Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3982/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2641/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts H. vom 29. März 2007 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1953 geborene Kläger hatte zunächst nach dem Hauptschulabschluss von November 1969 bis April 1970 gearbeitet, sodann von September 1970 bis Juli 1971 eine Fachschulausbildung durchlaufen, diese jedoch nicht abgeschlossen und im September 1971 eine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker begonnen, im Mai 1972 begann der Kläger sodann eine Ausbildung zum Maschinenschlosser, die er auch im Februar 1975 erfolgreich abschloss. In der Folgezeit war er in seinem erlernten Beruf bis zum Juni 1992 tätig. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund Kündigung. Ab Juli 1992 war der Kläger bis August 2003 als Abfallbeauftragter der S.-Kliniken (Krankenhaus B.) beschäftigt. Seit dem 11. August 2003 ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos (seit Januar 2005 erhielt der Kläger nach der Aussteuerung durch die Krankenkasse Arbeitslosengeld).
Bereits am 20. November 2003 beantragte der Kläger erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Einholung eines Gutachtens durch den Internisten und Gastroenterologen Dr. B. vom 9. Dezember 2003 (Bl. M3 Verwaltungsakte - VA - ärztliche Unterlagen) wies die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2003 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer schriftlichen Auskunft des ehemaligen Arbeitsgebers des Klägers, der S.-Kliniken H. GmbH (ungelernte Tätigkeit, 90 % Abfallversorgung, 5 % Schweißarbeiten Technik, 5 % sonstiges - Umzüge, Baumaßnahmen etc. - Bl. M7 VA - ärztl. Unterlagen) sowie Einholung einer Stellungnahme von Dr. B. mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2004 zurück (Bl. 33 VA).
Am 14. Dezember 2004 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies er auf beiliegende ärztliche Bescheinigungen der Dipl. Psych. G. vom 12. November 2004, der Betriebsärztin Dr. M. der S.-Kliniken H. GmbH vom 19. November 2004, den ärztlichen Bericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Ba. vom 2. Dezember 2004 sowie einen Arztbrief des Facharztes für Nervenheilkunde und Dipl.-Psychologen G. L. vom 18. Januar 2005 (M10/13 VA - ärztliche Unterlagen). Die Beklagte holte daraufhin bei dem Sozialmediziner Dr. S., ärztliche Untersuchungsstelle H., das Gutachten vom 15. März 2005 mit dem nervenärztlichen Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. de L. vom 12. März 2005 ein. Dr. R. de L. stellte in ihrem Gutachten eine rezidivierende depressive Störung mit jetzt mittelgradiger Episode mit somatischem Syndrom sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und selbstunsicheren Zügen fest. Aus psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht könne noch durchaus für sechs bis acht Stunden täglich die letzte Tätigkeit als Abfallentsorger dem Kläger zugemutet werden. Auch andere leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger noch für mindestens sechs Stunden pro Tag zumutbar. Dr. R. de L. sah eine medizinische Rehabilitationsbehandlung mit nachfolgender stufenweiser Wiedereingliederung aus psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht für durchaus indiziert an.
Mit Bescheid vom 18. März 2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, noch würden die Voraussetzungen für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliegen (Bl. 46 VA).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2005 (Bl. 57 VA) zurückwies. Der Kläger könne auch unter Berücksichtigung der bei ihm auf Grund der allgemeinärztlich/internistischen und nervenfachärztlichen Gutachten vorliegenden Erkrankungen noch sowohl in seiner Tätigkeit als Abfallentsorger als auch im Übrigen leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne besondere psychische Beanspruchung mind. sechs Stunden täglich verrichten.
Dagegen hat der Kläger am 5. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte geltend gemacht, der tatsächliche Gesundheitszustand des Klägers sei im bisherigen Verwaltungsverfahrens nicht adäquat bewertet worden.
Das SG hat das nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Ro., Oberarzt der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Klinikums am W., We. vom 22. Mai 2006 (Bl. 16/33 SG-Akte) eingeholt. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Ro. diagnostizierte beim Kläger eine Dysthymia (F 54.1 ICD-10, gemeint wohl F 34.1) sowie eine Rentenneurose (F 48.0 ICD-10). Zum Tagesablauf hat der Kläger angegeben: Er stehe morgens zwischen sieben Uhr und neun Uhr auf, seine Frau müsse ihn wecken. Dann frühstücke er ein wenig. Er helfe dann seiner Frau im Haushalt und gehe spazieren. Dann gehe er ins Freizeitheim, er habe dort ein "bissle Geschäft", manchmal sitze er auch nur rum. Dreimal pro Tag müsse er schlafen, weil er oft erschöpft sei. Er schaue viel fernsehen, besuche seine "Schwiegerleute", abends esse er zu Abend, dann schaue er fernsehen. Als Hobby habe er früher Autos hergerichtet, das mache er jetzt kaum mehr, außerdem singe er gerne, er sei im Gesangsverein, er gehe aber selten hin. Freunde habe er kaum, da andere nicht verstehen könnten, dass es ihm nicht gut gehe. Das Leistungsvermögen hat der Facharzt für Psychiatrie Ro. dahingehend eingeschätzt, dass der Kläger nur noch in der Lage sei, vier Stunden pro Tag in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Abfallarbeiter zu arbeiten. Die Reduzierung der Leistungsfähigkeit begründe sich sowohl aus der depressiven Symptomatik mit leicht gedrückter Stimmung, Angstgefühlen, leichten Antriebsstörungen, sozialen Ängsten und erhöhter Ermüdbarkeit, andererseits aus den sich unter Stress erhöhenden somatischen Symptomen wie Schmerzen im Darm, im Kreuz und im Steißbein, sowie gelegentlichem Schwindel. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit nur noch bis zu vier Stunden täglich verrichten. Außerdem seien eine hohe psychische Belastung, insbesondere Stress durch erhöhten Zeitdruck, sowie dauernde neue wechselnde Anforderungen, vermehrter Publikumskontakt, wie zum Beispiel eine Tätigkeit an einer Rezeption, eine Auskunft oder eine Beschwerdestelle zu vermeiden.
Die Ärztin für Psychiatrie Dr. Ho. hat in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 25. Juli 2006 der Einschätzung des Gutachters widersprochen und u. a. darauf verwiesen, dass durch die umfangreich dokumentierte medizinische Vorgeschichte sich wie ein roter Faden das Rentenbegehren des Klägers, das im Verlauf durch verschiedene Kollegen ausdrücklich beschrieben werde, ziehe. Konkret im Gutachten würden auch Ängste und Schmerzen beschrieben, der Kläger traue sich schon kaum mehr aus dem Haus. Der größte Schmerz sei jedoch die dauernde "Ablehnerei der LVA". Körperliche Erkrankungen habe er keine. Insgesamt ließen die negativ getönte Empfindlichkeit hinsichtlich der subjektiven Wahrnehmung seiner aktuellen Situation bzw. seiner Beschwerden tatsächlich nur Hinweise auf eine solche Dysthymie ableiten. Erfahrungsgemäß fühlten sich betroffene Individuen tatsächlich unzulänglich, sie grübelten und beklagten sich, seien aber dennoch in der Regel fähig, mit wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden. Völlig nachvollziehbar sei auch die Diagnose einer "Rentenneurose" vom Gutachter gestellt worden. Im Hinblick auf die plausibel gestellten Diagnosen sei jedoch die vom Gutachter getroffene Leistungsbeurteilung mit "vier Stunden pro Tag" überhaupt nicht nachvollziehbar. Aus der Beschreibung des Klägers sowie aus den gestellten Diagnosen resultiere zu keinem Zeitpunkt eine zeitüberdauernde Leistungsminderung; eine solche sei auch aus der aktuell erhaltenen Tagesstrukturierung, dem aktuell erhaltenen allgemeinen Interessenspektrum sowie der aktuell erhaltenen sozialen Kompetenz nicht ableitbar. Schließlich spreche auch die Nichtinanspruchnahme der mehrfach empfohlenen ambulanten fachpsychiatrischen Behandlung sowie die durch den Gutachter festgestellte "mittelgradig ausgeprägte Behandlungsablehnung des Klägers" für einen nur geringen Leidensdruck. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. September 2006 (Bl. 41/51 SG-Akte) hat der Facharzt für Psychiatrie Ro. an seiner Leistungseinschätzung festgehalten und ausgeführt, er habe in seinem Gutachten auf Grund der langen Chronifizierung, der psychosozialen Auswirkungen der Störung sowie der zahlreichen erfolglosen, aber konsequent durchgeführten Vorbehandlungen, einen erheblichen Schweregrad gefunden, sodass auch bei aller zumutbaren Willensanstrengung nicht davon auszugehen sei, dass der Kläger in der Lage sein werde, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom Januar 2007 hat die Ärztin für Psychiatrie Dr. Ho. daran festgehalten, dass auch unter Berücksichtung der weiteren Stellungnahme des Facharztes Ro. keine Anhaltspunkte erkennbar seien, die es rechtfertigen, von einer quantitativen Leistungsminderung auszugehen.
Mit Urteil vom 29. März 2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 30. November 2007 zu gewähren. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass das Leistungsvermögen des Klägers derzeit auf einen Umfang von weniger als sechs Stunden, jedoch mehr als drei Stunden täglich abgesunken sei. Das SG hat sich hierbei auf das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Ro. vom 22. Mai 2006 gestützt und auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Beklagten, Dr. Ho., keinen Anlass gesehen, an der Schlüssigkeit der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zu zweifeln, insbesondere sei bei Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet - wie hier - eine persönliche Untersuchung des Betroffenen wesentlich, um die Auswirkungen der bestehenden Gesundheitsstörungen beurteilen zu können. Eine solche persönliche Untersuchung sei durch Dr. Ho. nicht erfolgt. Auch habe der gerichtliche Sachverständige zu den Kritikpunkten von Dr. Ho. ausführlich Stellung genommen und letztlich nach Überzeugung des SG plausibel das von ihm festgestellte Leistungsvermögen begründet. Damit liege eine teilweise Erwerbsminderung vor, die in eine volle Erwerbsminderung umschlage, weil der Kläger keinen Teilzeitarbeitsplatz inne habe. Da die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung somit unter Berücksichtigung des Arbeitsmarktes gewährt werde, sei sie nach der Regelung des § 102 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) auf Zeit und zwar längstens für drei Jahre nach Rentenbeginn zu befristen. Der gerichtliche Gutachter Ro. habe in seinem Gutachten dargestellt, dass durch eine adäquate psychiatrisch-psychotherapeutische sowie schmerztherapeutische Behandlung, sicher auch im klinischen Rahmen, die Leistungsfähigkeit des Klägers wiederhergestellt oder zumindest verbessert werden könne. Es könne derzeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers dauerhaft auf unter vier Stunden täglich eingeschränkt bleibe. Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (auf Dauer) über den Wegfallzeitpunkt der Rente wegen voller Erwerbsminderung komme damit nicht in Betracht, da eine Besserungsaussicht bestehe. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen sei die bisherige Behandlung nicht ausreichend. Der Kläger sei im Rahmen der Zumutbarkeit verpflichtet, an der Verbesserung seines Gesundheitszustandes mitzuwirken. Der Leistungsfall sei unter Berücksichtigung der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen bereits im Jahr 2003 eingetreten. Nach Überzeugung des SG sei vom Eintritt der letzten dauerhaften Arbeitsunfähigkeit im August 2003 auszugehen. Der im jetzigen Verfahren streitgegenständliche Antrag datiere vom 14. Dezember 2004. Gem. den §§ 109 Abs. 1, 101 Abs. 1 SGB VI beginne die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, nachdem der Rentenantrag über sieben Monate nach dem Leistungsfall gestellt worden sei, mit dem Rentenantragsmonat, also dem 1. Dezember 2004.
Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 18. Mai 2007 zugestellte Urteil am 25. Mai 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat die Beklagte u. a. ausgeführt, zu bedenken sei, dass die Gutachter im Verwaltungsverfahren Dr. B. und Dr. R. de L. den Kläger jeweils selbst gesehen hätten, allerdings keine rentenrelevante Leistungsminderung hätten feststellen können. Außerdem habe Dr. B. den Kläger als nach außen hin nicht depressiv, redefreudig, emotional schwingungsfähig und selbst ironiefähig beschrieben. Dr. R. de L. habe festgehalten, dass Konzentration und Auffassung keinerlei Einschränkung gezeigt hätten. Defizite bei Frisch- und Altgedächtnis seien nicht deutlich geworden. Die Grundstimmung habe sie subdepressiv gefunden, der Antrieb sei unauffällig gewesen, der Kläger sei psychomotorisch unauffällig gewesen. Der Dipl. Psych. L. habe in seinem Arztbrief vom 18. Januar 2005 mitgeteilt, dass er keine Hinweise für gröbere Störungen der mnestischen Funktionen gefunden habe. Nachvollziehbar seien Dr. B. und Dr. R. de L. zu dem Schluss gekommen, dass aus psychischen Gründen ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen nicht zu begründen sei. Auch der Sachverständige Ro. habe in der Beschreibung des psychischen Befundes u. a. ausgeführt, dass keine Bewusstseins- oder Auffassungsstörungen bestanden hätten, ebenso wenig hätten sich Konzentrationsstörungen objektiv nachweisen lassen. Auch habe Dr. Ro. kein einziges Beispiel für schwergradige Merkfähigkeitsstörungen genannt. Der Gutachter Ro. habe die Begrenzung auf eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden mit der depressiven Symptomatik und den unter Stress sich erhöhenden somatischen Symptomen begründet. Zumindest letzterem könne durch qualitative Einschränkungen auf leichte Arbeiten ohne psychische Belastungen, also z. B. ohne Akkord, ohne Schichtarbeit, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne vermehrten Publikumsverkehr Rechnung getragen werden. Dass die nur leicht ausgeprägte depressive Symptomatik einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen stehe, werde nach Auffassung der Beklagten von Dr. Ho. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme schlüssig dargelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts H. vom 29. März 2007 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Der Bevollmächtigte führt noch aus, die seelischen und auch finanziellen Nöte des Klägers würden langsam die Toleranzgrenze überschreiten.
Der Senat hat das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie und Sozialmedizin, ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und neurologische Rehabilitation, Bezirkskrankenhaus G., Prof. Dr. med. Dr. Dipl. Ing. B. W. vom 25. April 2008 eingeholt. Prof. Dr. Dr. W. und die Assistenzärztin N. sind darin zum Ergebnis gelangt, dass beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine leichte bis mittelgradige depressive Episode mit Somatisierungsstörung vorliege. Zum Tagesablauf befragt gibt der Kläger an: er stehe zwischen sieben und neun Uhr auf, frühstücke dann. Wenn die Konzentration entsprechend sei, lese er Zeitung. Danach lege er sich bis zum Mittagessen wieder hin, danach helfe er auch seiner Frau im Jugendfreizeitheim. Er schlafe viel. Wenn er sich am Nachmittag gut genug fühle, um anderen Menschen zu begegnen, unternehme er Spaziergänge. Wenn er sich schlecht fühle, wolle er keinem anderem begegnen. Er esse mit seiner Frau zu Abend, am Abend schaue er fern, dabei schlafe er meist ein. Sonntags gehe er in die Kirche um unter Leute zu kommen. Eigentlich könne er jedoch zu Hause bleiben, da er sich nicht auf die Predigt konzentrieren könne. Es bereite ihm keine Probleme, sonntags Leute aus dem Dorf zu treffen. Er schlafe viel, sei ständig müde. Er habe den Führerschein, da er aber Angst vor weiten Strecken habe, fahre er maximal 15 km. Den Haushalt erledige die Ehefrau, er helfe dabei. Er begleite auch seine Frau zum Einkaufen. Die Gartenarbeit erledige meist die Ehefrau, alle zwei Wochen mähe er den Rasen. Wenn es im Freizeitheim, das die Ehefrau betreue, etwas gebe, helfe er dort mit. Es bestehe auch ein guter Kontakt zu den Kindern und Schwestern, am Wochenende bekomme er auch oft Besuch von Tochter und Enkel. Der Kläger sei auch im Gesangsverein, im letzten Jahr sei er selten zu Treffen gegangen, genauer nachgefragt, habe er allerdings dem Gutachter dann berichte, erst vorletzte Woche dort gewesen zu sein. Der neurologische Untersuchungsbefund erbrachte keine relevanten Auffälligkeiten. In psychopathologischer Hinsicht zeigte sich nach Prof. Dr. Dr. W. das Bild einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Episode mit reduzierter Schwingungsfähigkeit, formal-gedanklicher Einengung auf die Schmerzsymptomatik und anamnestische Schlafstörung und Antriebsschwäche. Nach den Feststellungen der Gutachter Prof. Dr. Dr. W./N. bestehen beim Kläger Diskrepanzen zwischen dem klinischen Eindruck und der Beantwortung in der Testpsychologie. In der Zusammenschau von Exploration, Untersuchung und Verhaltensbeobachtung erscheinen nach dem Eindruck der Gutachter die geklagten Beschwerden nur teilweise nachvollziehbar. Es entstehe der Eindruck, dass diese bewusstseinsnah zu Durchsetzung von Versorgungswünschen eingesetzt würden. Hinsichtlich der Leistungseinschätzung gelangt Prof. Dr. Dr. W. zu dem Ergebnis, dass vom Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung von hohen Ansprüchen an die psychische Belastung sowie keine körperliche Zwangshaltungen oder uniformen Körperhaltungen) noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr ausgeübt werden könnten.
Von Seiten des Klägers ist im Weiteren noch das Attest der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie K. vom 7. Juli 2008 vorgelegt worden. Danach bestünden beim Kläger chronisch rezidivierende überwiegend mittelgradige depressive Episoden. Die medikamentöse Therapie werde weitergeführt. Der Kläger sei auch weiterhin nicht in der Lage, Arbeiten von Erwerbswert auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch nur teilschichtig auszuüben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat konnte auf Grund der Zustimmung der Beteiligten gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. März geltenden Fassung liegt nicht vor. Im Streit steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für einen Zeitraum von mehr als 1 Jahr.
III.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nicht gegeben.
1. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).
Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten beim Kläger vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Der Kläger ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.
Der wesentliche Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen des Klägers liegt auf nervenärztlichem Gebiet. Auf der Grundlage der im Urkundenbeweis zu verwertenden Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren des Internisten und Sozialmediziners Dr. B., des Sozialmediziners Dr. S., der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. de L., der vorliegenden Befundberichte und beigezogenen Auskünfte der behandelnden Ärzte, des im SG-Verfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Ro. sowie des Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W. kann der Kläger im Ergebnis unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben.
Schon Dr. B. hatte in seinem internistischen Gutachten vom 9. Dezember 2003 als Diagnosen rezidivierende depressive Episoden neurotischer Genese, eine Somatisierungsstörung mit chronischen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule sowie funktionelle bzw. somatoforme Störungen wie Reizmagen, Reizdarm und Spannungskopfschmerz beschrieben. Dr. R. de L. hat in ihrem Gutachten vom 10. März 2005 als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, jetzt mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und selbstunsicheren Zügen gestellt und im Ergebnis ebenso Prof. Dr. Dr. W. mit einer leichten bis mittelgradigen depressiven Episode mit Somatisierungsstörung. Im Unterschied dazu nennt der Facharzt für Psychiatrie Ro. als Diagnosen eine Dysthymia (F 54.1 gemeint wohl F 34.1. ICD-10, depressive Verstimmung) und Rentenneurose als Diagnosen. Sowohl Dr. B. als auch die Fachärztin für Psychiatrie Dr. R. de L. und der Facharzt für Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. schätzen auf der Grundlage der von ihnen erhobenen Befunde das Leistungsvermögen des Klägers unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (nämlich u. a. keine hohe Anforderungen an die psychische Belastung und im Übrigen keine körperlichen Zwangshaltungen) noch für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ein. Soweit der Gutachter Ro. hier das Leistungsvermögen nur mit ca. vier Stunden täglich für entsprechende Tätigkeiten einschätzt, kann der Senat dem nicht folgen. Insbesondere überzeugt die Begründung des Gutachters Ro. für die von ihm auch angenommene quantitative Leistungseinschränkung nicht. Der Gutachter begründet seine Einschätzung mit der depressiven Symptomatik mit leicht gedrückter Stimmung, Angstgefühlen, leichten Antriebsstörungen, sozialen Ängsten und erhöhter Ermüdbarkeit einerseits und andererseits aus den sich unter Stress erhöhenden somatischen Symptomen wie Schmerzen im Darm, im Kreuz und im Steißbein sowie gelegentlichem Schwindel. Hierzu ist zum Einen anzumerken, dass gerade den vom Gutachter genannten unter Stress sich erhöhenden somatischen Symptomen durch die von den Vorgutachtern als auch von Prof. Dr. Dr. W. genannten qualitativen Einschränkungen, wonach gerade besondere psychische Belastungen zu vermeiden seien, Rechnung getragen wird, sodass insoweit diese Umstände gerade nicht eine quantitative Leistungseinschränkung begründen können. Außerdem hat die Psychiaterin Dr. Ho. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 25. Juli 2006 zutreffend auch bereits darauf verwiesen, dass selbst im psychischen Befund des Gutachters Ro. der Kläger beschrieben wird als psychisch weitgehend unauffällig, nur beim Berichten über Probleme mit der LVA und der Rente habe der Blick gequält gewirkt und der Kläger weinen müssen. Die beschriebenen Defizite sind - wenn überhaupt - nur leichtgradig ausgeprägt. Nur Hoffnungslosigkeit, Ängstlichkeit sowie Behandlungsablehnung seien mittelgradig ausgeprägt, auch Durchschlafstörungen und Früherwachen (wobei dies im Widerspruch zu den subjektiven Angaben des Klägers zum Tagesablauf, wonach er morgens zwischen sieben und neun Uhr von seiner Frau geweckt werden müsse, steht). Des Weiteren lassen die erhobenen Tagesabläufe nicht solch massive Einschränkungen auf Grund der psychischen Erkrankung des Klägers erkennen, die neben den qualitativen Leistungseinschränkungen auch eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnten. Auch stellt die vom Gutachter Ro. gestellte Diagnose Dysthymia (depressive lang anhaltende Verstimmung) im Verhältnis zu dem von Dr. R. de L. bzw. Prof. Dr. Dr. W. beschriebenen leichten bis mittelgradigen depressiven Episode mit Somatisierungsstörungen keine schwerwiegendere Erkrankung dar, eher im Gegenteil. Zum anderen weisen Prof. Dr. Dr. W. und die Assistenzärztin N. in ihrer zusammenfassenden Beurteilung auch darauf hin, dass auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet im wesentlichen eine leicht bis mittelgradige depressive Episode und eine bereits seit dem Jugendalter bestehende Somatisierungsstörung vorliegen. Bei Beantwortung der Fragen besteht nur eine fragliche Offenheit, der Kläger macht meist nur vage Andeutungen und ist bei genauerem Nachfragen im alltäglichem Leben nach dem Ergebnis der Einschätzung der Gutachter deutlich aktiver, als er zunächst den Anschein vermittelt. So gibt er z. B. an, den Gesangsverein fast überhaupt nicht mehr zu besuchen, berichtet aber auf genaueres nachfragen, erst letzte Woche dort gewesen zu sein. Auch erledige zunächst nach seinen Angaben die Ehefrau die Gartenarbeit, er könne nur helfen. Bei genauerem Nachfragen stellt sich heraus, dass Rasenmähen immer vom Kläger durchgeführt wird. Es bestehen nach Auffassung der Gutachter Prof. Dr. Dr. W./N. zudem Diskrepanzen zwischen dem klinischen Eindruck und der Beantwortung der Testpsychologie. Eine sozialer Rückzug ist nur fraglich nachweisbar, so besucht der Kläger unregelmäßig den Gesangsverein und war nach seinen Angaben bis zum Jahr 2007 für 18 Jahre im Kirchengemeinderat tätig. Am Wochenende mache er auch Unternehmungen mit der Familie oder bekomme Besuch. In der Zusammenschau von Exploration, Untersuchung und Verhaltensbeobachtung erscheinen die geklagten Beschwerden nur teilweise nachvollziehbar. Nach Auffassung der Gutachter entsteht der Eindruck, dass diese bewusstseinsnah zur Durchsetzung für Versorgungswünsche eingesetzt werden.
Insgesamt kann sich der Senat damit nicht davon überzeugen, dass beim Kläger neben den insoweit unstreitigen qualitativen Einschränkungen auch quantitativ eine Beschränkung des Leistungsvermögens dahingehend besteht, dass er nicht mehr in der Lage ist, sechs Stunden und mehr täglich leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen zu können. Damit besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Es war im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Da der Kläger noch vollschichtig erwerbsfähig ist, war die vom SG geprüfte Frage, ob und inwieweit auf Grund einer nur noch teilweisen Erwerbsfähigkeit ein verschlossener Teilzeitarbeitsmarkt vorliegt, hier ebenfalls nicht zu prüfen. Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr.5).
2. Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig.
Gem. § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 2. berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Beim Kläger scheitert ein Berufsschutz schon daran, dass er seinen erlernten Beruf als Maschinenschlosser 1992 nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat und daher maßgeblicher Bezug für die Frage des Berufsschutzes seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Abfallbeauftragter der S.-Kliniken (Krankenhaus B.) ist. Hierbei handelt es sich nach der Auskunft des Arbeitgebers um eine ungelernte Tätigkeit (bis zu 3 Monate Anlernzeit), im Rahmen derer 90 % der Tätigkeit die Müllentsorgung betraf, 5 % Schweißarbeiten in der Technik und 5 % sonstige Tätigkeiten wie Umzüge, Renovierungen und Baumaßnahmen. Damit ist aber der Kläger breit verweisbar auf alle leichten bis mittelschweren körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine Verweisungstätigkeit muss nicht benannt werden.
Daher ist der Kläger auch nicht berufsunfähig im Sinne vom § 240 SGB VI und besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Aus diesen Gründen ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG vom 29. März 2007 aufzuheben und die Klage im vollem Umfang abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1953 geborene Kläger hatte zunächst nach dem Hauptschulabschluss von November 1969 bis April 1970 gearbeitet, sodann von September 1970 bis Juli 1971 eine Fachschulausbildung durchlaufen, diese jedoch nicht abgeschlossen und im September 1971 eine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker begonnen, im Mai 1972 begann der Kläger sodann eine Ausbildung zum Maschinenschlosser, die er auch im Februar 1975 erfolgreich abschloss. In der Folgezeit war er in seinem erlernten Beruf bis zum Juni 1992 tätig. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund Kündigung. Ab Juli 1992 war der Kläger bis August 2003 als Abfallbeauftragter der S.-Kliniken (Krankenhaus B.) beschäftigt. Seit dem 11. August 2003 ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos (seit Januar 2005 erhielt der Kläger nach der Aussteuerung durch die Krankenkasse Arbeitslosengeld).
Bereits am 20. November 2003 beantragte der Kläger erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Einholung eines Gutachtens durch den Internisten und Gastroenterologen Dr. B. vom 9. Dezember 2003 (Bl. M3 Verwaltungsakte - VA - ärztliche Unterlagen) wies die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2003 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer schriftlichen Auskunft des ehemaligen Arbeitsgebers des Klägers, der S.-Kliniken H. GmbH (ungelernte Tätigkeit, 90 % Abfallversorgung, 5 % Schweißarbeiten Technik, 5 % sonstiges - Umzüge, Baumaßnahmen etc. - Bl. M7 VA - ärztl. Unterlagen) sowie Einholung einer Stellungnahme von Dr. B. mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2004 zurück (Bl. 33 VA).
Am 14. Dezember 2004 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies er auf beiliegende ärztliche Bescheinigungen der Dipl. Psych. G. vom 12. November 2004, der Betriebsärztin Dr. M. der S.-Kliniken H. GmbH vom 19. November 2004, den ärztlichen Bericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Ba. vom 2. Dezember 2004 sowie einen Arztbrief des Facharztes für Nervenheilkunde und Dipl.-Psychologen G. L. vom 18. Januar 2005 (M10/13 VA - ärztliche Unterlagen). Die Beklagte holte daraufhin bei dem Sozialmediziner Dr. S., ärztliche Untersuchungsstelle H., das Gutachten vom 15. März 2005 mit dem nervenärztlichen Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. de L. vom 12. März 2005 ein. Dr. R. de L. stellte in ihrem Gutachten eine rezidivierende depressive Störung mit jetzt mittelgradiger Episode mit somatischem Syndrom sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und selbstunsicheren Zügen fest. Aus psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht könne noch durchaus für sechs bis acht Stunden täglich die letzte Tätigkeit als Abfallentsorger dem Kläger zugemutet werden. Auch andere leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger noch für mindestens sechs Stunden pro Tag zumutbar. Dr. R. de L. sah eine medizinische Rehabilitationsbehandlung mit nachfolgender stufenweiser Wiedereingliederung aus psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht für durchaus indiziert an.
Mit Bescheid vom 18. März 2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, noch würden die Voraussetzungen für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliegen (Bl. 46 VA).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2005 (Bl. 57 VA) zurückwies. Der Kläger könne auch unter Berücksichtigung der bei ihm auf Grund der allgemeinärztlich/internistischen und nervenfachärztlichen Gutachten vorliegenden Erkrankungen noch sowohl in seiner Tätigkeit als Abfallentsorger als auch im Übrigen leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne besondere psychische Beanspruchung mind. sechs Stunden täglich verrichten.
Dagegen hat der Kläger am 5. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte geltend gemacht, der tatsächliche Gesundheitszustand des Klägers sei im bisherigen Verwaltungsverfahrens nicht adäquat bewertet worden.
Das SG hat das nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Ro., Oberarzt der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Klinikums am W., We. vom 22. Mai 2006 (Bl. 16/33 SG-Akte) eingeholt. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Ro. diagnostizierte beim Kläger eine Dysthymia (F 54.1 ICD-10, gemeint wohl F 34.1) sowie eine Rentenneurose (F 48.0 ICD-10). Zum Tagesablauf hat der Kläger angegeben: Er stehe morgens zwischen sieben Uhr und neun Uhr auf, seine Frau müsse ihn wecken. Dann frühstücke er ein wenig. Er helfe dann seiner Frau im Haushalt und gehe spazieren. Dann gehe er ins Freizeitheim, er habe dort ein "bissle Geschäft", manchmal sitze er auch nur rum. Dreimal pro Tag müsse er schlafen, weil er oft erschöpft sei. Er schaue viel fernsehen, besuche seine "Schwiegerleute", abends esse er zu Abend, dann schaue er fernsehen. Als Hobby habe er früher Autos hergerichtet, das mache er jetzt kaum mehr, außerdem singe er gerne, er sei im Gesangsverein, er gehe aber selten hin. Freunde habe er kaum, da andere nicht verstehen könnten, dass es ihm nicht gut gehe. Das Leistungsvermögen hat der Facharzt für Psychiatrie Ro. dahingehend eingeschätzt, dass der Kläger nur noch in der Lage sei, vier Stunden pro Tag in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Abfallarbeiter zu arbeiten. Die Reduzierung der Leistungsfähigkeit begründe sich sowohl aus der depressiven Symptomatik mit leicht gedrückter Stimmung, Angstgefühlen, leichten Antriebsstörungen, sozialen Ängsten und erhöhter Ermüdbarkeit, andererseits aus den sich unter Stress erhöhenden somatischen Symptomen wie Schmerzen im Darm, im Kreuz und im Steißbein, sowie gelegentlichem Schwindel. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit nur noch bis zu vier Stunden täglich verrichten. Außerdem seien eine hohe psychische Belastung, insbesondere Stress durch erhöhten Zeitdruck, sowie dauernde neue wechselnde Anforderungen, vermehrter Publikumskontakt, wie zum Beispiel eine Tätigkeit an einer Rezeption, eine Auskunft oder eine Beschwerdestelle zu vermeiden.
Die Ärztin für Psychiatrie Dr. Ho. hat in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 25. Juli 2006 der Einschätzung des Gutachters widersprochen und u. a. darauf verwiesen, dass durch die umfangreich dokumentierte medizinische Vorgeschichte sich wie ein roter Faden das Rentenbegehren des Klägers, das im Verlauf durch verschiedene Kollegen ausdrücklich beschrieben werde, ziehe. Konkret im Gutachten würden auch Ängste und Schmerzen beschrieben, der Kläger traue sich schon kaum mehr aus dem Haus. Der größte Schmerz sei jedoch die dauernde "Ablehnerei der LVA". Körperliche Erkrankungen habe er keine. Insgesamt ließen die negativ getönte Empfindlichkeit hinsichtlich der subjektiven Wahrnehmung seiner aktuellen Situation bzw. seiner Beschwerden tatsächlich nur Hinweise auf eine solche Dysthymie ableiten. Erfahrungsgemäß fühlten sich betroffene Individuen tatsächlich unzulänglich, sie grübelten und beklagten sich, seien aber dennoch in der Regel fähig, mit wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden. Völlig nachvollziehbar sei auch die Diagnose einer "Rentenneurose" vom Gutachter gestellt worden. Im Hinblick auf die plausibel gestellten Diagnosen sei jedoch die vom Gutachter getroffene Leistungsbeurteilung mit "vier Stunden pro Tag" überhaupt nicht nachvollziehbar. Aus der Beschreibung des Klägers sowie aus den gestellten Diagnosen resultiere zu keinem Zeitpunkt eine zeitüberdauernde Leistungsminderung; eine solche sei auch aus der aktuell erhaltenen Tagesstrukturierung, dem aktuell erhaltenen allgemeinen Interessenspektrum sowie der aktuell erhaltenen sozialen Kompetenz nicht ableitbar. Schließlich spreche auch die Nichtinanspruchnahme der mehrfach empfohlenen ambulanten fachpsychiatrischen Behandlung sowie die durch den Gutachter festgestellte "mittelgradig ausgeprägte Behandlungsablehnung des Klägers" für einen nur geringen Leidensdruck. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. September 2006 (Bl. 41/51 SG-Akte) hat der Facharzt für Psychiatrie Ro. an seiner Leistungseinschätzung festgehalten und ausgeführt, er habe in seinem Gutachten auf Grund der langen Chronifizierung, der psychosozialen Auswirkungen der Störung sowie der zahlreichen erfolglosen, aber konsequent durchgeführten Vorbehandlungen, einen erheblichen Schweregrad gefunden, sodass auch bei aller zumutbaren Willensanstrengung nicht davon auszugehen sei, dass der Kläger in der Lage sein werde, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom Januar 2007 hat die Ärztin für Psychiatrie Dr. Ho. daran festgehalten, dass auch unter Berücksichtung der weiteren Stellungnahme des Facharztes Ro. keine Anhaltspunkte erkennbar seien, die es rechtfertigen, von einer quantitativen Leistungsminderung auszugehen.
Mit Urteil vom 29. März 2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 30. November 2007 zu gewähren. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass das Leistungsvermögen des Klägers derzeit auf einen Umfang von weniger als sechs Stunden, jedoch mehr als drei Stunden täglich abgesunken sei. Das SG hat sich hierbei auf das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Ro. vom 22. Mai 2006 gestützt und auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Beklagten, Dr. Ho., keinen Anlass gesehen, an der Schlüssigkeit der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zu zweifeln, insbesondere sei bei Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet - wie hier - eine persönliche Untersuchung des Betroffenen wesentlich, um die Auswirkungen der bestehenden Gesundheitsstörungen beurteilen zu können. Eine solche persönliche Untersuchung sei durch Dr. Ho. nicht erfolgt. Auch habe der gerichtliche Sachverständige zu den Kritikpunkten von Dr. Ho. ausführlich Stellung genommen und letztlich nach Überzeugung des SG plausibel das von ihm festgestellte Leistungsvermögen begründet. Damit liege eine teilweise Erwerbsminderung vor, die in eine volle Erwerbsminderung umschlage, weil der Kläger keinen Teilzeitarbeitsplatz inne habe. Da die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung somit unter Berücksichtigung des Arbeitsmarktes gewährt werde, sei sie nach der Regelung des § 102 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) auf Zeit und zwar längstens für drei Jahre nach Rentenbeginn zu befristen. Der gerichtliche Gutachter Ro. habe in seinem Gutachten dargestellt, dass durch eine adäquate psychiatrisch-psychotherapeutische sowie schmerztherapeutische Behandlung, sicher auch im klinischen Rahmen, die Leistungsfähigkeit des Klägers wiederhergestellt oder zumindest verbessert werden könne. Es könne derzeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers dauerhaft auf unter vier Stunden täglich eingeschränkt bleibe. Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (auf Dauer) über den Wegfallzeitpunkt der Rente wegen voller Erwerbsminderung komme damit nicht in Betracht, da eine Besserungsaussicht bestehe. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen sei die bisherige Behandlung nicht ausreichend. Der Kläger sei im Rahmen der Zumutbarkeit verpflichtet, an der Verbesserung seines Gesundheitszustandes mitzuwirken. Der Leistungsfall sei unter Berücksichtigung der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen bereits im Jahr 2003 eingetreten. Nach Überzeugung des SG sei vom Eintritt der letzten dauerhaften Arbeitsunfähigkeit im August 2003 auszugehen. Der im jetzigen Verfahren streitgegenständliche Antrag datiere vom 14. Dezember 2004. Gem. den §§ 109 Abs. 1, 101 Abs. 1 SGB VI beginne die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, nachdem der Rentenantrag über sieben Monate nach dem Leistungsfall gestellt worden sei, mit dem Rentenantragsmonat, also dem 1. Dezember 2004.
Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 18. Mai 2007 zugestellte Urteil am 25. Mai 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat die Beklagte u. a. ausgeführt, zu bedenken sei, dass die Gutachter im Verwaltungsverfahren Dr. B. und Dr. R. de L. den Kläger jeweils selbst gesehen hätten, allerdings keine rentenrelevante Leistungsminderung hätten feststellen können. Außerdem habe Dr. B. den Kläger als nach außen hin nicht depressiv, redefreudig, emotional schwingungsfähig und selbst ironiefähig beschrieben. Dr. R. de L. habe festgehalten, dass Konzentration und Auffassung keinerlei Einschränkung gezeigt hätten. Defizite bei Frisch- und Altgedächtnis seien nicht deutlich geworden. Die Grundstimmung habe sie subdepressiv gefunden, der Antrieb sei unauffällig gewesen, der Kläger sei psychomotorisch unauffällig gewesen. Der Dipl. Psych. L. habe in seinem Arztbrief vom 18. Januar 2005 mitgeteilt, dass er keine Hinweise für gröbere Störungen der mnestischen Funktionen gefunden habe. Nachvollziehbar seien Dr. B. und Dr. R. de L. zu dem Schluss gekommen, dass aus psychischen Gründen ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen nicht zu begründen sei. Auch der Sachverständige Ro. habe in der Beschreibung des psychischen Befundes u. a. ausgeführt, dass keine Bewusstseins- oder Auffassungsstörungen bestanden hätten, ebenso wenig hätten sich Konzentrationsstörungen objektiv nachweisen lassen. Auch habe Dr. Ro. kein einziges Beispiel für schwergradige Merkfähigkeitsstörungen genannt. Der Gutachter Ro. habe die Begrenzung auf eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden mit der depressiven Symptomatik und den unter Stress sich erhöhenden somatischen Symptomen begründet. Zumindest letzterem könne durch qualitative Einschränkungen auf leichte Arbeiten ohne psychische Belastungen, also z. B. ohne Akkord, ohne Schichtarbeit, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne vermehrten Publikumsverkehr Rechnung getragen werden. Dass die nur leicht ausgeprägte depressive Symptomatik einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen stehe, werde nach Auffassung der Beklagten von Dr. Ho. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme schlüssig dargelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts H. vom 29. März 2007 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Der Bevollmächtigte führt noch aus, die seelischen und auch finanziellen Nöte des Klägers würden langsam die Toleranzgrenze überschreiten.
Der Senat hat das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie und Sozialmedizin, ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und neurologische Rehabilitation, Bezirkskrankenhaus G., Prof. Dr. med. Dr. Dipl. Ing. B. W. vom 25. April 2008 eingeholt. Prof. Dr. Dr. W. und die Assistenzärztin N. sind darin zum Ergebnis gelangt, dass beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine leichte bis mittelgradige depressive Episode mit Somatisierungsstörung vorliege. Zum Tagesablauf befragt gibt der Kläger an: er stehe zwischen sieben und neun Uhr auf, frühstücke dann. Wenn die Konzentration entsprechend sei, lese er Zeitung. Danach lege er sich bis zum Mittagessen wieder hin, danach helfe er auch seiner Frau im Jugendfreizeitheim. Er schlafe viel. Wenn er sich am Nachmittag gut genug fühle, um anderen Menschen zu begegnen, unternehme er Spaziergänge. Wenn er sich schlecht fühle, wolle er keinem anderem begegnen. Er esse mit seiner Frau zu Abend, am Abend schaue er fern, dabei schlafe er meist ein. Sonntags gehe er in die Kirche um unter Leute zu kommen. Eigentlich könne er jedoch zu Hause bleiben, da er sich nicht auf die Predigt konzentrieren könne. Es bereite ihm keine Probleme, sonntags Leute aus dem Dorf zu treffen. Er schlafe viel, sei ständig müde. Er habe den Führerschein, da er aber Angst vor weiten Strecken habe, fahre er maximal 15 km. Den Haushalt erledige die Ehefrau, er helfe dabei. Er begleite auch seine Frau zum Einkaufen. Die Gartenarbeit erledige meist die Ehefrau, alle zwei Wochen mähe er den Rasen. Wenn es im Freizeitheim, das die Ehefrau betreue, etwas gebe, helfe er dort mit. Es bestehe auch ein guter Kontakt zu den Kindern und Schwestern, am Wochenende bekomme er auch oft Besuch von Tochter und Enkel. Der Kläger sei auch im Gesangsverein, im letzten Jahr sei er selten zu Treffen gegangen, genauer nachgefragt, habe er allerdings dem Gutachter dann berichte, erst vorletzte Woche dort gewesen zu sein. Der neurologische Untersuchungsbefund erbrachte keine relevanten Auffälligkeiten. In psychopathologischer Hinsicht zeigte sich nach Prof. Dr. Dr. W. das Bild einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Episode mit reduzierter Schwingungsfähigkeit, formal-gedanklicher Einengung auf die Schmerzsymptomatik und anamnestische Schlafstörung und Antriebsschwäche. Nach den Feststellungen der Gutachter Prof. Dr. Dr. W./N. bestehen beim Kläger Diskrepanzen zwischen dem klinischen Eindruck und der Beantwortung in der Testpsychologie. In der Zusammenschau von Exploration, Untersuchung und Verhaltensbeobachtung erscheinen nach dem Eindruck der Gutachter die geklagten Beschwerden nur teilweise nachvollziehbar. Es entstehe der Eindruck, dass diese bewusstseinsnah zu Durchsetzung von Versorgungswünschen eingesetzt würden. Hinsichtlich der Leistungseinschätzung gelangt Prof. Dr. Dr. W. zu dem Ergebnis, dass vom Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung von hohen Ansprüchen an die psychische Belastung sowie keine körperliche Zwangshaltungen oder uniformen Körperhaltungen) noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr ausgeübt werden könnten.
Von Seiten des Klägers ist im Weiteren noch das Attest der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie K. vom 7. Juli 2008 vorgelegt worden. Danach bestünden beim Kläger chronisch rezidivierende überwiegend mittelgradige depressive Episoden. Die medikamentöse Therapie werde weitergeführt. Der Kläger sei auch weiterhin nicht in der Lage, Arbeiten von Erwerbswert auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch nur teilschichtig auszuüben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat konnte auf Grund der Zustimmung der Beteiligten gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. März geltenden Fassung liegt nicht vor. Im Streit steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für einen Zeitraum von mehr als 1 Jahr.
III.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nicht gegeben.
1. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).
Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten beim Kläger vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Der Kläger ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.
Der wesentliche Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen des Klägers liegt auf nervenärztlichem Gebiet. Auf der Grundlage der im Urkundenbeweis zu verwertenden Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren des Internisten und Sozialmediziners Dr. B., des Sozialmediziners Dr. S., der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. de L., der vorliegenden Befundberichte und beigezogenen Auskünfte der behandelnden Ärzte, des im SG-Verfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Ro. sowie des Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W. kann der Kläger im Ergebnis unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben.
Schon Dr. B. hatte in seinem internistischen Gutachten vom 9. Dezember 2003 als Diagnosen rezidivierende depressive Episoden neurotischer Genese, eine Somatisierungsstörung mit chronischen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule sowie funktionelle bzw. somatoforme Störungen wie Reizmagen, Reizdarm und Spannungskopfschmerz beschrieben. Dr. R. de L. hat in ihrem Gutachten vom 10. März 2005 als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, jetzt mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und selbstunsicheren Zügen gestellt und im Ergebnis ebenso Prof. Dr. Dr. W. mit einer leichten bis mittelgradigen depressiven Episode mit Somatisierungsstörung. Im Unterschied dazu nennt der Facharzt für Psychiatrie Ro. als Diagnosen eine Dysthymia (F 54.1 gemeint wohl F 34.1. ICD-10, depressive Verstimmung) und Rentenneurose als Diagnosen. Sowohl Dr. B. als auch die Fachärztin für Psychiatrie Dr. R. de L. und der Facharzt für Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. schätzen auf der Grundlage der von ihnen erhobenen Befunde das Leistungsvermögen des Klägers unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (nämlich u. a. keine hohe Anforderungen an die psychische Belastung und im Übrigen keine körperlichen Zwangshaltungen) noch für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ein. Soweit der Gutachter Ro. hier das Leistungsvermögen nur mit ca. vier Stunden täglich für entsprechende Tätigkeiten einschätzt, kann der Senat dem nicht folgen. Insbesondere überzeugt die Begründung des Gutachters Ro. für die von ihm auch angenommene quantitative Leistungseinschränkung nicht. Der Gutachter begründet seine Einschätzung mit der depressiven Symptomatik mit leicht gedrückter Stimmung, Angstgefühlen, leichten Antriebsstörungen, sozialen Ängsten und erhöhter Ermüdbarkeit einerseits und andererseits aus den sich unter Stress erhöhenden somatischen Symptomen wie Schmerzen im Darm, im Kreuz und im Steißbein sowie gelegentlichem Schwindel. Hierzu ist zum Einen anzumerken, dass gerade den vom Gutachter genannten unter Stress sich erhöhenden somatischen Symptomen durch die von den Vorgutachtern als auch von Prof. Dr. Dr. W. genannten qualitativen Einschränkungen, wonach gerade besondere psychische Belastungen zu vermeiden seien, Rechnung getragen wird, sodass insoweit diese Umstände gerade nicht eine quantitative Leistungseinschränkung begründen können. Außerdem hat die Psychiaterin Dr. Ho. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 25. Juli 2006 zutreffend auch bereits darauf verwiesen, dass selbst im psychischen Befund des Gutachters Ro. der Kläger beschrieben wird als psychisch weitgehend unauffällig, nur beim Berichten über Probleme mit der LVA und der Rente habe der Blick gequält gewirkt und der Kläger weinen müssen. Die beschriebenen Defizite sind - wenn überhaupt - nur leichtgradig ausgeprägt. Nur Hoffnungslosigkeit, Ängstlichkeit sowie Behandlungsablehnung seien mittelgradig ausgeprägt, auch Durchschlafstörungen und Früherwachen (wobei dies im Widerspruch zu den subjektiven Angaben des Klägers zum Tagesablauf, wonach er morgens zwischen sieben und neun Uhr von seiner Frau geweckt werden müsse, steht). Des Weiteren lassen die erhobenen Tagesabläufe nicht solch massive Einschränkungen auf Grund der psychischen Erkrankung des Klägers erkennen, die neben den qualitativen Leistungseinschränkungen auch eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnten. Auch stellt die vom Gutachter Ro. gestellte Diagnose Dysthymia (depressive lang anhaltende Verstimmung) im Verhältnis zu dem von Dr. R. de L. bzw. Prof. Dr. Dr. W. beschriebenen leichten bis mittelgradigen depressiven Episode mit Somatisierungsstörungen keine schwerwiegendere Erkrankung dar, eher im Gegenteil. Zum anderen weisen Prof. Dr. Dr. W. und die Assistenzärztin N. in ihrer zusammenfassenden Beurteilung auch darauf hin, dass auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet im wesentlichen eine leicht bis mittelgradige depressive Episode und eine bereits seit dem Jugendalter bestehende Somatisierungsstörung vorliegen. Bei Beantwortung der Fragen besteht nur eine fragliche Offenheit, der Kläger macht meist nur vage Andeutungen und ist bei genauerem Nachfragen im alltäglichem Leben nach dem Ergebnis der Einschätzung der Gutachter deutlich aktiver, als er zunächst den Anschein vermittelt. So gibt er z. B. an, den Gesangsverein fast überhaupt nicht mehr zu besuchen, berichtet aber auf genaueres nachfragen, erst letzte Woche dort gewesen zu sein. Auch erledige zunächst nach seinen Angaben die Ehefrau die Gartenarbeit, er könne nur helfen. Bei genauerem Nachfragen stellt sich heraus, dass Rasenmähen immer vom Kläger durchgeführt wird. Es bestehen nach Auffassung der Gutachter Prof. Dr. Dr. W./N. zudem Diskrepanzen zwischen dem klinischen Eindruck und der Beantwortung der Testpsychologie. Eine sozialer Rückzug ist nur fraglich nachweisbar, so besucht der Kläger unregelmäßig den Gesangsverein und war nach seinen Angaben bis zum Jahr 2007 für 18 Jahre im Kirchengemeinderat tätig. Am Wochenende mache er auch Unternehmungen mit der Familie oder bekomme Besuch. In der Zusammenschau von Exploration, Untersuchung und Verhaltensbeobachtung erscheinen die geklagten Beschwerden nur teilweise nachvollziehbar. Nach Auffassung der Gutachter entsteht der Eindruck, dass diese bewusstseinsnah zur Durchsetzung für Versorgungswünsche eingesetzt werden.
Insgesamt kann sich der Senat damit nicht davon überzeugen, dass beim Kläger neben den insoweit unstreitigen qualitativen Einschränkungen auch quantitativ eine Beschränkung des Leistungsvermögens dahingehend besteht, dass er nicht mehr in der Lage ist, sechs Stunden und mehr täglich leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen zu können. Damit besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Es war im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Da der Kläger noch vollschichtig erwerbsfähig ist, war die vom SG geprüfte Frage, ob und inwieweit auf Grund einer nur noch teilweisen Erwerbsfähigkeit ein verschlossener Teilzeitarbeitsmarkt vorliegt, hier ebenfalls nicht zu prüfen. Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr.5).
2. Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig.
Gem. § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 2. berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Beim Kläger scheitert ein Berufsschutz schon daran, dass er seinen erlernten Beruf als Maschinenschlosser 1992 nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat und daher maßgeblicher Bezug für die Frage des Berufsschutzes seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Abfallbeauftragter der S.-Kliniken (Krankenhaus B.) ist. Hierbei handelt es sich nach der Auskunft des Arbeitgebers um eine ungelernte Tätigkeit (bis zu 3 Monate Anlernzeit), im Rahmen derer 90 % der Tätigkeit die Müllentsorgung betraf, 5 % Schweißarbeiten in der Technik und 5 % sonstige Tätigkeiten wie Umzüge, Renovierungen und Baumaßnahmen. Damit ist aber der Kläger breit verweisbar auf alle leichten bis mittelschweren körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine Verweisungstätigkeit muss nicht benannt werden.
Daher ist der Kläger auch nicht berufsunfähig im Sinne vom § 240 SGB VI und besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Aus diesen Gründen ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG vom 29. März 2007 aufzuheben und die Klage im vollem Umfang abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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