Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 182/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 108/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2003 werden aufgehoben, soweit sie Regresse für das Quartal I/2000 betreffen. Im Übrigen wird die Berufung der Berufungskläger zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens vor des Sozialgericht zu 4/10 und der Beklagte und die Beigeladene zu 2) zu 6/10, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1), die diese selbst trägt. Die Berufungskläger tragen die Kosten des Verfahrens vor dem Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zu 4/10, der Beklagte und die Beigeladene zu 2) zu 6/10, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1), die diese selbst trägt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen der Verordnung des zu den Immunglobulinen zählenden, intravenös (i.v.) zu verabreichenden Arzneimittels Polyglobin 5%/10 % durch die Berufungskläger in den Quartalen I und III/2000.
Der Berufungskläger zu 1) nimmt an der hausärztlichen Versorgung in Berlin teil. In der Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2004 führte er mit der Berufungsklägerin zu 2), einer Internistin, eine Gemeinschaftspraxis. Der Berufungskläger zu 1) verordnete im Quartal I/2000 seinem bei der Beigeladenen zu 2) krankenversicherten, 1966 geborenen Patienten J M (im Folgenden: der Versicherte) zur Behandlung der Erkrankungen "embryonales Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierungen" das Arzneimittel Polyglobin 5 % bzw. 10%. Dieselben Verordnungen nahmen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Quartal III/2000 vor. Die Verordnungen betrafen - im Quartal I/2000 7 Fälle - im Quartal III/2000 5 Fälle.
Diese Arzneimittel sind nach der Fachinformation (Stand: September 1999 bzw. Februar 2000) für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:
Polyglobin wird eingesetzt zur Substitution bei primären und sekundären Immunmangelkrankheiten zur Vorbeugung und Behandlung von damit einhergehenden Infektionen sowie zur Modulation und Kontrolle der Immunantwort der Patienten bei verschiedenen Erkrankungen
Primäre Immunmangelsyndromen wie - Kongenitale Agammaglobulinämie und Hypogammaglobulinämie - Allgemeine, variable Immunmangelkrankheiten - Schwere kombinierte Immunmangelkrankheiten - Wiskott-Aldrich Syndrom
Sekundäre Immunmangzustände:
- bei chronisch-lymphatischer Leukämie (CLL) oder Multiplem Myelom mit rezidivierenden bakteriellen Infektionen
durch Immunmodulation behandelbare Erkrankungen wie:
- Idiopathische (autoimmune) thrombozytopenische Purpura (ITP) bei Erwachsenen und Kindern in kritischen Situationen oder vor Operationen - Kawasaki Syndrom (in Verbindung mit einer Acetylsalicylsäure-Therapie) - Allogene Knochnemarktransplantation - Guillain-Barré Syndrom mit fortschreitenden Lähmungserscheinungen Anwendung bei Kindern: Für die Anwendung von intravenösem Immunglobulin bei Kindern mit Guillain-Barré Syndrom liefern die begrenzten Erfahrungen aus kleineren klinischen Studien und Fallberichten keine ausreichende Basis.
Aids bei Kindern.
Mit am 25. Mai 2001 beim Prüfungsausschuss eingegangen Schreiben stellte die BKK Berlin - eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2) - wegen der oben genannten Verordnungen einen "Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 14 der Prüfvereinbarung vom 10. Januar 1994" und nannte im Betreff "Gemeinschaftspraxis Drs. med. K und D". Der Prüfungsausschuss veranlasste eine Stellungnahme der Ärzte und setzte mit Bescheid vom 27. September 2001 "gemäß § 14 der Prüfvereinbarung [ ...] einen Regress für die Verordnung von Polyglobin in Höhe von DM 34.855,79 fest" (Adressat: Drs. K/D). Er legte hierbei einen Arzneimittelpreis (Brutto) von 2.877,32 DM - 3.265,38 DM je Verordnung, insgesamt 36.799,78 DM, zugrunde und zog hiervon einen Apothekenrabatt in Höhe von 5 % (1.839,99 DM) und von dem Versicherten geleistete Zuzahlungen in Höhe von 104,00 DM ab. Den von beiden Berufungsklägern eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit seiner Entscheidung vom 25. März 2003 (betroffen: Gemeinschaftspraxis Drs. K/D) zurück und führte zur Begründung unter anderem aus: Da die von der Gemeinschaftspraxis angeführte Thrombozytopenie nicht habe belegt werden können (Thrombozytenwerte z.T. über 10.000/µl), sei Polyglobin nicht im Rahmen der Zulassungsindikation verordnet worden.
Mit ihrer Klage zum Sozialgericht hat die Klägerin vorgebracht, eine rechtliche Grundlage für das von den Prüfgremien gewählte Verfahren existiere nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Regress wegen einer unzulässigen Arzneimittelverordnung kategorial von einer Schadensersatzverpflichtung wegen eines sonstigen Schadens im Rahmen der Bundesmantelverträge zu unterscheiden. Das gegen sie durchgeführte Prüfverfahren könne nicht als Verfahren auf Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 14 der Prüfvereinbarung (PV) angesehen werden. Von der in § 106 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) eröffneten Möglichkeit der Einführung eines weiteren Prüfverfahrens, mit dem Verordnungsregresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln im Einzelfall festgesetzt werden könnten, hätten die Vertragspartner im Bereich der Beigeladenen zu 1) keinen Gebrauch gemacht. Aber auch für den Fall, dass das vorliegende Prüfverfahren § 14 Abs. 1 PV unterfalle, sei zumindest die Antragsfrist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 PV von 6 Monaten seit Bekanntwerden des Sachverhalts nicht eingehalten. Wegen § 6 Abs. 1 der Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V sei davon auszugehen, dass die zeitlich letzte Arzneimittelverordnung spätestens Ende Oktober 2000 mit der Beigeladenen zu 2) abgerechnet worden sei, so dass ein Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens nur bis April 2001 zulässig gewesen wäre. Die Rechtsprechung des BSG stehe einer solchen Fristenregelung nicht entgegen. Im Übrigen seien die von der Beigeladenen zu 2) aufgeführten Arzneimittelverordnungen auch materiell rechtmäßig. Die Wirksamkeit und auch Unbedenklichkeit der Anwendung von Immunglobulinen sei in zahlreichen klinischen Studien bereits nachgewiesen worden. Die Vergabe von Polyglobin sei nicht erst dann indiziert, wenn ein Antikörpermangelsyndrom laborchemisch nachgewiesen sei. Es bestehe auch keine Norm, die dem Arzt die Pflicht auferlege, vor jeder Vergabe von Immunglobulinen eine laborchemische Untersuchung zu erbringen. Die Vergabe von Polyglobin an den Kläger sei indiziert gewesen. Der Kläger habe an einem klinisch offensichtlich bestehenden Antikörpermangelzustand gelitten. Es sei eine Therapie ständiger Atemwegsinfekte erforderlich gewesen, die neben der Gabe von GCSF, Kortikosteroiden und Antibiotika in besonders kritischen Phasen die Verordnung von Immunglobulinen erforderlich gemacht habe, da Thrombozytentransfusionen nicht ausreichend gewirkt hätten. Ungeachtet dessen hätten auch die vom BSG aufgestellten Kriterien für einen Off-label-use vorgelegen: Es liege eine schwerwiegende Erkrankung vor, ohne dass eine therapeutische Alternative bestehe. Aufgrund der von ihr eingereichten wissenschaftlichen Veröffentlichungen habe sie von einem zulässigen Off-label-use ausgehen dürfen. Unabhängig von der Verordnungsfähigkeit der oben genannten Arzneimittel sei die angegriffene Entscheidung des Beklagten aber auch deswegen rechtswidrig, weil eine für die Feststellung eines sonstigen Schadens im Bereich der Beigeladenen zu 1) erforderliche schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten nicht vorliege. Darüber hinaus sei der Beigeladenen zu 2) kein Vermögensschaden entstanden. Denn das rechtmäßige Alternativverhalten der Klägerin in Form einer Einweisung des Versicherten ins Krankenhaus hätte die Krankenkasse nicht weniger belastet, sondern höhere Kosten verursacht.
Mit Urteil vom 14. Juni 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Ein indikationsgerechter Einsatz der Immunglobuline lasse sich nicht feststellen. Laboruntersuchungen für das Vorliegen der Erkrankungen, für die dieses Arzneimittel zugelassen sei, habe die klagende Gemeinschaftspraxis nicht vorgelegt. Das gelte insbesondere für einen Antikörpermangelzustand. Dass die Voraussetzungen für einen zulassungsüberschreitenden Einsatz (Off-label-use) nach den Kriterien des BSG vorlägen, könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Auf ein Verschulden komme es nicht an. Kompensatorische Einsparungen seien nicht zu erkennen.
Im Rahmen seiner am 24. August 2006 eingelegten Berufung gegen das den Klägern am 27. Juli 2006 zugestellte o.g. Urteil wiederholt der Berufungskläger zu 1) das erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin. Ergänzend vertritt er die Auffassung, die Verordnung von Polyglobin sei notwendig und indiziert gewesen. Der Patient habe mehrfach aggressive Chemotherapien erhalten. Diese hätten zu Leukozytopenien, Thrombozytopenien und einem Antikörpermangel geführt. Auch Wachstumsfaktoren und Antibiotika hätten wiederholt auftretende bakterielle und virale Infekte nicht eindämmen können; außerdem sei es zu thrombopenischen Blutungen gekommen. Verordnungen von Polyglobin seien nach der Fachinformation bei primären und sekundären Immunmangelsyndromen zulässig; die nachfolgende Aufzählung einzelner Krankheiten sei nur exemplarisch und nicht abschließend zu verstehen. Zumindest sei der Regress wegen Verstoßes gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes rechtswidrig. Die vom BSG in seinem Urteil vom 19. März 2002 (erstmals) aufgestellten Voraussetzungen für einen nur eingeschränkt zulässigen Off-label-use habe er bei seinen Verordnungen in den Quartalen I/2000 und III/2000 noch nicht kennen können; die Rechtmäßigkeit dürfe daher nicht an diesen Voraussetzungen geprüft werden. Vielmehr habe er auf das Urteil des BSG vom 15. Juli 1995 - Remedacen - vertrauen dürfen, demzufolge auch indikationsfremde Verordnungen zu Lasten der Krankenkassen zulässig seien. Im Hinblick hierauf habe das BSG in seiner Entscheidung vom 30. September 1999 (SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 - SKAT -) einem Versicherten im Rahmen eines Erstattungsanspruches nach § 13 Abs. 3 SGB V Vertrauensschutz gewährt, obwohl es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer zulassungsüberschreitenden Anwendung von Arzneimitteln ausgegangen sei. Auch bei Rechtsprechungsänderungen seien daher Aspekte des Vertrauensschutzes zu beachten. Ein Fall der echten Rückwirkung liege vor. Die Verordnung von Polyglobin sei auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – (Beschluss vom 6. Dezember 2005, - 1 BvR 347/98 -, BVerfGE 115, 25) sowie das diese Entscheidung umsetzende Urteil des BSG vom 4. April 2006 (B 1 KR 7/05 R - "Tomudex" -) wegen der für den Versicherten bestehenden Lebensgefahr zulässig gewesen.
Die Berufungsklägerin zu 2) hat sich dem Vorbringen des Berufungsklägers zu 1) im Wesentlichen angeschlossen und teilt seine Rechtsauffassung. Ergänzend macht sie geltend: Im Quartal I/2000 sei sie mit dem Berufungskläger zu 1) (noch) nicht in einer Gemeinschaftspraxis tätig gewesen, so dass sie in dieser Zeit wegen des Regresses auch nicht in Anspruch genommen werden dürfe.
Der Berufungskläger zu 1) und zu 2) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2003 aufzuheben,
hilfsweise,
entsprechend dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 12. März 2009, Satz 5, Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 2) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene zu 1) hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Berufungskläger zu 1) und 2) sind zulässig. Die Rechtsmittelbefugnis und die Aktivlegitimation der Berufungskläger zu 1) und zu 2) unterliegen keinen Bedenken, weil der Regressbescheid an die aus ihnen bestehende Gemeinschaftspraxis, die Klägerin, adressiert war. Die Partner einer Gemeinschaftspraxis haften für Regresse als Gesamtschuldner i.S. der §§ 421 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Ein Gesamtschuldner ist berechtigt, eine Forderung, die - allein oder auch - ihm gegenüber geltend gemacht wird, allein abzuwehren. Ein Fall notwendiger Streitgenossenschaft i.S. des § 74 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 62 ZPO ist ebenso wenig wie ein Fall notwendiger Beiladung (§ 75 Abs. 2 SGG) gegeben (vgl. BSG SozR 3-1500 § 58 Nr. 1 S 2 und 3).
Die Berufungen der Berufungskläger sind auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn die Festsetzung eines Regresses gegen die Gemeinschaftspraxis für das Quartal I/2000 ist rechtwidrig und verletzt die Berufungskläger in ihren Rechten. Dagegen ist der Regress für das Quartal III/2000 nicht zu beanstanden.
1.) Die Berufungskläger waren seit dem Quartal III/2000 in einer Gemeinschaftspraxis vertragsärztlich tätig und hatten die hier streitigen Arzneimittelverordnungen zu verantworten; für den davor liegenden Zeitraum traf diese Verantwortlichkeit nur den Berufungskläger zu 1) allein. Denn zu diesem Zeitpunkt bestand die Gemeinschaftspraxis noch nicht. Deshalb hätte der Regressbescheid für das Quartal I/2000 auch nur gegen den Berufungskläger zu 1) und nicht gegen die Gemeinschaftspraxis gerichtet werden dürfen.
Eine Gemeinschaftspraxis i.S.v. § 33 Abs. 2 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ist durch die gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Karteiführung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung geprägt. Sie ist berechtigt, ihre Leistungen unter einer einzigen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abzurechnen, und tritt dieser dementsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber. Rechtlich gesehen ist eine Gemeinschaftspraxis eine Praxis. Sie verfügt über eine gemeinschaftliche Patientendatei und rechnet die erbrachten Leistungen unter einem Namen ab. Die Behandlung eines Patienten in einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der Gemeinschaftspraxis stellt sich als ein Behandlungsfall dar. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise wird nicht bezogen auf den einzelnen Arzt, sondern bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit geprüft; etwaige Honorarkürzungen und/oder Regresse hat die Gemeinschaftspraxis zu tragen. Schließlich werden in einer Gemeinschaftspraxis die Behandlungsverträge nicht zwischen Patient und behandelndem Arzt, sondern zwischen ihm und der Gemeinschaftspraxis geschlossen. Dieser besondere vertragsarztrechtliche Status, mit dem eine Gemeinschaftspraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, ist unteilbar (BSG SozR 4-1930 § 6 Nr. 1 m.w.N.).
Daher setzt eine Gemeinschaftspraxis i.S.v. § 33 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV das Bestehen einer GbR oder - was hier nicht näher zu behandeln ist - einer Partnerschaftsgesellschaft zwischen den (potenziellen) Partnern der Gemeinschaftspraxis voraus. Die GbR - nicht ihre einzelnen Mitglieder - ist Gläubiger der Honorarforderung im Verhältnis zur KV. Der Honoraranspruch aus den ärztlichen Leistungen ihrer Mitglieder steht nur der GbR selbst zu, denn diese ist nach der Rechtsprechung des BGH selbst Träger aller Rechte und Pflichten im Rechtsverkehr (BGHZ 146, 341 ff). Umgekehrt richten sich Ansprüche der KV im Zusammenhang mit Honorarberichtigungen oder Honorarrückforderungen gegen die Gemeinschaftspraxis selbst und nicht gegen nur einzelne ihr angehörende Ärzte. Das gilt auch für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) sowie für Regresse wegen unwirtschaftlicher oder unzulässiger Verordnungen von Arznei- bzw. Heil- und Hilfsmitteln. Nicht die Behandlungs- und Verordnungsweise des einzelnen Arztes, sondern der Gemeinschaftspraxis ist Gegenstand der Prüfung durch die Prüfgremien gemäß § 106 SGB V (BSGE 91, 164). Daraus folgt, dass der gegen die Gemeinschaftspraxis gerichtete Bescheid für das Quartal I/2000 in vollem Umfang rechtswidrig ist und nicht nur, soweit durch ihn auch die Berufungsklägerin zu 2) betroffen ist.
2.) Die Festsetzung eines Regresses für das Quartal III/2000 ist hingegen rechtmäßig. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sind § 106 Abs. 2 und 3 SGB V in der bis zum 30. Dezember 2001 geltenden, hier maßgeblichen Fassung i.V.m. § 14 ("Prüfung in besonderen Fällen / sonstiger Schaden") der zwischen der Beigeladenen zu 2) und den (Landes-)Verbänden der Krankenkassen im Land Berlin abgeschlossenen Prüfvereinbarung (PV) vom 10. Januar 1994.
Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung geprüft durch 1. arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung der Richtgrößen nach § 84 SGB V (Auffälligkeitsprüfung), 2. arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 vom Hundert der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung).
Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (§ 106 Abs. 2 Satz 4, 1. Halbsatz SGB V). Nach Abs. 3 Sätze 1 und 3 dieser Vorschrift vereinbaren die in Absatz 2 Satz 4 genannten Vertragspartner die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 2 gemeinsam und einheitlich. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen vorgenommen werden.
Hierauf gestützt vereinbarten die o.g. Vertragspartner auf Landesebene in § 14 PV:
"1. Der Prüfungsausschuss entscheidet auf Antrag einer Krankenkasse im Einzelfall über einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Vertragsarzt oder eine der Personen, für die er haftet, bei Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat. Unterschiedliche vertragliche Regelungen (Bundesmantelvertrag, Arzt-/Ersatzkassenvertrag) finden Anwendung.
2. Der Antrag ist zu begründen und muss innerhalb einer Frist von 6 Monaten seit Bekanntwerden des Sachverhalts beim Prüfungsausschuss vorliegen. Bei nicht verordnungsfähigen Präparaten beginnt die Frist mit dem Eingang der sortierten Rezepte bei der jeweiligen Krankenkasse. Die Krankenkasse muss dem Antrag alle zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen und die Nachweise zur Schadenshöhe beifügen sowie die Höhe des Schadens benennen.
3. Hält die KV Berlin Regressansprüche gegen einen Vertragsarzt wegen der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln, die von der Versorgung ausgeschlossen sind, für berechtigt, wird sie den Vertragsarzt entsprechend informieren und den jeweiligen Schadensbetrag bei Einverständnis des Vertragsarztes einbehalten und an die Krankenkasse abführen.
4. Der Antrag kann sich nur auf den Zeitraum der letzten, dem Antrag vorausgegangenen 2 Kalenderjahre erstrecken.
5. Ein Antrag ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Schadensbetrag DM 100,00 nicht übersteigt. Dies gilt nicht für Anträge betreffend ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel gemäß gesetzlicher oder vertraglicher Regelungen."
a) Der angefochtene Bescheid ist nicht wegen der Versäumung der Antragsfrist nach § 14 Nr. 2 PV formell rechtswidrig. Dabei kann offen bleiben, ob der Antrag der Beigeladenen zu 2) die in § 14 Nr. 2 PV geregelte Antragsfrist wahrt. Denn zumindest für den hier streitgegenständlichen Zeitraum verstieß eine Antragsfrist im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegen höherrangiges Recht.
Zwar ist der Beklagte bei Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung grundsätzlich an die Bestimmungen der PV gebunden. Bei der auf der Grundlage von § 106 Abs. 3 Sätze 1 und 3 SGB V abgeschlossenen PV handelt es sich um einen Normvertrag auf der Ebene des Gesamtvertrags. Zu den wesentlichen Merkmalen eines solchen Normvertrages gehört es, dass seine Regelungen für die von ihm betroffenen Beteiligten verbindlich sind. Nur soweit die Vorschriften in der PV gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere mit den bundesrechtlichen Vorgaben zur effektiven Überwachung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Leistungserbringer nicht vereinbar sind, sind sie nach den allgemeinen Regeln der Normenhierarchie nichtig und damit auch für den Beklagten nicht maßgeblich (BSG Urteil vom 23. Februar 2005, - B 6 KA 72/03 R - , SozR 4-2500 § 106 Nr. 8; SozR 3-2500 § 106 Nr. 33, 51 und 53).
§ 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V beinhaltet eine Ermächtigungsgrundlage auch für Regresse wegen der unzulässigen Verordnung von Arzneimitteln (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 52). Während jedoch gemäß § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung der Prüfungsausschuss (nur) auf Antrag über einen Verstoß des Vertragsarztes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot entschied und gemäß § 106 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung in den Prüfvereinbarungen auf regionaler Ebene auch festzulegen ist, dass der Prüfungsausschuss (ab 1. Januar 2008: die Prüfungsstelle) auf Antrag der KV, der Krankenkasse oder ihres Verbandes Einzelfallprüfungen durchführt, ging der Gesetzgeber für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2003 davon aus, dass jede Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Amts wegen zu erfolgen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2005, - B 6 KA 63/04 R -, veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de; Engelhard, in: Hauck/Noftz SGB V § 106 Rd. 528). War demnach ein Antrag im fraglichen Zeitraum keine Verfahrensvoraussetzung, kann es auch nicht auf die Einhaltung einer Antragsfrist ankommen.
Dem steht die Rechtsprechung des BSG nicht entgegen. Dieses hat zwar in Prüfvereinbarungen Antragsfristen für die Einleitung des Verfahrens gebilligt (Urteil vom 27. Juni 2001, - B 6 KA 66/00 R -). Der Entscheidung lag jedoch ein Sachverhalt zugrunde, für den § 106 SGB V sowohl bezüglich des Zeitraums der zu prüfenden Quartale als auch bezüglich des Zeitpunkts der Entscheidung des Beschwerdeausschusses ein Antragserfordernis vorsah.
Maßgeblich für die Frage des anzuwendenden Verwaltungsverfahrensrechts ist der Zeitpunkt, zu dem die Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt wird. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Verfahrensrechts, dass neue Bestimmungen auch für schwebende Verfahren gelten, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, mithin auch für die Geltendmachung und Durchsetzung materiellrechtlicher Ansprüche, die schon vor der Änderung des Verfahrensrechts entstanden sind (BSG, Urteil vom 21. Juni 1995, - 6 RKa 54/94 -, BSGE 76, 149; BSG SozR 3-4100 § 152 Nr. 8 m.w.N.). Materiell-rechtlich ist hingegen das zum Zeitpunkt der Arzneimittelverordnung geltende Recht anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2008, - B 6 KA 34/07 R -, veröffentlicht unter www.bundessozial¬ge¬richt.de).
b) Der gegen die Gemeinschaftspraxis für das Quartal III/2000 festgesetzte Regress ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat der Beklagte gegen die Klägerin einen Schadensersatz i.S.v. § 14 Abs. 1 PV wegen Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt festgesetzt.
aa) Entgegen der Rechtsauffassung der Berufungskläger dient § 14 PV nicht nur als Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines sonstigen Schadens. Der Wortlaut von Ziff. 2 Satz 2, 3 und 5 Satz 2 dieser Vorschrift belegt, dass der Prüfungsausschuss auch zur Festsetzung von Regressansprüchen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel ermächtigt wurde.
bb) Ein Schaden i.S.v. § 14 PV ist der Beigeladenen zu 2) dadurch entstanden, dass die Klägerin in dem Quartal III/2000 in insgesamt 5 Fällen Immunglobuline für den Versicherten verordnete, obwohl hierfür keine Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestand.
(1) Gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der 2000 geltenden, hier maßgeblichen Fassung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch des Versicherten unterliegt dabei allerdings den sich aus §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Danach umfasst er nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Bezogen auf die Arzneimitteltherapie bedeutet dies, dass es zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben muss, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Es fehlt deshalb an der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist (BSGE 93, 1 mit Nachweisen zur st. Rspr.).
Das von der Klägerin verordnete Immunglobulin ist als Serum Fertigarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 3 Arzneimittelgesetz (AMG). Als solches hat es eine Zulassung gemäß § 21 Abs. 1 AMG. Die streitgegenständlichen Verordnungen der Klägerin für den Versicherten bewegten sich jedoch außerhalb der von der Zulassung umfassten Anwendungsgebiete. Denn der Senat hat ebenso wie das Sozialgericht einen Einsatz des Arzneimittels für die Behandlung einer Erkrankung, für die eine Zulassung des hier eingesetzten Arzneimittels bestand, nicht feststellen können. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen hat der Senat, der mit einem ärztlichen Beisitzer sachkundig besetzt war, für das Quartal III/2000 weder einen offensichtlichen Antikörpermangelzustand noch eine Thrombozytopenie entnehmen können. Im Hinblick darauf kann offen bleiben, ob ein Antikörpermangelsyndrom laborchemisch nachgewiesen werden musste. Denn die zulassungskonforme Anwendung von Polyglobin beim Vorliegen eines Antikörpermangelsyndroms (Immunmangelsyndrom) setzt entweder ein primäres, d. h. die Grunderkrankung oder die auslösende Krankheitsursache bildendes Immunmangelsyndrom oder - bei sekundärem Immunmangelsyndrom - Grunderkrankungen wie eine chronisch-lymphatische Leukämie oder ein Multiples Myelom voraus, was unstreitig beim Versicherten nicht vorlag. So konnten auch 2006 durchgeführte Untersuchungen keinen spezifischen Infekt des zellulären oder humoralen Immunsystems feststellen, Immunglobuline und Immunglobulinfaktoren waren beim Versicherten im Normbereich. Für das Vorliegen einer der anderen von der Zulassung umfassten Indikationen fehlen jegliche Anhaltspunkte.
(2) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (seit dem Urteil vom 19. März 2002, BSGE 89, 184) kann ein zugelassenes Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt. Davon kann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, keine andere Therapie verfügbar ist, und auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Zweifellos handelte es sich in den streitgegenständlichen Behandlungsfällen um schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankungen. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit in diesem Krankheitsstadium eine andere Therapie zur Verfügung stand. Jedenfalls fehlt es an dem Nachweis, dass nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse die begründete Aussicht bestand, dass mit der Verabreichung von Immunglobulin ein Behandlungserfolg hätte erzielt werden können. Hierfür müssten Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten ließen, dass das bzw. die Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden könnten. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und deshalb in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (BSG a.a.O.).
Diese Voraussetzungen lagen und liegen bzgl. der Verordnung von Polyglobin für die Behandlung der beim Versicherten vorliegenden Erkrankungen nicht vor. Die Klägerin bzw. die Berufungskläger haben während des gesamten Verfahrens keine einzige wissenschaftliche Arbeit benannt, die auf der Grundlage einer kontrollierten, randomisierten Doppelt-Blind-Studie einen Nachweis für einen positiven Einfluss von Polyglobin auf die bei dem Versicherten vorliegenden Erkrankungen nachweisen konnte. Die von der Bundesärztekammer (zuletzt in der 3. überarbeiteten und erweiterten Auflage von 2003) veröffentlichte "Leitlinie zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten" bestätigt in ihrem Kapitel 14 (nach der von der Klägerseite zitierten früheren Auflage offensichtlich Kapitel 11) unter Ziffer 14.5.2 ("Indikation für normale Immunglobuline zur intravenösen Injektion (ivIg)") vielmehr die Rechtsauffassung der Beklagten und der Beigeladenen zu 2). Denn an dieser Stelle der Leitlinien werden lediglich Anwendungshinweise für den Einsatz von Immunglobulinen innerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete erteilt. Auch in Abschnitt 14.5.2.5 ("Nicht zugelassene Indikation") wird keine der Erkrankungen des Versicherten erwähnt. Eine Empfehlung der Bundesärztekammer zur Anwendung von Polyglobin für einen Off-label-use in einem im vorliegenden Fall relevanten Bereich liegt daher gerade nicht vor.
Die weiteren von der Klägerin bzw. den Berufungsklägern eingereichten medizinischen Veröffentlichungen belegen jedenfalls für sich genommen (noch) keinen Konsens in den einschlägigen Fachkreisen. Deswegen bestand für den Senat auch keine Notwendigkeit, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für einen Off-label-use nachzukommen.
(3) Für die Zeit vor Erlass des Urteils des BSG vom 19. März 2002 (Off-label-use) ergab sich die Leistungspflicht der Beigeladenen zu 2) für die zulassungsüberschreitende Anwendung von Polyglobin und somit die Verordnungsfähigkeit dieses Arzneimittels auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Soweit der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 30. September 1999 (BSGE 85, 36 – SKAT –) die Rechtsauffassung vertritt, bis zur Veröffentlichung seiner Entscheidung habe man wegen des Urteils des 1. Senats des BSG vom 5. Juli 1995 (BSGE 76, 194 – Remedacen –) darauf vertrauen dürfen, dass auch indikationsfremde Arzneimittelverordnungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig seien, teilt der Senat diesen Standpunkt nicht. In dem vom 1. Senat des BSG entschiedenen Fall machte eine heroinabhängige Versicherte einen Kostenerstattungsanspruch für selbstbeschaffte, ihr im Zeitraum Oktober 1989 bis April 1990 ärztliche verordnete Remedacen-Kapseln geltend. Fraglich war insbesondere, ob dieses Arzneimittel ungeachtet der in der Zulassung genannten Indikationen schon vor In-Kraft-Treten der Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen zur Methadon-Substitutionsbehandlung am 1. Oktober 1991 zur Drogensubstitution eingesetzt werden durfte. Zwar findet sich in der Entscheidung des 1. Senats die Formulierung, es spiele "rechtlich keine Rolle, dass Remedacen für die Anwendung bei akutem oder chronischem Reizhusten zugelassen worden ist und nicht als Substitutionsmittel bei Drogenabhängigkeit". Nicht zuletzt wegen der vom 1. Senat des BSG hierzu verfassten Leitsätze, welche nur die Themen "Drogensubstitution" und "neue Behandlungsmethoden" erwähnen, konnte dieser Entscheidung nach Auffassung des Senats jedoch nicht die allgemeine Aussage entnommen werden, die zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln sei in jeder Hinsicht erlaubt. Denn der 1. Senat des BSG hat auch in diesem Fall die Leistungspflicht der Krankenkassen für eine Behandlungsmethode, die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht empfohlen worden war, davon abhängig gemacht, dass sich die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachweisen ließ und gegen die Qualität der Methode – auch unter Berücksichtigung eventueller Nebenwirkungen – keine durchgreifenden Bedenken bestanden (Leitsatz 2 der Entscheidung des 1. Senats). Der zulassungsüberschreitende Einsatz von Arzneimitteln war danach auch nach der Entscheidung des 1. Senats des BSG nicht einschränkungslos zulässig, sondern von Voraussetzungen abhängig, aus denen das BSG später die nunmehr maßgeblichen Voraussetzungen des Off-label-use entwickelt hat und die diesen im Kern entsprechen.
(4) Eine Leistungspflicht der Beigeladenen zu 2) ergibt sich auch nicht aus Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 115, 25). Aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt regelmäßig kein verfassungsmäßiger Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenbehandlung. Es bedarf allerdings einer besonderen Rechtfertigung, wenn dem Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden. Darüber hinaus sind auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu beachten. Diese Grundsätze können in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Übernimmt der Staat mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung Verantwortung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Versicherten, so gehört die Vorsorge in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung unter den genannten Voraussetzungen zum Kernbereich der Leistungspflicht und der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Mindestversorgung (BVerfG a.a.O.). Zugleich ist es dem Gesetzgeber jedoch nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse der Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Konkret in Bezug auf Arzneimitteltherapien hat das Bundesverfassungsgericht bereits früher auf das in § 12 Abs. 1 SGB V enthaltene Wirtschaftlichkeitsgebot hingewiesen, welches die finanziellen Grenzen markiert, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung von der Belastbarkeit der Beitragszahler und der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft gezogen werden. Danach ist es von Verfassungswegen nicht zu beanstanden, wenn die Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer Leistung im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB V mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts verknüpft und deshalb verneint wird, weil das Arzneimittel nicht oder noch nicht zugelassen ist (BVerfG, NJW 1997, 3085). Denn das Arzneimittelrecht schließt neben der Unbedenklichkeit auch die Prüfung der Qualität und der Wirksamkeit des jeweiligen Arzneimittels mit ein (§ 1 AMG). Daher ist die Rechtsprechung des BSG zum Off-label-use aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Auch bei einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage liegt somit kein Verfassungsverstoß vor, wenn die Leistungspflicht einer Krankenkasse im Rahmen der zulassungsüberschreitenden Anwendung eines Arzneimittels mit der Begründung verneint wird, nach den vorliegenden Erkenntnissen lägen keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse vor, aus denen sich hinreichende Erfolgsaussichten für den begehrten Off-label-use ableiten ließen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2008, - 1 BvR 1665/07 -, veröffentlicht in Juris).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Versicherte an lebensbedrohlichen Erkrankungen (embryonales Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierungen) litt. Zur Behandlung dieser Krankheiten sollte Polyglobin jedoch nach dem klägerischen Vorbringen nicht eingesetzt werden. Dass die vom Berufungskläger zu 1) angegebenen, nach seiner Auffassung mit Polyglobin zu behandelnden Erkrankungen – die Antikörpermangelzustände und ständige Atemwegsinfekte – zu einer Lebensgefahr des Versicherten geführt hätten, ist ebenso wenig ersichtlich wie eingeschränkte Therapiemöglichkeiten dieser beiden Krankheiten aufgrund der Krebserkrankung. Die o.g. Rechtsprechung des BVerfG ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
(5) Ein Schaden i.S.v. § 14 PV ist schließlich auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Beigeladenen zu 2) – wie die Berufungskläger meinen - im Falle rechtmäßigen Alternativverhaltens höhere Kosten (z.B. durch dann erforderlich Krankenhausbehandlung) entstanden wären. Schadensmindernde Vorteile muss sich der Geschädigte bei der Ermittlung des eingetretenen Vermögensschadens grundsätzlich nur entgegenhalten lassen, wenn die Anrechnung dem Zweck des Schadenersatzes entspricht (normativer Schadensbegriff; vgl. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (MüKo) / Oetker § 249 Rd. 228 m.w.N.). Ob das der Fall ist, ist unter Berücksichtigung rechtlicher Wertungen außerhalb des Schadenersatzrechts zu bestimmen. Maßgeblich ist hierbei, dass die für die Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit maßgebenden Rechtsvorschriften (auch) dazu bestimmt sind, die Funktionsfähigkeit des kassenärztlichen Systems als Ganzes zu sichern, und dass dieser Zweck nicht durch die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze unterlaufen werden darf. Diese Rechtsprechung ist auf Fälle des Schadenersatzes wegen unrechtmäßig veranlasster Leistungen zu übertragen. Eine andere Bewertung würde es z.B. ermöglichen, dass nicht zugelassene Ärzte Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen veranlassen, ohne hierzu berechtigt und ohne an die für zugelassene Kassenärzte geltenden gesetzlichen und vertraglichen Einschränkungen gebunden zu sein (BSG Urteil vom 21. Juni 1995, - 6 RKa 60/94 -, SozR 3-2500 § 95 Nr. 5; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Mai 2006, - L 4 KA 14/04 -, veröffentlicht in Juris). Der Festsetzung eines Schadens kann deshalb der Einwand ersparter Aufwendungen im Ergebnis nicht entgegengehalten werden.
cc) Der streitgegenständliche Regressanspruch setzt kein Verschulden des Klägers voraus. Ein Verschulden als Tatbestandsmerkmal verlangen zum einen weder § 14 PV - außer wenn man ein Verschuldenserfodernis dem Begriff der Außerachtlassung der der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt entnähme -, noch die den Begriff des sonstigen Schadens im Zusammenhang mit der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel erwähnenden § 48 Abs. 1 BMV-Ä bzw. § 44 Abs. 1 EKV-Ä. Zum anderen aber – und dies ist entscheidend – kommt es für die Festsetzung eines Regresses wegen Verstößen gegen die AMR bzw. wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nach der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 30. Mai 2006, - B 6 KA 14/06 B -, veröffentlicht in Juris; Urteil vom 20. Oktober 2004, - B 6 KA 65/03 R -, SozR-4-2500 § 106 Nr. 7; Urteil vom 28. April 2004, - B 6 KA 24/03 R -, USK 2004-129; Urteil vom 21. Mai 2003, - B 6 KA 32/02 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr. 1; vgl. auch Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, S. 319) auf ein Verschulden des Arztes nicht an.
Dies entspricht dem hohen Stellenwert, der dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Instrument der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zukommt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V hat eine wichtige Ausprägung durch die Regelungen über die Wirtschaftlichkeitsprüfung in § 106 Abs. 1 SGB V erfahren. Diese verpflichten die Träger der gemeinsamen Selbstverwaltung zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Schon das Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) hat die Notwendigkeit wirtschaftlicher Leistungserbringung für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der GKV hervorgehoben und eine strikte Verpflichtung der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung durch die (zahn)ärztlichen Leistungserbringer normiert; diese hat der Gesetzgeber in der Folgezeit mit Änderungen des § 106 SGB V durch das GSG von 1992 und durch das Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) fortgeschrieben. Den hohen Rang der Wirtschaftlichkeitsprüfung hat der Gesetzgeber mit verschiedenen Regelungen deutlich gemacht. Er hat dem in § 12 Abs. 1 SGB V normierten Gebot, dass die Leistungserbringer unwirtschaftliche Leistungen nicht bewirken dürfen, zusätzlich durch § 2 Abs. 1 Satz 3, § 70 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2, § 75 Abs. 1 SGB V Ausdruck verliehen (BSG Urteile vom 21. Mai 2003, - B 6 KA 32/02 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr. 1, und vom 28. April 2004, - B 6 KA 24/03 R -, USK 2004-129, jeweils m.w.N.)
Im Übrigen sind Regresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel auch ihrem Gegenstand nach von Schadensregressen anderer Art zu unterscheiden. Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und aushändigt werden durften. Der typische Schadensregress außerhalb des Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass das Verhalten des Arztes (z.B. ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Kasse ausgelöst hat (z.B. aufwändige Nachbehandlungen, Leistungen wegen Mutterschaft). Der hier zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar. Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht dagegen demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise i.S.v. § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V verursacht wird. Der Unterschied besteht allein darin, dass ein Regress wegen unzulässiger Verordnungen an einzelne Verordnungen des Arztes gegenüber bestimmten Patienten und nicht an sein Verordnungsverhalten in einem bestimmten Zeitraum insgesamt anknüpft.
dd) Auch sonstige Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes oder der Grundsatz von Treu und Glauben stehen – entgegen der klägerischen Auffassung – der Festsetzung eines Regresses im vorliegenden Fall nicht entgegen.
Vertrauensschutz setzt einen gegenüber dem betroffenen Arzt gesetzten besonderen Vertrauenstatbestand voraus (Engelhard, a.a.O., Rd. 356). Hinsichtlich der rückwirkenden Korrektur von Honorarbescheiden hat das BSG in der bloßen Duldung einer objektiv fehlerhaften Abrechnungspraxis durch eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung keinen Vertrauenstatbestand gesehen (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr. 1; s. auch SozR 4-2500 § 95 Nr. 8). Selbst wenn in der Vergangenheit entsprechende Verordnungen des Arzneimittels Polyglobin für den Versicherten unbeanstandet geblieben wären, wäre dies nach diesen Maßstäben unbeachtlich.
Auch eine möglicherweise unklare Rechtslage wäre nicht geeignet, Vertrauensschutz zugunsten des verordnenden Arztes zu begründen, da sie ihm nicht die Gewissheit von der Rechtmäßigkeit seines Handelns vermitteln kann. Er kann in dieser Situation allenfalls hoffen, dass sich die von ihm vertretene Ansicht als die zutreffende erweisen wird. Die Berufungskläger hatten aber ebenso in Erwägung zu ziehen, dass sich die andere Ansicht durchsetzen könnte und sich ihre Verordnung als unzulässig erweisen werde. Bei unklarer Rechtslage hat jeder Vertragsarzt die Möglichkeit, das Präparat auf Privatrezept zu verordnen und so den Kostenträger in die Lage zu versetzen, eine Entscheidung über seine Leistungspflicht zu treffen (vgl. zu dieser Vorgehensweise: BSG, Beschluss vom 31. Mai 2006, - B 6 KA 53/05 B -, veröffentlicht in Juris). Dem steht § 29 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä bzw. § 15 Abs. 1 Satz 2 EKV-Ä – nach diesen Vorschriften ist die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse unzulässig – nicht entgegen. Denn diese Vorschriften betreffen offensichtlich nur vertragsärztliche Arzneimittelverordnungen, wie sich insbesondere aus § 29 Abs. 9 bis 11 BMV-Ä bzw. § 15 Abs. 8 bis 10 EKV-Ä ergibt.
Bei einer vertragsärztlichen Verordnung hat die Krankenkasse in jedem Fall gegenüber dem Versicherten die Kosten zu übernehmen; sie hat in diesem Fall nur die Möglichkeit, ihre fehlende Leistungspflicht im Wege des Regresses gegenüber dem Arzt geltend zu machen. Der Arzt übernimmt daher mit einer vertragsärztlichen Versorgung die Verantwortung dafür, dass das Arzneimittel zum Leistungsspektrum der GKV zählt. Wenn sich die Berufungskläger dafür entschieden haben, die Verordnungen zu Lasten der Beigeladenen zu 2) vorzunehmen, so haben sie als Gemeinschaftspraxis auch für diese objektiv fehlerhaften Verordnungen einzustehen.
Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt nichts anderes. Die Klägerseite meint, die Beigeladene zu 2) habe ihre Befugnis, die Festsetzung eines Regresses zu beantragen, dadurch verwirkt, dass sie wegen vom Berufungskläger veranlasster Verordnungen von Polyglobin in den Jahren 1997 und 1998 keinen Antrag gestellt habe. Eine Verwirkung liegt hier insbesondere deswegen nicht vor, weil insoweit zu einer längeren Untätigkeit des Inhabers eines Rechts (hier: der Beigeladenen zu 2) – sog. Zeitmoment – besondere Umstände hinzutreten müssen – sog. Umstandsmoment –, die bei der Gegenpartei (hier: der Klägerin) einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben (MüKo / Roth § 242 Rd. 306 m.w.N.). An letzterem fehlt es jedoch schon nach dem oben Gesagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision wurde wegen Abweichungen von Urteilen des BSG zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen der Verordnung des zu den Immunglobulinen zählenden, intravenös (i.v.) zu verabreichenden Arzneimittels Polyglobin 5%/10 % durch die Berufungskläger in den Quartalen I und III/2000.
Der Berufungskläger zu 1) nimmt an der hausärztlichen Versorgung in Berlin teil. In der Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2004 führte er mit der Berufungsklägerin zu 2), einer Internistin, eine Gemeinschaftspraxis. Der Berufungskläger zu 1) verordnete im Quartal I/2000 seinem bei der Beigeladenen zu 2) krankenversicherten, 1966 geborenen Patienten J M (im Folgenden: der Versicherte) zur Behandlung der Erkrankungen "embryonales Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierungen" das Arzneimittel Polyglobin 5 % bzw. 10%. Dieselben Verordnungen nahmen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Quartal III/2000 vor. Die Verordnungen betrafen - im Quartal I/2000 7 Fälle - im Quartal III/2000 5 Fälle.
Diese Arzneimittel sind nach der Fachinformation (Stand: September 1999 bzw. Februar 2000) für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:
Polyglobin wird eingesetzt zur Substitution bei primären und sekundären Immunmangelkrankheiten zur Vorbeugung und Behandlung von damit einhergehenden Infektionen sowie zur Modulation und Kontrolle der Immunantwort der Patienten bei verschiedenen Erkrankungen
Primäre Immunmangelsyndromen wie - Kongenitale Agammaglobulinämie und Hypogammaglobulinämie - Allgemeine, variable Immunmangelkrankheiten - Schwere kombinierte Immunmangelkrankheiten - Wiskott-Aldrich Syndrom
Sekundäre Immunmangzustände:
- bei chronisch-lymphatischer Leukämie (CLL) oder Multiplem Myelom mit rezidivierenden bakteriellen Infektionen
durch Immunmodulation behandelbare Erkrankungen wie:
- Idiopathische (autoimmune) thrombozytopenische Purpura (ITP) bei Erwachsenen und Kindern in kritischen Situationen oder vor Operationen - Kawasaki Syndrom (in Verbindung mit einer Acetylsalicylsäure-Therapie) - Allogene Knochnemarktransplantation - Guillain-Barré Syndrom mit fortschreitenden Lähmungserscheinungen Anwendung bei Kindern: Für die Anwendung von intravenösem Immunglobulin bei Kindern mit Guillain-Barré Syndrom liefern die begrenzten Erfahrungen aus kleineren klinischen Studien und Fallberichten keine ausreichende Basis.
Aids bei Kindern.
Mit am 25. Mai 2001 beim Prüfungsausschuss eingegangen Schreiben stellte die BKK Berlin - eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2) - wegen der oben genannten Verordnungen einen "Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 14 der Prüfvereinbarung vom 10. Januar 1994" und nannte im Betreff "Gemeinschaftspraxis Drs. med. K und D". Der Prüfungsausschuss veranlasste eine Stellungnahme der Ärzte und setzte mit Bescheid vom 27. September 2001 "gemäß § 14 der Prüfvereinbarung [ ...] einen Regress für die Verordnung von Polyglobin in Höhe von DM 34.855,79 fest" (Adressat: Drs. K/D). Er legte hierbei einen Arzneimittelpreis (Brutto) von 2.877,32 DM - 3.265,38 DM je Verordnung, insgesamt 36.799,78 DM, zugrunde und zog hiervon einen Apothekenrabatt in Höhe von 5 % (1.839,99 DM) und von dem Versicherten geleistete Zuzahlungen in Höhe von 104,00 DM ab. Den von beiden Berufungsklägern eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit seiner Entscheidung vom 25. März 2003 (betroffen: Gemeinschaftspraxis Drs. K/D) zurück und führte zur Begründung unter anderem aus: Da die von der Gemeinschaftspraxis angeführte Thrombozytopenie nicht habe belegt werden können (Thrombozytenwerte z.T. über 10.000/µl), sei Polyglobin nicht im Rahmen der Zulassungsindikation verordnet worden.
Mit ihrer Klage zum Sozialgericht hat die Klägerin vorgebracht, eine rechtliche Grundlage für das von den Prüfgremien gewählte Verfahren existiere nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Regress wegen einer unzulässigen Arzneimittelverordnung kategorial von einer Schadensersatzverpflichtung wegen eines sonstigen Schadens im Rahmen der Bundesmantelverträge zu unterscheiden. Das gegen sie durchgeführte Prüfverfahren könne nicht als Verfahren auf Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 14 der Prüfvereinbarung (PV) angesehen werden. Von der in § 106 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) eröffneten Möglichkeit der Einführung eines weiteren Prüfverfahrens, mit dem Verordnungsregresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln im Einzelfall festgesetzt werden könnten, hätten die Vertragspartner im Bereich der Beigeladenen zu 1) keinen Gebrauch gemacht. Aber auch für den Fall, dass das vorliegende Prüfverfahren § 14 Abs. 1 PV unterfalle, sei zumindest die Antragsfrist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 PV von 6 Monaten seit Bekanntwerden des Sachverhalts nicht eingehalten. Wegen § 6 Abs. 1 der Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V sei davon auszugehen, dass die zeitlich letzte Arzneimittelverordnung spätestens Ende Oktober 2000 mit der Beigeladenen zu 2) abgerechnet worden sei, so dass ein Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens nur bis April 2001 zulässig gewesen wäre. Die Rechtsprechung des BSG stehe einer solchen Fristenregelung nicht entgegen. Im Übrigen seien die von der Beigeladenen zu 2) aufgeführten Arzneimittelverordnungen auch materiell rechtmäßig. Die Wirksamkeit und auch Unbedenklichkeit der Anwendung von Immunglobulinen sei in zahlreichen klinischen Studien bereits nachgewiesen worden. Die Vergabe von Polyglobin sei nicht erst dann indiziert, wenn ein Antikörpermangelsyndrom laborchemisch nachgewiesen sei. Es bestehe auch keine Norm, die dem Arzt die Pflicht auferlege, vor jeder Vergabe von Immunglobulinen eine laborchemische Untersuchung zu erbringen. Die Vergabe von Polyglobin an den Kläger sei indiziert gewesen. Der Kläger habe an einem klinisch offensichtlich bestehenden Antikörpermangelzustand gelitten. Es sei eine Therapie ständiger Atemwegsinfekte erforderlich gewesen, die neben der Gabe von GCSF, Kortikosteroiden und Antibiotika in besonders kritischen Phasen die Verordnung von Immunglobulinen erforderlich gemacht habe, da Thrombozytentransfusionen nicht ausreichend gewirkt hätten. Ungeachtet dessen hätten auch die vom BSG aufgestellten Kriterien für einen Off-label-use vorgelegen: Es liege eine schwerwiegende Erkrankung vor, ohne dass eine therapeutische Alternative bestehe. Aufgrund der von ihr eingereichten wissenschaftlichen Veröffentlichungen habe sie von einem zulässigen Off-label-use ausgehen dürfen. Unabhängig von der Verordnungsfähigkeit der oben genannten Arzneimittel sei die angegriffene Entscheidung des Beklagten aber auch deswegen rechtswidrig, weil eine für die Feststellung eines sonstigen Schadens im Bereich der Beigeladenen zu 1) erforderliche schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten nicht vorliege. Darüber hinaus sei der Beigeladenen zu 2) kein Vermögensschaden entstanden. Denn das rechtmäßige Alternativverhalten der Klägerin in Form einer Einweisung des Versicherten ins Krankenhaus hätte die Krankenkasse nicht weniger belastet, sondern höhere Kosten verursacht.
Mit Urteil vom 14. Juni 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Ein indikationsgerechter Einsatz der Immunglobuline lasse sich nicht feststellen. Laboruntersuchungen für das Vorliegen der Erkrankungen, für die dieses Arzneimittel zugelassen sei, habe die klagende Gemeinschaftspraxis nicht vorgelegt. Das gelte insbesondere für einen Antikörpermangelzustand. Dass die Voraussetzungen für einen zulassungsüberschreitenden Einsatz (Off-label-use) nach den Kriterien des BSG vorlägen, könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Auf ein Verschulden komme es nicht an. Kompensatorische Einsparungen seien nicht zu erkennen.
Im Rahmen seiner am 24. August 2006 eingelegten Berufung gegen das den Klägern am 27. Juli 2006 zugestellte o.g. Urteil wiederholt der Berufungskläger zu 1) das erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin. Ergänzend vertritt er die Auffassung, die Verordnung von Polyglobin sei notwendig und indiziert gewesen. Der Patient habe mehrfach aggressive Chemotherapien erhalten. Diese hätten zu Leukozytopenien, Thrombozytopenien und einem Antikörpermangel geführt. Auch Wachstumsfaktoren und Antibiotika hätten wiederholt auftretende bakterielle und virale Infekte nicht eindämmen können; außerdem sei es zu thrombopenischen Blutungen gekommen. Verordnungen von Polyglobin seien nach der Fachinformation bei primären und sekundären Immunmangelsyndromen zulässig; die nachfolgende Aufzählung einzelner Krankheiten sei nur exemplarisch und nicht abschließend zu verstehen. Zumindest sei der Regress wegen Verstoßes gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes rechtswidrig. Die vom BSG in seinem Urteil vom 19. März 2002 (erstmals) aufgestellten Voraussetzungen für einen nur eingeschränkt zulässigen Off-label-use habe er bei seinen Verordnungen in den Quartalen I/2000 und III/2000 noch nicht kennen können; die Rechtmäßigkeit dürfe daher nicht an diesen Voraussetzungen geprüft werden. Vielmehr habe er auf das Urteil des BSG vom 15. Juli 1995 - Remedacen - vertrauen dürfen, demzufolge auch indikationsfremde Verordnungen zu Lasten der Krankenkassen zulässig seien. Im Hinblick hierauf habe das BSG in seiner Entscheidung vom 30. September 1999 (SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 - SKAT -) einem Versicherten im Rahmen eines Erstattungsanspruches nach § 13 Abs. 3 SGB V Vertrauensschutz gewährt, obwohl es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer zulassungsüberschreitenden Anwendung von Arzneimitteln ausgegangen sei. Auch bei Rechtsprechungsänderungen seien daher Aspekte des Vertrauensschutzes zu beachten. Ein Fall der echten Rückwirkung liege vor. Die Verordnung von Polyglobin sei auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – (Beschluss vom 6. Dezember 2005, - 1 BvR 347/98 -, BVerfGE 115, 25) sowie das diese Entscheidung umsetzende Urteil des BSG vom 4. April 2006 (B 1 KR 7/05 R - "Tomudex" -) wegen der für den Versicherten bestehenden Lebensgefahr zulässig gewesen.
Die Berufungsklägerin zu 2) hat sich dem Vorbringen des Berufungsklägers zu 1) im Wesentlichen angeschlossen und teilt seine Rechtsauffassung. Ergänzend macht sie geltend: Im Quartal I/2000 sei sie mit dem Berufungskläger zu 1) (noch) nicht in einer Gemeinschaftspraxis tätig gewesen, so dass sie in dieser Zeit wegen des Regresses auch nicht in Anspruch genommen werden dürfe.
Der Berufungskläger zu 1) und zu 2) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2003 aufzuheben,
hilfsweise,
entsprechend dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 12. März 2009, Satz 5, Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 2) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene zu 1) hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Berufungskläger zu 1) und 2) sind zulässig. Die Rechtsmittelbefugnis und die Aktivlegitimation der Berufungskläger zu 1) und zu 2) unterliegen keinen Bedenken, weil der Regressbescheid an die aus ihnen bestehende Gemeinschaftspraxis, die Klägerin, adressiert war. Die Partner einer Gemeinschaftspraxis haften für Regresse als Gesamtschuldner i.S. der §§ 421 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Ein Gesamtschuldner ist berechtigt, eine Forderung, die - allein oder auch - ihm gegenüber geltend gemacht wird, allein abzuwehren. Ein Fall notwendiger Streitgenossenschaft i.S. des § 74 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 62 ZPO ist ebenso wenig wie ein Fall notwendiger Beiladung (§ 75 Abs. 2 SGG) gegeben (vgl. BSG SozR 3-1500 § 58 Nr. 1 S 2 und 3).
Die Berufungen der Berufungskläger sind auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn die Festsetzung eines Regresses gegen die Gemeinschaftspraxis für das Quartal I/2000 ist rechtwidrig und verletzt die Berufungskläger in ihren Rechten. Dagegen ist der Regress für das Quartal III/2000 nicht zu beanstanden.
1.) Die Berufungskläger waren seit dem Quartal III/2000 in einer Gemeinschaftspraxis vertragsärztlich tätig und hatten die hier streitigen Arzneimittelverordnungen zu verantworten; für den davor liegenden Zeitraum traf diese Verantwortlichkeit nur den Berufungskläger zu 1) allein. Denn zu diesem Zeitpunkt bestand die Gemeinschaftspraxis noch nicht. Deshalb hätte der Regressbescheid für das Quartal I/2000 auch nur gegen den Berufungskläger zu 1) und nicht gegen die Gemeinschaftspraxis gerichtet werden dürfen.
Eine Gemeinschaftspraxis i.S.v. § 33 Abs. 2 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ist durch die gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Karteiführung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung geprägt. Sie ist berechtigt, ihre Leistungen unter einer einzigen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abzurechnen, und tritt dieser dementsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber. Rechtlich gesehen ist eine Gemeinschaftspraxis eine Praxis. Sie verfügt über eine gemeinschaftliche Patientendatei und rechnet die erbrachten Leistungen unter einem Namen ab. Die Behandlung eines Patienten in einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der Gemeinschaftspraxis stellt sich als ein Behandlungsfall dar. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise wird nicht bezogen auf den einzelnen Arzt, sondern bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit geprüft; etwaige Honorarkürzungen und/oder Regresse hat die Gemeinschaftspraxis zu tragen. Schließlich werden in einer Gemeinschaftspraxis die Behandlungsverträge nicht zwischen Patient und behandelndem Arzt, sondern zwischen ihm und der Gemeinschaftspraxis geschlossen. Dieser besondere vertragsarztrechtliche Status, mit dem eine Gemeinschaftspraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, ist unteilbar (BSG SozR 4-1930 § 6 Nr. 1 m.w.N.).
Daher setzt eine Gemeinschaftspraxis i.S.v. § 33 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV das Bestehen einer GbR oder - was hier nicht näher zu behandeln ist - einer Partnerschaftsgesellschaft zwischen den (potenziellen) Partnern der Gemeinschaftspraxis voraus. Die GbR - nicht ihre einzelnen Mitglieder - ist Gläubiger der Honorarforderung im Verhältnis zur KV. Der Honoraranspruch aus den ärztlichen Leistungen ihrer Mitglieder steht nur der GbR selbst zu, denn diese ist nach der Rechtsprechung des BGH selbst Träger aller Rechte und Pflichten im Rechtsverkehr (BGHZ 146, 341 ff). Umgekehrt richten sich Ansprüche der KV im Zusammenhang mit Honorarberichtigungen oder Honorarrückforderungen gegen die Gemeinschaftspraxis selbst und nicht gegen nur einzelne ihr angehörende Ärzte. Das gilt auch für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) sowie für Regresse wegen unwirtschaftlicher oder unzulässiger Verordnungen von Arznei- bzw. Heil- und Hilfsmitteln. Nicht die Behandlungs- und Verordnungsweise des einzelnen Arztes, sondern der Gemeinschaftspraxis ist Gegenstand der Prüfung durch die Prüfgremien gemäß § 106 SGB V (BSGE 91, 164). Daraus folgt, dass der gegen die Gemeinschaftspraxis gerichtete Bescheid für das Quartal I/2000 in vollem Umfang rechtswidrig ist und nicht nur, soweit durch ihn auch die Berufungsklägerin zu 2) betroffen ist.
2.) Die Festsetzung eines Regresses für das Quartal III/2000 ist hingegen rechtmäßig. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sind § 106 Abs. 2 und 3 SGB V in der bis zum 30. Dezember 2001 geltenden, hier maßgeblichen Fassung i.V.m. § 14 ("Prüfung in besonderen Fällen / sonstiger Schaden") der zwischen der Beigeladenen zu 2) und den (Landes-)Verbänden der Krankenkassen im Land Berlin abgeschlossenen Prüfvereinbarung (PV) vom 10. Januar 1994.
Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung geprüft durch 1. arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung der Richtgrößen nach § 84 SGB V (Auffälligkeitsprüfung), 2. arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 vom Hundert der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung).
Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (§ 106 Abs. 2 Satz 4, 1. Halbsatz SGB V). Nach Abs. 3 Sätze 1 und 3 dieser Vorschrift vereinbaren die in Absatz 2 Satz 4 genannten Vertragspartner die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 2 gemeinsam und einheitlich. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen vorgenommen werden.
Hierauf gestützt vereinbarten die o.g. Vertragspartner auf Landesebene in § 14 PV:
"1. Der Prüfungsausschuss entscheidet auf Antrag einer Krankenkasse im Einzelfall über einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Vertragsarzt oder eine der Personen, für die er haftet, bei Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat. Unterschiedliche vertragliche Regelungen (Bundesmantelvertrag, Arzt-/Ersatzkassenvertrag) finden Anwendung.
2. Der Antrag ist zu begründen und muss innerhalb einer Frist von 6 Monaten seit Bekanntwerden des Sachverhalts beim Prüfungsausschuss vorliegen. Bei nicht verordnungsfähigen Präparaten beginnt die Frist mit dem Eingang der sortierten Rezepte bei der jeweiligen Krankenkasse. Die Krankenkasse muss dem Antrag alle zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen und die Nachweise zur Schadenshöhe beifügen sowie die Höhe des Schadens benennen.
3. Hält die KV Berlin Regressansprüche gegen einen Vertragsarzt wegen der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln, die von der Versorgung ausgeschlossen sind, für berechtigt, wird sie den Vertragsarzt entsprechend informieren und den jeweiligen Schadensbetrag bei Einverständnis des Vertragsarztes einbehalten und an die Krankenkasse abführen.
4. Der Antrag kann sich nur auf den Zeitraum der letzten, dem Antrag vorausgegangenen 2 Kalenderjahre erstrecken.
5. Ein Antrag ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Schadensbetrag DM 100,00 nicht übersteigt. Dies gilt nicht für Anträge betreffend ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel gemäß gesetzlicher oder vertraglicher Regelungen."
a) Der angefochtene Bescheid ist nicht wegen der Versäumung der Antragsfrist nach § 14 Nr. 2 PV formell rechtswidrig. Dabei kann offen bleiben, ob der Antrag der Beigeladenen zu 2) die in § 14 Nr. 2 PV geregelte Antragsfrist wahrt. Denn zumindest für den hier streitgegenständlichen Zeitraum verstieß eine Antragsfrist im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegen höherrangiges Recht.
Zwar ist der Beklagte bei Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung grundsätzlich an die Bestimmungen der PV gebunden. Bei der auf der Grundlage von § 106 Abs. 3 Sätze 1 und 3 SGB V abgeschlossenen PV handelt es sich um einen Normvertrag auf der Ebene des Gesamtvertrags. Zu den wesentlichen Merkmalen eines solchen Normvertrages gehört es, dass seine Regelungen für die von ihm betroffenen Beteiligten verbindlich sind. Nur soweit die Vorschriften in der PV gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere mit den bundesrechtlichen Vorgaben zur effektiven Überwachung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Leistungserbringer nicht vereinbar sind, sind sie nach den allgemeinen Regeln der Normenhierarchie nichtig und damit auch für den Beklagten nicht maßgeblich (BSG Urteil vom 23. Februar 2005, - B 6 KA 72/03 R - , SozR 4-2500 § 106 Nr. 8; SozR 3-2500 § 106 Nr. 33, 51 und 53).
§ 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V beinhaltet eine Ermächtigungsgrundlage auch für Regresse wegen der unzulässigen Verordnung von Arzneimitteln (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 52). Während jedoch gemäß § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung der Prüfungsausschuss (nur) auf Antrag über einen Verstoß des Vertragsarztes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot entschied und gemäß § 106 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung in den Prüfvereinbarungen auf regionaler Ebene auch festzulegen ist, dass der Prüfungsausschuss (ab 1. Januar 2008: die Prüfungsstelle) auf Antrag der KV, der Krankenkasse oder ihres Verbandes Einzelfallprüfungen durchführt, ging der Gesetzgeber für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2003 davon aus, dass jede Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Amts wegen zu erfolgen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2005, - B 6 KA 63/04 R -, veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de; Engelhard, in: Hauck/Noftz SGB V § 106 Rd. 528). War demnach ein Antrag im fraglichen Zeitraum keine Verfahrensvoraussetzung, kann es auch nicht auf die Einhaltung einer Antragsfrist ankommen.
Dem steht die Rechtsprechung des BSG nicht entgegen. Dieses hat zwar in Prüfvereinbarungen Antragsfristen für die Einleitung des Verfahrens gebilligt (Urteil vom 27. Juni 2001, - B 6 KA 66/00 R -). Der Entscheidung lag jedoch ein Sachverhalt zugrunde, für den § 106 SGB V sowohl bezüglich des Zeitraums der zu prüfenden Quartale als auch bezüglich des Zeitpunkts der Entscheidung des Beschwerdeausschusses ein Antragserfordernis vorsah.
Maßgeblich für die Frage des anzuwendenden Verwaltungsverfahrensrechts ist der Zeitpunkt, zu dem die Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt wird. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Verfahrensrechts, dass neue Bestimmungen auch für schwebende Verfahren gelten, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, mithin auch für die Geltendmachung und Durchsetzung materiellrechtlicher Ansprüche, die schon vor der Änderung des Verfahrensrechts entstanden sind (BSG, Urteil vom 21. Juni 1995, - 6 RKa 54/94 -, BSGE 76, 149; BSG SozR 3-4100 § 152 Nr. 8 m.w.N.). Materiell-rechtlich ist hingegen das zum Zeitpunkt der Arzneimittelverordnung geltende Recht anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2008, - B 6 KA 34/07 R -, veröffentlicht unter www.bundessozial¬ge¬richt.de).
b) Der gegen die Gemeinschaftspraxis für das Quartal III/2000 festgesetzte Regress ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat der Beklagte gegen die Klägerin einen Schadensersatz i.S.v. § 14 Abs. 1 PV wegen Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt festgesetzt.
aa) Entgegen der Rechtsauffassung der Berufungskläger dient § 14 PV nicht nur als Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines sonstigen Schadens. Der Wortlaut von Ziff. 2 Satz 2, 3 und 5 Satz 2 dieser Vorschrift belegt, dass der Prüfungsausschuss auch zur Festsetzung von Regressansprüchen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel ermächtigt wurde.
bb) Ein Schaden i.S.v. § 14 PV ist der Beigeladenen zu 2) dadurch entstanden, dass die Klägerin in dem Quartal III/2000 in insgesamt 5 Fällen Immunglobuline für den Versicherten verordnete, obwohl hierfür keine Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestand.
(1) Gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der 2000 geltenden, hier maßgeblichen Fassung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch des Versicherten unterliegt dabei allerdings den sich aus §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Danach umfasst er nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Bezogen auf die Arzneimitteltherapie bedeutet dies, dass es zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben muss, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Es fehlt deshalb an der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist (BSGE 93, 1 mit Nachweisen zur st. Rspr.).
Das von der Klägerin verordnete Immunglobulin ist als Serum Fertigarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 3 Arzneimittelgesetz (AMG). Als solches hat es eine Zulassung gemäß § 21 Abs. 1 AMG. Die streitgegenständlichen Verordnungen der Klägerin für den Versicherten bewegten sich jedoch außerhalb der von der Zulassung umfassten Anwendungsgebiete. Denn der Senat hat ebenso wie das Sozialgericht einen Einsatz des Arzneimittels für die Behandlung einer Erkrankung, für die eine Zulassung des hier eingesetzten Arzneimittels bestand, nicht feststellen können. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen hat der Senat, der mit einem ärztlichen Beisitzer sachkundig besetzt war, für das Quartal III/2000 weder einen offensichtlichen Antikörpermangelzustand noch eine Thrombozytopenie entnehmen können. Im Hinblick darauf kann offen bleiben, ob ein Antikörpermangelsyndrom laborchemisch nachgewiesen werden musste. Denn die zulassungskonforme Anwendung von Polyglobin beim Vorliegen eines Antikörpermangelsyndroms (Immunmangelsyndrom) setzt entweder ein primäres, d. h. die Grunderkrankung oder die auslösende Krankheitsursache bildendes Immunmangelsyndrom oder - bei sekundärem Immunmangelsyndrom - Grunderkrankungen wie eine chronisch-lymphatische Leukämie oder ein Multiples Myelom voraus, was unstreitig beim Versicherten nicht vorlag. So konnten auch 2006 durchgeführte Untersuchungen keinen spezifischen Infekt des zellulären oder humoralen Immunsystems feststellen, Immunglobuline und Immunglobulinfaktoren waren beim Versicherten im Normbereich. Für das Vorliegen einer der anderen von der Zulassung umfassten Indikationen fehlen jegliche Anhaltspunkte.
(2) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (seit dem Urteil vom 19. März 2002, BSGE 89, 184) kann ein zugelassenes Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt. Davon kann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, keine andere Therapie verfügbar ist, und auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Zweifellos handelte es sich in den streitgegenständlichen Behandlungsfällen um schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankungen. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit in diesem Krankheitsstadium eine andere Therapie zur Verfügung stand. Jedenfalls fehlt es an dem Nachweis, dass nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse die begründete Aussicht bestand, dass mit der Verabreichung von Immunglobulin ein Behandlungserfolg hätte erzielt werden können. Hierfür müssten Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten ließen, dass das bzw. die Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden könnten. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und deshalb in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (BSG a.a.O.).
Diese Voraussetzungen lagen und liegen bzgl. der Verordnung von Polyglobin für die Behandlung der beim Versicherten vorliegenden Erkrankungen nicht vor. Die Klägerin bzw. die Berufungskläger haben während des gesamten Verfahrens keine einzige wissenschaftliche Arbeit benannt, die auf der Grundlage einer kontrollierten, randomisierten Doppelt-Blind-Studie einen Nachweis für einen positiven Einfluss von Polyglobin auf die bei dem Versicherten vorliegenden Erkrankungen nachweisen konnte. Die von der Bundesärztekammer (zuletzt in der 3. überarbeiteten und erweiterten Auflage von 2003) veröffentlichte "Leitlinie zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten" bestätigt in ihrem Kapitel 14 (nach der von der Klägerseite zitierten früheren Auflage offensichtlich Kapitel 11) unter Ziffer 14.5.2 ("Indikation für normale Immunglobuline zur intravenösen Injektion (ivIg)") vielmehr die Rechtsauffassung der Beklagten und der Beigeladenen zu 2). Denn an dieser Stelle der Leitlinien werden lediglich Anwendungshinweise für den Einsatz von Immunglobulinen innerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete erteilt. Auch in Abschnitt 14.5.2.5 ("Nicht zugelassene Indikation") wird keine der Erkrankungen des Versicherten erwähnt. Eine Empfehlung der Bundesärztekammer zur Anwendung von Polyglobin für einen Off-label-use in einem im vorliegenden Fall relevanten Bereich liegt daher gerade nicht vor.
Die weiteren von der Klägerin bzw. den Berufungsklägern eingereichten medizinischen Veröffentlichungen belegen jedenfalls für sich genommen (noch) keinen Konsens in den einschlägigen Fachkreisen. Deswegen bestand für den Senat auch keine Notwendigkeit, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für einen Off-label-use nachzukommen.
(3) Für die Zeit vor Erlass des Urteils des BSG vom 19. März 2002 (Off-label-use) ergab sich die Leistungspflicht der Beigeladenen zu 2) für die zulassungsüberschreitende Anwendung von Polyglobin und somit die Verordnungsfähigkeit dieses Arzneimittels auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Soweit der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 30. September 1999 (BSGE 85, 36 – SKAT –) die Rechtsauffassung vertritt, bis zur Veröffentlichung seiner Entscheidung habe man wegen des Urteils des 1. Senats des BSG vom 5. Juli 1995 (BSGE 76, 194 – Remedacen –) darauf vertrauen dürfen, dass auch indikationsfremde Arzneimittelverordnungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig seien, teilt der Senat diesen Standpunkt nicht. In dem vom 1. Senat des BSG entschiedenen Fall machte eine heroinabhängige Versicherte einen Kostenerstattungsanspruch für selbstbeschaffte, ihr im Zeitraum Oktober 1989 bis April 1990 ärztliche verordnete Remedacen-Kapseln geltend. Fraglich war insbesondere, ob dieses Arzneimittel ungeachtet der in der Zulassung genannten Indikationen schon vor In-Kraft-Treten der Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen zur Methadon-Substitutionsbehandlung am 1. Oktober 1991 zur Drogensubstitution eingesetzt werden durfte. Zwar findet sich in der Entscheidung des 1. Senats die Formulierung, es spiele "rechtlich keine Rolle, dass Remedacen für die Anwendung bei akutem oder chronischem Reizhusten zugelassen worden ist und nicht als Substitutionsmittel bei Drogenabhängigkeit". Nicht zuletzt wegen der vom 1. Senat des BSG hierzu verfassten Leitsätze, welche nur die Themen "Drogensubstitution" und "neue Behandlungsmethoden" erwähnen, konnte dieser Entscheidung nach Auffassung des Senats jedoch nicht die allgemeine Aussage entnommen werden, die zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln sei in jeder Hinsicht erlaubt. Denn der 1. Senat des BSG hat auch in diesem Fall die Leistungspflicht der Krankenkassen für eine Behandlungsmethode, die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht empfohlen worden war, davon abhängig gemacht, dass sich die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachweisen ließ und gegen die Qualität der Methode – auch unter Berücksichtigung eventueller Nebenwirkungen – keine durchgreifenden Bedenken bestanden (Leitsatz 2 der Entscheidung des 1. Senats). Der zulassungsüberschreitende Einsatz von Arzneimitteln war danach auch nach der Entscheidung des 1. Senats des BSG nicht einschränkungslos zulässig, sondern von Voraussetzungen abhängig, aus denen das BSG später die nunmehr maßgeblichen Voraussetzungen des Off-label-use entwickelt hat und die diesen im Kern entsprechen.
(4) Eine Leistungspflicht der Beigeladenen zu 2) ergibt sich auch nicht aus Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 115, 25). Aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt regelmäßig kein verfassungsmäßiger Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenbehandlung. Es bedarf allerdings einer besonderen Rechtfertigung, wenn dem Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden. Darüber hinaus sind auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu beachten. Diese Grundsätze können in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Übernimmt der Staat mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung Verantwortung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Versicherten, so gehört die Vorsorge in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung unter den genannten Voraussetzungen zum Kernbereich der Leistungspflicht und der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Mindestversorgung (BVerfG a.a.O.). Zugleich ist es dem Gesetzgeber jedoch nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse der Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Konkret in Bezug auf Arzneimitteltherapien hat das Bundesverfassungsgericht bereits früher auf das in § 12 Abs. 1 SGB V enthaltene Wirtschaftlichkeitsgebot hingewiesen, welches die finanziellen Grenzen markiert, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung von der Belastbarkeit der Beitragszahler und der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft gezogen werden. Danach ist es von Verfassungswegen nicht zu beanstanden, wenn die Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer Leistung im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB V mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts verknüpft und deshalb verneint wird, weil das Arzneimittel nicht oder noch nicht zugelassen ist (BVerfG, NJW 1997, 3085). Denn das Arzneimittelrecht schließt neben der Unbedenklichkeit auch die Prüfung der Qualität und der Wirksamkeit des jeweiligen Arzneimittels mit ein (§ 1 AMG). Daher ist die Rechtsprechung des BSG zum Off-label-use aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Auch bei einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage liegt somit kein Verfassungsverstoß vor, wenn die Leistungspflicht einer Krankenkasse im Rahmen der zulassungsüberschreitenden Anwendung eines Arzneimittels mit der Begründung verneint wird, nach den vorliegenden Erkenntnissen lägen keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse vor, aus denen sich hinreichende Erfolgsaussichten für den begehrten Off-label-use ableiten ließen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2008, - 1 BvR 1665/07 -, veröffentlicht in Juris).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Versicherte an lebensbedrohlichen Erkrankungen (embryonales Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierungen) litt. Zur Behandlung dieser Krankheiten sollte Polyglobin jedoch nach dem klägerischen Vorbringen nicht eingesetzt werden. Dass die vom Berufungskläger zu 1) angegebenen, nach seiner Auffassung mit Polyglobin zu behandelnden Erkrankungen – die Antikörpermangelzustände und ständige Atemwegsinfekte – zu einer Lebensgefahr des Versicherten geführt hätten, ist ebenso wenig ersichtlich wie eingeschränkte Therapiemöglichkeiten dieser beiden Krankheiten aufgrund der Krebserkrankung. Die o.g. Rechtsprechung des BVerfG ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
(5) Ein Schaden i.S.v. § 14 PV ist schließlich auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Beigeladenen zu 2) – wie die Berufungskläger meinen - im Falle rechtmäßigen Alternativverhaltens höhere Kosten (z.B. durch dann erforderlich Krankenhausbehandlung) entstanden wären. Schadensmindernde Vorteile muss sich der Geschädigte bei der Ermittlung des eingetretenen Vermögensschadens grundsätzlich nur entgegenhalten lassen, wenn die Anrechnung dem Zweck des Schadenersatzes entspricht (normativer Schadensbegriff; vgl. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (MüKo) / Oetker § 249 Rd. 228 m.w.N.). Ob das der Fall ist, ist unter Berücksichtigung rechtlicher Wertungen außerhalb des Schadenersatzrechts zu bestimmen. Maßgeblich ist hierbei, dass die für die Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit maßgebenden Rechtsvorschriften (auch) dazu bestimmt sind, die Funktionsfähigkeit des kassenärztlichen Systems als Ganzes zu sichern, und dass dieser Zweck nicht durch die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze unterlaufen werden darf. Diese Rechtsprechung ist auf Fälle des Schadenersatzes wegen unrechtmäßig veranlasster Leistungen zu übertragen. Eine andere Bewertung würde es z.B. ermöglichen, dass nicht zugelassene Ärzte Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen veranlassen, ohne hierzu berechtigt und ohne an die für zugelassene Kassenärzte geltenden gesetzlichen und vertraglichen Einschränkungen gebunden zu sein (BSG Urteil vom 21. Juni 1995, - 6 RKa 60/94 -, SozR 3-2500 § 95 Nr. 5; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Mai 2006, - L 4 KA 14/04 -, veröffentlicht in Juris). Der Festsetzung eines Schadens kann deshalb der Einwand ersparter Aufwendungen im Ergebnis nicht entgegengehalten werden.
cc) Der streitgegenständliche Regressanspruch setzt kein Verschulden des Klägers voraus. Ein Verschulden als Tatbestandsmerkmal verlangen zum einen weder § 14 PV - außer wenn man ein Verschuldenserfodernis dem Begriff der Außerachtlassung der der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt entnähme -, noch die den Begriff des sonstigen Schadens im Zusammenhang mit der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel erwähnenden § 48 Abs. 1 BMV-Ä bzw. § 44 Abs. 1 EKV-Ä. Zum anderen aber – und dies ist entscheidend – kommt es für die Festsetzung eines Regresses wegen Verstößen gegen die AMR bzw. wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nach der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 30. Mai 2006, - B 6 KA 14/06 B -, veröffentlicht in Juris; Urteil vom 20. Oktober 2004, - B 6 KA 65/03 R -, SozR-4-2500 § 106 Nr. 7; Urteil vom 28. April 2004, - B 6 KA 24/03 R -, USK 2004-129; Urteil vom 21. Mai 2003, - B 6 KA 32/02 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr. 1; vgl. auch Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, S. 319) auf ein Verschulden des Arztes nicht an.
Dies entspricht dem hohen Stellenwert, der dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Instrument der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zukommt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V hat eine wichtige Ausprägung durch die Regelungen über die Wirtschaftlichkeitsprüfung in § 106 Abs. 1 SGB V erfahren. Diese verpflichten die Träger der gemeinsamen Selbstverwaltung zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Schon das Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) hat die Notwendigkeit wirtschaftlicher Leistungserbringung für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der GKV hervorgehoben und eine strikte Verpflichtung der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung durch die (zahn)ärztlichen Leistungserbringer normiert; diese hat der Gesetzgeber in der Folgezeit mit Änderungen des § 106 SGB V durch das GSG von 1992 und durch das Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) fortgeschrieben. Den hohen Rang der Wirtschaftlichkeitsprüfung hat der Gesetzgeber mit verschiedenen Regelungen deutlich gemacht. Er hat dem in § 12 Abs. 1 SGB V normierten Gebot, dass die Leistungserbringer unwirtschaftliche Leistungen nicht bewirken dürfen, zusätzlich durch § 2 Abs. 1 Satz 3, § 70 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2, § 75 Abs. 1 SGB V Ausdruck verliehen (BSG Urteile vom 21. Mai 2003, - B 6 KA 32/02 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr. 1, und vom 28. April 2004, - B 6 KA 24/03 R -, USK 2004-129, jeweils m.w.N.)
Im Übrigen sind Regresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel auch ihrem Gegenstand nach von Schadensregressen anderer Art zu unterscheiden. Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und aushändigt werden durften. Der typische Schadensregress außerhalb des Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass das Verhalten des Arztes (z.B. ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Kasse ausgelöst hat (z.B. aufwändige Nachbehandlungen, Leistungen wegen Mutterschaft). Der hier zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar. Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht dagegen demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise i.S.v. § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V verursacht wird. Der Unterschied besteht allein darin, dass ein Regress wegen unzulässiger Verordnungen an einzelne Verordnungen des Arztes gegenüber bestimmten Patienten und nicht an sein Verordnungsverhalten in einem bestimmten Zeitraum insgesamt anknüpft.
dd) Auch sonstige Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes oder der Grundsatz von Treu und Glauben stehen – entgegen der klägerischen Auffassung – der Festsetzung eines Regresses im vorliegenden Fall nicht entgegen.
Vertrauensschutz setzt einen gegenüber dem betroffenen Arzt gesetzten besonderen Vertrauenstatbestand voraus (Engelhard, a.a.O., Rd. 356). Hinsichtlich der rückwirkenden Korrektur von Honorarbescheiden hat das BSG in der bloßen Duldung einer objektiv fehlerhaften Abrechnungspraxis durch eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung keinen Vertrauenstatbestand gesehen (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr. 1; s. auch SozR 4-2500 § 95 Nr. 8). Selbst wenn in der Vergangenheit entsprechende Verordnungen des Arzneimittels Polyglobin für den Versicherten unbeanstandet geblieben wären, wäre dies nach diesen Maßstäben unbeachtlich.
Auch eine möglicherweise unklare Rechtslage wäre nicht geeignet, Vertrauensschutz zugunsten des verordnenden Arztes zu begründen, da sie ihm nicht die Gewissheit von der Rechtmäßigkeit seines Handelns vermitteln kann. Er kann in dieser Situation allenfalls hoffen, dass sich die von ihm vertretene Ansicht als die zutreffende erweisen wird. Die Berufungskläger hatten aber ebenso in Erwägung zu ziehen, dass sich die andere Ansicht durchsetzen könnte und sich ihre Verordnung als unzulässig erweisen werde. Bei unklarer Rechtslage hat jeder Vertragsarzt die Möglichkeit, das Präparat auf Privatrezept zu verordnen und so den Kostenträger in die Lage zu versetzen, eine Entscheidung über seine Leistungspflicht zu treffen (vgl. zu dieser Vorgehensweise: BSG, Beschluss vom 31. Mai 2006, - B 6 KA 53/05 B -, veröffentlicht in Juris). Dem steht § 29 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä bzw. § 15 Abs. 1 Satz 2 EKV-Ä – nach diesen Vorschriften ist die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse unzulässig – nicht entgegen. Denn diese Vorschriften betreffen offensichtlich nur vertragsärztliche Arzneimittelverordnungen, wie sich insbesondere aus § 29 Abs. 9 bis 11 BMV-Ä bzw. § 15 Abs. 8 bis 10 EKV-Ä ergibt.
Bei einer vertragsärztlichen Verordnung hat die Krankenkasse in jedem Fall gegenüber dem Versicherten die Kosten zu übernehmen; sie hat in diesem Fall nur die Möglichkeit, ihre fehlende Leistungspflicht im Wege des Regresses gegenüber dem Arzt geltend zu machen. Der Arzt übernimmt daher mit einer vertragsärztlichen Versorgung die Verantwortung dafür, dass das Arzneimittel zum Leistungsspektrum der GKV zählt. Wenn sich die Berufungskläger dafür entschieden haben, die Verordnungen zu Lasten der Beigeladenen zu 2) vorzunehmen, so haben sie als Gemeinschaftspraxis auch für diese objektiv fehlerhaften Verordnungen einzustehen.
Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt nichts anderes. Die Klägerseite meint, die Beigeladene zu 2) habe ihre Befugnis, die Festsetzung eines Regresses zu beantragen, dadurch verwirkt, dass sie wegen vom Berufungskläger veranlasster Verordnungen von Polyglobin in den Jahren 1997 und 1998 keinen Antrag gestellt habe. Eine Verwirkung liegt hier insbesondere deswegen nicht vor, weil insoweit zu einer längeren Untätigkeit des Inhabers eines Rechts (hier: der Beigeladenen zu 2) – sog. Zeitmoment – besondere Umstände hinzutreten müssen – sog. Umstandsmoment –, die bei der Gegenpartei (hier: der Klägerin) einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben (MüKo / Roth § 242 Rd. 306 m.w.N.). An letzterem fehlt es jedoch schon nach dem oben Gesagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision wurde wegen Abweichungen von Urteilen des BSG zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
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