L 1 KR 28/09 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 15 KR 258/08 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 28/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einzelfall einer nicht als Versorgungsbezug anzusehenden Auszahlung einer sog. Deckungsrückstellung aufgrund einer Lebensversicherung.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 23. Dezember 2008 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerinnen vom 20. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2008 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerinnen haben der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vor dem Sozialgericht Gießen – S 15 KR 275/08 –, mit der sie sich gegen die Bemessung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der Auszahlung der Leistung einer Lebensversicherung wendet.

Die bei der Antragsgegnerin zu 1. nunmehr im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner versicherte Antragstellerin war bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. Oktober 2007 wegen Personalabbaus vorzeitig beendet. Seit 1. November 2007 bezieht die Antragstellerin eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses wurde zu Gunsten der Antragstellerin eine Kapital-Lebensversicherung abgeschlossen (C. Lebensversicherungs-AG Vers.-Nr. xxx– Versorgungswerk für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften). In der Versicherungsbescheinigung finden sich die folgenden Regelungen: "IV. Ansprüche auf die Versicherungsleistungen
1. Versicherungssumme Die Versicherungssumme steht zu:
a) bei Vollendung des 65. Lebensjahres dem versicherten Arbeitnehmer, ( )
3. Deckungsrückstellung
Die Deckungsrückstellung steht jedem versicherten Arbeitnehmer zu, der vor Eintritt des Versicherungsfalles (Tod oder Vollendung des 65. Lebensjahres) aus der Gruppenversicherung ausscheidet (Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei den US-Stationierung Streitkräften) und im Zeitpunkt des Ausscheidens mindestens 5 Jahre versichert war. ( )
VI. Beendigung der Versicherung Die im Gruppenversicherungsvertrag geführte Kapital-Lebensversicherung endet
a) bei Eintritt des Versicherungsfalles (Tod oder Vollendung des 65. Lebensjahres)
b) durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles."

Zum 13. November 2007 wurde der Antragstellerin ein gegenüber der Antragsgegnerin zu 1. als "einmaliger Versorgungsbezug" bezeichneter Betrag von 51.580,01 EUR ausbezahlt. Im Schreiben vom 27. Mai 2008 stellte die C. Lebensversicherung-AG gegenüber der Antragsgegnerin zu 1. klar, dass die Antragstellerin nach vorzeitiger Entlassung die Auszahlung ihrer bis dahin erworbenen Ansprüche beantragt habe.

Mit Bescheid vom 20. November 2007 setzte die Antragsgegnerin zu 1. monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 65,67 EUR und monatliche Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 8,38 EUR fest.

Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und führte unter Berufung auf das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 4. Juni 2007 – S 11 KR 366/05 – aus, sie sei wegen Personalabbaus vorzeitig ausgeschieden. Daher habe sie ihre Deckungsrückstellung aus der Gruppenversicherung nicht zur Altersversorgung erzielt. Es handele sich nicht um eine Kapitalleistung, die an die Stelle des Versorgungsbezuges getreten sei, sondern um eine nicht beitragspflichtige Kapitalleistung, die an die Stelle eines künftigen Versorgungsanspruches getreten sei. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin von ihrem Recht auf Auszahlung der Deckungsrückstellung Gebrauch gemacht habe und die Gruppenversicherung nicht als Einzelversicherung weitergeführt habe, könne zu keiner negativen Beurteilung führen, da es sich nicht um eine missbräuchliche Umgehung der Beitragspflicht handele. Sie habe lediglich im Rahmen der vertraglich zugesicherten Gestaltungsmöglichkeiten gehandelt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid beider Antragsgegnerinnen vom 11. November 2008 zurückgewiesen. Die Kapitalleistung diene Versorgungszwecken unabhängig von der "vorzeitigen" Auszahlung, da die Antragstellerin seit 1. November 2007 eine Altersrente erhalte und aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei.

Bereits am 4. November 2008 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gestellt, der vom Sozialgericht dahingehend ausgelegt wurde, dass er nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides und Klageerhebung als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eben dieser Klage aufrechterhalten worden ist. Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie habe die Deckungsrückstellung nicht wegen einer Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit oder zur Altersversorgung erzielt, vielmehr sei die Deckungsrückstellung zur Auszahlung gelangt, weil sie aus der Gruppenversicherung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei den US-Stationierungsstreitkräften ausgeschieden sei. Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beitragspflichtigkeit von Renten aus Direktversicherungen berufen. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht vergleichbar mit dem des Urteils des Sozialgerichts Speyer vom 4. Juni 2007. Das Sozialgericht Gießen hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2008, der Antragstellerin zugestellt am 19. Januar 2009, den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 20. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2008 zurückgewiesen. Normzweck des § 229 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) sei es, zu verhindern, dass die Beitragspflicht von Renten der betrieblichen Altersversorgung durch die Vereinbarung einmaliger Kapitalabfindungen vor Eintritt des Versicherungsfalles umgangen werden könnten. Unterfalle die von der C. Lebensversicherung-AG ausgezahlte Deckungsrückstellung damit als einmalige Kapitalleistung § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V, so sei entscheidungserheblich, ob eine vor Fälligkeit der Versicherungssumme ausgezahlte Deckungsrückstellung zur Altersversorgung erzielt werde, wenn die Deckungsrückstellung aus Anlass eines Arbeitsplatzverlustes ausgezahlt werde, die Versicherte aber zum Zeitpunkt der Auszahlung der Deckungsrückstellung bereits eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung bezogen habe und somit aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. Anders als in dem vom Sozialgericht Speyer entschiedenen Fall beziehe die Antragstellerin seit dem Tag nach dem Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses eine Rente. Im Falle der Antragstellerin sei die Auszahlung der Deckungsrückstellung somit im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Altersversorgung erzielt worden. Für die Kammer sei nicht ersichtlich, warum etwas anderes gelten sollte, weil die Antragstellerin zuvor ihren Arbeitsplatz verloren habe. In diesem Punkt unterscheide sich der Fall der Antragstellerin von dem vom Sozialgericht Speyer entschiedenen Fall. Dort sei das Arbeitsverhältnis eines 1944 geborenen Klägers im Jahre 2004 aufgehoben worden. Der Versicherungsfall wäre ohne die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erst 2009 eingetreten. Zum Zeitpunkt des Bezugs der Deckungsrückstellung im Jahr 2004 sei der Kläger im dortigen Fall arbeitslos gewesen. Ob der Position des Sozialgerichts Speyer zuzustimmen sei, dass in einem solchen Fall eine Kapitalleistung vorliege, die an die Stelle eines künftigen Versorgungsbezuges trete und als solche nicht beitragspflichtig sei, könne dahinstehen. Kritikwürdig an dem genannten Urteil erscheine der Kammer, dass keine klaren Kriterien ersichtlich seien, wie Fälle einer Kapitalleistung, die an die Stelle eines künftigen Versorgungsbezuges trete, von Fällen, bei denen eine missbräuchliche vorzeitige Auszahlung einer Kapitalleistung vorliege, abgegrenzt werden könnten.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist am 3. Februar 2009 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangen.

Die Antragstellerin ist der Rechtsauffassung, dass allein die Intention, die hinter der gewährten Leistung der Lebensversicherung stehe, dafür ausschlaggebend sei, ob nach § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Leistung wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt worden sei. Die Tatsache, dass die Antragstellerin eine Rente beziehe, ändere nichts daran, dass der Rückkaufswert ausgezahlt worden sei, da die Dienststelle der Antragstellerin geschlossen worden und eine Weiterbeschäftigung nicht möglich gewesen sei.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 23. Dezember 2008 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide der Antragsgegnerinnen vom 20. November 2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. November 2008 anzuordnen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerinnen berufen sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses und den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2005 – L 8 KR 182/05 ER.

Hinsichtlich des Sachstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerinnen (ein Hefter) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Der zulässige Antrag ist begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Beitragsbescheid festgesetzten Beitragspflichten zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die gerichtliche Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Klage nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergeht aufgrund einer Interessenabwägung. Handelt es sich bei dem angegriffenen Verwaltungsakt um eine Entscheidung über Beitragspflichten bzw. der Anforderung von Beiträgen (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG), so ist auf den Maßstab zur behördlichen Aussetzungsentscheidung zurückzugreifen, da § 86b Abs. 1 SGG keine eigenen Kriterien für die gerichtliche Entscheidung enthält. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage kommt nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides in Betracht oder wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn aufgrund der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (st. Rspr.: Hessisches LSG, Beschluss vom 26. März 2009 – L 1 KR 331/08 B ER -; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 12b und § 86a Rdnr. 27a m. w. N.).

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides, da nach summarischer Prüfung die Auszahlung der Deckungsrückstellung aus der Direktversicherung bei der C. -AG keine der Rente vergleichbare Einnahme in Gestalt eines Versorgungsbezuges nach § 229 Abs. 1 SGB V darstellt.

Der Antragsgegnerin zu 1. steht auch jenseits der ausdrücklichen Befugnis in ihrer Funktion als Einzugsstelle (§§ 28h ff. Sozialgesetzbuch, Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV)) das Recht zu, Beiträge nach §§ 220 ff. Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), durch Verwaltungsakt festzusetzen (zur Begründung im Einzelnen: BSG, Urteil vom 10. Mai 2006 – B 12 KR 10/05 R - m. w. N.). Als materiell-rechtliche Grundlage der streitgegenständlichen Erhebung von Beiträgen auf die Auszahlung der Deckungsrückstellung kommen vorliegend allein § 237 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB V i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 SGB V in Betracht. Hiernach wird bei versicherungspflichtigen Rentnern bei der Beitragsbemessung unter anderem der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Als eine solche der Rente vergleichbare Einnahme gilt auch eine Rente der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2007 - B 12 KR 6/06 R – juris m. w. N.), der sich der Senat anschließt, gehören zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung auch solche Renten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung der Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerrechtlich anerkannten und begünstigten Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung erfolgt. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung gegeben.

Zwar handelt es sich bei der der Leistung zugrundeliegenden Versicherung um eine solche Direktversicherung. Die von der Antragstellerin zu 1. zur Beitragsbemessung herangezogene Auszahlung der Deckungsrückstellung ist indes keine dem Zweck der Altersversorgung dienende Leistung. § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V setzt nämlich voraus, dass der Versorgungsfall der betrieblichen Altersversorgung bereits eingetreten ist. Denn als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten Zahlungen aus einer Direktversicherung nur, "soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden". Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist für die Bestimmung der der Rente vergleichbaren Einnahmen nicht auf die Zweckrichtung bei Abschluss der Lebensversicherung oder den Zweck der Beitragsentrichtung abzustellen, sondern auf den Zweck der Leistungserzielung (vgl. auch SG Speyer, Urteil vom 4. Juni 2007 - S 11 KR 366/05 – juris). Auf die Zielrichtung des Vertrages bzw. Motivation des Abschlusses kommt es nach den oben ausgeführten Grundsätzen nur an, soweit zu ermitteln ist, ob der Versicherungsfall als solcher der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen ist. Dass die Qualität der Leistung maßgeblich ist, entspricht auch dem Zweck der Vorschrift, den Kreis der beitragspflichtigen Einnahmen gerade um rentengleiche Leistungen zu erweitern, die z. B. von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ohne eine entsprechende Zielrichtung der Lebensstandardsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit abzugrenzen sind.

Bereits die Vertragsauslegung ergibt, dass die streitgegenständliche Auszahlung keinen entsprechenden Versicherungs- bzw. Versorgungsfall darstellt. Die Versicherungsbescheinigung enthält in (VI.a) nicht nur den Beendigungstatbestand, sondern auch eine Definition des Versicherungsfalles, der mit "Tod oder Vollendung des 65. Lebensjahres" bezeichnet wird. Hiervon wird ausdrücklich die Beendigung durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis unterschieden (VI.b). Diese Systematik findet ihre Entsprechung in den Regelungen zur Versicherungsleistung, in denen die Versicherungssumme im Versicherungsfall von der Auszahlung der Deckungsrückstellung unterschieden wird (IV.). Der Anspruch auf die Auszahlung der Deckungsrückstellung ist ausdrücklich beschränkt auf Arbeitnehmer, die vor Eintritt des Versicherungsfalles aus der Gruppenversicherung ausscheiden. Er steht diesen im Zeitpunkt des Ausscheidens zu. Die Deckungsrückstellung ist auf den verzinslich angesammelten Teil der für die Versicherung entrichteten Beiträge (einschließlich Gewinnanteilen der Gruppenversicherung in Gestalt sog. zusätzlicher "Beiträge" und "Einmalbeiträge") beschränkt, der nicht für das von den Versicherungsgesellschaften getragene Risiko und die Verwaltungskosten verbraucht wurde. Sie wird nach III.3. der Versicherungsbescheinigung nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Zeitwert der Versicherung berechnet. Nach dem Vertrag bezweckt der Auszahlungsanspruch auf die Deckungsrückstellung primär die Abgeltung des Verlusts eines Anspruchs auf künftige Versorgung als Folge der Arbeitslosigkeit. Er ist damit selbst kein Versorgungsbezug.

Gegen dieses Auslegungsergebnis spricht auch nicht der vom Sozialgericht hervorgehobene Umstand, dass die Antragstellerin bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente auf der Grundlage des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches bezieht. Dies hat lediglich zur Folge, dass §§ 237, 229 SGB V Anwendung finden, kann aber die Auslegung dieser Vorschriften nicht beeinflussen. Nach dem obigen Maßstab kommt es allein auf den Versorgungs- bzw. Versicherungsfall nach dem Rechtsverhältnis an, welches den Zahlungsanspruch auf eine der Rente vergleichbare Einnahme begründet, nicht aber auf den die Mitgliedschaft begründenden Rentenbezug.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht erweiternd auszulegen, um eine missbräuchliche vorzeitige Auszahlung als Umgehungstatbestand zu unterbinden. Als Argument hierfür kann nicht § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V herangezogen werden. Dieser zielt nur auf die Beseitigung von Umgehungsmöglichkeiten wegen der vorherigen Vereinbarung einer Einmalzahlung im Versicherungsfall, die nunmehr erweiternd als Versorgungsbezug zu behandeln ist, was bereits aus Gründen der Gleichbehandlung sachgerecht ist (Peters in: Kasseler Kommentar, Stand: 60. EL, § 229 SGB V Rdnr. 16). Der vom Versorgungsbezug vorausgesetzte Versicherungsfall ist hingegen nicht erweitert worden (vgl. auch SG Speyer a.a.O.; Bundestags-Drucksache 15/1525, S. 139). Hieraus kann demnach kein allgemeines Gebot abgeleitet werden, den Kreis der Versorgungsbezüge auch auf Zahlungen jenseits des Versicherungsfalles zu erstrecken. Vorliegend erscheint es auch schwierig, im Wege der Auslegung die Umgehung auszuschließen. Allein die zeitliche Verbindung zwischen Auszahlung und Rentenalter ist angesichts der Normstruktur des § 229 SGB V ein wenig trennscharfes Kriterium, worauf auch das Sozialgericht hingewiesen hat. Schließlich ist die Binnenstruktur des Beitragsbemessungsrechts des SGB V zu respektieren, wonach nur ausnahmsweise die Vermögensbildung oder deren Erträge bei der Beitragsbemessung heranzuziehen sind. Diese dogmatische Grenzziehung ist bei der Auslegung zu beachten. Im vorliegenden Fall vermag der Senat schließlich auch keinen Umgehungstatbestand zu erkennen. Die Auszahlung der Deckungsrückstellung war vertraglich an den Verlust des Arbeitsplatzes gekoppelt. Die Initiative zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ging nach den vorgelegten Unterlagen vom Arbeitgeber wegen einer Standortschließung aus.

Aus den vorgenannten Gründen stellt die Zahlung der Deckungsrückstellung auch keine beitragspflichtige Einnahme bei der Bemessung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung dar. § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) verweist zur Beitragsbemessung für die Mitglieder der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, auf die §§ 226, 228 bis 238 und § 244 SGB V. Offen bleiben kann, ob in formeller Hinsicht die Festsetzung des Pflegeversicherungsbeitrages überhaupt als Verwaltungsakt der Antragsgegnerin zu 2. angesehen werden kann.

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem von den Antragsgegnerinnen vorgelegten Beschluss des 8. Senates des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2005 – L 8 KR 182/05 ER –, da die dortige Antragstellerin ausweislich der Gründe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Versicherung fortführte; ferner ist aus den dortigen Gründen nicht erkennbar, ob der Rechtsgrund der Zahlung mit der hiesigen Vertragsgestaltung vergleichbar ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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