Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 878/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 289/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 2001 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger wegen einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 2108, 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab 1. November 2000 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. zu zahlen hat.
Der 1953 geborene Kläger hat nach der Hauptschule eine landwirtschaftliche Lehre absolviert und war seit 1975 als selbstständiger Landwirt tätig. Zum 1. November 2000 hat der Kläger seinen Hof an seinen Sohn übergeben.
Im Januar 1994 beantragte der Kläger die Anerkennung und Entschädigung seiner LWS-Erkrankung als BK. Nach seinen Angaben hat er schon während der Schulzeit seit dem Tod seines Vaters im März 1966 in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Er verrichtete sämtliche üblichen landwirtschaftlichen Arbeiten wie Stall- und Fütterungsarbeiten, Ernte- und Bestellungsarbeiten auf dem Feld und in den Wirtschaftsgebäuden und hatte außerdem den Schlepper zu fahren. Er gab an, erste Wirbelsäulenbeschwerden im LWS-Bereich seien bei ihm bereits 1969/1970 aufgetreten. Anhaltende Beschwerden seien anfangs gelegentlich, später in kürzeren Abständen aufgetreten. Ambulante Behandlungen wegen Rückenschmerzen seien im 17. bzw. 18. Lebensjahr erfolgt. Der Kläger fügte seinem Antrag Berichte bei der Klinik R., W., des Chirurgen und Orthopäden Dr. K. und der W-Klinik W. sowie einen Bescheid des Versorgungsamtes Kassel vom 30. August 1989,in dem als Behinderungen "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenoperation" mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt wurden. In den Arztberichten wird ein Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation L4/5 rechts im Dezember 1982 und L5/S1 rechts am 19. Januar 1989 beschrieben.
Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und ließ gutachterliche Stellungnahmen des Radiologen Dr. M. vom 27. September 1994 und des Orthopäden Dr. R., Arzt für Orthopädie, Klinik H., vom 20. Oktober 1994 erstellen. Dr. R. führte aus, die Röntgenaufnahmen der LWS aus dem Jahre 1994 ergäben eine selektive Bandscheibenraumverschmälerung L4/5 und etwas geringer ausgeprägt L5/S1. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger seit dem 15. Lebensjahr schwerste körperliche Arbeiten in der Landwirtschaft habe verrichten müssen, das Heben und Tragen schwerer Lasten über längere Zeiträume und das Schlepperfahren zu seinen bevorzugten Aufgaben gehört habe, dass bereits sehr frühzeitig mit etwa 16 Jahren glaubhafte Wirbelsäulenbeschwerden, insbesondere Kreuzschmerzen mit Wurzelreizerscheinungen aufgetreten seien und in zwei Etagen Bandscheibenschäden nach vorangegangenen Vorfällen operativ behandelt worden seien, sei das Vorliegen einer BK nicht zu widerlegen. Zumindest scheine es im Rahmen einer anlagebedingten Minderwertigkeit bindegewebiger Strukturen, insbesondere betreffend den Faserknorpel und die knorplig knöchernen Strukturen von Deck- und Grundplatten der Wirbelsäule, unter dem Einfluss der schweren körperlichen Belastung zu einem vorzeitigen Schaden gekommen zu sein. Eine Arbeitsplatzanalyse sei notwendig.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten erstellte unter Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers im landwirtschaftlichen Betrieb von 1966 bis 1994 eine Arbeitsplatzanalyse und kam unter Anwendung des Bewertungsverfahrens nach Hartung und Dupuis zu dem Ergebnis, dass nur 53,4 % der Mindestbelastungsdosis für eine BK-Nr. 2110 und 16,1 % der Mindestbelastungsdosis für eine BK der Nr. 2108 und somit nur ca. 70 % der erforderlichen Mindestbelastungsdosis gegeben sei.
Aus gewerbeärztlicher Sicht stimmte der Landesgewerbearzt dem angewandten Modell zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht zu und empfahl eine medizinische Begutachtung. Nach dem angewandten Modell würden zu hohe Lastgewichte und/oder zuviele Hebe- und Tragevorgänge gefordert. Das Verfahren nach Jäger/Luttmann sei sachgerechter.
Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 14. Oktober 1996 erstattete Dr. R. schließlich das Gutachten vom 17. Oktober 1996. Unter Auswertung röntgenologischer, kernspintomographischer, computertomographischer und myelographischer Aufnahmen führte Dr. R. aus, bei dem Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in den Segmenten L4/5 und L5/S1 vor, die nicht mit Wahrscheinlichkeit beruflich, sondern anlagebedingt verursacht sei. Überwiegende medizinische Gründe sprächen nicht für eine berufliche Verursachung durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten sowie durch Ganzkörperschwingungen. Gegen eine BK sprächen der frühe Beginn der Beschwerden, das Ergebnis der Arbeitsplatzanalyse, nur zum Teil bedingt die Tatsache, dass lediglich zwei Etagen der LWS betroffen seien, nicht aber die darüber liegenden Segmente, die derzeit gute Funktion des LWS-Organes und das weitgehende Fehlen motorischer, allenfalls das Verbleiben geringfügig ausgeprägter restsensibler Störungen, das Vorhandensein juveniler Aufbaustörungen der Brustwirbelsäule -BWS- (Morbus Scheuermann) mit ihrer zweifelsfrei schicksalsmäßigen Entstehung, die geringfügige Ausprägung belastungsadaptiver Segmentveränderungen im Lendenabschnitt der Wirbelsäule, das völlige Intaktsein der Nachbarsegmente oberhalb von L4 mit perlschnurartiger Darstellung der einzelnen Wirbelsäulensegmente bei Fehlen jeglicher Verschleißveränderungen. Für den Ursachenzusammenhang spreche, dass der erste Bandscheibenvorfall mit Operationspflicht 16 Jahre nach Aufnehmen der beruflichen Tätigkeit als Landwirt aufgetreten sei.
Der Landesgewerbearzt vertrat letztlich am 11. April 1997 die Auffassung, eine BK könne nicht vorgeschlagen werden, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben seien.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1997 lehnte die Beklagte die Entschädigung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers nach den Nrn. 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV ab. Weder seien die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die BKen gegeben.
Mit Widerspruch vom Juli 1997 machte der Kläger geltend, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht hinreichend festgestellt worden. Auch habe sich bei der Untersuchung durch Dr. R. eine negative Untersuchungssituation aufgebaut. Im Übrigen habe der Landesgewerbearzt am 25. November 1996 die Anerkennung seiner Erkrankung als BK vorgeschlagen.
Nachdem der TAD auf Veranlassung der Beklagten Nachermittlungen vorgenommen hatte und unter Berücksichtigung der Zeit von 1966 bis 1997 eine Gesamtdosis Dv von 78 % errechnet hatte (BK-Nr. 2110 prozentualer Anteil am Dosisrichtwert 61,5 %, BK-Nr. 2108 prozentualer Anteil am Dosisrichtwert 16,4 %), erstellte Dr. T., Arzt für Orthopädie, Institut für Medizinische Begutachtung, K., ein Gutachten vom 20. Januar 1998 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20. Januar 1998. Der Gutachter führte aus, bei dem Kläger liege zweifelsohne eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Segment L4/5 und Segment L5/S1 vor, die jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Belastungen im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 verursacht worden sei. Es fehle ein belastungskonformes Schadensbild. Anhand der bildgebenden Befunde seien nur bei L4/5 dem Alter vorauseilende osteochondrotische und spondylotische Veränderungen festzustellen, während das präsakrale Bewegungssegment selbst nach der Operation und trotz weiterer Belastung nur altersentsprechende geringe degenerative Veränderungen zeige. Ein von oben nach unten in seiner Ausprägung zunehmendes und dem Alter deutlich vorauseilendes Schadensbild liege nicht vor. Bei dem Kläger seien an den Segmenten L1 bis L4 noch keinerlei umformende osteochondrotische und spondylotische Reaktionen entstanden, was gegen eine berufliche Ursache der beiden operierten Bandscheibenvorfälle spreche. Die Residuen einer Scheuermann´schen Erkrankung an der BWS ließen erkennen, dass offensichtlich eine anlagebedingte Gewebeschwäche maßgeblich für die Entstehung der Bandscheibenerkrankung des Versicherten gewesen sei. Auch hätte der Kläger schon in der Jugend Rückenschmerzen gehabt und die erste Bandscheibenoperation sei schon mit 29 Jahren notwendig geworden. Manifestiere sich das Bandscheibenleiden bereits in jungen Jahren, also vor Vollendung der dritten Lebensdekade, so spreche auch dies für die schicksalhafte Genese. Die Bandscheibenerkrankung des Klägers müsse weit überwiegend auf eine anlagebedingte Gewebeschwäche zurückgeführt werden. Im Übrigen beständen an den arbeitstechnischen Voraussetzungen nach den Ermittlungen des TAD Zweifel.
Mit Bescheid vom 19. Mai 1998 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Mit der am 18. Juni 1998 beim Sozialgericht Kassel (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er erfülle sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen für eine BK nach den Nrn. 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV.
Von Amts wegen hat das SG ein orthopädisches Gutachten durch den Arzt Dr. E., B., vom 25. April 1999 eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 25. April 1999 mit Ergänzung vom 5. Juli 1999 ausgeführt, bei dem Kläger liege im Zeitpunkt der Untersuchung am 23. April 1999 eine chronische Lumboischialgie beiderseits nach Bandscheibenoperationen L4/5 1982 und L5/S1 1989 mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule vor. Auch die mäßige Osteochondrose bei B7 bis B9 könne als Folge der BK in Betracht gezogen werden. Es beständen Zweifel am typischen Ablauf eines Morbus Scheuermann, da die anstrengenden Belastungen ab dem 13. Lebensjahr zu einer leichten Deformierung der Wirbelkörper und Zwischenwirbelscheiben B7 bis B9 geführt hätten und weniger eine anlagebedingte Bindegewebsschwäche. Zweifel an anlagebedingten Ursachen (Morbus Scheuermann, anlagebedingte Facettenasymmetrie und geringe skoliotische Verbiegung der Wirbelsäule) seien angebracht. Eine anlagebedingte Bindegewebsschwäche hätte im Laufe von 40 Jahren zu erkennbaren degenerativen Veränderungen im Gesamtbereich der Wirbelsäule geführt, die bei dem Kläger nicht erkennbar seien. Es sei demnach nicht auszuschließen, dass die Veränderung der BWS als Folge der beruflichen Frühbelastung im Sinne einer früheren Osteochondrose zu werten seien. Eine wesentliche Höhenminderung der Bandscheibe L4 bis S1 sei bis 1982 nicht feststellbar. Auf den Röntgenaufnahmen vom 27. August 1982 sehe man allenfalls eine diskrete Einengung der Bandscheibe L4/5. Die Schwingungsbelastungen der Wirbelsäule wirkten sich vornehmlich auf die unteren zwei Bandscheiben aus, nach oben verflache sich die Schwingungsenergie. Schwingungsbedingte Bandscheibenschäden ließen unter Berücksichtigung der pathophysiologischen Vorgänge nicht zwingend vorauseilende sichtbare reaktive Veränderungen an den Wirbelkörperbegrenzungen erkennen.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten des Dr. E. Stellungnahmen des Orthopäden Dr. T. vom 21. Mai 1999 und 16. August 1999 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, schädigende Einwirkungen am Achsenorgan müssten auch belastungsadaptive Reaktionen verursachen, um von einem belastungskonformen Schadensbild ausgehen zu können. Wenn, wie bei dem Kläger, selbst in den von einem Bandscheibenvorfall betroffenen Segmenten keine dem Alter vorauseilenden reaktiven Veränderungen entstanden seien, dann entbehre es jeglicher Plausibilität, dass die Bandscheibenschäden berufsbedingt entstanden seien. Auch wenn der Kläger schon sehr frühzeitig in der Landwirtschaft tätig gewesen sei, so sei es nach der jüngeren Literatur ganz unwahrscheinlich, dass berufliche Einwirkungen schon im Alter von 29 Jahren zu einem Bandscheibenvorfall geführt hätten. Im Übrigen habe er auch nur angemerkt, dass die Schmorl´schen Knorpelknoten am 7. bis 10. Brustwirbelkörper (BWK) auf eine jugendliche Wachstumsstörung im Sinne eines Morbus Scheuermann hinweisen würden. Die fehlende Belastungskonformität des Schadensbildes mache eine BK jedenfalls unwahrscheinlich. Er habe auch nicht die Auffassung vertreten, dass anlagebedingte Faktoren die alleinige Ursache des Bandscheibenschadens bei dem Kläger seien. Mangels belastungsadaptiver Reaktionen müsse aber davon ausgegangen werden, dass bei dem Kläger die schicksalhaften Ursachenfaktoren die entscheidende Ursache der Bandscheibenerkrankung seien. Allein die Tatsache, dass der Kläger bis zum Auftreten des Bandscheibenschadens 16 Jahre wirbelsäulenschädigend gearbeitet habe, reiche zur Begründung des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Sicherlich wirkten sich Schwingungsbelastungen an den untersten Bewegungssegmenten am stärksten aus. Hiervon seien aber unwesentlich geringer auch alle anderen Etagen der LWS betroffen. Insoweit sei bei Schwingungsbelastungen des Achsenorgans eine dem Alter deutlich vorauseilende belastungsadaptive Reaktion an allen Lendenwirbeln zu erwarten. Insofern seien schon 1982 an dem vom Bandscheibenvorfall betroffenen Segment altersüberdurchschnittliche belastungsadaptive Reaktionen zu erwarten gewesen, was ausweislich der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1982 nicht der Fall gewesen sei. Umformende Veränderungen hätten sich an diesem Segment erst nach der Bandscheibenoperation entwickelt. Nicht zu vereinbaren mit erfolgten Belastungen sei auch die Tatsache, dass sich selbst bis 1998 an den oberhalb von L4 gelegenen Segmenten keine relevanten osteochondrotischen und spondylotischen Veränderungen entwickelt hätten.
Von Amts wegen hat das SG sodann nach Aktenlage ein Gutachten des Dr. Bx., Arzt für Orthopädie, F. vom 3. Januar 2000 mit Ergänzungen vom 26. März 2000 und 10. April 2000 eingeholt. Der Sachverständige, dem keine Röntgenaufnahmen vorlagen, hat ausgeführt, bei dem Kläger lägen nach Aktenlage zweifellos schwerste Veränderungen im Bereich der unteren beiden Lendensegmente vor, während die Halswirbelsäule (HWS) nahezu unverändert sei. Prädiktive Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule ließen sich nicht feststellen. Die Veränderungen im Bereich der BWS hätten nicht mit Wahrscheinlichkeit zum Entstehen der Bandscheibenvorfälle beigetragen. Eher sei die berufliche Exposition geeignet, die bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der LWS zu verursachen. Der mono- bzw. bisegmentale Befall sei kein Ausschlusskriterium für die BK. Belastungsadaptive Reaktionen zu verlangen, sei nicht sinnvoll. Dr. T. sei zuzustimmen, dass Osteochondrosen bevorzugt in den unteren LWS-Segmenten und Spondylosen in den oberen LWS-Segmenten zu erwarten seien. Abweichungen davon in jede Richtung seien jedoch möglich. Das Vorhandensein von belastungsadaptiven Reaktionen könne kein Kriterium für die Anerkennung der BK sein. Das Fehlen degenerativer Veränderungen im Gesamtbereich der Wirbelsäule spreche gegen eine anlagebedingte Erkrankung, hier einen Morbus Scheuermann von klinischer Relevanz. Der Bandscheibenvorfall sei im Übrigen eine Erkrankung des jugendlichen Erwachsenen und trete nur selten jenseits des 40. oder 50. Lebensjahres auf. Bei dem Kläger liege nach Aktenlage ein lokales Lumbalsyndrom mit erheblicher funktioneller Insuffizienz und Hinweisen auf eine lumbale Instabilität ohne sichere neurologische Ausfallssymptomatik als Folgen zweimaliger Bandscheibenoperationen mit sekundärer Osteochondrose und Spondylose in den beiden unteren Lendensegmenten vor. Diese Erkrankungen seien durch die berufliche Tätigkeit des Klägers als Landwirt verursacht worden. Die MdE betrage 20 v.H. Sollten die Diagnosen aus dem Bericht der W-Kliniken vom 6. März 2000 zutreffend sein, betrage die MdE 30 v.H.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten des Dr. Bx. eine Stellungnahme des Dr. T. vom 8. März 2000 und des Chirurgen Dr. M. vom 27. April 2000 vorgelegt, auf die verwiesen wird.
Mit Urteil vom 24. Januar 2001 hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen einer Wirbelsäulenerkrankung nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab 1. November 2000 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger erfülle nach den Berechnungen des TAD zwar nur 78 % der Belastungsdosis, es entspreche jedoch arbeitsmedizinischer Meinung, dass im Einzelfall eine Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als BK berechtigt sei, wenn die sonstigen medizinischen Voraussetzungen gegeben seien, was nach den Gutachten der Sachverständigen Dr. E. und Dr. Bx. der Fall sei. Die Höhe der MdE betrage 20 v.H.
Gegen das der Beklagten am 12. März 2001 zugestellte Urteil, richtet sich ihre am 15. März 2001 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung.
Die Beklagte trägt vor, unabhängig davon, dass der Kläger nach den Berechnungen des TAD bis 1997 nur 78 % der Mindestbelastungsdosis erfülle, lägen auch die medizinischen Voraussetzungen für die BK nicht vor. Nach der Rechtsprechung sei Voraussetzung für die Annahme eines Kausalzusammenhangs ein sogenanntes belastungskonformes Schadensbild. Ein solches Schadensbild fordere in allen LWS-Segmenten dem normalen Altersbild zumindest vorauseilende belastungsadaptive spondylotische und osteochondrotische Reaktionen, die sich von oben nach unten zunehmend darstellten. Solche belastungsadaptive Reaktionen fehlten beim Kläger. Im Übrigen seien beim Kläger auch schon ab dem 16. Lebensjahr Rückenschmerzen aufgetreten, was gegen eine berufliche Verursachung der Beschwerden spreche. Dass eine BK nicht festzustellen sei, folge auch aus dem Gutachten des Dr. Fx ...
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend.
Von Amts wegen hat der Senat nach Beiziehung der Krankenunterlagen des Klägers Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch Dr. Fx., Arzt für Orthopädie, Orthopädische Universitätsklinik G., vom 16. Oktober 2001 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 18. September 2001. Der Sachverständige führt aus, bei dem Kläger liege an den beiden untersten Bewegungssegmenten der LWS eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor mit pseudoradikulären/radikulären Reizzuständen und Sensibilitätsstörungen nach einem degenerativen Aufbrauch der beiden untersten Bandscheiben (besonders L4/5) und operativ behandelten dortigen Bandscheibenvorfällen. Im Brustabschnitt beständen röntgenanatomische Residuen einer juvenilen Wirbelaufbaustörung (Morbus Scheuermann) ohne relevante klinisch-funktionelle Auswirkungen. Im Halsabschnitt befänden sich Cervialgien und Bewegungssteifen bei ausgeprägter HWS-Streckfehlhaltung mit altersnormalen Bandscheibenregressionsbefunden im Röntgenbild. Der Kläger habe jahrzehntelang Arbeiten in der Landwirtschaft verrichtet, die die gesamte untere Wirbelsäule in von oben nach unten hin zunehmendem Maße belasteten. Diese berufliche Belastung spiegele sich im Lendenabschnitt nicht wieder. Die die Altersnorm überschreitende LWS-Erkrankung beschränke sich weiterhin auf die beiden untersten Bandscheibenetagen. Oberhalb davon hätten sich trotz der nach der ersten Bandscheibenoperation 1982 noch 18 Jahre lang weitergeführten Tätigkeit als Landwirt im weiteren Krankheitsverlauf keine röntgenanatomischen Belastungs- und Schädigungszeichen in Gestalt von z.B. Osteochondrosen und Spondylosen eingestellt. Für die Wirbelsäulenbeschwerden in seinem zweiten Lebensjahrzehnt finde sich mit den im Röntgenbild dargestellten Residuen einer durchgemachten Scheuermann’schen Erkrankung an der BWS eine lendenbandscheibenunabhängige Erklärung. Begründet werde durch einen Morbus Scheuermann auch die Annahme einer von äußeren Wirbelsäulenbelastungen unabhängigen Disposition zu vorzeitigem Bandscheibenverschleiß. Nach Mehrtens/Perlebach solle dieses Krankheitsbild durch eine endogene Komponente mit einem erhöhten Risiko degenerativer Bandscheibenschäden der LWS im Erwachsenenalter behaftet sein. Das Risiko der Entwicklung solcher Bandscheibenerkrankungen sei nicht auf die primär vom Morbus Scheuermann betroffenen Segmente - meist der BWS - begrenzt. Die Annahme einer BK nach den Nrn. 2108 und/oder 2110 der Anlage 1 zur BKV werde bei dem Kläger durch maßgebliche medizinische Faktoren nicht gestützt. Im Übrigen sei auffallend, dass der TAD die Belastungsdosis von 70 % bzw. 78 % auf die Zeiträume 1966 bis 1994 bzw. 1966 bis 1997 bezogen habe. Der erste LWS-Bandscheibenschaden sei jedoch bereits 1982 an der Etage L4/5 in voller Ausprägung vorhanden gewesen und der zweite Schaden bei L5/S1 dann 1989. Genuin neue Bandscheibenschäden seien danach nicht mehr aufgetreten. Unabhängig von der Schadenskausalität betrage die MdE ab 1. November 2000 20 v.H.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Kläger hat entgegen der Ansicht des SG keinen Anspruch auf Entschädigung eines Bandscheibenleidens der LWS als BK nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 7. Buch -SGB VII- i.V.m. der BKV. Danach gehören zu den BKen zwar auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung (Nr. 2108) oder durch langjährige, vorwiegend vertikale Ganzkörperschwingungen im Sitzen (Nr. 2110), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Erkrankung des Klägers ist jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge entsprechender Einwirkungen während seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit.
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BKen nach den Nrn. 2108, 2110 der Anlage 1 zur BKV erfüllt, d.h. ob er langjährig hinreichend schwer gehoben und getragen hat oder langjährig Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeführt hat und ob er langjährig vorwiegend vertikalen Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen hinreichend belastend von 1966 bis zur Aufgabe seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit Ende Oktober 2000 ausgesetzt war. Selbst wenn das Vorliegen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen und damit die sogenannte haftungsbegründende Kausalität zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, fehlt es in jedem Fall an der haftungsausfüllenden Kausalität als weitere Voraussetzung des Anspruchs. Denn der Kläger erfüllt nicht die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108/2110. Überwiegende medizinische Gründe sprechen nicht dafür, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS wesentlich durch berufliche Einwirkungen im Sinne dieser Nrn. (mit)verursacht worden ist. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit genügt nicht (u.a. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 -). Allenfalls hiervon ist jedoch im Falle des Klägers auszugehen.
Allein das Vorliegen einer beruflichen Exposition, die grundsätzlich geeignet ist, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS zu verursachen, begründet angesichts der vielfältigen Ursachen für eine derartige Erkrankung keinen Anscheinsbeweis (§ 9 Abs. 3 SGB VII) und damit noch nicht die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung (BSG, Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 -; LSG Niedersachsen, Urteil vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW -; HLSG, Urteil vom 27. September 2000 - L 3 U 832/97 -). Vielmehr lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang mit beruflichen Belastungseinwirkungen nur anhand zusätzlicher Merkmale beurteilen.
Bezüglich mono- oder bisegmentaler Schäden bei L4/5 und L5/S1 wird in Übereinstimmung mit Dr. T. von einer Vielzahl bedeutender Autoren die medizinische Auffassung vertreten, dass vorzeitige Bandscheibenveränderungen isoliert an einem der beiden oder an den beiden unteren Segmenten der LWS eine berufliche Verursachung zwar nicht von vornherein ausschließen, jedoch auch nicht aus sich heraus auf eine wesentliche Verursachung durch eine schädigende Exposition, sondern eher auf eine anlagebedingte Genese hinweisen und die Beweisführung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs in jedem Fall ganz erheblich erschweren. Begründet wird dies zum einen damit, dass auch die in der Gesamtbevölkerung auftretenden Bandscheibenschäden zu mehr als 90 % der Fälle diesen Bereich betreffen. Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass nach biomechanischen Untersuchungen und Berechnungen bei Hebe- und Tragebelastungen beim aufrecht stehenden Menschen die Kompressionskräfte in sämtlichen Bandscheibenräumen fast identisch und die Scherkräfte am lumbosacralen Scharnier nur etwas größer sind als in den oberen LWS-Etagen. In Rumpfbeugung sind die Kompressionskräfte im obersten LWS-Segment nur um ca. 30 % geringer als am lumbosacralen Scharnier und die Scherkräfte in sämtlichen Segmenten fast gleich groß. Auch bei Ganzkörpervibrationen sind die einwirkenden Kräfte in den unteren Bereichen am größten und flachen sich nach oben hin ab, d.h. die Wirbelsäule wird in von oben nach unten hin zunehmendem Maße belastet. Infolgedessen ist nach biomechanischen Aspekten - unter Berücksichtigung des strukturell gleichen Bandscheibengewebes - aber zu erwarten, dass bei einer entsprechend schädigenden rezidivierenden langjährigen Exposition auch die ebenfalls belasteten oberen Segmente der LWS - wenn auch nacheilend - Veränderungen aufweisen zumindest in Form von "Anpassungsphänomenen" bzw. belastungsadaptiven Osteochondrosen und/oder spondylotischen Reaktionen an allen Deck- und Tragplatten der Wirbelkörper ohne Höhenminderung des Bandscheibenraums und eigenständigen Krankheitswert, die einen in diesen Segmenten abgelaufenen Anpassungsvorgang an eine regelmäßige, langjährige Belastung und das Erreichen oder gar Überschreiten der individuellen Belastungsgrenze durch diese Belastung signalisieren (Ludolph/Spohr/Echtermeyer, BG 1994, 349; Koss, Med. Sach. 1995, 449; Schröter/Tändler, Unfallchirurg, 1995, 87; Mehrtens/Perlebach, Komm. zur BKV, M 2108, S. 21 ff.). Diese biomechanischen Überlegungen sind für den Senat überzeugend und in ständiger Rechtsprechung ebenso wie auch von anderen Landessozialgerichten zugrunde gelegt worden (u.a. HLSG, Urteile vom 15. September 1999 - L 3 U 646/98 -, 25. Juli 2001 - L 3 U 247/99 -; LSG Niedersachsen, Urteile vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW -, 30. November 1998 - L 6 U 422/97 -, 6. Juni 1996 - L 6 U 250/95 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27. Juli 1999 - L 3 U 202/97 -, 2. Februar 1999 - L 3 U 276/97 -, 15. Mai 1998 - L 3 U 216/97 -; LSG Nordrhein Westfalen, Urteile vom 10. Februar 1999 - L 17 U 177/98 -, 24. Juni 1998 - L 17 U 108/97 -; Bayerisches LSG, Urteil vom 8. September 1999 - L 2 U 408/96 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 1997 - L 2 U 1591/97 -). Damit werden nicht polysegmentale "bandscheiben-bedingte Erkrankungen" oder Bandscheibenvorfälle vorausgesetzt. Jedoch kann auf Grund der pathophysiologischen und biomechanischen Erkenntnisse über die Wirkungsweise von die LWS belastenden Tätigkeiten im Sinne der Nrn. 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV ein mono- bzw. bisegmentaler Bandscheibenschaden/-vorfall an der unteren LWS nur in Verknüpfung mit polysegmentalen "Anpassungsphänomenen" an den knöchernen Strukturen der LWS, die ein der beruflichen Einwirkung entsprechendes Verteilungsmuster zeigen, als belastungs- und berufsinduzierte Veränderung Anerkennung finden. Dies deckt sich entsprechend den Ausführungen des Dr. T. auch mit den Ergebnissen aus älteren und neueren epidemiologischen Untersuchungen z.B. von Hult sowie Weber und Morgenthaler, die eine dem Lebensalter vorauseilende Prävalenz osteochondrotischer und spondylotischer Reaktionen am Achsenorgan bei körperlich überdurchschnittlich belasteten Personen ergeben haben, wobei eine vorzeitige Osteochondrose bevorzugt in den unteren LWS-Segmenten und eine vorzeitige Spondylose eher in den oberen LWS-Segmenten unter Einbeziehung der unteren BWS-Etagen zu erwarten ist, gegebenenfalls mit Sprungsegment L3/4 und begleitenden kernspintomographisch nachweisbaren Signalveränderungen des Bandscheibengewebes in den belasteten Segmenten (s.a. LSG Niedersachsen, Urteil vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW -; HLSG Urteile vom 20. Juni 2001 - L 3 U 464/97 -, 27. Juli 2001 - L 3 U 247/99 -). Soweit Dr. Bx., der die Ergebnisse der epidemiologischen Untersuchungen nicht bestreitet, die Forderung eines in diesem Sinne belastungskonformen Schadensbildes als Kriterium für eine LWS-BK nicht für gerechtfertigt hält, handelt es sich nicht um eine medizinisch-wissenschaftliche, sondern rechtlich begründete Gegenmeinung. Die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität hat auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnisse und Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft, wie sie von den beteiligten Fachkreisen zumindest überwiegend akzeptiert werden, zu erfolgen (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R -). Dabei sind außer der Prüfung eines beruflichen belastungskonformen Schadensbildes auch außerberufliche Faktoren differenzialdiagnostisch abzugrenzen.
Ausgehend hiervon lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang des Bandscheibenvorfalls L4/5 1982 und des Bandscheibenvorfalls L5/S1 1989 des Klägers mit seiner beruflichen Tätigkeit weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung begründen. Denn die LWS-Segmente oberhalb von L4/5 zeigen nach übereinstimmender Beurteilung aller Ärzte weder eine Höhenminderung der Bandscheibenräume noch wesentliche degenerative, reparative oder belastungsadaptive Reaktionen in Form von Osteochondrosen und Spondylosen. Ein der beruflichen Belastung konformes Schadensbild als entscheidendes Indiz bzw. Positivkriterium für einen belastungsinduzierten Bandscheibenvorfall bei L4/5 bzw. L5/S1 ist damit nicht zu erkennen. Schon deshalb ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den Bandscheibenvorfällen aus überwiegenden medizinischen Gründen nicht zu bejahen (s. dazu HLSG, Urteile vom 27. September 2000 - L 3 U 169/99 -, 25. Juli 2001 - L 3 U 247/99 -; LSG Niedersachsen, Urteil vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW -).
Hinzu kommt, dass selbst im Segment L4/5 bei Auftreten des Bandscheibenvorfalls im August 1982 laut Röntgenbefund vom 27. August 1982 die Bandscheibe L4/5 nur diskret eingeengt wirkte und laut Auswertung des CT-Befundes vom 18. Januar 1989 beim Auftreten des Bandscheibenvorfalls L5/S1 eine Höhenminderung der Bandscheibe L5/S1 nicht erkennbar war. Eine Osteochondrose bei L4/5, L5/S1 (verstärkt bei L4/5) wurde von dem Radiologen Dr. M. und dem Sachverständigen Dr. E. erst auf den Röntgenaufnahmen der LWS vom 21. September 1994 befundet. Auch hinsichtlich der Röntgenaufnahmen der LWS vom 20. Januar 1998 vermerkt Dr. E. bei der Beurteilung lediglich "Osteochondrose L4/5". Der Sachverständige Dr. Fx. bewertete die Röntgenaufnahmen vom 14. Oktober 1996 dahingehend, dass eine massive Osteochondrose und eine mäßige Spondylose bei L4/5 bestehe, sowie eine Höhenminderung bei L5/S1 mit nur sehr geringen umformenden Veränderungen. Alle übrigen lumbalen Bewegungssegmente zeigten einen regelrechten Röntgenanatomiebefund. Trotz der nach der ersten Bandscheibenoperation 1982 noch 18 Jahre lang weitergeführten Tätigkeit als Landwirt haben sich oberhalb L4 keine röntgenanatomischen Belastungs- und Schädigungszeichen in Gestalt von z.B. Osteochondrosen und Spondylosen eingestellt, was auch nach Auffassung des Sachverständigen Dr. Fx. nicht dafür spricht, dass die berufliche Belastung eine wesentliche Ursache der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers ist. Genuin neue Bandscheibenschäden sind nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fx., der die medizinischen Unterlagen des Klägers bis Ende 2000 ausgewertet hat, nach 1989 nicht aufgetreten.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass für bestimmte Berufs- und Belastungsformen der positive Nachweis eines berufsbedingten mono- bzw. bisegmentalen Schadens geführt werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats z.B. Urteil vom 17. November 1999 - L 3 U 965/98 m.w.N. -), was im Fall des Klägers jedoch nicht gelingt. Dr. Fx. weist zutreffend darauf hin, dass eine Belastung z.B. wie in der Alten- und Krankenpflege, wo anders als in klassischen Schwerarbeiterberufen nicht eine Bandscheiben-"Versorgungsstörung" unter Dauerbelastung als Schadensauslöser angenommen wird, sondern eine wiederholte "Mikrotraumatisierung" durch plötzliche überhöhte Belastungsspitzen beim Heben und beim Lagern von immobilisierten und übergewichtigen Patienten gegeben ist, beim Kläger jedenfalls nicht regelmäßig vorlag. Gesicherte biomechanische und medizinische Erkenntnisse über das Auftreten von isolierten mono- bzw. bisegmentalen Bandscheibenschäden z.B. bei Landwirten u.a. durch das Schlepperfahren wurden auch weder von Dr. E. noch von Dr. Bx. aufgezeigt. Der Sachverständige Dr. E. führt nur aus, dass die Energie von Ganzkörperschwingungen, die sich vornehmlich auf die beiden unteren Bandscheiben der LWS auswirkt, sich nach oben hin abflacht.
Ob die frühen Rückenbeschwerden des Klägers im zweiten Lebensjahrzehnt muskulär (Dr. Bx.) und/oder belastungs- und witterungsbedingt (Dr. E.) waren oder ob diese durch eine jugendliche Aufbaustörung der Wirbelsäule (Morbus Scheuermann), deren Residuen bei dem Kläger röntgenologisch nur im BWS-Bereich gesichert sind, zu erklären sind (Dr. Fx.), lässt sich nicht feststellen. Ebenso wenig wie auf die nicht gesicherten Ursachen der frühen Rückenbeschwerden des Klägers kommt es auch nicht darauf an, dass eine Scheuermann’sche Erkrankung, an deren typischen Ablauf bei dem Kläger der Sachverständige Dr. E. Zweifel hat und die auch keine relevanten klinisch-funktionellen Auswirkungen hat, die Annahme einer von äußeren Wirbelsäulenbelastungen unabhängigen Disposition zu vorzeitigem Bandscheibenverschleiß begründet, die Erkrankung mit einem erhöhten Risiko degenerativer Bandscheibenerkrankung der LWS im Erwachsenenalter verbunden ist und das Risiko der Entwicklung degenerativer Bandscheibenschäden nicht auf die primär von der Scheuermann’schen Erkrankung betroffenen Segmente - bei dem Kläger die BWS - begrenzt ist (Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheitenverordnung, Stand November 2001, M 2108, S. 25 ff.). Denn die Verneinung eines Kausalzusammenhangs zwischen Bandscheibenleiden und beruflicher Tätigkeit setzt nicht voraus, dass eine bestimmte anlagebedingte bzw. außerberufliche Ursache sicher identifiziert wird. Vielmehr ist wie allgemein im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung so auch für die BKen nach den Nrn. 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV entscheidend, ob sich ein Kausalzusammenhang zwischen einer vorangegangenen beruflichen Belastung und dem eingetretenen Bandscheibenschaden positiv feststellen bzw. zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit positiv begründen lässt (siehe u.a. auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 29. Juli 1997 - L 3 U 331/96 -). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger wegen einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 2108, 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab 1. November 2000 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. zu zahlen hat.
Der 1953 geborene Kläger hat nach der Hauptschule eine landwirtschaftliche Lehre absolviert und war seit 1975 als selbstständiger Landwirt tätig. Zum 1. November 2000 hat der Kläger seinen Hof an seinen Sohn übergeben.
Im Januar 1994 beantragte der Kläger die Anerkennung und Entschädigung seiner LWS-Erkrankung als BK. Nach seinen Angaben hat er schon während der Schulzeit seit dem Tod seines Vaters im März 1966 in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Er verrichtete sämtliche üblichen landwirtschaftlichen Arbeiten wie Stall- und Fütterungsarbeiten, Ernte- und Bestellungsarbeiten auf dem Feld und in den Wirtschaftsgebäuden und hatte außerdem den Schlepper zu fahren. Er gab an, erste Wirbelsäulenbeschwerden im LWS-Bereich seien bei ihm bereits 1969/1970 aufgetreten. Anhaltende Beschwerden seien anfangs gelegentlich, später in kürzeren Abständen aufgetreten. Ambulante Behandlungen wegen Rückenschmerzen seien im 17. bzw. 18. Lebensjahr erfolgt. Der Kläger fügte seinem Antrag Berichte bei der Klinik R., W., des Chirurgen und Orthopäden Dr. K. und der W-Klinik W. sowie einen Bescheid des Versorgungsamtes Kassel vom 30. August 1989,in dem als Behinderungen "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenoperation" mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt wurden. In den Arztberichten wird ein Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation L4/5 rechts im Dezember 1982 und L5/S1 rechts am 19. Januar 1989 beschrieben.
Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und ließ gutachterliche Stellungnahmen des Radiologen Dr. M. vom 27. September 1994 und des Orthopäden Dr. R., Arzt für Orthopädie, Klinik H., vom 20. Oktober 1994 erstellen. Dr. R. führte aus, die Röntgenaufnahmen der LWS aus dem Jahre 1994 ergäben eine selektive Bandscheibenraumverschmälerung L4/5 und etwas geringer ausgeprägt L5/S1. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger seit dem 15. Lebensjahr schwerste körperliche Arbeiten in der Landwirtschaft habe verrichten müssen, das Heben und Tragen schwerer Lasten über längere Zeiträume und das Schlepperfahren zu seinen bevorzugten Aufgaben gehört habe, dass bereits sehr frühzeitig mit etwa 16 Jahren glaubhafte Wirbelsäulenbeschwerden, insbesondere Kreuzschmerzen mit Wurzelreizerscheinungen aufgetreten seien und in zwei Etagen Bandscheibenschäden nach vorangegangenen Vorfällen operativ behandelt worden seien, sei das Vorliegen einer BK nicht zu widerlegen. Zumindest scheine es im Rahmen einer anlagebedingten Minderwertigkeit bindegewebiger Strukturen, insbesondere betreffend den Faserknorpel und die knorplig knöchernen Strukturen von Deck- und Grundplatten der Wirbelsäule, unter dem Einfluss der schweren körperlichen Belastung zu einem vorzeitigen Schaden gekommen zu sein. Eine Arbeitsplatzanalyse sei notwendig.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten erstellte unter Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers im landwirtschaftlichen Betrieb von 1966 bis 1994 eine Arbeitsplatzanalyse und kam unter Anwendung des Bewertungsverfahrens nach Hartung und Dupuis zu dem Ergebnis, dass nur 53,4 % der Mindestbelastungsdosis für eine BK-Nr. 2110 und 16,1 % der Mindestbelastungsdosis für eine BK der Nr. 2108 und somit nur ca. 70 % der erforderlichen Mindestbelastungsdosis gegeben sei.
Aus gewerbeärztlicher Sicht stimmte der Landesgewerbearzt dem angewandten Modell zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht zu und empfahl eine medizinische Begutachtung. Nach dem angewandten Modell würden zu hohe Lastgewichte und/oder zuviele Hebe- und Tragevorgänge gefordert. Das Verfahren nach Jäger/Luttmann sei sachgerechter.
Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 14. Oktober 1996 erstattete Dr. R. schließlich das Gutachten vom 17. Oktober 1996. Unter Auswertung röntgenologischer, kernspintomographischer, computertomographischer und myelographischer Aufnahmen führte Dr. R. aus, bei dem Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in den Segmenten L4/5 und L5/S1 vor, die nicht mit Wahrscheinlichkeit beruflich, sondern anlagebedingt verursacht sei. Überwiegende medizinische Gründe sprächen nicht für eine berufliche Verursachung durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten sowie durch Ganzkörperschwingungen. Gegen eine BK sprächen der frühe Beginn der Beschwerden, das Ergebnis der Arbeitsplatzanalyse, nur zum Teil bedingt die Tatsache, dass lediglich zwei Etagen der LWS betroffen seien, nicht aber die darüber liegenden Segmente, die derzeit gute Funktion des LWS-Organes und das weitgehende Fehlen motorischer, allenfalls das Verbleiben geringfügig ausgeprägter restsensibler Störungen, das Vorhandensein juveniler Aufbaustörungen der Brustwirbelsäule -BWS- (Morbus Scheuermann) mit ihrer zweifelsfrei schicksalsmäßigen Entstehung, die geringfügige Ausprägung belastungsadaptiver Segmentveränderungen im Lendenabschnitt der Wirbelsäule, das völlige Intaktsein der Nachbarsegmente oberhalb von L4 mit perlschnurartiger Darstellung der einzelnen Wirbelsäulensegmente bei Fehlen jeglicher Verschleißveränderungen. Für den Ursachenzusammenhang spreche, dass der erste Bandscheibenvorfall mit Operationspflicht 16 Jahre nach Aufnehmen der beruflichen Tätigkeit als Landwirt aufgetreten sei.
Der Landesgewerbearzt vertrat letztlich am 11. April 1997 die Auffassung, eine BK könne nicht vorgeschlagen werden, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben seien.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1997 lehnte die Beklagte die Entschädigung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers nach den Nrn. 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV ab. Weder seien die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die BKen gegeben.
Mit Widerspruch vom Juli 1997 machte der Kläger geltend, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht hinreichend festgestellt worden. Auch habe sich bei der Untersuchung durch Dr. R. eine negative Untersuchungssituation aufgebaut. Im Übrigen habe der Landesgewerbearzt am 25. November 1996 die Anerkennung seiner Erkrankung als BK vorgeschlagen.
Nachdem der TAD auf Veranlassung der Beklagten Nachermittlungen vorgenommen hatte und unter Berücksichtigung der Zeit von 1966 bis 1997 eine Gesamtdosis Dv von 78 % errechnet hatte (BK-Nr. 2110 prozentualer Anteil am Dosisrichtwert 61,5 %, BK-Nr. 2108 prozentualer Anteil am Dosisrichtwert 16,4 %), erstellte Dr. T., Arzt für Orthopädie, Institut für Medizinische Begutachtung, K., ein Gutachten vom 20. Januar 1998 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20. Januar 1998. Der Gutachter führte aus, bei dem Kläger liege zweifelsohne eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Segment L4/5 und Segment L5/S1 vor, die jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Belastungen im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 verursacht worden sei. Es fehle ein belastungskonformes Schadensbild. Anhand der bildgebenden Befunde seien nur bei L4/5 dem Alter vorauseilende osteochondrotische und spondylotische Veränderungen festzustellen, während das präsakrale Bewegungssegment selbst nach der Operation und trotz weiterer Belastung nur altersentsprechende geringe degenerative Veränderungen zeige. Ein von oben nach unten in seiner Ausprägung zunehmendes und dem Alter deutlich vorauseilendes Schadensbild liege nicht vor. Bei dem Kläger seien an den Segmenten L1 bis L4 noch keinerlei umformende osteochondrotische und spondylotische Reaktionen entstanden, was gegen eine berufliche Ursache der beiden operierten Bandscheibenvorfälle spreche. Die Residuen einer Scheuermann´schen Erkrankung an der BWS ließen erkennen, dass offensichtlich eine anlagebedingte Gewebeschwäche maßgeblich für die Entstehung der Bandscheibenerkrankung des Versicherten gewesen sei. Auch hätte der Kläger schon in der Jugend Rückenschmerzen gehabt und die erste Bandscheibenoperation sei schon mit 29 Jahren notwendig geworden. Manifestiere sich das Bandscheibenleiden bereits in jungen Jahren, also vor Vollendung der dritten Lebensdekade, so spreche auch dies für die schicksalhafte Genese. Die Bandscheibenerkrankung des Klägers müsse weit überwiegend auf eine anlagebedingte Gewebeschwäche zurückgeführt werden. Im Übrigen beständen an den arbeitstechnischen Voraussetzungen nach den Ermittlungen des TAD Zweifel.
Mit Bescheid vom 19. Mai 1998 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Mit der am 18. Juni 1998 beim Sozialgericht Kassel (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er erfülle sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen für eine BK nach den Nrn. 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV.
Von Amts wegen hat das SG ein orthopädisches Gutachten durch den Arzt Dr. E., B., vom 25. April 1999 eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 25. April 1999 mit Ergänzung vom 5. Juli 1999 ausgeführt, bei dem Kläger liege im Zeitpunkt der Untersuchung am 23. April 1999 eine chronische Lumboischialgie beiderseits nach Bandscheibenoperationen L4/5 1982 und L5/S1 1989 mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule vor. Auch die mäßige Osteochondrose bei B7 bis B9 könne als Folge der BK in Betracht gezogen werden. Es beständen Zweifel am typischen Ablauf eines Morbus Scheuermann, da die anstrengenden Belastungen ab dem 13. Lebensjahr zu einer leichten Deformierung der Wirbelkörper und Zwischenwirbelscheiben B7 bis B9 geführt hätten und weniger eine anlagebedingte Bindegewebsschwäche. Zweifel an anlagebedingten Ursachen (Morbus Scheuermann, anlagebedingte Facettenasymmetrie und geringe skoliotische Verbiegung der Wirbelsäule) seien angebracht. Eine anlagebedingte Bindegewebsschwäche hätte im Laufe von 40 Jahren zu erkennbaren degenerativen Veränderungen im Gesamtbereich der Wirbelsäule geführt, die bei dem Kläger nicht erkennbar seien. Es sei demnach nicht auszuschließen, dass die Veränderung der BWS als Folge der beruflichen Frühbelastung im Sinne einer früheren Osteochondrose zu werten seien. Eine wesentliche Höhenminderung der Bandscheibe L4 bis S1 sei bis 1982 nicht feststellbar. Auf den Röntgenaufnahmen vom 27. August 1982 sehe man allenfalls eine diskrete Einengung der Bandscheibe L4/5. Die Schwingungsbelastungen der Wirbelsäule wirkten sich vornehmlich auf die unteren zwei Bandscheiben aus, nach oben verflache sich die Schwingungsenergie. Schwingungsbedingte Bandscheibenschäden ließen unter Berücksichtigung der pathophysiologischen Vorgänge nicht zwingend vorauseilende sichtbare reaktive Veränderungen an den Wirbelkörperbegrenzungen erkennen.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten des Dr. E. Stellungnahmen des Orthopäden Dr. T. vom 21. Mai 1999 und 16. August 1999 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, schädigende Einwirkungen am Achsenorgan müssten auch belastungsadaptive Reaktionen verursachen, um von einem belastungskonformen Schadensbild ausgehen zu können. Wenn, wie bei dem Kläger, selbst in den von einem Bandscheibenvorfall betroffenen Segmenten keine dem Alter vorauseilenden reaktiven Veränderungen entstanden seien, dann entbehre es jeglicher Plausibilität, dass die Bandscheibenschäden berufsbedingt entstanden seien. Auch wenn der Kläger schon sehr frühzeitig in der Landwirtschaft tätig gewesen sei, so sei es nach der jüngeren Literatur ganz unwahrscheinlich, dass berufliche Einwirkungen schon im Alter von 29 Jahren zu einem Bandscheibenvorfall geführt hätten. Im Übrigen habe er auch nur angemerkt, dass die Schmorl´schen Knorpelknoten am 7. bis 10. Brustwirbelkörper (BWK) auf eine jugendliche Wachstumsstörung im Sinne eines Morbus Scheuermann hinweisen würden. Die fehlende Belastungskonformität des Schadensbildes mache eine BK jedenfalls unwahrscheinlich. Er habe auch nicht die Auffassung vertreten, dass anlagebedingte Faktoren die alleinige Ursache des Bandscheibenschadens bei dem Kläger seien. Mangels belastungsadaptiver Reaktionen müsse aber davon ausgegangen werden, dass bei dem Kläger die schicksalhaften Ursachenfaktoren die entscheidende Ursache der Bandscheibenerkrankung seien. Allein die Tatsache, dass der Kläger bis zum Auftreten des Bandscheibenschadens 16 Jahre wirbelsäulenschädigend gearbeitet habe, reiche zur Begründung des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Sicherlich wirkten sich Schwingungsbelastungen an den untersten Bewegungssegmenten am stärksten aus. Hiervon seien aber unwesentlich geringer auch alle anderen Etagen der LWS betroffen. Insoweit sei bei Schwingungsbelastungen des Achsenorgans eine dem Alter deutlich vorauseilende belastungsadaptive Reaktion an allen Lendenwirbeln zu erwarten. Insofern seien schon 1982 an dem vom Bandscheibenvorfall betroffenen Segment altersüberdurchschnittliche belastungsadaptive Reaktionen zu erwarten gewesen, was ausweislich der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1982 nicht der Fall gewesen sei. Umformende Veränderungen hätten sich an diesem Segment erst nach der Bandscheibenoperation entwickelt. Nicht zu vereinbaren mit erfolgten Belastungen sei auch die Tatsache, dass sich selbst bis 1998 an den oberhalb von L4 gelegenen Segmenten keine relevanten osteochondrotischen und spondylotischen Veränderungen entwickelt hätten.
Von Amts wegen hat das SG sodann nach Aktenlage ein Gutachten des Dr. Bx., Arzt für Orthopädie, F. vom 3. Januar 2000 mit Ergänzungen vom 26. März 2000 und 10. April 2000 eingeholt. Der Sachverständige, dem keine Röntgenaufnahmen vorlagen, hat ausgeführt, bei dem Kläger lägen nach Aktenlage zweifellos schwerste Veränderungen im Bereich der unteren beiden Lendensegmente vor, während die Halswirbelsäule (HWS) nahezu unverändert sei. Prädiktive Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule ließen sich nicht feststellen. Die Veränderungen im Bereich der BWS hätten nicht mit Wahrscheinlichkeit zum Entstehen der Bandscheibenvorfälle beigetragen. Eher sei die berufliche Exposition geeignet, die bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der LWS zu verursachen. Der mono- bzw. bisegmentale Befall sei kein Ausschlusskriterium für die BK. Belastungsadaptive Reaktionen zu verlangen, sei nicht sinnvoll. Dr. T. sei zuzustimmen, dass Osteochondrosen bevorzugt in den unteren LWS-Segmenten und Spondylosen in den oberen LWS-Segmenten zu erwarten seien. Abweichungen davon in jede Richtung seien jedoch möglich. Das Vorhandensein von belastungsadaptiven Reaktionen könne kein Kriterium für die Anerkennung der BK sein. Das Fehlen degenerativer Veränderungen im Gesamtbereich der Wirbelsäule spreche gegen eine anlagebedingte Erkrankung, hier einen Morbus Scheuermann von klinischer Relevanz. Der Bandscheibenvorfall sei im Übrigen eine Erkrankung des jugendlichen Erwachsenen und trete nur selten jenseits des 40. oder 50. Lebensjahres auf. Bei dem Kläger liege nach Aktenlage ein lokales Lumbalsyndrom mit erheblicher funktioneller Insuffizienz und Hinweisen auf eine lumbale Instabilität ohne sichere neurologische Ausfallssymptomatik als Folgen zweimaliger Bandscheibenoperationen mit sekundärer Osteochondrose und Spondylose in den beiden unteren Lendensegmenten vor. Diese Erkrankungen seien durch die berufliche Tätigkeit des Klägers als Landwirt verursacht worden. Die MdE betrage 20 v.H. Sollten die Diagnosen aus dem Bericht der W-Kliniken vom 6. März 2000 zutreffend sein, betrage die MdE 30 v.H.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten des Dr. Bx. eine Stellungnahme des Dr. T. vom 8. März 2000 und des Chirurgen Dr. M. vom 27. April 2000 vorgelegt, auf die verwiesen wird.
Mit Urteil vom 24. Januar 2001 hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen einer Wirbelsäulenerkrankung nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab 1. November 2000 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger erfülle nach den Berechnungen des TAD zwar nur 78 % der Belastungsdosis, es entspreche jedoch arbeitsmedizinischer Meinung, dass im Einzelfall eine Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als BK berechtigt sei, wenn die sonstigen medizinischen Voraussetzungen gegeben seien, was nach den Gutachten der Sachverständigen Dr. E. und Dr. Bx. der Fall sei. Die Höhe der MdE betrage 20 v.H.
Gegen das der Beklagten am 12. März 2001 zugestellte Urteil, richtet sich ihre am 15. März 2001 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung.
Die Beklagte trägt vor, unabhängig davon, dass der Kläger nach den Berechnungen des TAD bis 1997 nur 78 % der Mindestbelastungsdosis erfülle, lägen auch die medizinischen Voraussetzungen für die BK nicht vor. Nach der Rechtsprechung sei Voraussetzung für die Annahme eines Kausalzusammenhangs ein sogenanntes belastungskonformes Schadensbild. Ein solches Schadensbild fordere in allen LWS-Segmenten dem normalen Altersbild zumindest vorauseilende belastungsadaptive spondylotische und osteochondrotische Reaktionen, die sich von oben nach unten zunehmend darstellten. Solche belastungsadaptive Reaktionen fehlten beim Kläger. Im Übrigen seien beim Kläger auch schon ab dem 16. Lebensjahr Rückenschmerzen aufgetreten, was gegen eine berufliche Verursachung der Beschwerden spreche. Dass eine BK nicht festzustellen sei, folge auch aus dem Gutachten des Dr. Fx ...
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend.
Von Amts wegen hat der Senat nach Beiziehung der Krankenunterlagen des Klägers Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch Dr. Fx., Arzt für Orthopädie, Orthopädische Universitätsklinik G., vom 16. Oktober 2001 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 18. September 2001. Der Sachverständige führt aus, bei dem Kläger liege an den beiden untersten Bewegungssegmenten der LWS eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor mit pseudoradikulären/radikulären Reizzuständen und Sensibilitätsstörungen nach einem degenerativen Aufbrauch der beiden untersten Bandscheiben (besonders L4/5) und operativ behandelten dortigen Bandscheibenvorfällen. Im Brustabschnitt beständen röntgenanatomische Residuen einer juvenilen Wirbelaufbaustörung (Morbus Scheuermann) ohne relevante klinisch-funktionelle Auswirkungen. Im Halsabschnitt befänden sich Cervialgien und Bewegungssteifen bei ausgeprägter HWS-Streckfehlhaltung mit altersnormalen Bandscheibenregressionsbefunden im Röntgenbild. Der Kläger habe jahrzehntelang Arbeiten in der Landwirtschaft verrichtet, die die gesamte untere Wirbelsäule in von oben nach unten hin zunehmendem Maße belasteten. Diese berufliche Belastung spiegele sich im Lendenabschnitt nicht wieder. Die die Altersnorm überschreitende LWS-Erkrankung beschränke sich weiterhin auf die beiden untersten Bandscheibenetagen. Oberhalb davon hätten sich trotz der nach der ersten Bandscheibenoperation 1982 noch 18 Jahre lang weitergeführten Tätigkeit als Landwirt im weiteren Krankheitsverlauf keine röntgenanatomischen Belastungs- und Schädigungszeichen in Gestalt von z.B. Osteochondrosen und Spondylosen eingestellt. Für die Wirbelsäulenbeschwerden in seinem zweiten Lebensjahrzehnt finde sich mit den im Röntgenbild dargestellten Residuen einer durchgemachten Scheuermann’schen Erkrankung an der BWS eine lendenbandscheibenunabhängige Erklärung. Begründet werde durch einen Morbus Scheuermann auch die Annahme einer von äußeren Wirbelsäulenbelastungen unabhängigen Disposition zu vorzeitigem Bandscheibenverschleiß. Nach Mehrtens/Perlebach solle dieses Krankheitsbild durch eine endogene Komponente mit einem erhöhten Risiko degenerativer Bandscheibenschäden der LWS im Erwachsenenalter behaftet sein. Das Risiko der Entwicklung solcher Bandscheibenerkrankungen sei nicht auf die primär vom Morbus Scheuermann betroffenen Segmente - meist der BWS - begrenzt. Die Annahme einer BK nach den Nrn. 2108 und/oder 2110 der Anlage 1 zur BKV werde bei dem Kläger durch maßgebliche medizinische Faktoren nicht gestützt. Im Übrigen sei auffallend, dass der TAD die Belastungsdosis von 70 % bzw. 78 % auf die Zeiträume 1966 bis 1994 bzw. 1966 bis 1997 bezogen habe. Der erste LWS-Bandscheibenschaden sei jedoch bereits 1982 an der Etage L4/5 in voller Ausprägung vorhanden gewesen und der zweite Schaden bei L5/S1 dann 1989. Genuin neue Bandscheibenschäden seien danach nicht mehr aufgetreten. Unabhängig von der Schadenskausalität betrage die MdE ab 1. November 2000 20 v.H.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Kläger hat entgegen der Ansicht des SG keinen Anspruch auf Entschädigung eines Bandscheibenleidens der LWS als BK nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 7. Buch -SGB VII- i.V.m. der BKV. Danach gehören zu den BKen zwar auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung (Nr. 2108) oder durch langjährige, vorwiegend vertikale Ganzkörperschwingungen im Sitzen (Nr. 2110), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Erkrankung des Klägers ist jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge entsprechender Einwirkungen während seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit.
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BKen nach den Nrn. 2108, 2110 der Anlage 1 zur BKV erfüllt, d.h. ob er langjährig hinreichend schwer gehoben und getragen hat oder langjährig Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeführt hat und ob er langjährig vorwiegend vertikalen Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen hinreichend belastend von 1966 bis zur Aufgabe seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit Ende Oktober 2000 ausgesetzt war. Selbst wenn das Vorliegen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen und damit die sogenannte haftungsbegründende Kausalität zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, fehlt es in jedem Fall an der haftungsausfüllenden Kausalität als weitere Voraussetzung des Anspruchs. Denn der Kläger erfüllt nicht die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108/2110. Überwiegende medizinische Gründe sprechen nicht dafür, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS wesentlich durch berufliche Einwirkungen im Sinne dieser Nrn. (mit)verursacht worden ist. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit genügt nicht (u.a. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 -). Allenfalls hiervon ist jedoch im Falle des Klägers auszugehen.
Allein das Vorliegen einer beruflichen Exposition, die grundsätzlich geeignet ist, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS zu verursachen, begründet angesichts der vielfältigen Ursachen für eine derartige Erkrankung keinen Anscheinsbeweis (§ 9 Abs. 3 SGB VII) und damit noch nicht die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung (BSG, Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 -; LSG Niedersachsen, Urteil vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW -; HLSG, Urteil vom 27. September 2000 - L 3 U 832/97 -). Vielmehr lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang mit beruflichen Belastungseinwirkungen nur anhand zusätzlicher Merkmale beurteilen.
Bezüglich mono- oder bisegmentaler Schäden bei L4/5 und L5/S1 wird in Übereinstimmung mit Dr. T. von einer Vielzahl bedeutender Autoren die medizinische Auffassung vertreten, dass vorzeitige Bandscheibenveränderungen isoliert an einem der beiden oder an den beiden unteren Segmenten der LWS eine berufliche Verursachung zwar nicht von vornherein ausschließen, jedoch auch nicht aus sich heraus auf eine wesentliche Verursachung durch eine schädigende Exposition, sondern eher auf eine anlagebedingte Genese hinweisen und die Beweisführung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs in jedem Fall ganz erheblich erschweren. Begründet wird dies zum einen damit, dass auch die in der Gesamtbevölkerung auftretenden Bandscheibenschäden zu mehr als 90 % der Fälle diesen Bereich betreffen. Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass nach biomechanischen Untersuchungen und Berechnungen bei Hebe- und Tragebelastungen beim aufrecht stehenden Menschen die Kompressionskräfte in sämtlichen Bandscheibenräumen fast identisch und die Scherkräfte am lumbosacralen Scharnier nur etwas größer sind als in den oberen LWS-Etagen. In Rumpfbeugung sind die Kompressionskräfte im obersten LWS-Segment nur um ca. 30 % geringer als am lumbosacralen Scharnier und die Scherkräfte in sämtlichen Segmenten fast gleich groß. Auch bei Ganzkörpervibrationen sind die einwirkenden Kräfte in den unteren Bereichen am größten und flachen sich nach oben hin ab, d.h. die Wirbelsäule wird in von oben nach unten hin zunehmendem Maße belastet. Infolgedessen ist nach biomechanischen Aspekten - unter Berücksichtigung des strukturell gleichen Bandscheibengewebes - aber zu erwarten, dass bei einer entsprechend schädigenden rezidivierenden langjährigen Exposition auch die ebenfalls belasteten oberen Segmente der LWS - wenn auch nacheilend - Veränderungen aufweisen zumindest in Form von "Anpassungsphänomenen" bzw. belastungsadaptiven Osteochondrosen und/oder spondylotischen Reaktionen an allen Deck- und Tragplatten der Wirbelkörper ohne Höhenminderung des Bandscheibenraums und eigenständigen Krankheitswert, die einen in diesen Segmenten abgelaufenen Anpassungsvorgang an eine regelmäßige, langjährige Belastung und das Erreichen oder gar Überschreiten der individuellen Belastungsgrenze durch diese Belastung signalisieren (Ludolph/Spohr/Echtermeyer, BG 1994, 349; Koss, Med. Sach. 1995, 449; Schröter/Tändler, Unfallchirurg, 1995, 87; Mehrtens/Perlebach, Komm. zur BKV, M 2108, S. 21 ff.). Diese biomechanischen Überlegungen sind für den Senat überzeugend und in ständiger Rechtsprechung ebenso wie auch von anderen Landessozialgerichten zugrunde gelegt worden (u.a. HLSG, Urteile vom 15. September 1999 - L 3 U 646/98 -, 25. Juli 2001 - L 3 U 247/99 -; LSG Niedersachsen, Urteile vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW -, 30. November 1998 - L 6 U 422/97 -, 6. Juni 1996 - L 6 U 250/95 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27. Juli 1999 - L 3 U 202/97 -, 2. Februar 1999 - L 3 U 276/97 -, 15. Mai 1998 - L 3 U 216/97 -; LSG Nordrhein Westfalen, Urteile vom 10. Februar 1999 - L 17 U 177/98 -, 24. Juni 1998 - L 17 U 108/97 -; Bayerisches LSG, Urteil vom 8. September 1999 - L 2 U 408/96 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 1997 - L 2 U 1591/97 -). Damit werden nicht polysegmentale "bandscheiben-bedingte Erkrankungen" oder Bandscheibenvorfälle vorausgesetzt. Jedoch kann auf Grund der pathophysiologischen und biomechanischen Erkenntnisse über die Wirkungsweise von die LWS belastenden Tätigkeiten im Sinne der Nrn. 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV ein mono- bzw. bisegmentaler Bandscheibenschaden/-vorfall an der unteren LWS nur in Verknüpfung mit polysegmentalen "Anpassungsphänomenen" an den knöchernen Strukturen der LWS, die ein der beruflichen Einwirkung entsprechendes Verteilungsmuster zeigen, als belastungs- und berufsinduzierte Veränderung Anerkennung finden. Dies deckt sich entsprechend den Ausführungen des Dr. T. auch mit den Ergebnissen aus älteren und neueren epidemiologischen Untersuchungen z.B. von Hult sowie Weber und Morgenthaler, die eine dem Lebensalter vorauseilende Prävalenz osteochondrotischer und spondylotischer Reaktionen am Achsenorgan bei körperlich überdurchschnittlich belasteten Personen ergeben haben, wobei eine vorzeitige Osteochondrose bevorzugt in den unteren LWS-Segmenten und eine vorzeitige Spondylose eher in den oberen LWS-Segmenten unter Einbeziehung der unteren BWS-Etagen zu erwarten ist, gegebenenfalls mit Sprungsegment L3/4 und begleitenden kernspintomographisch nachweisbaren Signalveränderungen des Bandscheibengewebes in den belasteten Segmenten (s.a. LSG Niedersachsen, Urteil vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW -; HLSG Urteile vom 20. Juni 2001 - L 3 U 464/97 -, 27. Juli 2001 - L 3 U 247/99 -). Soweit Dr. Bx., der die Ergebnisse der epidemiologischen Untersuchungen nicht bestreitet, die Forderung eines in diesem Sinne belastungskonformen Schadensbildes als Kriterium für eine LWS-BK nicht für gerechtfertigt hält, handelt es sich nicht um eine medizinisch-wissenschaftliche, sondern rechtlich begründete Gegenmeinung. Die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität hat auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnisse und Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft, wie sie von den beteiligten Fachkreisen zumindest überwiegend akzeptiert werden, zu erfolgen (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R -). Dabei sind außer der Prüfung eines beruflichen belastungskonformen Schadensbildes auch außerberufliche Faktoren differenzialdiagnostisch abzugrenzen.
Ausgehend hiervon lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang des Bandscheibenvorfalls L4/5 1982 und des Bandscheibenvorfalls L5/S1 1989 des Klägers mit seiner beruflichen Tätigkeit weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung begründen. Denn die LWS-Segmente oberhalb von L4/5 zeigen nach übereinstimmender Beurteilung aller Ärzte weder eine Höhenminderung der Bandscheibenräume noch wesentliche degenerative, reparative oder belastungsadaptive Reaktionen in Form von Osteochondrosen und Spondylosen. Ein der beruflichen Belastung konformes Schadensbild als entscheidendes Indiz bzw. Positivkriterium für einen belastungsinduzierten Bandscheibenvorfall bei L4/5 bzw. L5/S1 ist damit nicht zu erkennen. Schon deshalb ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den Bandscheibenvorfällen aus überwiegenden medizinischen Gründen nicht zu bejahen (s. dazu HLSG, Urteile vom 27. September 2000 - L 3 U 169/99 -, 25. Juli 2001 - L 3 U 247/99 -; LSG Niedersachsen, Urteil vom 6. April 2000 - L 6 U 163/99 ZVW -).
Hinzu kommt, dass selbst im Segment L4/5 bei Auftreten des Bandscheibenvorfalls im August 1982 laut Röntgenbefund vom 27. August 1982 die Bandscheibe L4/5 nur diskret eingeengt wirkte und laut Auswertung des CT-Befundes vom 18. Januar 1989 beim Auftreten des Bandscheibenvorfalls L5/S1 eine Höhenminderung der Bandscheibe L5/S1 nicht erkennbar war. Eine Osteochondrose bei L4/5, L5/S1 (verstärkt bei L4/5) wurde von dem Radiologen Dr. M. und dem Sachverständigen Dr. E. erst auf den Röntgenaufnahmen der LWS vom 21. September 1994 befundet. Auch hinsichtlich der Röntgenaufnahmen der LWS vom 20. Januar 1998 vermerkt Dr. E. bei der Beurteilung lediglich "Osteochondrose L4/5". Der Sachverständige Dr. Fx. bewertete die Röntgenaufnahmen vom 14. Oktober 1996 dahingehend, dass eine massive Osteochondrose und eine mäßige Spondylose bei L4/5 bestehe, sowie eine Höhenminderung bei L5/S1 mit nur sehr geringen umformenden Veränderungen. Alle übrigen lumbalen Bewegungssegmente zeigten einen regelrechten Röntgenanatomiebefund. Trotz der nach der ersten Bandscheibenoperation 1982 noch 18 Jahre lang weitergeführten Tätigkeit als Landwirt haben sich oberhalb L4 keine röntgenanatomischen Belastungs- und Schädigungszeichen in Gestalt von z.B. Osteochondrosen und Spondylosen eingestellt, was auch nach Auffassung des Sachverständigen Dr. Fx. nicht dafür spricht, dass die berufliche Belastung eine wesentliche Ursache der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers ist. Genuin neue Bandscheibenschäden sind nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fx., der die medizinischen Unterlagen des Klägers bis Ende 2000 ausgewertet hat, nach 1989 nicht aufgetreten.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass für bestimmte Berufs- und Belastungsformen der positive Nachweis eines berufsbedingten mono- bzw. bisegmentalen Schadens geführt werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats z.B. Urteil vom 17. November 1999 - L 3 U 965/98 m.w.N. -), was im Fall des Klägers jedoch nicht gelingt. Dr. Fx. weist zutreffend darauf hin, dass eine Belastung z.B. wie in der Alten- und Krankenpflege, wo anders als in klassischen Schwerarbeiterberufen nicht eine Bandscheiben-"Versorgungsstörung" unter Dauerbelastung als Schadensauslöser angenommen wird, sondern eine wiederholte "Mikrotraumatisierung" durch plötzliche überhöhte Belastungsspitzen beim Heben und beim Lagern von immobilisierten und übergewichtigen Patienten gegeben ist, beim Kläger jedenfalls nicht regelmäßig vorlag. Gesicherte biomechanische und medizinische Erkenntnisse über das Auftreten von isolierten mono- bzw. bisegmentalen Bandscheibenschäden z.B. bei Landwirten u.a. durch das Schlepperfahren wurden auch weder von Dr. E. noch von Dr. Bx. aufgezeigt. Der Sachverständige Dr. E. führt nur aus, dass die Energie von Ganzkörperschwingungen, die sich vornehmlich auf die beiden unteren Bandscheiben der LWS auswirkt, sich nach oben hin abflacht.
Ob die frühen Rückenbeschwerden des Klägers im zweiten Lebensjahrzehnt muskulär (Dr. Bx.) und/oder belastungs- und witterungsbedingt (Dr. E.) waren oder ob diese durch eine jugendliche Aufbaustörung der Wirbelsäule (Morbus Scheuermann), deren Residuen bei dem Kläger röntgenologisch nur im BWS-Bereich gesichert sind, zu erklären sind (Dr. Fx.), lässt sich nicht feststellen. Ebenso wenig wie auf die nicht gesicherten Ursachen der frühen Rückenbeschwerden des Klägers kommt es auch nicht darauf an, dass eine Scheuermann’sche Erkrankung, an deren typischen Ablauf bei dem Kläger der Sachverständige Dr. E. Zweifel hat und die auch keine relevanten klinisch-funktionellen Auswirkungen hat, die Annahme einer von äußeren Wirbelsäulenbelastungen unabhängigen Disposition zu vorzeitigem Bandscheibenverschleiß begründet, die Erkrankung mit einem erhöhten Risiko degenerativer Bandscheibenerkrankung der LWS im Erwachsenenalter verbunden ist und das Risiko der Entwicklung degenerativer Bandscheibenschäden nicht auf die primär von der Scheuermann’schen Erkrankung betroffenen Segmente - bei dem Kläger die BWS - begrenzt ist (Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheitenverordnung, Stand November 2001, M 2108, S. 25 ff.). Denn die Verneinung eines Kausalzusammenhangs zwischen Bandscheibenleiden und beruflicher Tätigkeit setzt nicht voraus, dass eine bestimmte anlagebedingte bzw. außerberufliche Ursache sicher identifiziert wird. Vielmehr ist wie allgemein im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung so auch für die BKen nach den Nrn. 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV entscheidend, ob sich ein Kausalzusammenhang zwischen einer vorangegangenen beruflichen Belastung und dem eingetretenen Bandscheibenschaden positiv feststellen bzw. zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit positiv begründen lässt (siehe u.a. auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 29. Juli 1997 - L 3 U 331/96 -). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved