Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 1378/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 241/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 14/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10. April 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Parteien streiten wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 15.02.2007.
Die 64-jährige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige, lebte zusammen mit ihrem Ehemann - ihr Prozessbevollmächtigter im vorliegenden Verfahren - aber von 1994 an in Österreich. Im Jahr 2004 zog das Ehepaar für kurze Zeit nach Bayern - die Klägerin ab September 2004, ihr Ehemann schon etwas vorher. Bereits im März 2005 kehrten sie nach Österreich zurück. Während des streitgegenständlichen Zeitraums haben die Klägerin und ihr Ehemann in der Gemeinde A-Stadt in Österreich gelebt. Dort bewohnt das Ehepaar eine 78 qm große Wohnung, wobei als zivilrechtliche Grundlage ein "Wohnrecht" genannt wird; offenbar steht die Wohnung im Eigentum des 1976 geborenen gemeinsamen Sohns. Als Kostenbelastung werden "Schuldzinsen" in Höhe von 600 EUR angegeben.
Von Juli 2000 bis Juli 2002 war die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland als so genannte Grenzgängerin erwerbstätig. Ihr Ehemann arbeitete bis zu seiner Berentung am 01.11.2004 in Deutschland. Seither bezieht er eine Rente wegen Erwerbsminderung von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Daneben hat er Einnahmen aus einer Betriebsrente. Die gesamten Einnahmen aus den Ruhegeldern belaufen sich auf monatlich etwa 1.150 EUR.
Am 15.02.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wobei sie darauf hinwies, nach einem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30.12.1999 (SozR 3-1200 § 30 SGB I Nr. 20) stünden ihr Leistungen zu, auch wenn sie in Österreich wohnen würde. Mit Bescheid vom 15.03.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dies begründete sie damit, die Leistungsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II sei nicht erfüllt, da der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin in Österreich liege. Die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Leistungen nach dem SGB II seien nicht beitragsbezogen.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.04.2007 Widerspruch ein, wobei sie vorbrachte, die Agentur für Arbeit G. habe aus nicht nachvollziehbaren Gründen einen Antrag auf Arbeitslosengeld vom 27.06.2002 sowie weitere Anträge abgelehnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück; wegen der Begründung verwies sie auf den Ausgangsbescheid.
Dagegen erhob die Klägerin am 18.07.2007 beim Sozialgericht München Klage, wobei der Klageantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gerichtet war.
Zugleich beantragte die Klägerin beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. In dieser Angelegenheit kam es zu einem Beschwerdeverfahren vor dem Senat. Dieser hat die von der Klägerin gegen einen ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 07.03.2008 - L 7 B 1007/07 AS ER zurückgewiesen. Das Arbeitslosengeld (Alg) II, so der Senat, sei eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinn von Art. 4 Abs. 2a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, weswegen nach Art. 10 a Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 das (Leistungs-)Recht des Wohnmitgliedstaats gelte. Somit sei der Sachverhalt nach österreichischem Recht zu beurteilen; eine Leistungsgewährung nach dem deutschen SGB II scheide dagegen aus. Der genannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts helfe der Klägerin nicht, weil dort beitragsabhängige Leistungen Gegenstand des Verfahrens gewesen seien.
Das Sozialgericht wies Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.04.2008 ab. In der Begründung hat es auf Art. 10 a Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 verwiesen; danach komme das Recht des Wohnmitgliedstaats zur Anwendung. Der genannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sei auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht übertragbar.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.06.2008 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, sie müsse trotz der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und der Einführung des Alg II weiterhin Arbeitslosenhilfe bekommen. Sie sieht sich dadurch rechtswidrig benachteiligt, dass sie nicht in Deutschland wohnt. Dies begründet sie mit der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie mit
Art. 69 und 71 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Das Sozialgericht habe diese Verordnung falsch ausgelegt; die Klägerin würde keine "Sonderleistungen" beanspruchen, sondern eine Unterstützung, die sie sich durch Beitrags- und Steuerzahlung erworben habe. Sie fühle sich als Opfer von "Diskriminierung, Verfolgung, Verleumdung, Einbruch und Diebstahl, um das Eigentum deutscher Rentner durch Sozialbetrug im Auftrag" ihrer Gläubigerbank "in den Wirtschaftskreislauf Bayerns einzuarbeiten". Daher werde ein Schaden in Höhe von 35.256 EUR gegenüber dem Freistaat Bayern geltend gemacht.
Zuletzt beantragt die Klägerin jedoch,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10. April 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2007 zu verurteilen, ihr ab 15.02.2007 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der Begründung schließt sie sich dem Senatsbeschluss vom 07.03.2008 - L 7 B 1007/07 AS ER an.
Am 19.08.2008 hat ein Erörterungstermin stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts - auch des Verfahrens L 7 B 1007/07 AS ER - verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 15.02.2007 hat.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist an dieser Stelle erneut darauf hinzuweisen, dass Streitgegenstand dieses Verfahrens Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin sind. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung offenbar eingesehen und einen adäquaten Antrag gestellt. Im Vorfeld hatte er jedoch in teilweise nicht nachvollziehbaren Ausführungen andere Ursachen seiner Verdrossenheit in das Verfahren einführen wollen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin muss sich damit abfinden, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - wie übrigens alle staatlichen Gerichte - nur punktuelle Prüfungen anhand abgegrenzter und konkreter Streitgegenstände vornehmen. Der Senat muss und darf sich nicht mit der Frage befassen, ob die Agentur für Arbeit G. im Jahr 2002 zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe verweigert hatte.
Bereits dem Grunde nach steht der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht zu, weil die Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht erfüllt ist. Das wirkt sich dahin aus, dass das Begehren der Klägerin ohne Erfolg bleibt. Denn das Ergebnis der Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II verstößt nicht gegen höherrangiges Recht - weder gegen deutsches Verfassungsrecht noch gegen europäisches Recht.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II sieht vor, dass Leistungen - insbesondere solche zur Sicherung des Lebensunterhalts - nur die Personen erhalten können, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II führt dazu, dass ein "Leistungsexport" ins Ausland, sofern mit dem dortigen Aufenthalt die Aufgabe des inländischen gewöhnlichen Aufenthalts verbunden war, nicht möglich ist. Die Klägerin jedoch hat in der Bundesrepublik Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt.
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Dass die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, liegt angesichts ihrer Wohnsituation auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung. Der Umstand, dass sie nahe zur deutschen Grenze wohnt und anscheinend zahlreiche Bezüge und Verbindungen zur Bundesrepublik Deutschland hat - zum Beispiel lässt sie sich dort medizinisch behandeln -, vermag daran nichts zu ändern.
Der danach nicht bestehende Leistungsanspruch wird auch nicht durch eine spezifische "Einstandspflicht" der Beklagten begründet. Dem Senat ist bis heute verborgen geblieben, aus welchem Grund der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im vorliegenden Verfahren immer wieder - so auch im Erörterungstermin und in der mündlichen Verhandlung - moniert hat, der Klägerin sei im Jahr 2002 zu Unrecht Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versagt worden. Sollte er daraus einen Verantwortungszusammenhang zur Beklagten herstellen wollen, der eine Leistungspflicht begründen könnte, so wäre dieser Gedankengang falsch. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Arbeitslosenhilfe ist vom Gesetzgeber mit Ablauf des Jahres 2004 abgeschafft worden. Statt dessen ist eine bedarfsabhängige Grundsicherung für Erwerbsfähige und deren Familien eingeführt worden. Dass diese Ablösung dem Grunde nach verfassungsgemäß war, ist schon sehr früh höchstrichterlich geklärt worden (vgl. nur BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 4/06 R und B 7b AS 2/06 R, vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R und B 11b AS 9/06 R). Sofern der Prozessbevollmächtigte die Ansicht vertreten sollte, der Klägerin sei der fortlaufende Bezug von Arbeitslosenhilfe quasi zugesichert worden - in diese Richtung weist seine Einlassung auf Seite 2 unten der Berufungsschrift -, so wäre diese unzutreffend (vgl. zur so genannten "58er-Regelung" statt zahlreicher Entscheidungen BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 4/06 R und B 7b AS 2/06 R, vom 23.11.2006 - B 11b AS 25/06 R und B 11b AS 9/06 R).
Wie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits mehrfach - sowohl von der Beklagten, vom Sozialgericht als auch vom Senat - erläutert worden ist, kommt dem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30.12.1999 (SozR 3-1200 § 30 SGB I Nr. 20) keine Relevanz zu. Kernaussage dieser Entscheidung ist, dass der Gesetzgeber nicht darin frei ist, ohne gewichtige sachliche Gründe den territorialen Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln. Diese Erwägung hat für das Alg II keine Bedeutung. Denn dieses wird weder durch Beiträge finanziert, noch knüpft es sonst in irgendeiner Weise an nach dem Arbeitsförderungsrecht erbrachte Beitragsleistungen an. Es steht trotz der Regelung des § 24 Abs. 2 SGB II - anders als die Arbeitslosenhilfe - in keinem Zusammenhang mit dem Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Während im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall auf der Hand lag, dass zwischen Beiträgen und Leistungen zumindest im Ansatz eine gewisse Äquivalenz bestehen musste, so ist das hier nicht der Fall. Man vermag auch nicht mittelbar eine Beitragsbezogenheit festzustellen. Abwegig ist das Argument des Prozessbevollmächtigten, die Klägerin hätte immerhin Steuern an die deutschen öffentlichen Haushalte gezahlt. Steuern sind hoheitliche einseitige Abgaben, die grundsätzlich keiner Zweckbindung unterliegen und in keiner Weise von "Gegenleistungen" abhängen. Aus der Entrichtung von Steuern kann der Bürger daher keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen für sich ableiten.
Die sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ergebende Rechtsfolge, dass kein Leistungsanspruch besteht, verstößt auch nicht gegen europäisches Recht:
Die Gewährleistungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 des EG-Vertrages (EG) greifen nicht zu Gunsten der Klägerin, weil diese nicht als Arbeitnehmerin im Sinn dieser Regelung angesehen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gilt als Arbeitnehmer, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, Urteil Rundgren, Slg. 2001, I-3731 RdNr. 32; stRspr). Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verliert der Betroffene grundsätzlich die Arbeitnehmereigenschaft, wobei jedoch zum einen diese Eigenschaft nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmte Folgewirkungen haben kann und zum anderen derjenige, der tatsächlich eine Arbeit sucht, ebenfalls als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist (EuGH, a.a.O.). Bestimmte mit der Arbeitnehmereigenschaft zusammenhängende Rechte sind den Arbeitnehmern auch dann garantiert, wenn diese nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis stehen (EuGH, Urteil Collins, Slg. 2004, I-2703 RdNr. 27). Die Klägerin sucht definitiv keine Arbeit. Nach den Schilderungen ihres Prozessbevollmächtigten war sie zum letzten Mal offenbar im Jahr 2002 erwerbstätig. Sie hat anscheinend nach dem Verlust des Arbeitsplatzes eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben. Des Weiteren bemüht sie sich vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit um eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Klägerin ist somit in einer Art und Weise aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, dass sie den Status als Arbeitnehmerin im Sinn von Art. 39 EG eingebüßt hat. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handelt es sich auch nicht um "Folgewirkungen" im Sinn der EuGH-Rechtsprechung. Vielmehr weisen diese mit der letzten Beschäftigung keinerlei Zusammenhang auf. Das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit des Prozessbevollmächtigten als Ehemann der Klägerin ist schon deswegen irrelevant, weil auch dieser als Rentner nicht mehr Arbeitnehmer ist und keine Folgewirkung zu einer ehemaligen Arbeitnehmereigenschaft vorliegt.
Aus den unter a) genannten Gründen besteht auch kein Widerspruch zu Art. 7 Abs. 2 bzw. Art. 11 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates der EWG über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft; denn auch insoweit müssten die Klägerin bzw. der Prozessbevollmächtigte Arbeitnehmer im oben dargestellten Sinn sein. Hinzu kommt, dass die eingeräumten Rechte von vornherein nur gegenüber dem Aufenthaltsstaat bestehen. Die Verordnung regelt dagegen keine Verpflichtungen des Herkunftsstaats.
Auch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie der Senat im Beschluss vom 07.03.2008 - L 7 B 1007/07 AS ER dargelegt hat, handelt es sich beim Alg II um eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinn von Art. 4 Abs. 2a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, für die gemäß Art. 10 a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 das Recht des Wohnmitgliedstaats gilt (so auch Fuchs, Deutsche Grundsicherung und europäisches Koordinationsrecht, NZS 2007, S. 1 ). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe dieses Beschlusses verwiesen und an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet. Da somit keine Leistung bei Arbeitslosigkeit im Sinn von Art. 4 Abs. 1 Buchstabe g der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vorliegt (vgl. zur gegenseitigen Ausschlusswirkung der Leistungstypen "Leistungen der sozialen Sicherheit" und "beitragsunabhängige Sonderleistungen" EuGH, Urteil Hosse, Slg. 2006, I-1771 RdNr. 36) kann es auch keinen "begrenzten Leistungsexport" nach Art. 69 oder 71 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 geben, auf den sich der Prozessbevollmächtigte immer wieder berufen hat. Denn die Art. 67 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 finden nur auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Sinn von Art. 4 Abs. 1 Buchstabe g der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Anwendung.
Schließlich stehen die Bestimmungen des EG-Vertrages zur Unionsbürgerschaft dem hier gewonnenen Resultat nicht entgegen. Zwar hat der EuGH in den letzten Jahren eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt, deren Kennzeichen ist, dass unter verschiedenen Facetten aus den Bestimmungen zur Unionsbürgerschaft entweder unmittelbar (z.B. über die Freizügigkeitsgewährleistung des Art. 18 Abs. 1 EG) oder mittelbar (z.B. über das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 6 EG) Sozialleistungsansprüche abgeleitet worden sind. Im vorliegenden Fall könnte man daran anknüpfen, dass das durch Art. 18 Abs. 1 EG gewährleistete Recht auf Freizügigkeit grundsätzlich keine Regelungen des Herkunftsstaats zulässt, die geeignet sind, den eigenen Staatsangehörigen ohne triftigen Grund an der Wahrnehmung der Freizügigkeit zu hindern (vgl. nur EuGH, Urteil Tas-Hagen und Tas, Slg. 2006, I-10450 RdNr. 30 m.w.N.). Jedoch fällt der gegebene Sachverhalt von vornherein nicht in den "Schutzbereich" des Art. 18 Abs. 1 EG. Denn die darin enthaltene Gewährleistung steht unter dem Vorbehalt besonderer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen. Bezüglich des Alg II wird in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 abschließend festgelegt, dass Anknüpfungspunkt der Wohnsitz ist. Diese mit höherem Gemeinschaftsrecht vereinbare Regelung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass man aus Art. 18 Abs. 1 EG Gegenteiliges herleitet; dabei würde der subsidiäre Charakter dieser Norm verkannt. Eine Ausnahmekonstellation wie im EuGH-Urteil De Cuyper (Slg. 2006, I-6947) ist hier nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Parteien streiten wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 15.02.2007.
Die 64-jährige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige, lebte zusammen mit ihrem Ehemann - ihr Prozessbevollmächtigter im vorliegenden Verfahren - aber von 1994 an in Österreich. Im Jahr 2004 zog das Ehepaar für kurze Zeit nach Bayern - die Klägerin ab September 2004, ihr Ehemann schon etwas vorher. Bereits im März 2005 kehrten sie nach Österreich zurück. Während des streitgegenständlichen Zeitraums haben die Klägerin und ihr Ehemann in der Gemeinde A-Stadt in Österreich gelebt. Dort bewohnt das Ehepaar eine 78 qm große Wohnung, wobei als zivilrechtliche Grundlage ein "Wohnrecht" genannt wird; offenbar steht die Wohnung im Eigentum des 1976 geborenen gemeinsamen Sohns. Als Kostenbelastung werden "Schuldzinsen" in Höhe von 600 EUR angegeben.
Von Juli 2000 bis Juli 2002 war die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland als so genannte Grenzgängerin erwerbstätig. Ihr Ehemann arbeitete bis zu seiner Berentung am 01.11.2004 in Deutschland. Seither bezieht er eine Rente wegen Erwerbsminderung von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Daneben hat er Einnahmen aus einer Betriebsrente. Die gesamten Einnahmen aus den Ruhegeldern belaufen sich auf monatlich etwa 1.150 EUR.
Am 15.02.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wobei sie darauf hinwies, nach einem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30.12.1999 (SozR 3-1200 § 30 SGB I Nr. 20) stünden ihr Leistungen zu, auch wenn sie in Österreich wohnen würde. Mit Bescheid vom 15.03.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dies begründete sie damit, die Leistungsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II sei nicht erfüllt, da der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin in Österreich liege. Die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Leistungen nach dem SGB II seien nicht beitragsbezogen.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.04.2007 Widerspruch ein, wobei sie vorbrachte, die Agentur für Arbeit G. habe aus nicht nachvollziehbaren Gründen einen Antrag auf Arbeitslosengeld vom 27.06.2002 sowie weitere Anträge abgelehnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück; wegen der Begründung verwies sie auf den Ausgangsbescheid.
Dagegen erhob die Klägerin am 18.07.2007 beim Sozialgericht München Klage, wobei der Klageantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gerichtet war.
Zugleich beantragte die Klägerin beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. In dieser Angelegenheit kam es zu einem Beschwerdeverfahren vor dem Senat. Dieser hat die von der Klägerin gegen einen ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 07.03.2008 - L 7 B 1007/07 AS ER zurückgewiesen. Das Arbeitslosengeld (Alg) II, so der Senat, sei eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinn von Art. 4 Abs. 2a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, weswegen nach Art. 10 a Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 das (Leistungs-)Recht des Wohnmitgliedstaats gelte. Somit sei der Sachverhalt nach österreichischem Recht zu beurteilen; eine Leistungsgewährung nach dem deutschen SGB II scheide dagegen aus. Der genannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts helfe der Klägerin nicht, weil dort beitragsabhängige Leistungen Gegenstand des Verfahrens gewesen seien.
Das Sozialgericht wies Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.04.2008 ab. In der Begründung hat es auf Art. 10 a Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 verwiesen; danach komme das Recht des Wohnmitgliedstaats zur Anwendung. Der genannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sei auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht übertragbar.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.06.2008 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, sie müsse trotz der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und der Einführung des Alg II weiterhin Arbeitslosenhilfe bekommen. Sie sieht sich dadurch rechtswidrig benachteiligt, dass sie nicht in Deutschland wohnt. Dies begründet sie mit der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie mit
Art. 69 und 71 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Das Sozialgericht habe diese Verordnung falsch ausgelegt; die Klägerin würde keine "Sonderleistungen" beanspruchen, sondern eine Unterstützung, die sie sich durch Beitrags- und Steuerzahlung erworben habe. Sie fühle sich als Opfer von "Diskriminierung, Verfolgung, Verleumdung, Einbruch und Diebstahl, um das Eigentum deutscher Rentner durch Sozialbetrug im Auftrag" ihrer Gläubigerbank "in den Wirtschaftskreislauf Bayerns einzuarbeiten". Daher werde ein Schaden in Höhe von 35.256 EUR gegenüber dem Freistaat Bayern geltend gemacht.
Zuletzt beantragt die Klägerin jedoch,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10. April 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2007 zu verurteilen, ihr ab 15.02.2007 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der Begründung schließt sie sich dem Senatsbeschluss vom 07.03.2008 - L 7 B 1007/07 AS ER an.
Am 19.08.2008 hat ein Erörterungstermin stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts - auch des Verfahrens L 7 B 1007/07 AS ER - verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 15.02.2007 hat.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist an dieser Stelle erneut darauf hinzuweisen, dass Streitgegenstand dieses Verfahrens Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin sind. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung offenbar eingesehen und einen adäquaten Antrag gestellt. Im Vorfeld hatte er jedoch in teilweise nicht nachvollziehbaren Ausführungen andere Ursachen seiner Verdrossenheit in das Verfahren einführen wollen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin muss sich damit abfinden, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - wie übrigens alle staatlichen Gerichte - nur punktuelle Prüfungen anhand abgegrenzter und konkreter Streitgegenstände vornehmen. Der Senat muss und darf sich nicht mit der Frage befassen, ob die Agentur für Arbeit G. im Jahr 2002 zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe verweigert hatte.
Bereits dem Grunde nach steht der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht zu, weil die Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht erfüllt ist. Das wirkt sich dahin aus, dass das Begehren der Klägerin ohne Erfolg bleibt. Denn das Ergebnis der Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II verstößt nicht gegen höherrangiges Recht - weder gegen deutsches Verfassungsrecht noch gegen europäisches Recht.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II sieht vor, dass Leistungen - insbesondere solche zur Sicherung des Lebensunterhalts - nur die Personen erhalten können, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II führt dazu, dass ein "Leistungsexport" ins Ausland, sofern mit dem dortigen Aufenthalt die Aufgabe des inländischen gewöhnlichen Aufenthalts verbunden war, nicht möglich ist. Die Klägerin jedoch hat in der Bundesrepublik Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt.
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Dass die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, liegt angesichts ihrer Wohnsituation auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung. Der Umstand, dass sie nahe zur deutschen Grenze wohnt und anscheinend zahlreiche Bezüge und Verbindungen zur Bundesrepublik Deutschland hat - zum Beispiel lässt sie sich dort medizinisch behandeln -, vermag daran nichts zu ändern.
Der danach nicht bestehende Leistungsanspruch wird auch nicht durch eine spezifische "Einstandspflicht" der Beklagten begründet. Dem Senat ist bis heute verborgen geblieben, aus welchem Grund der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im vorliegenden Verfahren immer wieder - so auch im Erörterungstermin und in der mündlichen Verhandlung - moniert hat, der Klägerin sei im Jahr 2002 zu Unrecht Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versagt worden. Sollte er daraus einen Verantwortungszusammenhang zur Beklagten herstellen wollen, der eine Leistungspflicht begründen könnte, so wäre dieser Gedankengang falsch. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Arbeitslosenhilfe ist vom Gesetzgeber mit Ablauf des Jahres 2004 abgeschafft worden. Statt dessen ist eine bedarfsabhängige Grundsicherung für Erwerbsfähige und deren Familien eingeführt worden. Dass diese Ablösung dem Grunde nach verfassungsgemäß war, ist schon sehr früh höchstrichterlich geklärt worden (vgl. nur BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 4/06 R und B 7b AS 2/06 R, vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R und B 11b AS 9/06 R). Sofern der Prozessbevollmächtigte die Ansicht vertreten sollte, der Klägerin sei der fortlaufende Bezug von Arbeitslosenhilfe quasi zugesichert worden - in diese Richtung weist seine Einlassung auf Seite 2 unten der Berufungsschrift -, so wäre diese unzutreffend (vgl. zur so genannten "58er-Regelung" statt zahlreicher Entscheidungen BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 4/06 R und B 7b AS 2/06 R, vom 23.11.2006 - B 11b AS 25/06 R und B 11b AS 9/06 R).
Wie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits mehrfach - sowohl von der Beklagten, vom Sozialgericht als auch vom Senat - erläutert worden ist, kommt dem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30.12.1999 (SozR 3-1200 § 30 SGB I Nr. 20) keine Relevanz zu. Kernaussage dieser Entscheidung ist, dass der Gesetzgeber nicht darin frei ist, ohne gewichtige sachliche Gründe den territorialen Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln. Diese Erwägung hat für das Alg II keine Bedeutung. Denn dieses wird weder durch Beiträge finanziert, noch knüpft es sonst in irgendeiner Weise an nach dem Arbeitsförderungsrecht erbrachte Beitragsleistungen an. Es steht trotz der Regelung des § 24 Abs. 2 SGB II - anders als die Arbeitslosenhilfe - in keinem Zusammenhang mit dem Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Während im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall auf der Hand lag, dass zwischen Beiträgen und Leistungen zumindest im Ansatz eine gewisse Äquivalenz bestehen musste, so ist das hier nicht der Fall. Man vermag auch nicht mittelbar eine Beitragsbezogenheit festzustellen. Abwegig ist das Argument des Prozessbevollmächtigten, die Klägerin hätte immerhin Steuern an die deutschen öffentlichen Haushalte gezahlt. Steuern sind hoheitliche einseitige Abgaben, die grundsätzlich keiner Zweckbindung unterliegen und in keiner Weise von "Gegenleistungen" abhängen. Aus der Entrichtung von Steuern kann der Bürger daher keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen für sich ableiten.
Die sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ergebende Rechtsfolge, dass kein Leistungsanspruch besteht, verstößt auch nicht gegen europäisches Recht:
Die Gewährleistungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 des EG-Vertrages (EG) greifen nicht zu Gunsten der Klägerin, weil diese nicht als Arbeitnehmerin im Sinn dieser Regelung angesehen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gilt als Arbeitnehmer, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, Urteil Rundgren, Slg. 2001, I-3731 RdNr. 32; stRspr). Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verliert der Betroffene grundsätzlich die Arbeitnehmereigenschaft, wobei jedoch zum einen diese Eigenschaft nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmte Folgewirkungen haben kann und zum anderen derjenige, der tatsächlich eine Arbeit sucht, ebenfalls als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist (EuGH, a.a.O.). Bestimmte mit der Arbeitnehmereigenschaft zusammenhängende Rechte sind den Arbeitnehmern auch dann garantiert, wenn diese nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis stehen (EuGH, Urteil Collins, Slg. 2004, I-2703 RdNr. 27). Die Klägerin sucht definitiv keine Arbeit. Nach den Schilderungen ihres Prozessbevollmächtigten war sie zum letzten Mal offenbar im Jahr 2002 erwerbstätig. Sie hat anscheinend nach dem Verlust des Arbeitsplatzes eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben. Des Weiteren bemüht sie sich vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit um eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Klägerin ist somit in einer Art und Weise aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, dass sie den Status als Arbeitnehmerin im Sinn von Art. 39 EG eingebüßt hat. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handelt es sich auch nicht um "Folgewirkungen" im Sinn der EuGH-Rechtsprechung. Vielmehr weisen diese mit der letzten Beschäftigung keinerlei Zusammenhang auf. Das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit des Prozessbevollmächtigten als Ehemann der Klägerin ist schon deswegen irrelevant, weil auch dieser als Rentner nicht mehr Arbeitnehmer ist und keine Folgewirkung zu einer ehemaligen Arbeitnehmereigenschaft vorliegt.
Aus den unter a) genannten Gründen besteht auch kein Widerspruch zu Art. 7 Abs. 2 bzw. Art. 11 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates der EWG über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft; denn auch insoweit müssten die Klägerin bzw. der Prozessbevollmächtigte Arbeitnehmer im oben dargestellten Sinn sein. Hinzu kommt, dass die eingeräumten Rechte von vornherein nur gegenüber dem Aufenthaltsstaat bestehen. Die Verordnung regelt dagegen keine Verpflichtungen des Herkunftsstaats.
Auch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie der Senat im Beschluss vom 07.03.2008 - L 7 B 1007/07 AS ER dargelegt hat, handelt es sich beim Alg II um eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinn von Art. 4 Abs. 2a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, für die gemäß Art. 10 a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 das Recht des Wohnmitgliedstaats gilt (so auch Fuchs, Deutsche Grundsicherung und europäisches Koordinationsrecht, NZS 2007, S. 1 ). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe dieses Beschlusses verwiesen und an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet. Da somit keine Leistung bei Arbeitslosigkeit im Sinn von Art. 4 Abs. 1 Buchstabe g der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vorliegt (vgl. zur gegenseitigen Ausschlusswirkung der Leistungstypen "Leistungen der sozialen Sicherheit" und "beitragsunabhängige Sonderleistungen" EuGH, Urteil Hosse, Slg. 2006, I-1771 RdNr. 36) kann es auch keinen "begrenzten Leistungsexport" nach Art. 69 oder 71 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 geben, auf den sich der Prozessbevollmächtigte immer wieder berufen hat. Denn die Art. 67 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 finden nur auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Sinn von Art. 4 Abs. 1 Buchstabe g der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Anwendung.
Schließlich stehen die Bestimmungen des EG-Vertrages zur Unionsbürgerschaft dem hier gewonnenen Resultat nicht entgegen. Zwar hat der EuGH in den letzten Jahren eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt, deren Kennzeichen ist, dass unter verschiedenen Facetten aus den Bestimmungen zur Unionsbürgerschaft entweder unmittelbar (z.B. über die Freizügigkeitsgewährleistung des Art. 18 Abs. 1 EG) oder mittelbar (z.B. über das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 6 EG) Sozialleistungsansprüche abgeleitet worden sind. Im vorliegenden Fall könnte man daran anknüpfen, dass das durch Art. 18 Abs. 1 EG gewährleistete Recht auf Freizügigkeit grundsätzlich keine Regelungen des Herkunftsstaats zulässt, die geeignet sind, den eigenen Staatsangehörigen ohne triftigen Grund an der Wahrnehmung der Freizügigkeit zu hindern (vgl. nur EuGH, Urteil Tas-Hagen und Tas, Slg. 2006, I-10450 RdNr. 30 m.w.N.). Jedoch fällt der gegebene Sachverhalt von vornherein nicht in den "Schutzbereich" des Art. 18 Abs. 1 EG. Denn die darin enthaltene Gewährleistung steht unter dem Vorbehalt besonderer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen. Bezüglich des Alg II wird in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 abschließend festgelegt, dass Anknüpfungspunkt der Wohnsitz ist. Diese mit höherem Gemeinschaftsrecht vereinbare Regelung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass man aus Art. 18 Abs. 1 EG Gegenteiliges herleitet; dabei würde der subsidiäre Charakter dieser Norm verkannt. Eine Ausnahmekonstellation wie im EuGH-Urteil De Cuyper (Slg. 2006, I-6947) ist hier nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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