L 2 R 5854/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 9831/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 5854/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme streitig.

Die am 21. April 1958 geborene Klägerin war unter anderem nach einer abgeschlossenen Ausbildung zur Wirtschaftspflegerin als Zimmermädchen in einem Hotel in B. versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrem Zuzug nach Baden-Württemberg im Jahr 2003 bezog sie zeitweise von der Arbeitsagentur Esslingen Arbeitslosengeld II. Am 1. Dezember 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Mit dem "Formantrag" auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme legte sie ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. L. vom 5. April 2006 vor, wonach sie sich in dessen regelmäßiger orthopädischer Behandlung befinde und aufgrund ihrer Erkrankungen nicht in der Lage sei, Gegenstände über 10 kg länger zu heben oder zu tragen. Mit Bescheid vom 12. April 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ab. Solche Leistungen seien nicht erforderlich; ambulante Krankenbehandlung sei ausreichend. Hiergegen erhob die Klägerin am 28. April 2006 Widerspruch. Zur Wiedereingliederung ins Arbeitsleben benötige sie die beantragte Heilbehandlung; eine ambulante Krankenbehandlung sei entsprechend ihrer Vorgeschichte nicht ausreichend. Vom JobCenter sei sie zum Antrag auf Rehabilitationsleistungen zur Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit aufgefordert worden. Daraufhin veranlasste die Beklagte die Erstellung eines orthopädisch-chirurgischen Gutachtens durch Dr. N ... Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 13. Juni 2006 Krampfadern der Beine ohne Zeichen für Blutumflussstörung, Adipositas, statomyalgisches Dorso-Lumbal-Syndrom ohne belangvolle Wurzelreizsymptomatik oder sensomotorisches Defizit. Bis zu mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel der Körperhaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien vollschichtig zumutbar. Ausgeschlossen seien allzu einseitige Wirbelsäulenhaltungen und Arbeiten unter erheblichem Nässe- und Wärmeeinfluss. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die ambulant durchgeführten Therapiemaßnahmen seien ausreichend und bisher fachärztlicherseits nicht ausgeschöpft.

Dagegen hat die Klägerin am 22. Dezember 2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie wies auf eine weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes hin; ihre Hände und Arme würden beidseits einschlafen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin Orthopäde S. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G. und Internistin Dr. K. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Der Orthopäde S. hat in seiner Aussage vom 26. November 2007 mitgeteilt, der habe die Klägerin einmal am 30. Oktober 2007 behandelt. Die Diagnosen lauteten zervikales und lumbales Pseudoradikulärsyndrom; zum Schweregrad könne er keine Aussage machen. Eine erhebliche Gefährdung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sehe er derzeit nicht. Zur Wiederherstellung bzw. Besserung der Erwerbsfähigkeit sei eine ambulante Behandlung am Wohnort ausreichend. Diesbezüglich definitiv festlegen könne er sich jedoch nicht. Die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten am Wohnort seien bislang nicht ausgeschöpft. In seiner weiteren schriftlichen Aussage vom 28. April 2008 teilte er mit, er habe die Klägerin am 19. Februar und 7. April 2008 behandelt. Auf den angefertigten Röntgenbildern der HWS und LWS zeigten sich deutliche degenerative Veränderungen mit ZWR-Verschmälerungen in beiden Wirbelsäulenabschnitten. Hausarzt Dr. G. teilte in seiner schriftlichen Aussage vom 9. Dezember 2007 mit, körperlich schwer Arbeiten mit einseitig statischen Belastungen und mit schwerem Heben und Tragen von Lasten seien zu vermeiden; eine Arbeit als Zimmermädchen würde sich nachhaltig auf die Gesundheit der Klägerin auswirken. Eine Umschulung sei anzustreben. Die Erwerbsfähigkeit halte er für erheblich gefährdet. Zurzeit liefen fachärztliche orthopädische Mitbehandlungen mit physiotherapeutischen Behandlungen. Deren Ergebnisse seien abzuwarten. Darüber hinaus gebe es die Möglichkeit der ambulanten Rehabilitation am jetzigen Wohnort L. in der MEDICA-Klinik. Die Internistin Dr. K. hat in ihrer schriftlichen Aussage vom 23. Januar 2008 bereits die bekannte Diagnose mitgeteilt. Für starke körperliche Tätigkeiten sei die Erwerbsfähigkeit gemindert; leichte körperliche Arbeit sei möglich. Durch medizinische Maßnahmen wie Krankengymnastik, Massage, Moorpackung usw. könne der Befund gebessert werden. Die Möglichkeit ambulanter Therapien sei zu bejahen, eine Rehabilitationsmaßnahme habe Zeit.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. November 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Gem. §§ 9, 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) könnten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gewährt werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Die persönlichen Voraussetzungen seien von Versicherten erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistig oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert sei und bei denen bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation voraussichtlich abgewendet werden könne. Gem. § 13 Abs. 1 SGB VI bestimme der Rentenversicherungsträger - wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen vorlägen und Ausschlussgründe fehlten - unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Rehabilitationsleistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Beklagte habe zu Recht stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen abgelehnt. Die medizinischen Voraussetzungen seien nicht nachgewiesen. Aufgrund der Auskünfte der befragten behandelnden Ärzte der Klägerin seien ambulante Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Dr. G. weise darauf hin, dass die Ergebnisse der derzeit durchgeführten ambulanten Behandlungsmaßnahmen abzuwarten seien; im Übrigen würden konkrete ambulante Rehabilitationsmöglichkeiten am neuen Wohnort L. benannt. Dr. K. habe auch auf ambulante medizinische Maßnahmen wie Krankengymnastik, Massage usw. hingewiesen, welche zu einer Befundverbesserung führen würden. Sie habe die Möglichkeiten ambulanter Therapie ausdrücklich bejaht und eine Rehabilitationsmaßnahme zeitlich nicht als dringend angesehen. In seiner schriftlichen Auskunft vom 26. November 2007 habe Orthopäde S. eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin verneint; er habe darauf hingewiesen, dass die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten am Wohnort nicht ausgeschöpft und zur Besserung der Erwerbsfähigkeit solche ambulante Behandlungen ausreichend seien. In seiner weiteren schriftlichen Auskunft vom 28. April 2008 habe sich hieran nichts geändert.

Gegen den am 20. November 2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Dezember 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie verweist darauf, dass sie nach ihrem Umzug nach L. nach Ablauf gewisser Wartezeiten nunmehr regelmäßig behandelt werde. Dr. G. habe eine erhebliche Gefährdung der Erwerbfähigkeit angenommen und ausgeführt, dass diese durch medizinische Leistungen zur Rehabilitation abgewendet bzw. wesentlich gebessert werden könne, wobei solche Leistungen indiziert seien. Arzt S. habe sich nicht definitiv festgelegt. Sie hat ein Attest des Orthopäden K. vom 12. Juni 2008 vorgelegt, wonach sie ab 16. Oktober 2000 in ambulanter orthopädischer Behandlung gestanden habe und zu dieser Zeit schon eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen habe. Des Weiteren legte sie Behandlungstermine der Praxis für physikalische Therapie P. in dem Zeitraum 2007 bis Oktober 2008 betreffend vor. Des Weiteren legt sie eine Antwort des Orthopäden S. vom 25. Januar 2009 an die mhplus Betriebskrankenkasse G. vor, in der er jeweils das Feld für "Patientin ist schwerwiegend chronisch krank" und "es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychologische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) notwendig" angekreuzt hat.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. November 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid und ihre angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 22. April 2009 die Sach- und Rechtslage erörtert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG (S 13 R 9831/06) und die Akten des Senats verwiesen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die gem. den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung , über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2006, mit dem die Beklagte die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme abgelehnt hat. Zutreffend hat die Klägerin ihr Begehren in eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gekleidet. Nach § 9 Abs. 1 SGB VI erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten entgegenzuwirken oder sie zur überwinden (1.) und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern (2.). Gemäß § 9 Abs. 2 SGB VI können die Leistungen nach Abs. 1 erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Nach § 13 Abs. 1 SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Grundsätzlich ist bei einer solchen im Ermessen stehenden Leistung die mit der Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage unzulässig (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 2200 § 1236 Nr. 50 mwN; BSG SozR 3 - 5765 § 10 Nr. 3).

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von der Klägerin beanspruchten stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme dargelegt. Ebenso zutreffend hat es ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme nicht erfüllt, da sich aus keiner der sowohl im Verwaltungs- als auch im gerichtlichen Verfahren eingeholten ärztlichen Äußerungen und Stellungnahmen (sozialmedizinisch/chirurgisches Gutachten von Dr. N. vom 26. Mai 2006, sachverständige Zeugenauskünfte von Orthopäde S. vom 26. November 2007 und 28. April 2008, von Dr. G. vom 9. Dezember 2007 und von Dr. K. vom 23. Januar 2008) ergibt, dass die am Wohnort der Klägerin durchgeführten ambulanten Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichend sind, um eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu beseitigen bzw. eine bereits eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu bessern; aus keiner der eingeholten ärztlichen Äußerungen folgt die medizinische Notwendigkeit einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zur Erreichung der genannten Ziele. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück.

Ergänzend ist noch auszuführen, dass aus den im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attesten bzw. Äußerungen nichts anderes folgt. Der Arzt für Orthopädie K. hat in seinem Attest vom 12. Juni 2008 lediglich - was auch schon andere, die Klägerin behandelnde Ärzte geäußert haben - ausgeführt, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. eine "zeitweise" erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin gegeben sei. Aus den von der Praxis für physikalische Therapie P. mitgeteilten Behandlungsterminen in dem Zeitraum November 2007 bis Oktober 2008 folgt nichts dazu, dass ambulante Behandlungsmaßnahmen wie z. B. auch Krankengymnastik aus medizinischer Sicht nicht ausreichend wären und deswegen nunmehr eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden müsste. Schließlich hat Facharzt für Orthopädie S. in seiner Antwort an die mhplus Betriebskrankenkasse G. vom 25. Januar 2009 lediglich eine schwerwiegende chronische Erkrankung der Klägerin bestätigt sowie die Notwendigkeit einer kontinuierlichen medizinischen Versorgung. In diesem Schreiben an die Betriebskrankenkasse wird gerade nicht angeführt, dass im Hinblick auf kontinuierliche medizinische Versorgung stationäre Rehabilitationsmaßnahmen medizinisch erforderlich wären.

Der Einholung eines Gutachtens hat es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht bedurft, da der Sachverhalt durch das vorliegende Gutachten von Dr. N. und die schriftlichen Äußerungen der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen sowie durch die weiteren vorliegenden medizinischen Befunde hinreichend geklärt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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