L 6 U 2039/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3133/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2039/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. April 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger aus Anlass seines Arbeitsunfalls vom 12. Mai 1976 im Rahmen einer Überprüfung gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um zumindest 30 vom Hundert (v.H.) beanspruchen kann, und ob die zu gewährende Rente wegen einer später eingetretenen wesentlichen Verschlimmerung noch weiter zu erhöhen ist.

Der 1947 geborene Kläger erlitt am 12. Mai 1976 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Zimmermann einen Arbeitsunfall, indem er auf einer Baustelle von einer umstürzenden Fertighausholzwand getroffen und zu Boden geworfen wurde. Dabei zog er sich einen Bruch des 12. Brustwirbelkörpers, Abbrüche der Querfortsätze L1 bis L5 links, eine kniegelenksnahe Trümmerfraktur am linken Oberschenkel sowie einen Bruch der 12. Rippe zu. In seinem unfallchirurgischen Gutachten vom 3. Februar 1977 führte Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., aus, trotz der ursprünglichen schweren Verletzungen des Klägers seien relativ geringe Folgen verblieben, die nicht mehr behandlungsbedürftig seien. Ab 7. Februar 1977 sei der Kläger in seinem Beruf als Zimmermann wieder arbeitsfähig. Aus den im Einzelnen aufgeführten Unfallfolgen resultiere derzeit eine MdE um 20 v.H. Mit Bescheid vom 23. Februar 1977 anerkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls folgende Beeinträchtigungen an: Verkürzung des linken Beines um 1 cm, Muskelminderung am linken Ober- und Unterschenkel, leicht verfärbte 36 cm lange auf der Unterlage gut verschiebliche Narbe an der Außenseite des linken Oberschenkels nach einem in guter Stellung knöchern fest verheilten Oberschenkeltrümmerbruch links mit reizlos liegendem Metallimplantat, folgenlos verheilter Bruch der 12. Rippe links, leichte Formveränderung des 12. Brustwirbelkörpers nach knöchern fest verheiltem Zusammendrückungsbruch, Abbrüche der linksseitigen Querfortsätze an der Lendenwirbelsäule, reizlose Operationsnarbe im Bauchhöhlenbereich nach Naht mehrerer kleinerer Risse an der Mesenterialwurzel, glaubhafte subjektive Beschwerden, endgradige Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk und im linken Kniegelenk. Gleichzeitig bewilligte sie ab 7. Februar 1977 bis auf weiteres eine vorläufige Rente nach einer MdE um 20 v.H. Im Hinblick auf die Feststellung einer Dauerrente erstattete Prof. Dr. W. unter dem 24. November 1977 das Zweite Rentengutachten, wobei er im Wesentlichen die bereits in dem Vorgutachten erhobenen Befunde beschrieb. Mit Bescheid vom 15. Dezember 1977 anerkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls sodann einen knöchern fest mit leichter Seitverbiegung verheilten Oberschenkeltrümmerbruch links bei reizlos liegender Platte, Verkürzung des linken Beines, endgradige Bewegungseinschränkung am linken Knie, Weichteilschwellung am linken Oberschenkel, linksseitiges Hinken, Minderbeschwielung der linken Fußsohle, größere Narbe am linken Oberschenkel, Gefühlsstörungen am linken Fußrücken, Abbruch der Lendenwirbelkörper-Querfortsätze 1 bis 5, linkskonvexe Verkrümmung der Wirbelsäule, Höhenminderung und Einknickung im vorderen Bereich des 12. Brustwirbelkörpers mit Verschmälerung des darüberliegenden Zwischenwirbelraumes, reizlose Narbe am Leib nach Bauchoperation sowie glaubhafte subjektive Beschwerden. Die seither gewährte vorläufige Rente nach einer MdE um 20 v. H. wurde gleichzeitig als Dauerrente festgestellt.

Im Zuständigkeitsbereich der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF) erlitt der Kläger am 23. Juli 2002 einen weiteren Arbeitsunfall, indem er beim Beplanen seines LKW aus ca. drei Meter Höhe auf den Rücken stürzte und sich eine Vorderkantenabsprengung des 1. Lendenwirbelkörpers zuzog. Die BGF erhob das unfallchirurgische Zusammenhanggutachten des Prof. Dr. W., zwischenzeitlich Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., vom 4. September 2003, der als Unfallfolgen eine knöchern konsolidierte Vorderkantenfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers beschrieb und die hierdurch bedingte MdE mit weniger als 10 v.H. bewertete und die Gesamt-MdE der Folgen der Unfälle vom 12. Mai 1976 und 23. Juli 2002 mit 20 v. H. einschätzte. Der neuerliche Unfall habe zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der vorbestehenden Wirbelsäulenveränderungen geführt. Eine wesentliche Verschlimmerung sei jedoch nicht eingetreten. Die noch bestehende Beschwerdesymptomatik im Bereich des linken Gesäßes und des linken Beines deuteten jetzt auf eine Problematik im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule hin.

Am 14. September 2005 stellte der Kläger einen "Verschlimmerungsantrag" sowie im Hinblick auf "die in der Vergangenheit ergangenen Bescheide einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X". Zur Begründung führte er aus, die seinerzeit festgestellte MdE sei von Anfang an zu niedrig gewesen. Zu Unrecht sei damals von lediglich geringfügigen Unfallfolgen ausgegangen worden. Die aufgrund der Wirbelkörperbrüche vorhandenen dauernden Schmerzen und Beschwerden sowie die neurologische Seite seien unberücksichtigt geblieben. Wegen des Beinbruchs links sei ein hinkender Gang geblieben, der Folgewirkungen in der Lendenwirbelsäule und im Beckenbereich gezeigt habe. Die MdE sei zumindest mit 30 v.H. zu bemessen gewesen. Etwa im Jahr 1986 habe er in eine leichtere Speditionstätigkeit gewechselt, da er dort nur kleine Sachen habe transportieren müssen. Die ganzen Jahre über habe er zunehmend ein Brennen in den Füßen, wahrscheinlich neurologisch bedingt, gehabt. Die Schmerzen hätten immer mehr zugenommen und der im Jahr 2002 erlittene Unfall habe zu einer Verschlimmerung der Unfallfolgen vom 12. Mai 1976 geführt. Unter Abänderung des Bescheids vom 23. Februar 1977 sei Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 30 v.H. zu gewähren. Im Übrigen solle die MdE aufgrund der Verschlimmerung ca. zehn Jahre nach dem Unfall überprüft werden, ebenso inwieweit sich die Unfallfolgen durch den weiteren Unfall verschlechtert hätten. Die Beklagte zog von der BGF die Verwaltungsakten den Unfall vom 23. Juli 2002 betreffend bei.

Mit Bescheid vom 24. März 2006 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 23. Februar 1977 zurückzunehmen. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für die erneute Überprüfung dieses Bescheides seien nicht gegeben. Grundlage der seinerzeitigen Entscheidung sei das Gutachten vom 3. Februar 1977 gewesen. Die nunmehr aufgeführten Beschwerden, insbesondere die Schmerzen, seien bei Erteilung des genannten Bescheides berücksichtigt worden. Die Angaben des Klägers enthielten keine neuen Tatsachen, die eine Überprüfung dieses Bescheides rechtfertigten. Deshalb werde eine sachliche Überprüfung und Rücknahme des Bescheids abgelehnt.

Mit Bescheid vom 28. März 2006 lehnte die Beklagte ferner eine Erhöhung der gewährten Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, durch den Unfall vom 23. Juli 2002 hätten sich zwar die Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Mai 1976 vorübergehend verschlimmert, eine richtunggebende Verschlimmerung dieser Folgen sei durch das von der BGF eingeholte Gutachten jedoch verneint worden. Soweit eine Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Mai 1976 auf den weiteren Unfall vom 23. Juli 2002 zurückgeführt werde, sei diese von der BGF zu entschädigen. Die Folgen der genannten Unfälle rechtfertigten im Übrigen lediglich eine MdE um 20 v.H. Damit sei ausgeschlossen, dass die Folgen des Unfalls vom 12. Mai 1976 bereits vor dem weiteren Ereignis vom 23. Juli 2002 eine MdE um zumindest 30 v.H. begründet hätten. Die Unfallfolgen hätten sich dann nämlich zunächst wesentlich verschlimmern und anschließend in der Folgezeit bis 23. Juli 2002 wieder zurückbilden müssen, was unwahrscheinlich sei.

Gegen die Bescheide vom 24. und 28. März 2006 erhob der Kläger jeweils Widerspruch, ohne diese zu begründen. Die Widersprüche wurden mit den Widerspruchsbescheiden vom 23. Juni 2006 zurückgewiesen.

Am 28. Juni 2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) gegen den Bescheid vom 28. März 2006 (Neufeststellungsbegehren) in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 23. Juni 2006 Klage (S 9 U 3133/06) und am 29. Juni 2006 gegen den Bescheid vom 24. März 2006 (Zugunstenantrag) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2006 (S 9 U 3207/06). Er machte geltend, die Beklagte habe eine Überprüfung des Bescheids vom 23. Februar 1977 nicht ablehnen dürfen. Schließlich sei es mehr als plausibel, dass die seinerzeitige Bemessung der MdE unzutreffend gewesen sei. Er wiederholte sein Vorbringen anlässlich seiner Antragstellung, wonach anders als in dem zugrunde liegenden Gutachten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. die Unfallfolgen nicht nur leicht und geringfügig gewesen seien. Im Hinblick auf die geltend gemachte Verschlimmerung wiederholte er seinen Vortrag, wonach sich die Folgen des Unfalls vom 12. Mai 1976 durch den Unfall vom Juli 2002 richtungsgebend verschlimmert hätten. Insoweit gehe die Beklagte auch zu Unrecht davon aus, dass hierfür die BGF zuständig sei. Die Beklagte trat den Klagen unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Im Hinblick auf das Überprüfungsbegehren gemäß § 44 SGB X habe der Kläger auch in der Klagebegründung keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgebracht. Auch bezüglich der geltend gemachten Verschlimmerung der Unfallfolgen habe der Kläger nicht ausreichend substantiiert dargetan, welche konkreten Befunde sich verschlimmert hätten. Allerdings spreche der Umstand, dass sich das Gangbild und die Bemuskelung der unteren Extremitäten sogar nach dem Unfall aus dem Jahr 2002 völlig unauffällig und die Beweglichkeit weiterhin seitengleich frei gezeigt hätten und keine neurologischen Ausfälle hätten festgestellt werden können, gegen eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen aus dem Jahr 1976. Mit Beschluss vom 11. Januar 2007 verband das SG das Verfahren S 9 U 3207/06 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu dem Verfahren S 9 U 3133/06. Sodann erhob es das Gutachten des Dr. G., Facharzt für Orthopädie sowie Physikalische und Rehabilitative Medizin, vom 26. April 2007. Dieser beschrieb als Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Mai 1976 einen knöchern fest verheilten Bruch der Deckplatten des 12. Brustwirbelkörpers, wobei die Fraktur ohne größere Höhenminderung des 12. Brustwirbelkörpers verheilt sei, einen Abbruch der Querfortsätze der Lendenwirbelkörper 1, 2, 3 und 4 links, einen Zustand nach knöchern unter Einstauchung fest verheilter Oberschenkelschaftfraktur im mittleren Drittel links, einen Beckentiefstand links von 1,5 cm sowie eine Einschränkung der Antiflexionsbewegung, insbesondere am thoracolumbalen Übergang. Die MdE schätze er seit 7. Februar 1977 auf 20 v.H. Die MdE für die Folgen des Unfalls vom 23. Juli 2002 bewertete er mit einer MdE um weniger als 10 v.H. Mit Gerichtsbescheid vom 7. April 2008 wies das SG die Klagen im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Beklagte habe sich zu Recht auf die Bindungswirkung des Bescheids vom 23. Februar 1977 berufen, da der Kläger keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht habe, die für die Unrichtigkeit dieser Entscheidung sprächen. Eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen sei im Übrigen nicht eingetreten, wie dem überzeugenden Gutachten des Dr. G. entnommen werden könne. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 10. April 2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Am 29. April 2008 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass SG gehe zu Unrecht davon aus, dass er im Rahmen des Überprüfungsantrags lediglich eine Behauptung aufgestellt habe. Vielmehr habe er eine fundierte Begründung vorgelegt. Gemessen an dem Umstand, dass die linksseitigen Querfortsätze an der Lendenwirbelsäule komplett abgebrochen gewesen seien und keinen knöchernen Kontakt mehr zu den Wirbelkörpern gefunden hätten, sei es unglaubwürdig, dass er keine Beschwerden mehr haben solle. Auch machten die Kombination zwischen dem erlittenen Beinbruch links und dem Wirbelkörperkompressionsbruch und dem Abriss der linksseitigen Querfortsätze Beschwerden glaubwürdig. Vor diesem Hintergrund sei fürsorglicherweise. ein Verschlimmerungsantrag gestellt worden. Das Gutachten des Dr. G. sei nicht schlüssig, weshalb dies im Rahmen des § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch ein Gutachten des Dr. B.-A. zu überprüfen sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. April 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2006 sowie Abänderung des Bescheids vom 23. Februar 1977 zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 30 v.H. zu gewähren, ferner die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 23. Juni 2006 zu verurteilen, ab dem Zeitpunkt der Verschlimmerung der Unfallfolgen die Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 30 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und macht geltend, der Kläger setze sich weder mit ihrem Vorbringen im Klageverfahren auseinander, noch würden substantiierte Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. G. erhoben. Im Übrigen sei nur ein Teil seiner Bewegungseinschränkung bzw. der Sensibilitätsstörungen auf den Unfall vom 12. Mai 1976 zurückzuführen. Sie hat den Bescheid vom 28. Mai 2008 sowie den Widerspruchsbescheid vom 29. August 2008 vorgelegt, mit dem sie es abgelehnt hat, eine Berufskrankheit nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen, ferner die im Rahmen dieses Verfahrens angefallenen medizinischen Unterlagen, die keine Anhaltspunkte dafür böten, dass der Bescheid vom 23. Februar 1977 rechtswidrig gewesen sei und zwischenzeitlich eine Verschlimmerung der Unfallfolgen eingetreten sei.

Im Hinblick auf den Antrag des Klägers, gemäß § 109 SGG bei Dr. B.-A. ein Gutachten einzuholen, wurde der Kläger aufgefordert, bis spätestens 30. November 2008 einen Vorschuss auf die voraussichtlich entstehenden Kosten in Höhe von 2.000 Euro einzuzahlen sowie eine Erklärung abzugeben, wonach er sich verpflichte, für die ggf. darüber hinaus entstehenden Kosten aufzukommen. Der Kläger hat den angeforderten Vorschuss fristgerecht eingezahlt, die von ihm angeforderte Kostenverpflichtungserklärung jedoch nicht vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass es die Beklagte abgelehnt hat, den Bescheid vom 23. Februar 1977 teilweise zurückzunehmen und die dem Kläger bewilligte Verletztenrente statt nach einer MdE um 20 v.H. nach einer MdE um wenigstens 30 v.H. zu gewähren. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Beklagte es mit Bescheid vom 28. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2006 abgelehnt hat, wegen einer Verschlimmerung der Folgen des Unfalls vom 12. Mai 1976 die Verletztenrente nach einer höheren MdE zu gewähren. Denn auch dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stand weder ab 7. Februar 1977 eine Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 20 v.H. zu, noch wegen des Eintritts einer wesentlichen Verschlimmerung ab einem späteren Zeitpunkt.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Höherbewertung der MdE ab 7. Februar 1977 ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Hinblick auf die Anwendung dieser Vorschrift, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung von bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakten ermöglicht, hat das SG zutreffend dargelegt, dass nicht jegliche Art von Überprüfungsantrag Anlass für die Verwaltung ist, eine erneute Sachprüfung in Bezug auf ein bestandskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren durchzuführen. So darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung eines Bescheides berufen, wenn sich im Rahmen eines Zugunstenantrags nichts ergibt, was für die Unrichtigkeit der früheren Entscheidung sprechen könnte. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte auf die Bestandskraft des Bescheids vom 23. Februar 1977 berufen hat. Denn im Rahmen seines Überprüfungsantrags hat der Kläger weder neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen, die bisher keine Berücksichtigung gefunden haben, noch neue Beweismittel benannt. Die von ihm aus Anlass des Unfalls vom 12. Mai 1976 begehrte höhere Verletztenrente, die seines Erachtens von Anfang an zu niedrig angesetzt gewesen sei, hat er vielmehr lediglich damit begründet, dass die als Unfallfolge festgestellten Gesundheitsstörungen nicht als geringfügig bezeichnet werden dürften. Namentlich hat er insoweit die Verkürzung des linken Beines um zumindest einen cm, den Abbruch der linksseitigen Querfortsätze an der Lendenwirbelsäule und den Wirbelkörperkompressionsbruch mit leichter Formveränderung aufgeführt sowie die als Folge von Wirbelkörperbrüchen auftretenden Schmerzen und Beschwerden, die ebenso wie die neurologische Seite des Ganzen nicht berücksichtigt worden seien. Neue Tatsachen oder Erkenntnisse sind diesem Vorbringen nicht zu entnehmen. Die aufgeführten Beeinträchtigungen wurden sämtlich als Unfallfolgen anerkannt. Auch ist nicht erkennbar, weshalb die insoweit aufgeführten und als Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen eine Bemessung mit einer MdE um mehr als 20 v.H. erfordern sollten. Dass beim Kläger hieraus Funktionsbeeinträchtigungen resultiert haben, die über das Ausmaß hinaus gegangen sind, das die Beklagte ihrer damaligen Beurteilung auf der Grundlage des unfallchirurgischen Gutachten des Prof. Dr. W. vom 3. Februar 1977 zugrunde gelegt hat, hat der Kläger nicht geltend gemacht und ist seinem Vorbringen auch nicht zu entnehmen. Sämtliche der vom Kläger mit seinem Zugunstenantrag vorgebrachten Beeinträchtigungen haben in dem in Rede stehenden Bescheid Berücksichtigung gefunden und sind in die Bemessung der MdE eingeflossen, insbesondere auch die geklagten Schmerzen, von deren Glaubhaftigkeit die Beklagte ausgegangen ist, wie die Formulierung im Rahmen der anerkannten Unfallfolgen "glaubhaft subjektive Beschwerden" hinreichend deutlich macht. Der Senat sieht daher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 23. Februar 1977 von einem Sachverhalt ausgegangen sein könnte, der sich nunmehr als unrichtig erweist, oder dass sie das Recht unrichtig angewandt haben könnte. Die Beklagte hat sich somit auch zutreffend auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 23. Februar 1977 berufen, ohne in eine erneute Sachprüfung einzutreten.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte höhere MdE ab einem von ihm nicht konkret bezeichneten Zeitpunkt ca. zehn Jahre nach dem Unfall vom 12. Mai 1976 bzw. ab dem Zeitpunkt des weiteren Unfalls vom 23. Juli 2002 wegen einer Verschlimmerung der Unfallfolgen ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinne ist nach § 73 Abs. 3 SGB VII eine Änderung nur dann anzusehen, wenn sich die MdE zumindest um mehr als 5 v.H. erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er einerseits der bindenden Feststellung zugrunde gelegen hat und andererseits im Zeitpunkt der Überprüfung vorliegt. Demnach ist vorliegend zu prüfen, ob sich hinsichtlich der festgestellten Unfallfolgen des Klägers eine wesentliche Verschlimmerung feststellen lässt, die es rechtfertigt, die MdE höher als bisher zu bewerten.

Diese Voraussetzungen für eine Höherbewertung der MdE sind vorliegend nicht erfüllt. Schon das Vorbringen des Klägers zu der geltend gemachten Verschlimmerung ist sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts der Verschlimmerung, den der Kläger mit ca. zehn Jahren nach dem Unfall angegeben hat, also etwa für das Jahr 1986, als auch bezüglich der Beeinträchtigungen, die sich verschlimmert hätten, unsubstantiiert und widersprüchlich. So hat er vorgetragen, nach dem Unfall trotz Fortbestehen starker Rücken- und Hüftbeschwerden im Baugewerbe noch neun Jahre tätig gewesen zu sein. Dass unfallbedingte Rücken- und Hüftschmerzen fortbestanden haben können, ist vor dem Hintergrund der vom Kläger anlässlich des Ersten und Zweiten Rentengutachtens geschilderten Beschwerden jedoch nicht nachvollziehbar. Denn anlässlich der Untersuchung bei Prof. Dr. W. am 2. Februar 1977 hat der Kläger lediglich über gelegentlich nachts, vor allem aber bei längerem Stehen auftretende Beschwerden im linken Oberschenkel und im linken Kniegelenk berichtet, jedoch besondere Beschwerden an der Wirbelsäule gerade verneint. Hüftbeschwerden haben überhaupt keine Erwähnung gefunden. Anlässlich der nachfolgenden Untersuchung am 21. November 1977 hat der Kläger dann über Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule beim Heben von Lasten und über Schmerzen im linken Oberschenkel bei längerem Laufen, bei Wetterumschwung und beim schweren Heben sowie über Schwierigkeiten beim Steigen auf Leitern berichtet, weil er nicht genügend Kraft im linken Oberschenkel habe. Erwähnung fanden dann lediglich noch Schmerzen im Bereich der Narbe am Oberbauch, jedoch weder von der seinerzeit verletzten Brustwirbelsäule ausgehende Beschwerden noch Hüftbeschwerden. Über starke Rücken- und Hüftbeschwerden klagte der Kläger im Übrigen auch nicht gegenüber Dr. B., Leitender Arzt in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., bei dem der Kläger sich 1989 im Hinblick auf einen Antrag auf Gewährung eines Schwebesitzes im Rahmen seiner Tätigkeit als Kraftfahrer zur Untersuchung vorgestellt hatte. Seinerzeit berichtete er von seinem Berufswechsel vor ca drei Jahren, weil ihm die Akkordarbeit bei der Fertighausbaufirma auf Dauer zu schwer erschienen sei. Entgegen seinem jetzigen Vorbringen anlässlich seines Verschlimmerungsantrags, wonach er seinerzeit in eine leichte Speditionstätigkeit gewechselt sei, bei der er nur kleinere Sachen habe transportieren müssen, gab er damals an, er habe in seiner Tätigkeit als Fahrer im Stückgutverkehr zwar schwer Heben und Tragen müssen, jedoch sei er öfter in Bewegung gewesen, so dass die Beschwerden durchaus erträglich gewesen seien. Anhaltspunkte für eine gravierende Verschlimmerung der Beschwerdesituation, die im Jahr 1986 unfallbedingt sogar einen Berufswechsel in eine leichte Tätigkeit notwendig gemacht haben soll, vermag der Senat angesichts dessen nicht zu erkennen.

Gegen die behauptete Verschlimmerung der Folgen des Unfalls vom 12. Mai 1976 sprechen auch die Ausführungen des Prof. Dr. W. in seinem für die BGF erstatteten Gutachten vom 8. April 2003, der selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung der Folgen des zuletzt erlittenen Unfalls die Gesamt-MdE, d.h. die MdE für die Folgen beider Arbeitsunfälle, weiterhin mit 20 v.H. angemessen bewertet sah, ferner die Darlegungen des Dr. G. in seinem vom SG erhobenen Gutachten vom 26. April 2007, der als Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Mai 1976 einen knöchern fest verheilten Bruch der Deckplatten des 12. Brustwirbelkörpers, wobei die Fraktur ohne größere Höhenminderung des 12. Brustwirbelkörpers verheilt sei, einen Abbruch der Querfortsätze der Lendenwirbelkörper 1, 2, 3 und 4 links, einen Zustand nach knöchern unter Einstauchung fest verheiltem Oberschenkelschaftfraktur im mittleren Drittel links, einen Beckentiefstand links von 1,5 cm sowie eine Einschränkung der Antiflexionsbewegung, insbesondere am thoracolumbalen Übergang beschrieb und die MdE unverändert seit 7. Februar 1977 auch weiterhin auf 20 v.H. schätzte. Aus welchen Gründen die Einschätzung dieses vom SG hinzugezogenen Sachverständigen unrichtig sein soll, hat der Kläger nicht begründet. Er hat vielmehr lediglich pauschal die Unschlüssigkeit des Gutachtens behauptet, ohne sich jedoch mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinander zu setzen und seine gegenteilige Auffassung zu begründen. Anhaltspunkte, um an der Richtigkeit der entsprechenden Einschätzung zu zweifeln, sieht der Senat nicht.

Von der Einholung des vom Kläger beantragen Gutachtens gemäß § 109 SGG hat der Senat abgesehen, da der Kläger die von ihm unterschrieben vorzulegende sogenannte Kostenverpflichtungserklärung, von der die Einholung des beantragten Gutachtens ausweislich des gerichtlichen Schreibens vom 6. Oktober 2008 ausdrücklich abhängig gemacht worden war, innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht vorgelegt hat.

Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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