L 32 AS 612/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 96 AS 6325/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 612/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine einstweilige Anordnung auf Erteilung einer vorläufigen Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II ist denkbar, wenn der potentielle Vermieter aufgrund einer solchen zum Mietvertragsabschluss bereit ist.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Zur Begründung und zur Darstellung des Sachverhaltes nimmt der Senat zunächst auf den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 16. März 2009, Bezug, deren Gründe er sich zu Eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Art. 19 Abs. 4 GG stellt nämlich insbesondere dann besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist.

Soweit das SG dem Antrag stattgegeben hat, besteht hier ein Anordnungsanspruch: Jedenfalls im vorliegenden Einzelfall besteht ein Anspruch auf vorläufige Verpflichtung zur Abgabe einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II). Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, ist die neue Vermieterin aufgrund der Eilentscheidung des SG zum Mietvertragsabschluss bereit gewesen. Ob ganz allgemein eine einstweilige Verpflichtung zum Erlass einer Verpflichtung zu einer nur vorläufigen Zusicherung begehrt werden kann, wie hier vom SG zugesprochen wurde, kann hier deshalb dahingestellt bleiben. Bedenken bestehen insoweit, weil eine solche nur vorläufige Zusicherung einem Vermieter die erforderliche Sicherheit nicht dafür bieten kann, dass seine potentiellen Mieter ihren Zahlungspflichten werden nachgehen können. Es kann hier ebenfalls dahingestellt bleiben, ob hier eine so dringliche Situation vorgelegen hat, dass eine völlige Hauptsachenvorwegnahme geboten gewesen wäre, also eine Verpflichtung zur Zusicherung ohne die Einschränkung der Vorläufigkeit. Eine solche echte Hauptsachenvorwegnahme dürfte nur in Betracht kommen, wenn ein Umzug in eine angemessene Wohnung für längere Zeit zu scheitern droht, etwa weil eine einmalige Chance vereitelt würde. Soweit die Antragsteller vorbringen, der Antragsgegner halte die gegenwärtige Wohnung für angemessen und werde deshalb eine Zusicherung immer ablehnen, könnte dem durch eine einstweilige Anordnung gerichtet auf Feststellung des Gegenteiles entgegengetreten werden.

Die Angriffe der Beschwerde greifen nicht durch: Die Notwendigkeit eines Umzuges im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II ist hinreichend dargelegt worden. Ein Umzug ist erforderlich, wenn der Wunsch nach einer eigenen Wohnung ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund darstellt, der auch einen Nichthilfeempfänger leiten lassen würde (so bereits Beschluss des Senats vom 27. September 2007 - L 32 B 1912/07 - unter Bezugnahme auf Berlit in LPK-SGB II § 22 Rdnr. 76 und SG Lüneburg, Beschluss vom 19. August 2005 - S 24 AS 472/05 ER -). Da ein Hobbyraum im Keller ohne ausreichende natürliche Beleuchtung kein geeigneter Wohnraum ist (vgl. die Anforderungen an allgemein Aufenthaltsräume in § 48 Abs. 1 Bauordnung Berlin und speziell an Wohnräume im Hinblick auf Belichtung und Belüftung (§ 4 Abs. 2 Nr. 7 Gesetz zur Beseitigung von Wohnungsmissständen in Berlin) liegen bei der gebotenen summarischen Betrachtung bereits nach der für den Antragsgegner zu beachtenden Nr. 7 Abs. 5 f der Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen) vom 10. Februar 2009 unzumutbare Wohnverhältnisse vor. Hier handelt es sich beim dritten Zimmer der bisherigen Wohnung um einen im Keller befindlichen Hobbyraum, der im Mietvertrag nur als Nutzfläche ausgewiesen ist und Licht nur über Lichtschächte erhält.

Dass die jetzt angemietete Wohnung zu unangemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten führen wird, trägt der Antragsgegner selbst nicht vor und ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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