Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 186/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 387/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 20/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Juli 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Mitgliedschaft der Klägerin in der Kranken- und Pflege-versicherung der Rentner streitig.
Die 1939 geborene Klägerin bezog bis 28.09.1998 Arbeitslosengeld und war nach § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V pflichtversichert in der Kranken- und Pflegeversicherung der Beklagten. Wegen vorhandenen Vermögens erhielt sie keine Arbeitslosenhilfe. Die Klägerin versi-cherte sich auch nicht freiwillig bei der Beklagten weiter. Ärztliche Behandlungen im Zeit-raum ab Ende 1998 sind nicht aktenkundig.
Am 03.12.2005 erlitt die Klägerin eine Oberschenkelhalsfraktur und wurde in die Kreiskli-nik G-Stadt eingeliefert, wo sie sich bis 23.12.2005 befand. Im nervenärztlichen Gutach-ten vom 12.12.2005 wurde unter anderem der Verdacht auf eine schizoide Persönlich-keitsstörung geäußert.
Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt wurde die Klägerin zur Kurzzeitpflege in das Heim P. verlegt, wo sie später in die reguläre Pflegestation übernommen wurde.
Am 31.10.2005 hatte die Stiefschwester der Klägerin, Frau H., beim Vormundschafsge-richt die Bestellung eines Betreuers angeregt, da im Jahr 2005 bereits dreimal hätte nachgeschaut werden müssen, inwieweit sich die Klägerin noch selbst helfen könne, da sie auf Klingeln und Klopfen nicht reagiert habe.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. erstellte am 12.12.2005 ein Gutachten zur Betreuerbestellung. Er stellte eine Störung der Kognitition, Orientierung und des An-triebs fest und äußerte den Verdacht auf eine schizoide Persönlichkeitsstörung.
Mit Beschluss vom 21.12.2005 wurde Herr D. zum Betreuer bestellt mit dem Aufgaben-kreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Abschluss, Ände-rung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entscheidung über die Unterbringung. Im Einvernehmen mit dem Betreuer wurde die Klägerin vom Kranken-haus G-Stadt zur Kurzzeitpflege in das P. verlegt, wobei laut Entlassungsbericht bekannt war, dass die Klägerin keine eigene Krankenversicherung hatte.
Der Betreuer stellte am 27.12.2005 einen Antrag auf Altersrente für Frauen.
Mit Schreiben vom 03.01.2006 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Schwaben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne von § 99 Abs.1 SGB VI.
Er legte eine nervenärztliche Bescheinigung von Dr. B. vom 19.01.2006 vor, der auf Grund der Fremdanamnese durch Stiefschwester und deren Ehemann, mehrere Nach-barn und Pflegepersonal sowie die eigene Untersuchung die Auffassung vertrat, dass die Handlungsunfähigkeit der Klägerin bereits in den letzten zehn Jahren deutlich reduziert gewesen sei, so dass mit ausreichender Sicherheit gesagt werden könne, dass sie bereits im Jahr 1998 krankheitsbedingt nicht ausreichend in der Lage gewesen wäre, Regelun-gen mit Behörden, Versicherungen und ärztlichen Stellen durchzuführen. Zudem lag ein Schreiben der Nachbarin M. H. vom 09.01.2006 bei, in dem diese das Verhalten der Klä-gerin in den letzten fünf Jahren schilderte und ein weiteres Schreiben der Stiefschwester L. H. vom 10.01.2006, die unter anderem angab, dass Briefe auch der Rentenanstalt un-geöffnet abgelegt waren.
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Schwaben zunächst Altersrente für Frauen ab Antragstellung im Dezember 2005 gewährt hatte, prüfte sie noch eine Rentengewäh-rung ab dem 60. Lebensjahr. Dr. W. vom Sozialärztlichen Dienst der DRV Schwaben ging in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 27.01.2006 davon aus, dass die Klägerin tatsächlich bereits ab 01.09.1999 bis heute geschäftsunfähig gewesen sei. Daraufhin ge-währte die DRV Schwaben der Klägerin Altersrente für Frauen ab dem 01.10.1999.
Mit Bescheid vom 12.01.2006 verneinte die Beklagte eine Pflichtversicherung in der Kran-kenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V. Für das Ende der Rahmenfrist stellte sie auf den Rentenantrag vom 27.12.2005 ab und hielt konsequenter-weise fest, dass die notwendige Vorversicherungszeit in der zweiten Hälfte der Rahmen-frist nicht erfüllt sei, weil die Klägerin ab 29.09.1998 nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sei.
Mit Schreiben vom 14.01.2006 (eingegangen 23.01.2006) beantragte der Betreuer Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand, da die Klägerin auf Grund ihrer psychischen Erkran-kung nicht in der Lage gewesen sei, ihre Geschäfte eigenständig zu erledigen. Dieses Schreiben legte die Beklagte als Widerspruch aus. Zudem wandte sich die DRV Schwa-ben mit Schreiben vom 15.02.2006 (Eingang 23.02.2006) an die Beklagte. Auf Grund der von ihr festgestellten durchgehenden Geschäftsunfähigkeit ab September 1999 bat sie um Prüfung, ob nicht die Vorversicherungszeit durch den rückwirkenden Rentenbeginn zum 01.09.1999 erfüllt sei.
Mit Schreiben vom 06.03.2006 beantragte der Betreuer dann, die Möglichkeit einer freiwil-ligen Krankenversicherung in Betracht zu ziehen. Nach Beiziehung der Akten der DRV Schwaben und des Gutachtens von Dr. B. wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2006 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie bestätigte ihre Entschei-dung zur KVdR und lehnte gleichzeitig eine freiwillige Mitgliedschaft ab, da die Beitrittsfrist von drei Monaten versäumt und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mög-lich sei. Geschäftsunfähigkeit bereits im Dezember 1998 sei nicht hinreichend bewiesen.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) mit dem Ziel einer Mit-gliedschaft in der KVdR, hilfsweise einer freiwilligen Krankenversicherung, erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, hier sei nicht auf den tatsächlichen Rentenantrag vom 27.12.2005 abzustellen, sondern auf die fingierte rechtzeitige Antrag-stellung im Sinne des § 99 SGB VI. Damit sei auch die Vorversicherungszeit erfüllt. Es würde Sinn und Zweck der KVdR widersprechen, die Rahmenfrist über den Beginn der Altersrente hinaus zu verlängern.
Die Beklagte hat hingegen die Auffassung vertreten, dass auf die tatsächliche Rentenan-tragstellung und nicht auf den gemäß § 99 Abs.1 SGB VI als fristgerecht fingierten Ren-tenantrag abzustellen sei, zumal dies mit Unschärfen zum Datum des Rentenantrags be-haftet sei.
Nach Beiziehung der Akten der DRV Schwaben, der Betreuungsakte des Vormund-schaftsgerichts G-Stadt, eines Schreibens des Versicherungsvertreters Bernhard H. und eines Befundberichts des Hausarztes Dr. W. sowie des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie P. hat das SG mit Urteil vom 11.07.2007 den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2006 aufgehoben und festgestellt, dass ab 01.10.1999 eine Pflichtversicherung der Klägerin in der KVdR nach § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V bei der Beklagten besteht.
Zur Überzeugung des Gerichts beginne die Pflichtversicherung auf Grund der Feststel-lungen im Rentenverfahren am 01.10.1999, das heißt mit dem Beginn der Altersrente. Hier bestehe keine Doppelversicherung, da die Klägerin ab 29.09.1998 nicht mehr kran-kenversichert gewesen sei. Auch die Beitragszahlung könne problemlos rückwirkend ab 01.10.1999 auf Grund der Rentennachzahlung erfolgen. Der Beitragszahlung der Versi-cherten stehe zwar kein Anspruch auf Kostenerstattung oder Sachleistung gegenüber ab 1999, da die Klägerin nicht in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Dennoch bestehe ein Interesse der Klägerin an einem rückwirkenden Beginn der Versicherungspflicht, da auch der Beginn der Pflichtversicherung in der Pflegeversicherung an den Zeitpunkt des Be-ginns der Krankenversicherungspflicht anknüpfe. Bei einem Beginn der Pflichtversiche-rung in der sozialen Pflegeversicherung erst zum 27.12.2005 bestünde nämlich auf Grund der notwendigen Vorversicherungszeit des § 33 Abs.2 Nr.5 SGB V ein Anspruch auf Leis-tungen der Pflegeversicherung erst ab 27.12.2010. Die Klägerin habe auf Grund ihres lau-fenden Heimaufenthalts jedoch ein Interesse an einem früheren Beginn der Pflegepflicht-versicherung und damit natürlich auch der Krankenversicherung. Lege man zusätzlich noch den Gedanken des § 206 BGB zu Grunde, so erscheine es gerechtfertigt, den Be-ginn der Pflichtmitgliedschaft in der KVdR nicht erst mit dem 27.12.2005 anzusetzen, sondern tatsächlich mit dem Beginn der Rentenzahlung zum 01.10.1999. Das Gericht stelle dabei für den Beginn der Pflichtversicherung aus praktischen Gründen auf den Zeit-punkt des erstmaligen Rentenanspruches am 01.10.1999 ab, da ein genauer Termin für den fiktiven Rentenantrag innerhalb der Drei-Monats-Frist nicht feststehe und vom Ren-tenversicherungsträger auch nicht festgelegt worden sei. Daher erscheine es sachge-recht, auf den Beginn der Rentenzahlung abzustellen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Das Urteil des SG C-Stadt verletze § 189 Abs.2 SGB V und sei deshalb aufzuheben. Nach dem klaren Wortlaut dieser Vor-schrift beginne die Mitgliedschaft in der KVdR bei erfüllter Vorversicherungszeit mit dem Tag der Stellung des Rentenantrags. Die Rahmenfrist, innerhalb derer Versicherungszei-ten anrechenbar seien, beginne mit dem Tag der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstä-tigkeit und ende mit dem Tag der Rentenantragstellung. Richtig stelle das SG dabei fest, dass mit der starren Festlegung des Endes der Rahmenfrist auf den Rentenvertrag nach Sinn und Zweck des § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V sichergestellt werden solle, dass die Voraus-setzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR und deren Beginn eindeutig und schnell festgestellt werden können. Ein Abstellen auf einen "fiktiven Rentenantrag" sei damit nicht in Einklang zu bringen. Der Zeitpunkt der Rentenantragstellung habe für die Mitgliedschaft in der KVdR und ihren Beginn erhebliche Bedeutung. Er markiere das Ende der Rahmen-frist, in der die Vorversicherungszeit erfüllt sein müsse. Zudem verkenne das SG auch das Schutzbedürfnis der Klägerin. Diese sei jedenfalls bis 28.09.1998 Mitglied bei ihr ge-wesen. Ein Schutzbedürfnis, die KVdR am 01.10.1999 auf Grund eines fingierten Renten-antrags anzunehmen, sei nicht ersichtlich. Ein Schutzbedürfnis anzunehmen, da Mitglied-schaft ab 27.12.2005 Leistungen der Pflegeversicherung erst ab 27.12.2010 in Anspruch genommen werden könnten, erscheine auf Grund des Wortlauts des § 189 Abs.2 SGB V nicht sachgerecht. Jedenfalls seit 01.04.2007 sei die Klägerin bei ihr pflichtversichert ge-mäß § 5 Abs.1 Nr.13 SGB V. Die Voraussetzungen der freiwilligen Versicherung seien vorliegend mangels Nachweises der Geschäftsunfähigkeit seit 28.09.1998 nicht gegeben.
Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2008 erklärte die Vertreterin der Be-klagten, dass nach ihren Berechnungen die Klägerin bei einem fingierten Rentenantrag am 19.09. oder 01.10. oder 31.12.1999 die Vorversicherungszeit erfülle.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.07.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise das Bestehen einer freiwilligen Versicherung ab 29.09.1998 festzustellen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf die zwischen den Beteilig-ten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen bzw. die beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 141, 151 Sozialgerichtsge-setz – SGG -). Sie ist auch in der Sache begründet, weil das Urteil des SG C-Stadt nicht der Sach- und Rechtslage entspricht und von daher aufzuheben ist.
Denn die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 12.01.2006 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 09.05.2006 die Durchführung einer Mitgliedschaft der Klägerin in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner abgelehnt.
Nach § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzun-gen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Er-werbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren.
Nach eigenen Angaben der Klägerin hat diese am 17.10.1955 erstmalig eine Erwerbstä-tigkeit aufgenommen. Dieses Datum entspricht auch dem Versicherungsverlauf der DRV Schwaben. Die für die KVdR maßgebliche Rahmenfrist beginnt demzufolge am 17.10.1955 und endet am 27.12.2005, dem Tag der Rentenantragstellung.
Der Auffassung des SG, welches eine Mitgliedschaft in der KVdR ab 01.10.1999 unter Zugrundelegung eines fiktiven Rentenantrags wegen Hemmung der Ausschlussfrist des § 99 SGB VI nach dem Grundgedanken des § 206 BGB a.F. bejaht, ist nicht zu folgen. Denn nach dem klaren Wortlaut von § 189 Abs.2 Satz 1 SGB V beginnt die Mitgliedschaft in der KVdR bei erfüllter Vorversicherungszeit mit dem Tag der Stellung des Rentenan-trags.
Die Rahmenfrist, innerhalb der Versicherungszeiten anrechenbar sind, beginnt mit dem Tag der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und endet mit dem Tag der Ren-tenantragstellung.
Zutreffend ist insoweit die Feststellung des SG, dass mit der starren Festlegung des En-des der Rahmenfrist auf den Rentenantrag nach Sinn und Zweck des § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V sichergestellt werden soll, dass die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR und deren Beginn eindeutig und schnell festgestellt werden können.
Damit ist dann aber ein Abstellen auf einen "fiktiven Rentenantrag" nicht in Einklang zu bringen. Denn der Zeitpunkt der Rentenantragstellung hat für die Mitgliedschaft in der KVdR und ihren Beginn erhebliche Bedeutung. Er markiert das Ende der Rahmenfrist, in der die Vorversicherungszeit erfüllt sein muss. Zutreffend weist die Beklagte auch darauf hin, dass bei Fristenregelungen grundsätzlich gilt, dass das Sozialversicherungsrecht kei-nen allgemeinen Rechtsatz kennt, nach dem der Lauf einer Frist immer gehemmt ist, so-bald sie die Belange eines Geschäftsunfähigen ohne gesetzlichen Vertreter berührt. Das BSG hat insoweit mehrfach entschieden, dass nicht immer auszuschließen sei, dass der Gesetzgeber ausnahmslos den Ausschluss von Ansprüchen nach Ablauf einer bestimm-ten Frist beabsichtigt habe. Sei keine ausdrückliche Regelung getroffen, müsse im Wege der Auslegung – vor allem im Rückgriff auf den Zweck der Fristbestimmung – geklärt wer-den, ob § 206 BGB a.F. heranzuziehen sei (vgl. BSGE 36, 267 u.a.).
Etwas anderes muss aber für den Beginn einer Mitgliedschaft gelten, wenn der Gesetz-geber dafür eine bestimmte konkrete Rechtshandlung – wie in § 189 Abs.2 SGB V die Rentenantragstellung – vorgeschrieben hat. Würde man in einem solchen Fall auf den Rechtsgedanken des § 210 BGB n.F. zurückgreifen, würde dies zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen und würde im Widerspruch zu dem klaren Wortlaut des § 189 Abs.2 SGB V stehen. Den Ausführungen des SG, dass die Feststellung eines Mitglied-schaftsbeginns "aus praktischen Gründen" auf ein fiktives Datum mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die zu größtmöglicher Rechtssicherheit führen soll, ist damit nicht in Einklang zu bringen. Gerade weil das SGB V nur die klare Regel des § 189 kennt, nicht aber eine dem § 99 SGB VI verwandte, besteht kein Raum für eine Fiktion.
Zutreffend ist auch der Hinweis der Beklagten, dass mit der vorliegenden Situation keine Vergleichbarkeit mit einem Fall gegeben ist, in dem zunächst ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilisation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt wurde, dieser jedoch gemäß § 116 Abs.2 SGB VI unter den dort genannten Voraussetzungen als Ren-tenantrag gilt. Denn dort ist eine gesetzliche Fiktion unter exakten Tatbestandsvorausset-zungen gesetzlich verankert und wiederum klar definiert, mit welchem Datum (nämlich dem Tag des Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben) der Rentenantrag als gestellt gilt.
Auch liegen die Voraussetzungen für eine freiwillige Versicherung nicht vor.
Der Versicherung können Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungs-pflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindes-tens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren (§ 9 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V).
Die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin als Arbeitslosengeldempfängerin nach § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V endete am 28.09.1998. Eine weitere Pflichtmitgliedschaft als Arbeitslose wur-de wegen des durch die Agentur für Arbeit bestandskräftig abgelehnten Arbeitslosenhilfe-Antrags nicht begründet.
So war die für die Durchführung einer freiwilligen Mitgliedschaft erforderliche Vorversiche-rungszeit am 28.09.1998 zwar fraglos erfüllt. Da jedoch der Beitritt der Krankenkasse in-nerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen ist (§ 9 Abs.2 Nr.1 SGB V), die Klägerin bis zum Ablauf dieser Frist am 28.12.1998 eine freiwillige Mit-gliedschaft bei der Beklagten aber nicht beantragt hat, hat sie unstreitig die Beitrittsfrist nicht eingehalten.
Fraglich kann von daher nur sein, ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumnis möglich ist.
Nach § 27 Abs.1 SGB X ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewäh-ren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nachdem andere tatsächliche Hinderungsgründe weder ersichtlich noch vorgetragen sind, wäre die Nichteinhaltung der Anzeigefrist durch die Klägerin lediglich dann entschuldbar im Sinne des § 27 SGB X, wenn bei ihr noch vor dem 29.12.1998 Geschäftsunfähigkeit eingetreten war und diese seither ununterbrochen fortbestanden hat.
Nach § 104 Satz 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestim-mung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung ist zu bejahen, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (BGH, NJW 70, 1680, 96, 918). Für einen Ausschluss der freien Willensbestimmung besteht auch dann keine Vermutung, wenn der Betroffene seit längerem an geistigen Störungen leidet (BGH, WM 65, 895, BAyObLG ZEV 02, 234). Bloße Willensschwäche oder leichte Beeinfluss-barkeit genügen nicht, ebenso wenig das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen (BGH, NJW 61, 261).
Dass bei der Klägerin bereits vor dem 29.12.1998 Geschäftsunfähigkeit im aufgezeigten Sinne vorlag, folgert das SG aus den Akten bzw. der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. W. vom Sozialärztlichen Dienst der DRV Schwaben, der Betreuungsakte des Vor-mundschaftsgerichts, einem Brandschaden im Jahr 2000 und einem Befundbericht des Hausarztes Dr. W. sowie des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie P., der die Klägerin am 02.12.2006 im Rahmen einer Überprüfung der Betreuung begutachtet hatte.
Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anschließen.
Der Nachweis der Geschäftsunfähigkeit erfolgt regelmäßig durch ein fachärztliches Gut-achten, das auf den Zeitpunkt der Rechtshandlung bezogen sein muss. Der Beweis ist nur dann geführt, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hat, also keine vernünftigen Zweifel am Vorliegen der Geschäftsunfähigkeit bestehen.
Sind Personen geschäftsunfähig im Sinn von § 104 BGB, so handelt der gesetzliche Ver-treter. Ist ein geschäftsunfähiger Versicherter ohne einen solchen Vertreter, so beginnt in entsprechender Anwendung des § 206 Abs.1 BGB die für die Anzeige gesetzte Frist von drei Monaten erst zu laufen, wenn der Versicherte geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört.
Allein die Bestellung eines Betreuers hat keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten. Die Bestellung eines Betreuers setzt somit nicht die Geschäftsunfähigkeit der zu betreuenden Person voraus.
Wie bereits ausgeführt, käme es auf den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit der Klägerin spätestens am 28.12.1998 an.
Zwar führte Dr. B. in seiner nervenärztlichen Bescheinigung vom 19.01.2006 aus, dass eine situations- und altersadäquate Handlungsfähigkeit bereits in den letzten zehn Jahren deutlich reduziert gegeben gewesen sei, so dass mit ausreichender Sicherheit gesagt werden könne, dass die Klägerin 1998 krankheitsbedingt nicht ausreichend in der Lage war, Regelungen mit Behörden, Versicherungen und ärztlichen Stellen durchzuführen. Festzuhalten ist aber, dass sich die Einschätzung von Dr. B. ausschließlich auf die Anga-ben von Angehörigen und Nachbarn, sowie von Ärzten, die die Klägerin ab Ende 2005 untersucht und behandelt haben, gründet. Objektive Daten, insbesondere medizinische Befunde aus der Zeit vor 1999 existieren aber nicht.
Das Vorgenannte gilt auch für die Ausführungen im Betreuungsverfahren für das G-Stadt. Auch diese Stellungnahme ist geprägt durch die Wiedergabe fremdanamnestischer An-gaben. Auch hier konnten keine konkreten Aussagen zur Geschäftsfähigkeit der Klägerin gemacht werden.
Somit ist insgesamt nicht nachgewiesen, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt (28.12.1998) geschäftsunfähig war. Nachdem somit die geltend gemachte Geschäftsun-fähigkeit nicht festgestellt werden kann, war der Ablauf der hier in Rede stehenden Aus-schlussfrist nicht gehemmt, weshalb für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Raum bleibt. Somit ist auch der für eine freiwillige Versicherung zwingend notwendige An-trag nicht unverschuldet unterblieben.
Somit war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.07.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG). Die Klägerin ist unterlegen.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache war die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Mitgliedschaft der Klägerin in der Kranken- und Pflege-versicherung der Rentner streitig.
Die 1939 geborene Klägerin bezog bis 28.09.1998 Arbeitslosengeld und war nach § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V pflichtversichert in der Kranken- und Pflegeversicherung der Beklagten. Wegen vorhandenen Vermögens erhielt sie keine Arbeitslosenhilfe. Die Klägerin versi-cherte sich auch nicht freiwillig bei der Beklagten weiter. Ärztliche Behandlungen im Zeit-raum ab Ende 1998 sind nicht aktenkundig.
Am 03.12.2005 erlitt die Klägerin eine Oberschenkelhalsfraktur und wurde in die Kreiskli-nik G-Stadt eingeliefert, wo sie sich bis 23.12.2005 befand. Im nervenärztlichen Gutach-ten vom 12.12.2005 wurde unter anderem der Verdacht auf eine schizoide Persönlich-keitsstörung geäußert.
Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt wurde die Klägerin zur Kurzzeitpflege in das Heim P. verlegt, wo sie später in die reguläre Pflegestation übernommen wurde.
Am 31.10.2005 hatte die Stiefschwester der Klägerin, Frau H., beim Vormundschafsge-richt die Bestellung eines Betreuers angeregt, da im Jahr 2005 bereits dreimal hätte nachgeschaut werden müssen, inwieweit sich die Klägerin noch selbst helfen könne, da sie auf Klingeln und Klopfen nicht reagiert habe.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. erstellte am 12.12.2005 ein Gutachten zur Betreuerbestellung. Er stellte eine Störung der Kognitition, Orientierung und des An-triebs fest und äußerte den Verdacht auf eine schizoide Persönlichkeitsstörung.
Mit Beschluss vom 21.12.2005 wurde Herr D. zum Betreuer bestellt mit dem Aufgaben-kreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Abschluss, Ände-rung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entscheidung über die Unterbringung. Im Einvernehmen mit dem Betreuer wurde die Klägerin vom Kranken-haus G-Stadt zur Kurzzeitpflege in das P. verlegt, wobei laut Entlassungsbericht bekannt war, dass die Klägerin keine eigene Krankenversicherung hatte.
Der Betreuer stellte am 27.12.2005 einen Antrag auf Altersrente für Frauen.
Mit Schreiben vom 03.01.2006 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Schwaben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne von § 99 Abs.1 SGB VI.
Er legte eine nervenärztliche Bescheinigung von Dr. B. vom 19.01.2006 vor, der auf Grund der Fremdanamnese durch Stiefschwester und deren Ehemann, mehrere Nach-barn und Pflegepersonal sowie die eigene Untersuchung die Auffassung vertrat, dass die Handlungsunfähigkeit der Klägerin bereits in den letzten zehn Jahren deutlich reduziert gewesen sei, so dass mit ausreichender Sicherheit gesagt werden könne, dass sie bereits im Jahr 1998 krankheitsbedingt nicht ausreichend in der Lage gewesen wäre, Regelun-gen mit Behörden, Versicherungen und ärztlichen Stellen durchzuführen. Zudem lag ein Schreiben der Nachbarin M. H. vom 09.01.2006 bei, in dem diese das Verhalten der Klä-gerin in den letzten fünf Jahren schilderte und ein weiteres Schreiben der Stiefschwester L. H. vom 10.01.2006, die unter anderem angab, dass Briefe auch der Rentenanstalt un-geöffnet abgelegt waren.
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Schwaben zunächst Altersrente für Frauen ab Antragstellung im Dezember 2005 gewährt hatte, prüfte sie noch eine Rentengewäh-rung ab dem 60. Lebensjahr. Dr. W. vom Sozialärztlichen Dienst der DRV Schwaben ging in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 27.01.2006 davon aus, dass die Klägerin tatsächlich bereits ab 01.09.1999 bis heute geschäftsunfähig gewesen sei. Daraufhin ge-währte die DRV Schwaben der Klägerin Altersrente für Frauen ab dem 01.10.1999.
Mit Bescheid vom 12.01.2006 verneinte die Beklagte eine Pflichtversicherung in der Kran-kenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V. Für das Ende der Rahmenfrist stellte sie auf den Rentenantrag vom 27.12.2005 ab und hielt konsequenter-weise fest, dass die notwendige Vorversicherungszeit in der zweiten Hälfte der Rahmen-frist nicht erfüllt sei, weil die Klägerin ab 29.09.1998 nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sei.
Mit Schreiben vom 14.01.2006 (eingegangen 23.01.2006) beantragte der Betreuer Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand, da die Klägerin auf Grund ihrer psychischen Erkran-kung nicht in der Lage gewesen sei, ihre Geschäfte eigenständig zu erledigen. Dieses Schreiben legte die Beklagte als Widerspruch aus. Zudem wandte sich die DRV Schwa-ben mit Schreiben vom 15.02.2006 (Eingang 23.02.2006) an die Beklagte. Auf Grund der von ihr festgestellten durchgehenden Geschäftsunfähigkeit ab September 1999 bat sie um Prüfung, ob nicht die Vorversicherungszeit durch den rückwirkenden Rentenbeginn zum 01.09.1999 erfüllt sei.
Mit Schreiben vom 06.03.2006 beantragte der Betreuer dann, die Möglichkeit einer freiwil-ligen Krankenversicherung in Betracht zu ziehen. Nach Beiziehung der Akten der DRV Schwaben und des Gutachtens von Dr. B. wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2006 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie bestätigte ihre Entschei-dung zur KVdR und lehnte gleichzeitig eine freiwillige Mitgliedschaft ab, da die Beitrittsfrist von drei Monaten versäumt und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mög-lich sei. Geschäftsunfähigkeit bereits im Dezember 1998 sei nicht hinreichend bewiesen.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) mit dem Ziel einer Mit-gliedschaft in der KVdR, hilfsweise einer freiwilligen Krankenversicherung, erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, hier sei nicht auf den tatsächlichen Rentenantrag vom 27.12.2005 abzustellen, sondern auf die fingierte rechtzeitige Antrag-stellung im Sinne des § 99 SGB VI. Damit sei auch die Vorversicherungszeit erfüllt. Es würde Sinn und Zweck der KVdR widersprechen, die Rahmenfrist über den Beginn der Altersrente hinaus zu verlängern.
Die Beklagte hat hingegen die Auffassung vertreten, dass auf die tatsächliche Rentenan-tragstellung und nicht auf den gemäß § 99 Abs.1 SGB VI als fristgerecht fingierten Ren-tenantrag abzustellen sei, zumal dies mit Unschärfen zum Datum des Rentenantrags be-haftet sei.
Nach Beiziehung der Akten der DRV Schwaben, der Betreuungsakte des Vormund-schaftsgerichts G-Stadt, eines Schreibens des Versicherungsvertreters Bernhard H. und eines Befundberichts des Hausarztes Dr. W. sowie des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie P. hat das SG mit Urteil vom 11.07.2007 den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2006 aufgehoben und festgestellt, dass ab 01.10.1999 eine Pflichtversicherung der Klägerin in der KVdR nach § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V bei der Beklagten besteht.
Zur Überzeugung des Gerichts beginne die Pflichtversicherung auf Grund der Feststel-lungen im Rentenverfahren am 01.10.1999, das heißt mit dem Beginn der Altersrente. Hier bestehe keine Doppelversicherung, da die Klägerin ab 29.09.1998 nicht mehr kran-kenversichert gewesen sei. Auch die Beitragszahlung könne problemlos rückwirkend ab 01.10.1999 auf Grund der Rentennachzahlung erfolgen. Der Beitragszahlung der Versi-cherten stehe zwar kein Anspruch auf Kostenerstattung oder Sachleistung gegenüber ab 1999, da die Klägerin nicht in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Dennoch bestehe ein Interesse der Klägerin an einem rückwirkenden Beginn der Versicherungspflicht, da auch der Beginn der Pflichtversicherung in der Pflegeversicherung an den Zeitpunkt des Be-ginns der Krankenversicherungspflicht anknüpfe. Bei einem Beginn der Pflichtversiche-rung in der sozialen Pflegeversicherung erst zum 27.12.2005 bestünde nämlich auf Grund der notwendigen Vorversicherungszeit des § 33 Abs.2 Nr.5 SGB V ein Anspruch auf Leis-tungen der Pflegeversicherung erst ab 27.12.2010. Die Klägerin habe auf Grund ihres lau-fenden Heimaufenthalts jedoch ein Interesse an einem früheren Beginn der Pflegepflicht-versicherung und damit natürlich auch der Krankenversicherung. Lege man zusätzlich noch den Gedanken des § 206 BGB zu Grunde, so erscheine es gerechtfertigt, den Be-ginn der Pflichtmitgliedschaft in der KVdR nicht erst mit dem 27.12.2005 anzusetzen, sondern tatsächlich mit dem Beginn der Rentenzahlung zum 01.10.1999. Das Gericht stelle dabei für den Beginn der Pflichtversicherung aus praktischen Gründen auf den Zeit-punkt des erstmaligen Rentenanspruches am 01.10.1999 ab, da ein genauer Termin für den fiktiven Rentenantrag innerhalb der Drei-Monats-Frist nicht feststehe und vom Ren-tenversicherungsträger auch nicht festgelegt worden sei. Daher erscheine es sachge-recht, auf den Beginn der Rentenzahlung abzustellen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Das Urteil des SG C-Stadt verletze § 189 Abs.2 SGB V und sei deshalb aufzuheben. Nach dem klaren Wortlaut dieser Vor-schrift beginne die Mitgliedschaft in der KVdR bei erfüllter Vorversicherungszeit mit dem Tag der Stellung des Rentenantrags. Die Rahmenfrist, innerhalb derer Versicherungszei-ten anrechenbar seien, beginne mit dem Tag der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstä-tigkeit und ende mit dem Tag der Rentenantragstellung. Richtig stelle das SG dabei fest, dass mit der starren Festlegung des Endes der Rahmenfrist auf den Rentenvertrag nach Sinn und Zweck des § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V sichergestellt werden solle, dass die Voraus-setzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR und deren Beginn eindeutig und schnell festgestellt werden können. Ein Abstellen auf einen "fiktiven Rentenantrag" sei damit nicht in Einklang zu bringen. Der Zeitpunkt der Rentenantragstellung habe für die Mitgliedschaft in der KVdR und ihren Beginn erhebliche Bedeutung. Er markiere das Ende der Rahmen-frist, in der die Vorversicherungszeit erfüllt sein müsse. Zudem verkenne das SG auch das Schutzbedürfnis der Klägerin. Diese sei jedenfalls bis 28.09.1998 Mitglied bei ihr ge-wesen. Ein Schutzbedürfnis, die KVdR am 01.10.1999 auf Grund eines fingierten Renten-antrags anzunehmen, sei nicht ersichtlich. Ein Schutzbedürfnis anzunehmen, da Mitglied-schaft ab 27.12.2005 Leistungen der Pflegeversicherung erst ab 27.12.2010 in Anspruch genommen werden könnten, erscheine auf Grund des Wortlauts des § 189 Abs.2 SGB V nicht sachgerecht. Jedenfalls seit 01.04.2007 sei die Klägerin bei ihr pflichtversichert ge-mäß § 5 Abs.1 Nr.13 SGB V. Die Voraussetzungen der freiwilligen Versicherung seien vorliegend mangels Nachweises der Geschäftsunfähigkeit seit 28.09.1998 nicht gegeben.
Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2008 erklärte die Vertreterin der Be-klagten, dass nach ihren Berechnungen die Klägerin bei einem fingierten Rentenantrag am 19.09. oder 01.10. oder 31.12.1999 die Vorversicherungszeit erfülle.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.07.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise das Bestehen einer freiwilligen Versicherung ab 29.09.1998 festzustellen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf die zwischen den Beteilig-ten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen bzw. die beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 141, 151 Sozialgerichtsge-setz – SGG -). Sie ist auch in der Sache begründet, weil das Urteil des SG C-Stadt nicht der Sach- und Rechtslage entspricht und von daher aufzuheben ist.
Denn die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 12.01.2006 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 09.05.2006 die Durchführung einer Mitgliedschaft der Klägerin in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner abgelehnt.
Nach § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzun-gen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Er-werbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren.
Nach eigenen Angaben der Klägerin hat diese am 17.10.1955 erstmalig eine Erwerbstä-tigkeit aufgenommen. Dieses Datum entspricht auch dem Versicherungsverlauf der DRV Schwaben. Die für die KVdR maßgebliche Rahmenfrist beginnt demzufolge am 17.10.1955 und endet am 27.12.2005, dem Tag der Rentenantragstellung.
Der Auffassung des SG, welches eine Mitgliedschaft in der KVdR ab 01.10.1999 unter Zugrundelegung eines fiktiven Rentenantrags wegen Hemmung der Ausschlussfrist des § 99 SGB VI nach dem Grundgedanken des § 206 BGB a.F. bejaht, ist nicht zu folgen. Denn nach dem klaren Wortlaut von § 189 Abs.2 Satz 1 SGB V beginnt die Mitgliedschaft in der KVdR bei erfüllter Vorversicherungszeit mit dem Tag der Stellung des Rentenan-trags.
Die Rahmenfrist, innerhalb der Versicherungszeiten anrechenbar sind, beginnt mit dem Tag der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und endet mit dem Tag der Ren-tenantragstellung.
Zutreffend ist insoweit die Feststellung des SG, dass mit der starren Festlegung des En-des der Rahmenfrist auf den Rentenantrag nach Sinn und Zweck des § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V sichergestellt werden soll, dass die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR und deren Beginn eindeutig und schnell festgestellt werden können.
Damit ist dann aber ein Abstellen auf einen "fiktiven Rentenantrag" nicht in Einklang zu bringen. Denn der Zeitpunkt der Rentenantragstellung hat für die Mitgliedschaft in der KVdR und ihren Beginn erhebliche Bedeutung. Er markiert das Ende der Rahmenfrist, in der die Vorversicherungszeit erfüllt sein muss. Zutreffend weist die Beklagte auch darauf hin, dass bei Fristenregelungen grundsätzlich gilt, dass das Sozialversicherungsrecht kei-nen allgemeinen Rechtsatz kennt, nach dem der Lauf einer Frist immer gehemmt ist, so-bald sie die Belange eines Geschäftsunfähigen ohne gesetzlichen Vertreter berührt. Das BSG hat insoweit mehrfach entschieden, dass nicht immer auszuschließen sei, dass der Gesetzgeber ausnahmslos den Ausschluss von Ansprüchen nach Ablauf einer bestimm-ten Frist beabsichtigt habe. Sei keine ausdrückliche Regelung getroffen, müsse im Wege der Auslegung – vor allem im Rückgriff auf den Zweck der Fristbestimmung – geklärt wer-den, ob § 206 BGB a.F. heranzuziehen sei (vgl. BSGE 36, 267 u.a.).
Etwas anderes muss aber für den Beginn einer Mitgliedschaft gelten, wenn der Gesetz-geber dafür eine bestimmte konkrete Rechtshandlung – wie in § 189 Abs.2 SGB V die Rentenantragstellung – vorgeschrieben hat. Würde man in einem solchen Fall auf den Rechtsgedanken des § 210 BGB n.F. zurückgreifen, würde dies zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen und würde im Widerspruch zu dem klaren Wortlaut des § 189 Abs.2 SGB V stehen. Den Ausführungen des SG, dass die Feststellung eines Mitglied-schaftsbeginns "aus praktischen Gründen" auf ein fiktives Datum mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die zu größtmöglicher Rechtssicherheit führen soll, ist damit nicht in Einklang zu bringen. Gerade weil das SGB V nur die klare Regel des § 189 kennt, nicht aber eine dem § 99 SGB VI verwandte, besteht kein Raum für eine Fiktion.
Zutreffend ist auch der Hinweis der Beklagten, dass mit der vorliegenden Situation keine Vergleichbarkeit mit einem Fall gegeben ist, in dem zunächst ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilisation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt wurde, dieser jedoch gemäß § 116 Abs.2 SGB VI unter den dort genannten Voraussetzungen als Ren-tenantrag gilt. Denn dort ist eine gesetzliche Fiktion unter exakten Tatbestandsvorausset-zungen gesetzlich verankert und wiederum klar definiert, mit welchem Datum (nämlich dem Tag des Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben) der Rentenantrag als gestellt gilt.
Auch liegen die Voraussetzungen für eine freiwillige Versicherung nicht vor.
Der Versicherung können Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungs-pflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindes-tens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren (§ 9 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V).
Die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin als Arbeitslosengeldempfängerin nach § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V endete am 28.09.1998. Eine weitere Pflichtmitgliedschaft als Arbeitslose wur-de wegen des durch die Agentur für Arbeit bestandskräftig abgelehnten Arbeitslosenhilfe-Antrags nicht begründet.
So war die für die Durchführung einer freiwilligen Mitgliedschaft erforderliche Vorversiche-rungszeit am 28.09.1998 zwar fraglos erfüllt. Da jedoch der Beitritt der Krankenkasse in-nerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen ist (§ 9 Abs.2 Nr.1 SGB V), die Klägerin bis zum Ablauf dieser Frist am 28.12.1998 eine freiwillige Mit-gliedschaft bei der Beklagten aber nicht beantragt hat, hat sie unstreitig die Beitrittsfrist nicht eingehalten.
Fraglich kann von daher nur sein, ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumnis möglich ist.
Nach § 27 Abs.1 SGB X ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewäh-ren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nachdem andere tatsächliche Hinderungsgründe weder ersichtlich noch vorgetragen sind, wäre die Nichteinhaltung der Anzeigefrist durch die Klägerin lediglich dann entschuldbar im Sinne des § 27 SGB X, wenn bei ihr noch vor dem 29.12.1998 Geschäftsunfähigkeit eingetreten war und diese seither ununterbrochen fortbestanden hat.
Nach § 104 Satz 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestim-mung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung ist zu bejahen, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (BGH, NJW 70, 1680, 96, 918). Für einen Ausschluss der freien Willensbestimmung besteht auch dann keine Vermutung, wenn der Betroffene seit längerem an geistigen Störungen leidet (BGH, WM 65, 895, BAyObLG ZEV 02, 234). Bloße Willensschwäche oder leichte Beeinfluss-barkeit genügen nicht, ebenso wenig das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen (BGH, NJW 61, 261).
Dass bei der Klägerin bereits vor dem 29.12.1998 Geschäftsunfähigkeit im aufgezeigten Sinne vorlag, folgert das SG aus den Akten bzw. der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. W. vom Sozialärztlichen Dienst der DRV Schwaben, der Betreuungsakte des Vor-mundschaftsgerichts, einem Brandschaden im Jahr 2000 und einem Befundbericht des Hausarztes Dr. W. sowie des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie P., der die Klägerin am 02.12.2006 im Rahmen einer Überprüfung der Betreuung begutachtet hatte.
Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anschließen.
Der Nachweis der Geschäftsunfähigkeit erfolgt regelmäßig durch ein fachärztliches Gut-achten, das auf den Zeitpunkt der Rechtshandlung bezogen sein muss. Der Beweis ist nur dann geführt, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hat, also keine vernünftigen Zweifel am Vorliegen der Geschäftsunfähigkeit bestehen.
Sind Personen geschäftsunfähig im Sinn von § 104 BGB, so handelt der gesetzliche Ver-treter. Ist ein geschäftsunfähiger Versicherter ohne einen solchen Vertreter, so beginnt in entsprechender Anwendung des § 206 Abs.1 BGB die für die Anzeige gesetzte Frist von drei Monaten erst zu laufen, wenn der Versicherte geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört.
Allein die Bestellung eines Betreuers hat keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten. Die Bestellung eines Betreuers setzt somit nicht die Geschäftsunfähigkeit der zu betreuenden Person voraus.
Wie bereits ausgeführt, käme es auf den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit der Klägerin spätestens am 28.12.1998 an.
Zwar führte Dr. B. in seiner nervenärztlichen Bescheinigung vom 19.01.2006 aus, dass eine situations- und altersadäquate Handlungsfähigkeit bereits in den letzten zehn Jahren deutlich reduziert gegeben gewesen sei, so dass mit ausreichender Sicherheit gesagt werden könne, dass die Klägerin 1998 krankheitsbedingt nicht ausreichend in der Lage war, Regelungen mit Behörden, Versicherungen und ärztlichen Stellen durchzuführen. Festzuhalten ist aber, dass sich die Einschätzung von Dr. B. ausschließlich auf die Anga-ben von Angehörigen und Nachbarn, sowie von Ärzten, die die Klägerin ab Ende 2005 untersucht und behandelt haben, gründet. Objektive Daten, insbesondere medizinische Befunde aus der Zeit vor 1999 existieren aber nicht.
Das Vorgenannte gilt auch für die Ausführungen im Betreuungsverfahren für das G-Stadt. Auch diese Stellungnahme ist geprägt durch die Wiedergabe fremdanamnestischer An-gaben. Auch hier konnten keine konkreten Aussagen zur Geschäftsfähigkeit der Klägerin gemacht werden.
Somit ist insgesamt nicht nachgewiesen, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt (28.12.1998) geschäftsunfähig war. Nachdem somit die geltend gemachte Geschäftsun-fähigkeit nicht festgestellt werden kann, war der Ablauf der hier in Rede stehenden Aus-schlussfrist nicht gehemmt, weshalb für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Raum bleibt. Somit ist auch der für eine freiwillige Versicherung zwingend notwendige An-trag nicht unverschuldet unterblieben.
Somit war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.07.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG). Die Klägerin ist unterlegen.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache war die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
Rechtskraft
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