L 8 AS 90/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 227/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 90/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 12.02.2009 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.



Gründe:


I.

Zwischen den Beteiligten ist die Frage der Krankenversicherung durch die Antragsgegnerin, einem Träger der Grundsicherung für Erwerbsfähige, streitig.

Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 25.09.2008, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 22.10.2008, für sich, seine Ehefrau und vier Kinder die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 23.10.2008 wurde der Antrag abgelehnt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 19.12.2008 zurück.

Am 10.11.2008 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Sozialgericht Darmstadt, um die oben genannten Leistungen zu erlangen. Gleichzeitig hat er vorgetragen, dass seine Kinder bei seiner Frau in Brasilien leben. Er habe mangels Erreichbarkeit jedoch keinen Kontakt. Das Sozialgericht Darmstadt verwies das Verfahren mit Beschluss vom 28.11.2008 an das Sozialgericht München (SG) (Az.: S 52 AS 2880/08 ER). Nach zahlreichen Aufklärungsversuchen lehnte das SG den auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gerichteten Antrag mit Beschluss vom 18.12.2008 ab.
Die hiergegen erhobene Beschwerde verwarf das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 09.03.2009 als unzulässig.

Mit Schreiben vom 04.02.2009, eingegangen beim SG in einer Antragssache S 5 AL 130/09 ER, hat der Antragsteller von der Arbeitsagentur F., Arbeitsagentur L., AG B-Stadt und Jobcenter L. im Wege der einstweiligen Anordnung verlangt, ihm Krankenversicherungsschutz zu gewähren. Nach einem Schreiben seiner Krankenversicherung (Betriebskrankenkasse m.) weise das Versicherungsverhältnis für die Zeit vom 03.09.2008 bis 02.11.2008 eine "Lücke" auf. Die Krankenversicherung lehne eine Erbringung von Leistungen ab. Mit weiterem Schreiben vom 06.02.2009 hat er vorgetragen, es liege eine unbezahlte Rechnung des Klinikums O. vom Oktober 2008 vor, die durch die Krankenversicherung nicht übernommen werde.

Inzwischen sprach das SG dem Antragsteller im Rahmen eines weiteren Verfahrens (Az.: S 8 AS 83/09 ER) mit Beschluss vom 28.01.2009 Arbeitslosengeld II für die Zeit von Januar bis März 2009 vorläufig zu.

Im vorliegenden Verfahren hat das SG den oben genannten Antrag aufgefächert, hier gegen die ARGE B-Stadt einzeln abgetrennt und mit Beschluss vom 12.02.2009 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bezüglich Krankenversicherungsschutz abgelehnt, da ein solcher durch den Bezug von Arbeitslosengeld II durch das Jobcenter L. ab Januar 2009 vorliege.

Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Krankenversicherungsschutz für den Zeitraum ab 03.09.2008 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.

Das LSG hat die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie die Verfahrensakte des SG (Az.: S 51 AS 227/09 ER) sowie den Beschluss vom 28.01.2009 (Az.: S 8 AS 83/09 ER) beigezogen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Das SG hat den Antrag im Ergebnis zu Recht verworfen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer Regelung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist nicht gegeben. Außerdem besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.

1. Dem Antragsteller steht kein Rechtsschutzbedürfnis zu, da er vor dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG sein Begehren auf Krankenversicherungsschutz nicht bei der Antragsgegnerin beantragt hat. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn eine gerichtliche Eilentscheidung dem Antragsteller einen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil bringt und der Antragsteller sein Begehren nicht auf einfachere, schnellere und billigere Art durchsetzen kann (LSG Baden-Württemberg, 03.01.2008, Az.: L 8 AS 5486/07 ER-B; vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage, Rz. 24). Der vom Antragsteller am 22.10.2008 gestellte Antrag war auf Arbeitslosengeld II gerichtet und unterscheidet sich grundlegend von einem Antrag auf Krankenversicherungsschutz. Die Verpflichtung des Antragstellers, vor Erhebung gerichtlichen Rechtsschutzes einen Antrag bei der vermeintlich zuständigen Sozialbehörde zu stellen, gilt erst recht, wenn diese wie im vorliegenden Fall nicht zuständiger Leistungsträger ist (siehe unter 2.), da die Verwaltung, beispielsweise als Schuldner von Pauschgebühren, und die Gerichte vor unnötigen Prozessen und Anträgen geschützt werden sollen. Letztendlich wird durch diese Sachentscheidungsvoraussetzung aber auch der hilfebedürftige Bürger geschützt, da Leistungsträger verpflichtet sind, den Bürger gemäß §§ 14 und 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zu beraten und die notwendigen Auskünfte zu geben. Regelungsgegenstand von Verwaltungsakten ist der jeweilige Verfügungssatz. Dieser beschränkte sich, schon allein aufgrund der Aufgabenzuweisung an die Grundsicherungsträger, auf Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt in Form von Arbeitslosengeld II. Denn dem Bürger muss auch zugemutet werden, zunächst eine Entscheidung des von ihm mit einem Prozessrechtsverhältnis überzogenen Antragsgegners abzuwarten, bevor er staatlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war daher zu verwerfen.

2. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegenüber der Antragsgegnerin besteht.

a) Ein Anordnungsanspruch liegt gegenüber der Antragsgegnerin nicht vor. Der Antragsgegner ist ein Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Sinne von § 19a Abs. 2 SGB I ist. Diese erbringen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach dem SGB II sind keine Leistungen hinsichtlich des Versicherungsfalles der Krankheit vorgesehen (§§ 16, 19, insbesondere 20 Abs. 1 SGB II). Hierfür sind die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 21 Abs. 2 SGB I) zuständig. Erwerbsfähige Hilfebedürftige im Leistungsbezug sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a Sozialgesetz Fünftes Buch (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, soweit nicht bereits über eine Familienversicherung (§ 10 SGB V) Versicherungsschutz besteht oder sie sich nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V von der Versicherungspflicht haben befreien lassen. Die Mitgliedschaft für Pflichtversicherte hängt allein davon ab, ob die gesetzlichen Voraussetzungen (qua lege) einer Pflichtmitgliedschaft erfüllt sind (vgl. auch Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 03.08.2007, Az.: L 14 B 1168/07 AS ER). Dabei begründet der tatsächliche Bezug von Arbeitslosengeld II die Versicherungspflicht (vgl. Derksen, Die Darstellung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2008, Rz.: 223, Geiger: Auswirkungen des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung für (ehemalige) Bezieher von Alg I und Hilfebedürftige nach dem SGB II/SGB XII info also 2007 Heft 5, 199). Für die Frage der Entscheidung über die Versicherungspflicht im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist ausschließlich die Krankenkasse zuständig. Dabei können sie allerdings nicht selbstständig über die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs von Arbeitslosengeld II entscheiden (LSG NRW vom 30.01.2008, Az.: L 11 KR 45/07).

b) Daneben liegt jedoch auch kein Anordnungsgrund vor. Seit in Kraft treten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) im Jahr 2007 besteht letztlich ein lückenloser Krankenversicherungsschutz für alle Bevölkerungschichten, so auch für den Antragsteller. Soweit weder in der gesetzlichen noch in der privaten Krankenversicherung ein vorrangiger Versicherungsschutz greift, ist jedenfalls über § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eine nachrangige Pflichtversicherung gegeben (vergleiche Geiger, aaO 199 ff). Das System der Krankenhilfe sowie der Krankenversicherung ist seit 2005 auch für Sozialhilfeempfänger nahtlos und gewährleistet unabhängig von der Rechtsträgerschaft im Wesentlichen dieselben Leistungen, unabhängig davon, ob diese auf einer Mitgliedschaft oder einer Auftragsleistung (Durchführung durch die GKV mit demselben Status wie bei Versicherten, z. B. durch Aushändigung einer Versichertenkarte, vgl. § 264 Abs. 3 ff. SGB V) durch den Träger der Sozialhilfe beruhen. Eine lediglich mittelbare Beeinträchtigung des Klägers durch die Verpflichtung, wegen seiner Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge erbringen zu müssen, führt zu keiner schweren Grundrechtsbeeinträchtigung. Zum einen bestehen weder an der Beitragsverpflichtung noch ihrer Ausgestaltung noch am Versicherungszwang (vgl. Urteil des BVerfG zur Pflegeversicherung vom 03.04.2001, Aktenzeichen:1 BvR 2014/95) an sich verfassungsrechtliche Bedenken. Zum anderen kompensiert der Träger der Sozialhilfe eine vom Antragsteller nicht zu deckende Bedarfslage durch Übernahme der Beiträge gemäß § 32 Abs. 1 SGB XII IdF d. Art. 10 G v. 26.3.2007 (GKV-WSG). Danach werden unter anderem für Pflichtversicherte im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, die Krankenversicherungsbeiträge übernommen, soweit die genannten Personen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 erfüllen. Eine besondere Eilbedürftigkeit ist nicht gegeben.

3. Daher besteht hier auch keine Notwendigkeit, abweichend von §§ 86b SGG, 920 ff. ZPO reduzierte Anforderungen (Güter- und Folgenabwägung oder abschließende Prüfung der Hauptsache) an die Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zu stellen. Zwar verlangt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 Juris Rn. 23; BVerfG, NVwZ 2004, S. 95, 96, Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 1 BvR 3101/06) zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz die oben angeführte Modifikation bei drohender Gefahr der Beeinträchtigungen von Grundrechten, wie z.B. der Existenzsicherung. Wie aber oben ausgeführt, besteht hier Schutz gegen das Risiko der Krankheit.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen.

Nach § 73a Abs. 1 SGG (i.V.m. § 114 ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist
(§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an (vgl. Meyer-Ladewig, Komm. zum SGG, 9. Aufl., Rdnr. 7d zu § 73 a). Hinreichende Erfolgsaussichten lagen, wie unter II. ausgeführt, nicht vor.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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