L 15 SB 30/09 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 SB 519/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 30/09 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag des Antragstellers vom 14.02.2009 auf Feststellung eines Grades
der Behinderung (GdB) von 100 sowie der Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" im Wege einer einstweiligen Anordnung wird gemäß § 86b Abs. 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Der Antragsteller ist schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Der Beklagte hat mit Bescheid vom 10.03.2000 den Grad der Behinderung (GdB) mit 50 bewertet und hierbei folgende Funktionsstörungen berücksichtigt:
Alkoholkrankheit (Einzel-GdB 30);
Polyneuropathie, Störung der Koordination (Einzel-GdB 30);
Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen (Einzel-GdB 20);
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule.

Der Antragsteller hat im Februar 2002 einen Neufeststellungsantrag mit dem Ziel eingereicht, den GdB höher zu stufen sowie das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Der Beklagte hat es mit Bescheid vom 11.04.2002 abgelehnt, eine Neufeststellung nach § 69 SGB IX zu treffen. Die Behinderung "Alkoholkrankheit" sei nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit entfallen. Hinzugetreten sei nunmehr eine seelische Störung, die ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei. Insgesamt betrage der Gesamt-GdB daher wie bisher 50. Im Widerspruchsverfahren hat der Beklagte und hiesige Antragsgegner den Antragsteller im Wege eines Hausbesuches durch Dr.R. begutachten lassen. Gestützt auf dessen Gutachten vom 05.06.2002 ist der Widerspruch des Klägers und hiesigen Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2002 zurückgewiesen worden.

Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 11.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2002 mit Urteil vom 07.08.2003 - S 11 SB 519/02 abgewiesen. Insgesamt sei ein GdB von 50 gerechtfertigt. Der Kläger sei nicht erheblich gehbehindert im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX.

Das diesbezügliche Berufungsverfahren ist unter dem Geschäftszeichen L 15 SB 166/06 am Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) anhängig. Der Beklagte und hiesige Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 25.06.2008 ein Vergleichsangebot dahin unterbreitet, für die in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.06.2008 genannten Gesundheitsstörungen ab März 2008 einen GdB von 60 (ohne Merkzeichen) festzustellen. Das Vergleichsangebot ist von dem Kläger und hiesigen Antragsteller nicht angenommen worden.

Hier hat der Antragsteller mit Schreiben vom 14.02.2009 beantragt, im Wege einer einstweiligen Anordnung einen GdB von 100 festzustellen sowie die Merkzeichen "G" und "B" zuzuerkennen. Er beziehe gekürzte Hartz-IV-Leistungen; Fahrtkosten würden von Seiten der AOK nicht erstattet. Sein Arzt Dr.H. K. würde trotz seiner massiven Schmerzen und Beschwerden die Behandlung verweigern, da er keine 10,00 EUR an Praxisgebühr habe entrichten können. Er lebe aus Essensresten von Biotonnen und Schuttablagen. Ihm reiche einfach das wenige Geld für öffentliche Verkehrsmittel, Ärzte und Therapeuten nicht. Er denke täglich an Selbstmord.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 02.03.2009 erwidert, dass die Voraussetzungen von § 86b Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aus seiner Sicht nicht vorliegen würden. Es fehle an einem entsprechenden Anordnungsanspruch, wie sich aus der versorgungsärztliche Stellungnahme vom 19.06.2008 ergebe.

II.

Gemäß § 86b Abs.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 02.03.2009 zutreffend darauf hingewiesen, dass es zum einen an einem Anordnungsanspruch fehlt. Denn er hat mit Vergleichsangebot vom 25.06.2008, welches von dem Antragsteller nicht angenommen worden ist, der zwischenzeitlichen Leidensverschlimmerung des Antragstellers ausreichend Rechnung getragen und angeboten, ab März 2008 einen GdB von 60 festzustellen. In der zugrunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr.S. vom 19.06.2008 sind nunmehr folgende Funktionsstörungen berücksichtigt worden:
Seelische Störung, Abhängigkeitserkrankung (Einzel-GdB 40);
Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen (Einzel-GdB 20);
Hämorrhoiden (Einzel-GdB 20);
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10).

Nach summarischer Prüfung, wie dies im Rahmen des hier anhängigen Eilverfahrens möglich und geboten ist, entspricht das Vergleichsangebot des Beklagten und hiesigen Antragsgegners vom 25.06.2008 den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" bzw. den ab 01.01.2009 maßgeblichen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung).

Es fehlt zum andern an einem Anordnungsgrund. Antragsteller in Feststellungsverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht (SGB IX) sind grundsätzlich auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.07.2006 - L 13 B 71/06 SB ER -; Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18.02.2008 - L 2 B 315/08 SB ER - und Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 04.03.2009 - L 15 SB 26/09 B ER -). Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen kann ein Anordnungsgrund in Verfahren nach dem SGB IX angenommen werden. Dann muss eine besondere Härte vorliegen. Eine solche ist hier jedoch nicht erkennbar. Denn wenn der Antragsteller in äußerst beengten finanziellen Verhältnissen lebt, weil ihm Grundsicherungsleistungen gekürzt worden sind, liegt dies in seinem Verantwortungsbereich und nicht in dem des Antragsgegners. Die hieraus resultierenden wirtschaftlichen Nachteile können nicht im Rahmen eines Eilverfahrens nach dem Schwerbehindertenrecht (SGB IX) mittelbar ausgeglichen werden.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist endgültig (§§ 177, 183, 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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