Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 R 4358/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 103/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zurechnung des Verschuldens des rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters
Auf die Beschwerde wird Punkt II des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.01.2009 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu gewähren ist.
Den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe für Versicherte (Kraftfahrzeughilfe) vom 17.10.2007 der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.12.2007 ab. Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch den von ihr bevollmächtigten H. (Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim Arbeitgeber der Klägerin) -im Folgenden: H.- Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2008 - bekannt gegeben an den Bevollmächtigten - zurück.
Am 11.08.2008 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der bereits abgelaufenen Klagefrist begehrt. Der Bescheid sei ihr von H. erst am 12.08.2008 ausgehändigt worden, so dass sie daran gehindert gewesen sei, die Klagefrist einzuhalten. H. unterliege nicht der Anwaltshaftung. Es sei daher fraglich, ob sein Verschulden der Klägerin zugerechnet werden könne.
H. hat auf Nachfrage des SG mitgeteilt, der Widerspruchsbescheid sei ihm als Bevollmächtigten in der 19. Kalenderwoche bekannt gegeben worden. In der 20. und 21. Kalenderwoche habe er sich in Urlaub befunden und danach liegengebliebene Vorgänge abgearbeitet. Wann er den Widerspruchsbescheid an die Klägerin übergeben habe, könne er nicht mehr genau sagen. Für die Schwerbehindertenvertretung habe der Dienstherr nicht ausreichend Personal zur Verfügung gestellt.
Mit Beschluss vom 13.01.2009 hat das SG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen (Punkt I. des Beschlusses). Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten (Punkt II. des Beschlusses). Die Klägerin sei nicht ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten. Der Bescheid sei an den rechtsgeschäftlich bevollmächtigten H. bekannt gegeben worden. Die Klagefrist sei auch unter Berücksichtigung der Angaben des H. zum Zeitpunkt der Bekanntgabe bei Klageerhebung am 11.08.2008 bereits abgelaufen gewesen. Das Verschulden des H. sei der Klägerin zuzurechnen. Dieser habe nicht für eine ausreichende Arbeitsorganisation und Fristenkontrolle gesorgt.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Schwerbehindertenvertreter sei nicht zur Rechtsberatung befugt. Sein Verschulden könne daher nicht dem Verschulden eines rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters gleichgesetzt werden. Ein Eigenverschulden der Klägerin liege daher nicht vor. Wiedereinsetzung sei zu gewähren.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig. Sie ist jedoch nur hinsichtlich der vom SG getroffenen Kostenentscheidung (Punkt II) begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Punkt II. des Beschlusses vom 13.01.2009 (Kostenentscheidung) ist aufzuheben. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, denn es handelt sich bei der Entscheidung über die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lediglich um eine Zwischenentscheidung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 193 Rdnr 2b), nicht aber um einen eigenständigen Verfahrensabschnitt (Leitherer aaO § 176 Rdnr 5a).
Die Ablehnung der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch gesonderten Beschluss des SG hingegen ist rechtmäßig, wenn auch nicht prozessökonomisch (vgl. Keller aaO § 67 Rdnr 17a).
Gemäß § 67 Abs 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Die Klagefrist war bei Erhebung der Klage am 11.08.2008 bereits abgelaufen. Die Beklagte hat den Widerspruchsbescheid vom 23.04.2008 in zulässiger Weise an H. bekannt gegeben (§ 85 Abs 3 Satz 1 SGG i.V.m. § 37 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-). Selbst unter Berücksichtigung der Angaben des H. hat dieser den Widerspruchsbescheid in der 19. Kalenderwoche - somit spätestens am 11.05.2008 (Sonntag) - erhalten. H. hätte selbst nach Beendigung seines Urlaubs in der 21. Kalenderwoche (spätestens 25.05.2008) noch ausreichend bis 11.06.2008 Zeit gehabt, fristgerecht Klage zu erheben.
H. hat als Bevollmächtigter trotz seines bevorstehenden Urlaubs und auch nach dessen Beendigung nicht ausreichend Vorsorge dafür getroffen, dass Fristen eingehalten und die ihm aufgrund der Bevollmächtigung durch die Klägerin übertragenen Aufgaben rechtzeitig erledigt werden. Die personelle Ausstattung der Schwerbehindertenvertretung durch den Arbeitgeber erlangt hierbei keine Bedeutung.
Dieses Verschulden des H. ist der Klägerin zuzurechnen. Unabhängig davon, ob H. als Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen zur Beratung in Rechtsangelegenheiten befugt ist, ist er von der Klägerin durch Rechtsgeschäft zum Bevollmächtigten bestellt worden. Sie hat sich daher sein Verschulden gemäß §§ 166 Abs 1, 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurechnen zu lassen. Ob H. der Anwaltshaftung unterliegt oder zur Beratung in Rechtsangelegenheiten nicht befugt ist, spielt bei der Frage der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung durch die Klägerin keine Rolle.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist somit nicht zu bewilligen. Die Beschwerde ist insoweit zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu gewähren ist.
Den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe für Versicherte (Kraftfahrzeughilfe) vom 17.10.2007 der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.12.2007 ab. Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch den von ihr bevollmächtigten H. (Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim Arbeitgeber der Klägerin) -im Folgenden: H.- Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2008 - bekannt gegeben an den Bevollmächtigten - zurück.
Am 11.08.2008 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der bereits abgelaufenen Klagefrist begehrt. Der Bescheid sei ihr von H. erst am 12.08.2008 ausgehändigt worden, so dass sie daran gehindert gewesen sei, die Klagefrist einzuhalten. H. unterliege nicht der Anwaltshaftung. Es sei daher fraglich, ob sein Verschulden der Klägerin zugerechnet werden könne.
H. hat auf Nachfrage des SG mitgeteilt, der Widerspruchsbescheid sei ihm als Bevollmächtigten in der 19. Kalenderwoche bekannt gegeben worden. In der 20. und 21. Kalenderwoche habe er sich in Urlaub befunden und danach liegengebliebene Vorgänge abgearbeitet. Wann er den Widerspruchsbescheid an die Klägerin übergeben habe, könne er nicht mehr genau sagen. Für die Schwerbehindertenvertretung habe der Dienstherr nicht ausreichend Personal zur Verfügung gestellt.
Mit Beschluss vom 13.01.2009 hat das SG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen (Punkt I. des Beschlusses). Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten (Punkt II. des Beschlusses). Die Klägerin sei nicht ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten. Der Bescheid sei an den rechtsgeschäftlich bevollmächtigten H. bekannt gegeben worden. Die Klagefrist sei auch unter Berücksichtigung der Angaben des H. zum Zeitpunkt der Bekanntgabe bei Klageerhebung am 11.08.2008 bereits abgelaufen gewesen. Das Verschulden des H. sei der Klägerin zuzurechnen. Dieser habe nicht für eine ausreichende Arbeitsorganisation und Fristenkontrolle gesorgt.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Schwerbehindertenvertreter sei nicht zur Rechtsberatung befugt. Sein Verschulden könne daher nicht dem Verschulden eines rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters gleichgesetzt werden. Ein Eigenverschulden der Klägerin liege daher nicht vor. Wiedereinsetzung sei zu gewähren.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig. Sie ist jedoch nur hinsichtlich der vom SG getroffenen Kostenentscheidung (Punkt II) begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Punkt II. des Beschlusses vom 13.01.2009 (Kostenentscheidung) ist aufzuheben. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, denn es handelt sich bei der Entscheidung über die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lediglich um eine Zwischenentscheidung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 193 Rdnr 2b), nicht aber um einen eigenständigen Verfahrensabschnitt (Leitherer aaO § 176 Rdnr 5a).
Die Ablehnung der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch gesonderten Beschluss des SG hingegen ist rechtmäßig, wenn auch nicht prozessökonomisch (vgl. Keller aaO § 67 Rdnr 17a).
Gemäß § 67 Abs 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Die Klagefrist war bei Erhebung der Klage am 11.08.2008 bereits abgelaufen. Die Beklagte hat den Widerspruchsbescheid vom 23.04.2008 in zulässiger Weise an H. bekannt gegeben (§ 85 Abs 3 Satz 1 SGG i.V.m. § 37 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-). Selbst unter Berücksichtigung der Angaben des H. hat dieser den Widerspruchsbescheid in der 19. Kalenderwoche - somit spätestens am 11.05.2008 (Sonntag) - erhalten. H. hätte selbst nach Beendigung seines Urlaubs in der 21. Kalenderwoche (spätestens 25.05.2008) noch ausreichend bis 11.06.2008 Zeit gehabt, fristgerecht Klage zu erheben.
H. hat als Bevollmächtigter trotz seines bevorstehenden Urlaubs und auch nach dessen Beendigung nicht ausreichend Vorsorge dafür getroffen, dass Fristen eingehalten und die ihm aufgrund der Bevollmächtigung durch die Klägerin übertragenen Aufgaben rechtzeitig erledigt werden. Die personelle Ausstattung der Schwerbehindertenvertretung durch den Arbeitgeber erlangt hierbei keine Bedeutung.
Dieses Verschulden des H. ist der Klägerin zuzurechnen. Unabhängig davon, ob H. als Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen zur Beratung in Rechtsangelegenheiten befugt ist, ist er von der Klägerin durch Rechtsgeschäft zum Bevollmächtigten bestellt worden. Sie hat sich daher sein Verschulden gemäß §§ 166 Abs 1, 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurechnen zu lassen. Ob H. der Anwaltshaftung unterliegt oder zur Beratung in Rechtsangelegenheiten nicht befugt ist, spielt bei der Frage der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung durch die Klägerin keine Rolle.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist somit nicht zu bewilligen. Die Beschwerde ist insoweit zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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