eine BK entsteht. Diese Voraussetzung sei zu dem Zeitpunkt erfüllt, als die Klägerin ihre Tätigkeit als Friseurin eingestellt habe. Im Rahmen des § 3 BKV könnten z.B. die Kosten der beruflichen Rehabilitation und ein Minderverdienstausgleich vorgenommen werden. Es werde in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt geprüft, ob und ggf. welche beruflichen Reha-Maßnahmen durchzuführen seien.
Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, sie habe ihre Tätigkeit als Friseurin am 15. April 1995 aufgegeben, ihr letzter Arbeitstag im Betrieb sei der 16. Februar 1995 gewesen, seitdem sei sie arbeitsunfähig erkrankt, gewährte die Beklagte der Klägerin einen Vorschuss auf Übergangsleistungen nach § 3 BKV und teilte der Klägerin in dem diesbezüglichen Vorschussbescheid vom 6. Dezember 1995 mit, ihr stehe nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen ein Anspruch auf Geldleistungen zu. Die Leistung könne ihrer Höhe nach jedoch noch nicht festgestellt werden. Sie erhalte deshalb einen Vorschuss in Höhe von 14.000,00 DM auf laufende Geldleistungen für die Zeit vom 17. Februar 1995 bis 30. November 1995. Vorschüsse seien auf die zustehende Leistung anzurechnen und vom Empfänger zu erstatten, soweit sie diese übersteigen.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin im Februar 1996 mit, sie erhalte aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Berufsunfähigkeitsrente seitens der Landesversicherungsanstalt Hessen (LVA). Aufgrund von der LVA beigezogener Unterlagen wurde der Beklagten bekannt, dass die Klägerin vom 16. Februar 1995 bis 30. April 1995 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und ab dem 1. Mai 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog. Die Erwerbsunfähigkeitsrente war der Klägerin durch Bescheid vom 19. Februar 1996 gewährt worden, nachdem der Facharzt für Psychiatrie Dr. H. in einem Gutachten vom 19. Oktober 1995 zu der Beurteilung gelangt war, die Klägerin könne aufgrund einer lang anhaltenden depressiv-ängstlichen Reaktion nach psychotischer Dekompensation einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung gegenwärtig keine Leistungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erbringen. Die LVA bestätigte im Schreiben vom 9. Juli 1996, dass die Rentengewährung aufgrund der psychiatrischen Erkrankung der Klägerin erfolgt sei und die Kontaktallergie an den Händen hierbei keine Berücksichtigung gefunden habe, weil der Klägerin auch ohne diese Erkrankung Rente zu gewähren sei.
Mit Bescheid vom 12. September 1996 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe gem. § 3 Abs. 2 BKV einen Anspruch auf Übergangsleistungen ab dem 17. Februar 1995 für längstens fünf Jahre. Die Übergangsleistungen errechneten sich aus dem entgangenen Nettoentgelt unter Berücksichtigung der bezogenen Einkünfte und sonstiger wirtschaftlicher Vor- und Nachteile. Der Anspruch ende bei Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (z.B. Gewährung von Altersruhegeld, bei Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit), wenn ein Minderverdienst nicht mehr bestehe oder wenn erneut eine gefährdende Tätigkeit aufgenommen werde. Ab dem 1. Mai 1995 bestehe kein Anspruch auf Minderverdienstausgleich, weil die Klägerin wegen des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe. Für die Zeit vom 17. Februar 1995 bis 30. April 1995 stehe ihr eine Übergangsleistung in Höhe des entgangenen Netto-Arbeitsentgelts am alten Arbeitsplatz von 5.258,66 DM zu. Infolge der Vorschusszahlung sei eine Überzahlung von 8.741,34 DM eingetreten, die von der Klägerin zu erstatten sei.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Rückerstattungsforderung der Beklagten und machte geltend, sie habe dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden und eine EDV-Tätigkeit angestrebt. Sie dürfe im Übrigen auch als EU-Rentnerin eine geringfügige Tätigkeit ausüben. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. April 1997 zurück. Die durch die drohende BK verursachte Einbuße an Betätigungs- und Verdienstmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ab dem 1. Mai 1995 nicht mehr, weil die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es seien deshalb ab diesem Zeitpunkt Übergangsleistungen nicht mehr zu gewähren.
Die Klägerin hat hiergegen am 22. Mai 1997 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, auch ab 1. Mai 1995 stünde ihr ein Minderverdienstausgleich zu.
Das SG hat durch Urteil vom 5. Juli 1999 die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12. September 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1997 verpflichtet, die Klägerin im Hinblick auf den Minderverdienst über den 30. April 1995 hinaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Die angefochtenen Bescheide hat es aufgehoben soweit die Beklagte die Erstattung des überzahlten Betrages von 8.741,34 DM verlangt hat. In den Gründen hat es ausgeführt, die Hauterkrankung und die psychische Erkrankung seien gleichwertige Mitursache für den Eintritt des Minderverdienstes. Keine habe eine so überragende Bedeutung, dass die andere völlig in den Hintergrund trete und ihre Wesentlichkeit verliere. Ein Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV komme nur dann nicht in Betracht, wenn eine unabhängige Erkrankung für den Minderverdienst allein verantwortlich sei. Im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung habe die Beklagte zu berücksichtigen, dass möglicherweise nicht der gesamte tatsächliche Minderverdienst, sondern nur ein Teil davon auf die durch die Hauterkrankung bedingte Einstellung der Friseurtätigkeit der Klägerin zurückzuführen sei.
Gegen dieses ihr am 4. August 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. August 1999 am 13. August 1999 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG verkenne, dass es ein wesentlicher Unterschied sei, ob ein Versicherter sich bewusst aus dem Erwerbsleben zurückziehe oder ob ein Versicherter wegen eines von der BK unabhängigen schweren Leidens erwerbsunfähig und deshalb außerstande sei, am Erwerbsleben teilzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Juli 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, sie habe sich auch nach dem 1. Mai 1995 weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. So habe sie damit begonnen, durch Angebote für freie Mitarbeiter als Computer-Layout-Designerin Kontakte zu verschiedenen Firmen zu knüpfen und habe zur Vorbereitung auf die von ihr angestrebte Tätigkeit ab dem 1. November 1995 bei der Volkshochschule W. an einem EDV-Kurs teilgenommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch in der Sache begründet. Denn die Klägerin hat nach dem 30. April 1995 keinen Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV.
Nach § 3 BKV hat der Träger der Unfallversicherung der Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Ist die Gefahr für den Versicherten nicht zu beseitigen, hat der Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass der Versicherte die gefährdende Tätigkeit unterlässt (§ 3 Abs. 1 BKV). Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftes der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt (§ 3 Abs. 2 BKV).
Ein Anspruch auf Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV setzt einen ursächlichen Zusammenhang sowohl zwischen der drohenden BK und der Einstellung der Tätigkeit als auch zwischen dem Einstellen der Tätigkeit und dem Minderverdienst oder den sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen voraus (BSGE 40, 146, 149; Mehrtens/Perlebach, BKV, Kommentar, Stand November 2001, G § 3 Anm. 5.10; Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch -SGB- VII, Anhang III zu § 9, Rdnr. 100).
Tritt bei dem Versicherten Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ein, so kommt es bei Beurteilung des Kausalzusammenhangs darauf an, ob das zur Erwerbsunfähigkeit führende Leiden allein oder zumindest rechtlich wesentlich mit der drohenden BK zusammenhängt oder ob die Erwerbsunfähigkeit unabhängig von dem Gesundheitszustand, der die konkrete Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 1 BKV begründet hat, eingetreten ist. Beruht die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger allein oder zumindest wesentlich auf der Gesundheitsstörung, die die konkrete Gefahr im Sinne von § 3 Abs. 1 BKV begründet, besteht auch nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit weiterhin ein auf die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit kausal zurückzuführender Minderverdienst. An dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Minderverdienst und Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit mangelt es aber ab dem Zeitpunkt, ab dem Erwerbsunfähigkeit unabhängig von dem Gesundheitszustand, der die konkrete Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 1 BKV begründet hat, eingetreten ist (BSGE 40, 147, 149; Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Anm. 5.11; Lauterbach, a.a.O., Rdnr. 118).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte anerkannt, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe am 16. Februar 1995 die Gefahr fortbestand, dass eine Hauterkrankung als BK im Sinne der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV entsteht, und die Klägerin aufgrund dieser objektiv bestehenden Gefahr gezwungen war, ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin aufzugeben. Die Beklagte hat aber auch zutreffend festgestellt, dass die Kausalität zwischen Tätigkeitsaufgabe und Minderverdienst der Klägerin durch den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung weggefallen ist. Denn für den ab 1. Mai 1995 eintretenden Minderverdienst der Klägerin war allein die psychische Erkrankung der Klägerin verantwortlich. Die beruflich erworbene allergische Erkrankung hat dabei keine Rolle gespielt. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. H. vom 19. Oktober 1995. Darin hat der Sachverständige festgestellt, dass die Klägerin aufgrund der psychischen Erkrankung nicht in der Lage ist, Leistungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen. Er wies darauf hin, dass die Klägerin auch die anfallenden Haushaltsaufgaben nur partiell bewältige und zum Teil an ihre Mutter delegiere. Die LVA hat in dem Schreiben vom 9. Juli 1996 bestätigt, dass die bei der Klägerin bestehende Kontaktallergie bei der Rentenbewilligung nicht berücksichtigt wurde, und der Klägerin auch ohne diese Erkrankung Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt worden wäre. Dass die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin völlig unabhängig von der Sensibilisierung gegenüber p-Phenylendiamin eingetreten ist, ergeben auch die Feststellungen des Dr. A. in seinem Gutachten vom 21. August 1995. Dr. A. ist zu der Beurteilung gelangt, dass die kontaktallergische Hauterkrankung der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu keiner relevanten Einschränkung führt, weil die Hauterscheinungen nach Beendigung der Friseurtätigkeit vollständig abgeheilt sind und das festgestellte Allergen p-Phenylendiamin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine weite Verbreitung findet. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde von Dr. A. mit unter 10 v.H. bewertet. Die Hauterkrankung hätte folglich die Klägerin nicht daran gehindert, eine Tätigkeit anderer Art auszuüben oder eine Umschulung zu beginnen.
Da die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung objektiv nicht mehr in der Lage war, Leistungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen, und dieser Umstand allein wesentlich für die ab dem 1. Mai 1995 bestehende Erwerbsunfähigkeit und den ab diesem Zeitpunkt eintretenden Minderverdienst war, spielt es keine Rolle, ob die Klägerin subjektiv bereit war, wieder eine Berufstätigkeit aufzunehmen oder eine Umschulung zu beginnen.
Nachdem der Anspruch auf Übergangsleistungen aufgrund der der Klägerin ab 1. Mai 1995 gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente nicht mehr bestand, bedurfte es seitens der Beklagten keiner Ermessensentscheidung im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV über Art, Dauer und Höhe der Leistung.
Die von der Beklagten im Bescheid vom 12. September 1996 festgestellte Erstattungsverpflichtung der Klägerin ergibt sich aus § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I. Danach sind Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen und vom Empfänger zu erstatten, soweit sie diese übersteigen. Voraussetzung für den Erstattungsanspruch ist, dass es sich bei der gewährten Leistung um Vorschüsse im Sinne des § 42 Abs. 1 SGB I handelt. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf Geldleistung dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Ein Anspruch besteht dem Grunde nach, wenn alle für den Anspruch vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale bis auf diejenigen über die Höhe der Leistung festgestellt sind. Dies bedeutet, dass der angegangene Leistungsträger seine Zuständigkeit bejaht und aufgrund seiner Ermittlungen die Überzeugung gewonnen hat, dass der gegen ihn geltend gemachte Leistungsanspruch vorbehaltlich der Feststellung der Leistungshöhe besteht (Hauck/ Haines, SGB I, Stand: Dezember 2001, § 42 Rdnr. 4 a). Das Bestehen einer Rückerstattungspflicht gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I hängt jedoch nicht von der Rechtmäßigkeit der Vorschussbewilligung ab. Es ist deshalb unerheblich, wenn sich nach Gewährung des Vorschusses im Laufe des fortzuführenden Verwaltungsverfahrens nachträglich herausstellt, dass der Anspruch dem Grunde nach nicht bestand. Denn der Leistungsträger kann bei seiner Entscheidung über die Bewilligung eines Vorschusses naturgemäß nur seine jeweils derzeitige Auffassung von der Sach- und Rechtslage zugrunde legen. Diese Entscheidung kann sich aufgrund des fortzuführenden Verwaltungsverfahrens nachträglich ganz oder teilweise als unrichtig herausstellen (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 29. April 1997 - 4 RA 46/96 -). Dieser Auslegung schließt sich der Senat an. Denn sie entspricht dem Sinn und Zweck des § 42 SGB I. Denn die Vorschussgewährung soll den Leistungsberechtigten vor erheblichen finanziellen Schwierigkeiten bewahren und dessen wirtschaftliche Existenz sicherstellen, wenn die Bewilligung der Sozialleistung längere Bearbeitungszeiten in Anspruch nimmt. Hinge die Erstattungspflicht von der Rechtmäßigkeit der Vorschussbewilligung ab, käme nur noch in wenigen Fällen eine Vorschusszahlung in Frage. Sind umfangreichere Ermittlungen zur Feststellung eines Anspruchs erforderlich, wie dies gerade im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung häufig der Fall ist, müsste die Gewährung eines Vorschusses abgelehnt werden, weil nicht auszuschließen ist, dass sich im Laufe der Ermittlungen herausstellt, dass überhaupt kein Leistungsanspruch besteht (vgl. auch Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 27. September 2001 - L 5 U 102/00 -).
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 29. April 1997) ist der Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I eröffnet, wenn der Leistungsträger für einen an Treu und Glauben orientierten Begünstigten hinreichend verdeutlicht hat, er treffe eine lediglich einstweilige Regelung vom Typ eines Vorschusses im Sinne des § 42 Abs. 1 SGB I. Hierzu muss er wenigstens die Typus prägenden Merkmale dieses einstweiligen Verwaltungsaktes mitteilen und zumindest verdeutlichen, "er bewillige wegen eines nach seiner Ansicht dem Grunde nach bestehenden "Anspruchs" auf Geldleistungen, dessen genaue Höhe noch nicht zeitnah festgestellt werden kann, ein Recht auf Zahlungen, das noch kein dauerhafter Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Gezahlten und dessen Ausübung somit wirtschaftlich risikobehaftet ist".
Im Falle der Klägerin war der Beklagten im Zeitpunkt der Vorschussbewilligung im Dezember 1995 nicht bekannt, dass die Klägerin an einer psychischen Erkrankung leidet, die möglicherweise zur Erwerbsunfähigkeit führt. Die Beklagte musste aufgrund ihres Erkenntnisstandes davon ausgehen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Übergangsleistungen hat. Sie gewährte deshalb der Klägerin aufgrund einer vorläufigen Berechnung des Minderverdienstes, der danach für die Zeit vom 7. Februar 1995 bis 30. November 1995 voraussichtlich 20.415,97 DM betragen hätte, einen Vorschuss in Höhe von 14.000,00 DM. Im Vorschussbescheid vom 6. Dezember 1995 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihr "nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen" ein Anspruch auf Geldleistung zusteht. Die Beklagte hat somit deutlich gemacht, dass der ihrer Ansicht nach bestehende Anspruch der Klägerin auf Geldleistung noch keiner abschließenden Prüfung unterzogen wurde. Sie hat die Klägerin ferner darauf hingewiesen, dass die Höhe der Leistung noch nicht festgestellt werden kann, weil noch weitere Ermittlungen erforderlich sind. Die Klägerin wurde auch darauf hingewiesen, dass noch kein dauerhafter Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Gezahlten besteht, die Klägerin die gezahlten Vorschüsse zu erstatten hat, wenn diese die ihr zustehende Leistung übersteigen. Da folglich die Klägerin damit rechnen musste, dass sie die empfangenen Vorschüsse gem. § 42 Abs. 2 SGB I zurückzahlen muss, ist der Bescheid der Beklagten vom 12. September 1996 auch hinsichtlich des geltend gemachten Erstattungsbetrages in Höhe von 8.741,34 DM rechtmäßig. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
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