Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 91/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 9/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule nach Nummer 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Der 1964 geborene Kläger war seit 1981 als Maler tätig. Er macht schwere Belastun-gen in dieser Tätigkeit als Grundlage der Berufskrankheit geltend, insbesondere das Heben und Tragen von Möbeln, Farbeimern, Säcken und Gerüstteilen. Der Kläger be-gab sich im August 1997 mit Wirbelsäulenbeschwerden in die Behandlung des Ortho-päden Dr. M ... Die Röntgenuntersuchung ergab eine Knochen- und Knorpelver-kümmerung (Osteochondrose) im Abschnitt zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein. In der CT-Untersuchung waren solche Veränderungen der dort gelegenen Bandscheibe mit erheblichen vom Wirbelkörper ausgehenden Knochenza-cken hinten zu erkennen. Der Kläger schied am 15. September 1998 aus seiner Be-schäftigung aus.
Der Orthopäde Dr. Sch. erstattete bei der Beklagten unter dem 7. Juni 1999 eine Berufskrankheitenanzeige. Er teilte mit, der Kläger habe sich erstmals im Juli 1998 wegen eines akuten Wurzelreizsyndroms zwischen der unteren Lendenwirbelsäule und dem Kreuzbein vorgestellt. Dort habe sich ein Bandscheibenvorfall finden lassen. Im August 1998 sei eine operative Versorgung erfolgt mit einer nachfolgenden Entzün-dung des Bandscheibenraums und angrenzenden Wirbelkörpers, deren Behandlung noch andauere. Die Erkrankung könne auf eine einseitige körperliche Haltung und schweres Heben und Tragen zurückgeführt werden. Die Rechtsvorgängerin der Be-klagten (nachfolgend einheitlich Beklagte) zog einen weiteren Befundbericht von Dr. Sch. sowie den Entlassungsbericht der Pf. St. M. vom 18. August 1998 bei, weiterhin Röntgenbilder und Kernspintomogramme. Dr. Sch. teilte ergän-zend mit, in Röntgenbildern von Ende Juli 1998 sei eine "dezente" Verschmälerung des Raumes zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbelkörper zu erkennen.
Sodann holte die Beklagte ein beratungsärztliches Gutachten des Orthopäden Dr. O. vom 4. Dezember 1999 ein. Dieser schätzte ein, bei dem Kläger liege ein primär bandscheibenbedingtes Leiden allein im Abschnitt zwischen der Lendenwir-belsäule und dem Kreuzbein vor. In den übrigen Abschnitten zeige sich kein krankhaf-ter Befund. Das typisch belastungskonforme Schadensbild mit Veränderungen in meh-reren Abschnitten zeige sich beim Kläger nicht. Damit sei eine berufsbedingte Verursa-chung nicht wahrscheinlich.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2000 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab. Weiterhin stellte sie fest, eine Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anlage zur Be-rufskrankheiten-Verordnung liege nicht vor. Dabei gab sie im Wesentlichen die Be-gründung ihres beratenden Arztes wieder.
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Eingangsdatum vom 28. Januar 2000 Wider-spruch ein. Er wies unter Vorlage einer Bescheinigung von Dr. Sch. und eines MRT-Befundes von Dr. E. vom 22. Oktober 1998 darauf hin, auch im Bereich zwischen dem vierten und fünften Wirbelkörper zeigten sich Abbauerscheinungen der Bandscheibe mit Hinweisen auf eine Vorwölbung bis hin zu einem kleinen Vorfall. Wei-terhin fänden sich Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke zwischen dem dritten Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zu-rück und führte ergänzend aus, um Veränderungen, die über das altersentsprechende Maß hinausgingen, handele es sich allein im Operationsbereich.
Mit der am 23. Juni 2000 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat der Kläger im Einzelnen die Belastungen seiner letzten Tätigkeit beschrieben. Er hat er-gänzende Befunde, Bl. 106 - 113 d. A., vorgelegt. Das Gericht hat sodann einen Be-fundbericht von Dr. R. von den Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg vom 23. April 2003, Bl. 117 f. d. A., von Dr. Sch. vom 28. April 2003, Bl. 119 f. d. A., von dem Orthopäden Dr. M. vom 21. Mai 2003, Bl. 121 f. d. A., und von der MEDIAN Klinik K. bezüglich einer stationären Rehabilitation vom 12. August bis 2. September 1999, Bl. 124 - 132 d. A., eingeholt.
Auf Anforderung des Gerichts hat der Kläger seine Darstellung der beruflichen Belas-tungen präzisiert (Bl. 145 - 153 d. A.) und die Beklagte eine Vergleichsberechnung er-stellt. Dabei hat sie darauf verwiesen, einzelne Angaben des Klägers seien völlig wirk-lichkeitsfremd und nicht branchenüblich (Bl. 173 - 197 d. A.).
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. R. vom 3. Juni 2004 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 222 - 240 d. A. Bezug genommen wird. Dieser ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, eine Gesund-heitsstörung im Bereich der Lendenwirbelsäule beim Kläger sei nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit durch seine berufliche Tätigkeit als Maler verursacht worden. Die degenerativen Veränderungen in allen Bereichen der Wirbelsäule hätten ihre Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einer anlagebedingten Schwäche der Knor-pel-Knochenstruktur. Im Bereich der Brustwirbelsäule zeigten sich eindeutige Verände-rungen nach einer Scheuermannschen Erkrankung. Die geringgradig altersüberschrei-tenden Bandscheibenveränderungen der unteren Halswirbelsäule und der unteren Lendenwirbelsäule seien im Ausprägungsgrad etwa gleichrangig und stützten die An-nahme eines schicksalhaften Schadensverteilungsmusters. Das völlige Fehlen von belastungsadaptiven Phänomenen wie Grund- und Deckplattenverbreiterungen und Kantenausziehungen der Lendenwirbelkörper schlössen ein belastungskonformes Schadensbild aus. Der abgelaufene Verkümmerungsprozess der Bandscheibe über dem Kreuzbein könne bei Personen mit verminderter Tragfähigkeit des Binde- und Stützgewebes schon mit dem 25. Lebensjahr einsetzen. Ein solcher Vorgang komme in der Durchschnittsbevölkerung so häufig vor, dass er nicht als Indiz für eine belas-tungsbedingte Bandscheibenerkrankung gelten könne. Dafür reiche allein die aufrechte Körperhaltung bei einem völligen Fehlen körperlicher Belastungen aus.
Das Gericht hat sodann auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten des Orthopäden Dr. habil. F. vom 20. Oktober 2004 eingeholt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 267 -277 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige ist im Wesentli-chen zu dem Ergebnis gelangt, der Bandscheibenschaden zwischen Lendenwirbelsäu-le und Kreuzbein sei nicht wahrscheinlich durch die berufliche Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden. Die Abbauveränderungen seien auf den Abschnitt zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein beschränkt, wo sie allein das Altersmaß überschritten. Im Bereich der Halswirbelsäule zeige sich eine mit-telgradige Osteochondrose zwischen dem fünften und sechsten Halswirbelkörper. Das typische berufsbedingte Schadensbild mit Veränderungen der Lendenwirbelsäule an mindestens drei Bandscheiben und einer Begleitspondylose liege beim Kläger nicht vor.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. Dezember 2004 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, beim Kläger hätten keine Erkrankungen an der Lendenwirbelsäule objekti-viert werden können, die dem Bild einer Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anla-ge zur Berufskrankheiten-Verordnung entsprächen. Für eine belastungskonforme, dem Lebensalter vorauseilende Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule lasse sich aus den medizinischen Unterlagen nichts ableiten. Lediglich an einer Bandscheibe liege eine Gewebeverkümmerung vor, während sich die übrigen Zwischenwirbelscheiben nicht höhengemindert darstellten. Andere Veränderungen hätten zeitnah zur Aufgabe der Malertätigkeit nicht bestanden. Insoweit folge das Gericht den übereinstimmenden ärztlichen Auffassungen von Dr. O. , Dr. R. und Dr. F ... Die abwei-chende Einschätzung von Dr. Sch. habe im Widerstreit der medizinischen Mei-nungen nicht überzeugen können.
Gegen das ihm am 16. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Eingangs-datum vom 14. Januar 2005 Berufung eingelegt. Er ist der Meinung, das Urteil ent-spreche nicht den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialge-richts. Das Vorkommen von Wirbelsäulenverschleiß bei Menschen ohne eine schwere Tätigkeit könne man jemandem, der bei Aufgabe seiner Tätigkeit gerade 33 Jahre ge-wesen sei, nicht ernstlich vorhalten. Eine Ermittlung der beruflichen Belastung nach dem neuesten Stand der Rechtsprechung bestätige die Überschreitung der maßgebli-chen Schwellenwerte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Dezember 2004 und den Be-scheid der Beklagten vom 13. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 29. Mai 2000 aufzuheben, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen und
die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 15. September 1998 an Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vom Hundert zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt sinngemäß das Urteil des Sozialgerichts und hat auf Anforderung des Gerichts die Belastungsdosis nach den Angaben des Klägers auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts vom 30. Oktober 2007 (B 2 U 4/06 R) neu ermittelt (Bl. 344 - 388 d. A.). Danach betrug die Gesamtdosis 22,7 MNh.
In der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung haben die Verwaltungsakte der Beklagten – Az. 8/09717/99-2 – und Ablichtungen aus dem Gutachtenheft der Landes-versicherungsanstalt Sachsen-Anhalt – Vers.-Nr. 29 260764 L 019 – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beru-fung hat keinen Erfolg.
Die als Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erhobene Klage ist statthaft.
Die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist dabei über den auf die Feststel-lung einer (Unfall- oder Berufskrankheiten-) "Folge" gerichteten Wortlaut hinaus auch für die Feststellung des jeweiligen Versicherungsfalles selbst – hier der Berufskrankheit – statthaft (BSG, Urt. v. 7. 9. 04 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3).
Auch für die allgemeine Leistungsklage besteht zumindest deshalb ein Rechtsschutz-bedürfnis, weil die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich Entschädi-gungsleistungen abgelehnt hat.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 29. Mai 2000 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Anerkennung einer Be-rufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (in der Fas-sung der letzten Änderung durch V. v. 5.9.02, BGBl. I S. 3541) hat. Diese Berufskrank-heit wird dort bestimmt als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbel-säule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ".
Es fehlt hier aber an der Voraussetzung von Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der Fassung der letzten Änderung durch G. v. 17.6.08, BGBl. I S. 1010), wonach ein Versicherter die Krankheit "infolge" einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden muss. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die vom Kläger geschilderten und von der Beklagten ermittelten Belastungen während der versicherten Tätigkeit als Maler zur Verursachung eines Bandscheibenschadens geeignet waren; dies kann zugunsten des Klägers un-terstellt werden und offen bleiben. Die beim Kläger vorliegenden Krankheitsbilder im Bereich der Lendenwirbelsäule können aber in seinem Fall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf diese beruflichen Belastungen zurückgeführt werden, weil eine höhere Wahrscheinlichkeit für ihre Verursachung durch anlagebedingte Umstände spricht. Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und dem Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dabei ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr. 4, 15 m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Das Gericht folgt den Sachverständigen, insbesondere dem Sachverständigen Dr. F. , bei ihrer Einschätzung, beim Kläger liege kein Schadensbild vor, bei dem der Zusammenhang wahrscheinlich wäre. Maßgeblich für die Einschätzung sind dabei nach herrschender medizinischer Auffassung die Konsensempfehlungen (vgl. auch BSG, Urt. v. 27.6.06 – B 2 U 13/05 R – Juris, Rdnr. 12, 14) einer interdisziplinären Ar-beitsgruppe aus dem Jahre 2005 (hier zitiert nach Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.). Von den verschiedenen Fallgruppen, die in den Konsensempfehlungen be-handelt werden, gehört das Krankheitsbild des Klägers in die Gruppe B 3, für die keine Einigkeit unter den beteiligten Ärzten darüber bestand, ob ein Zusammenhang wahr-scheinlich ist.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Sammelgruppe "B", weil er unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung des Abschnitts "L5/S1" zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein in Form eines (operierten) Bandscheibenvor-falls leidet. Im Sinne der Zuordnung zur Untergruppe B 3 (unter Bezugnahme auf die Maßstäbe für die Zuordnung zu B 2) sind bei ihm keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar. Schließlich liegt keine Begleitspondylose vor. Dies stellt Dr. F. bei der Röntgenauswertung ausdrücklich fest. Daraus ergibt sich kein Wi-derspruch zu der Aussage von Dr. Sch. , es seien 1998 Veränderungen der klei-nen Wirbelgelenke aufzufinden gewesen. Denn dabei handelt es nach der maßgebli-chen Begriffsbildung um eine Spondylarthrose, die von einer Spondylose abzusetzen ist (a.a.O., S. 215). Im Übrigen geht der Senat von der Richtigkeit der Aussage Dr. F. aus, da ihm die Vorbefunde vorlagen und er Anlass zu deren kritischer Überprüfung hatte.
An weiteren Merkmalen, bei denen Einigkeit besteht, dass sie die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zu den Arbeitsbelastungen begründen (Untergruppe B 2), fehlt es im Falle des Klägers. Beim Kläger liegt keine Schädigung von mindestens zwei an-grenzenden Bandscheiben vor, wie sie erforderlich ist, wenn nur ein Wirbelsäulenab-schnitt – hier L5/S1 ¬– von einer Chondrose oder einem Vorfall betroffen ist. Eine Chondrose und/oder ein Vorfall liegt zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbel-körper nicht auch vor. Zwar enthält der MRT-Befund vom 22. Oktober 1998 die Anga-be, dort finde sich eine Signalminderung, wie sie durch Flüssigkeitsverlust bzw. Chondrose hervorgerufen werde. Die nach der maßgeblichen Begriffsbildung für eine Chondrose entscheidende Höhenminderung der Bandscheibe ist aber hier nicht be-schrieben und liegt nach Einschätzung der Sachverständigen nicht vor. Dieser, nach Überprüfung aller älteren aktenkundigen Befunde getroffenen Aussage der Sachver-ständigen folgt der Senat auch gegen die Bescheinigung von Dr. Sch. , wonach schon 1998 eine geringfügige Höhenminderung feststellbar gewesen sein soll. Im MRT-Befund vom 4. Januar 2000 ist im Übrigen weder von einer Chondrose noch von einer Höhenminderung die Rede.
Die bei diesem Schadensbild vorauszusetzende Schädigung zweier angrenzender Bandscheiben liegt nicht vor. Um eine geschädigte Bandscheibe handelt es sich aus-weislich des Flüssigkeitsverlustes und der Vorwölbung zwar im Bereich zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbelkörper, ein weiterer angrenzender Abschnitt der Len-denwirbelsäule ist aber ausweislich der MRT-Befunde nicht von Bandscheibenschäden betroffen.
Der Kläger war auch nicht im Sinne einer weiteren hinreichenden Voraussetzung be-sonders intensiv belastet. Die hierbei geforderte Belastung geht über die allgemeine Mindestbelastungsdosis hinaus, deren Erfüllung ohnehin für den Anspruch vorauszu-setzen ist. Folgerichtig machen die Konsensempfehlungen daher das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren zum Anhaltspunkt für die besonders intensive Belastung. Der Kläger hat im Zehnjahreszeitraum von 1981 bis 1991 nach den Expositionsermittlungen der Beklagten den Mindestgrenzwert (BSG, Urt. v. 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R – Juris, Rdnr. 25) von 12,5 MNh leicht über-schritten (mit jedenfalls unter 15 MNh). Es liegt aber nahe, hier weiterhin von einer Größenordnung im Bereich des Richtwertes nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell auszugehen. Jedenfalls reicht ein Überschreiten des Mindestgrenzwertes von 12,5 MNh um weniger als 20 Prozent zum Beleg einer besonders intensiven Belastung nicht aus.
Zum Einen folgt eine Maßgeblichkeit des Orientierungswertes von 25 MNh für die Zu-ordnung zur Fallgruppe B 2 der Konsensempfehlungen aus ärztlicher Sicht daraus, dass die beteiligten Ärzte bei Herausgabe dieser Empfehlungen den "Richtwert für die Lebensdosis" nur in diesem Orientierungswert sehen konnten. Denn die Verfeinerung der Rechtsprechung unter Einführung eines Mindestgrenzwertes erfolgte erst nach der Herausgabe der Konsensempfehlungen. Zum Zweiten würde auch der Mindestgrenz-wert an dieser Stelle nicht die Funktion erfüllen, die ihm für die Erfüllung der Voraus-setzungen bei der Fallgruppe B 2 zukommt. Die Zusatzvoraussetzung der intensiven Belastung hat hier die gleiche Bedeutung wie eine medizinische Voraussetzung, die auf einen wahrscheinlichen Zusammenhang schließen lässt. Sie kann nicht allein da-durch erfüllt sein, dass eine Mindestdosis erreicht wird, unterhalb derer ein beruflicher Schädigungszusammenhang nach jetzigem Wissensstand schlechthin ausgeschlossen (BSG, a.a.O., Rdnr. 25) ist. Denn dann wäre sie kein auffälliges Kennzeichen dafür, dass bei einem medizinisch nicht ausreichend auf einen beruflichen Zusammenhang hinweisenden Schadensbild der Zusammenhang im konkreten Fall gleichwohl vorliegt. Dafür ist ein Orientierungswert in der Größenordnung von 25 MNh aussagekräftiger, weil er für ein bereits messbar erhöhtes Risiko des Auftretens von Lendenwirbelsäu-lenerkrankungen (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2108 Nr. 4.1) steht.
Beim Kläger bestand schließlich kein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen. Einzelbelastungen ab 6 kN werden nach der Belastungsanalyse, die die Beklagte als Vergleichsberechnung nach den Angaben des Klägers gefertigt hat, nicht erreicht.
Bei Fehlen der Zusatzvoraussetzungen der Fallgruppe B 2 lässt sich eine Zusammen-hangswahrscheinlichkeit aus den Konsensempfehlungen nicht ableiten, weil die Ar-beitsgruppe für diesen Fall als Fallgruppe B 3 mangels übereinstimmender Auffassung keine Empfehlung abgegeben hat. Insoweit muss es bei den Hinweisen von Dr. O. und Dr. R. sein Bewenden haben, dass Veränderungen der beim Kläger vorliegen-den Art mit einem Krankheitsschwerpunkt zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein eine Massenkrankheit darstellen, die auch bei einem Auftreten in jungem Alter beruflichen Belastungen nicht ausreichend sicher zugeordnet werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
gez. Eyrich gez. Boldt gez. Dr. Mecke
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule nach Nummer 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Der 1964 geborene Kläger war seit 1981 als Maler tätig. Er macht schwere Belastun-gen in dieser Tätigkeit als Grundlage der Berufskrankheit geltend, insbesondere das Heben und Tragen von Möbeln, Farbeimern, Säcken und Gerüstteilen. Der Kläger be-gab sich im August 1997 mit Wirbelsäulenbeschwerden in die Behandlung des Ortho-päden Dr. M ... Die Röntgenuntersuchung ergab eine Knochen- und Knorpelver-kümmerung (Osteochondrose) im Abschnitt zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein. In der CT-Untersuchung waren solche Veränderungen der dort gelegenen Bandscheibe mit erheblichen vom Wirbelkörper ausgehenden Knochenza-cken hinten zu erkennen. Der Kläger schied am 15. September 1998 aus seiner Be-schäftigung aus.
Der Orthopäde Dr. Sch. erstattete bei der Beklagten unter dem 7. Juni 1999 eine Berufskrankheitenanzeige. Er teilte mit, der Kläger habe sich erstmals im Juli 1998 wegen eines akuten Wurzelreizsyndroms zwischen der unteren Lendenwirbelsäule und dem Kreuzbein vorgestellt. Dort habe sich ein Bandscheibenvorfall finden lassen. Im August 1998 sei eine operative Versorgung erfolgt mit einer nachfolgenden Entzün-dung des Bandscheibenraums und angrenzenden Wirbelkörpers, deren Behandlung noch andauere. Die Erkrankung könne auf eine einseitige körperliche Haltung und schweres Heben und Tragen zurückgeführt werden. Die Rechtsvorgängerin der Be-klagten (nachfolgend einheitlich Beklagte) zog einen weiteren Befundbericht von Dr. Sch. sowie den Entlassungsbericht der Pf. St. M. vom 18. August 1998 bei, weiterhin Röntgenbilder und Kernspintomogramme. Dr. Sch. teilte ergän-zend mit, in Röntgenbildern von Ende Juli 1998 sei eine "dezente" Verschmälerung des Raumes zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbelkörper zu erkennen.
Sodann holte die Beklagte ein beratungsärztliches Gutachten des Orthopäden Dr. O. vom 4. Dezember 1999 ein. Dieser schätzte ein, bei dem Kläger liege ein primär bandscheibenbedingtes Leiden allein im Abschnitt zwischen der Lendenwir-belsäule und dem Kreuzbein vor. In den übrigen Abschnitten zeige sich kein krankhaf-ter Befund. Das typisch belastungskonforme Schadensbild mit Veränderungen in meh-reren Abschnitten zeige sich beim Kläger nicht. Damit sei eine berufsbedingte Verursa-chung nicht wahrscheinlich.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2000 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab. Weiterhin stellte sie fest, eine Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anlage zur Be-rufskrankheiten-Verordnung liege nicht vor. Dabei gab sie im Wesentlichen die Be-gründung ihres beratenden Arztes wieder.
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Eingangsdatum vom 28. Januar 2000 Wider-spruch ein. Er wies unter Vorlage einer Bescheinigung von Dr. Sch. und eines MRT-Befundes von Dr. E. vom 22. Oktober 1998 darauf hin, auch im Bereich zwischen dem vierten und fünften Wirbelkörper zeigten sich Abbauerscheinungen der Bandscheibe mit Hinweisen auf eine Vorwölbung bis hin zu einem kleinen Vorfall. Wei-terhin fänden sich Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke zwischen dem dritten Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zu-rück und führte ergänzend aus, um Veränderungen, die über das altersentsprechende Maß hinausgingen, handele es sich allein im Operationsbereich.
Mit der am 23. Juni 2000 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat der Kläger im Einzelnen die Belastungen seiner letzten Tätigkeit beschrieben. Er hat er-gänzende Befunde, Bl. 106 - 113 d. A., vorgelegt. Das Gericht hat sodann einen Be-fundbericht von Dr. R. von den Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg vom 23. April 2003, Bl. 117 f. d. A., von Dr. Sch. vom 28. April 2003, Bl. 119 f. d. A., von dem Orthopäden Dr. M. vom 21. Mai 2003, Bl. 121 f. d. A., und von der MEDIAN Klinik K. bezüglich einer stationären Rehabilitation vom 12. August bis 2. September 1999, Bl. 124 - 132 d. A., eingeholt.
Auf Anforderung des Gerichts hat der Kläger seine Darstellung der beruflichen Belas-tungen präzisiert (Bl. 145 - 153 d. A.) und die Beklagte eine Vergleichsberechnung er-stellt. Dabei hat sie darauf verwiesen, einzelne Angaben des Klägers seien völlig wirk-lichkeitsfremd und nicht branchenüblich (Bl. 173 - 197 d. A.).
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. R. vom 3. Juni 2004 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 222 - 240 d. A. Bezug genommen wird. Dieser ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, eine Gesund-heitsstörung im Bereich der Lendenwirbelsäule beim Kläger sei nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit durch seine berufliche Tätigkeit als Maler verursacht worden. Die degenerativen Veränderungen in allen Bereichen der Wirbelsäule hätten ihre Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einer anlagebedingten Schwäche der Knor-pel-Knochenstruktur. Im Bereich der Brustwirbelsäule zeigten sich eindeutige Verände-rungen nach einer Scheuermannschen Erkrankung. Die geringgradig altersüberschrei-tenden Bandscheibenveränderungen der unteren Halswirbelsäule und der unteren Lendenwirbelsäule seien im Ausprägungsgrad etwa gleichrangig und stützten die An-nahme eines schicksalhaften Schadensverteilungsmusters. Das völlige Fehlen von belastungsadaptiven Phänomenen wie Grund- und Deckplattenverbreiterungen und Kantenausziehungen der Lendenwirbelkörper schlössen ein belastungskonformes Schadensbild aus. Der abgelaufene Verkümmerungsprozess der Bandscheibe über dem Kreuzbein könne bei Personen mit verminderter Tragfähigkeit des Binde- und Stützgewebes schon mit dem 25. Lebensjahr einsetzen. Ein solcher Vorgang komme in der Durchschnittsbevölkerung so häufig vor, dass er nicht als Indiz für eine belas-tungsbedingte Bandscheibenerkrankung gelten könne. Dafür reiche allein die aufrechte Körperhaltung bei einem völligen Fehlen körperlicher Belastungen aus.
Das Gericht hat sodann auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten des Orthopäden Dr. habil. F. vom 20. Oktober 2004 eingeholt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 267 -277 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige ist im Wesentli-chen zu dem Ergebnis gelangt, der Bandscheibenschaden zwischen Lendenwirbelsäu-le und Kreuzbein sei nicht wahrscheinlich durch die berufliche Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden. Die Abbauveränderungen seien auf den Abschnitt zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein beschränkt, wo sie allein das Altersmaß überschritten. Im Bereich der Halswirbelsäule zeige sich eine mit-telgradige Osteochondrose zwischen dem fünften und sechsten Halswirbelkörper. Das typische berufsbedingte Schadensbild mit Veränderungen der Lendenwirbelsäule an mindestens drei Bandscheiben und einer Begleitspondylose liege beim Kläger nicht vor.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. Dezember 2004 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, beim Kläger hätten keine Erkrankungen an der Lendenwirbelsäule objekti-viert werden können, die dem Bild einer Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anla-ge zur Berufskrankheiten-Verordnung entsprächen. Für eine belastungskonforme, dem Lebensalter vorauseilende Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule lasse sich aus den medizinischen Unterlagen nichts ableiten. Lediglich an einer Bandscheibe liege eine Gewebeverkümmerung vor, während sich die übrigen Zwischenwirbelscheiben nicht höhengemindert darstellten. Andere Veränderungen hätten zeitnah zur Aufgabe der Malertätigkeit nicht bestanden. Insoweit folge das Gericht den übereinstimmenden ärztlichen Auffassungen von Dr. O. , Dr. R. und Dr. F ... Die abwei-chende Einschätzung von Dr. Sch. habe im Widerstreit der medizinischen Mei-nungen nicht überzeugen können.
Gegen das ihm am 16. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Eingangs-datum vom 14. Januar 2005 Berufung eingelegt. Er ist der Meinung, das Urteil ent-spreche nicht den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialge-richts. Das Vorkommen von Wirbelsäulenverschleiß bei Menschen ohne eine schwere Tätigkeit könne man jemandem, der bei Aufgabe seiner Tätigkeit gerade 33 Jahre ge-wesen sei, nicht ernstlich vorhalten. Eine Ermittlung der beruflichen Belastung nach dem neuesten Stand der Rechtsprechung bestätige die Überschreitung der maßgebli-chen Schwellenwerte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Dezember 2004 und den Be-scheid der Beklagten vom 13. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 29. Mai 2000 aufzuheben, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen und
die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 15. September 1998 an Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vom Hundert zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt sinngemäß das Urteil des Sozialgerichts und hat auf Anforderung des Gerichts die Belastungsdosis nach den Angaben des Klägers auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts vom 30. Oktober 2007 (B 2 U 4/06 R) neu ermittelt (Bl. 344 - 388 d. A.). Danach betrug die Gesamtdosis 22,7 MNh.
In der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung haben die Verwaltungsakte der Beklagten – Az. 8/09717/99-2 – und Ablichtungen aus dem Gutachtenheft der Landes-versicherungsanstalt Sachsen-Anhalt – Vers.-Nr. 29 260764 L 019 – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beru-fung hat keinen Erfolg.
Die als Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erhobene Klage ist statthaft.
Die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist dabei über den auf die Feststel-lung einer (Unfall- oder Berufskrankheiten-) "Folge" gerichteten Wortlaut hinaus auch für die Feststellung des jeweiligen Versicherungsfalles selbst – hier der Berufskrankheit – statthaft (BSG, Urt. v. 7. 9. 04 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3).
Auch für die allgemeine Leistungsklage besteht zumindest deshalb ein Rechtsschutz-bedürfnis, weil die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich Entschädi-gungsleistungen abgelehnt hat.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 29. Mai 2000 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Anerkennung einer Be-rufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (in der Fas-sung der letzten Änderung durch V. v. 5.9.02, BGBl. I S. 3541) hat. Diese Berufskrank-heit wird dort bestimmt als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbel-säule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ".
Es fehlt hier aber an der Voraussetzung von Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der Fassung der letzten Änderung durch G. v. 17.6.08, BGBl. I S. 1010), wonach ein Versicherter die Krankheit "infolge" einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden muss. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die vom Kläger geschilderten und von der Beklagten ermittelten Belastungen während der versicherten Tätigkeit als Maler zur Verursachung eines Bandscheibenschadens geeignet waren; dies kann zugunsten des Klägers un-terstellt werden und offen bleiben. Die beim Kläger vorliegenden Krankheitsbilder im Bereich der Lendenwirbelsäule können aber in seinem Fall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf diese beruflichen Belastungen zurückgeführt werden, weil eine höhere Wahrscheinlichkeit für ihre Verursachung durch anlagebedingte Umstände spricht. Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und dem Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dabei ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr. 4, 15 m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Das Gericht folgt den Sachverständigen, insbesondere dem Sachverständigen Dr. F. , bei ihrer Einschätzung, beim Kläger liege kein Schadensbild vor, bei dem der Zusammenhang wahrscheinlich wäre. Maßgeblich für die Einschätzung sind dabei nach herrschender medizinischer Auffassung die Konsensempfehlungen (vgl. auch BSG, Urt. v. 27.6.06 – B 2 U 13/05 R – Juris, Rdnr. 12, 14) einer interdisziplinären Ar-beitsgruppe aus dem Jahre 2005 (hier zitiert nach Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.). Von den verschiedenen Fallgruppen, die in den Konsensempfehlungen be-handelt werden, gehört das Krankheitsbild des Klägers in die Gruppe B 3, für die keine Einigkeit unter den beteiligten Ärzten darüber bestand, ob ein Zusammenhang wahr-scheinlich ist.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Sammelgruppe "B", weil er unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung des Abschnitts "L5/S1" zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein in Form eines (operierten) Bandscheibenvor-falls leidet. Im Sinne der Zuordnung zur Untergruppe B 3 (unter Bezugnahme auf die Maßstäbe für die Zuordnung zu B 2) sind bei ihm keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar. Schließlich liegt keine Begleitspondylose vor. Dies stellt Dr. F. bei der Röntgenauswertung ausdrücklich fest. Daraus ergibt sich kein Wi-derspruch zu der Aussage von Dr. Sch. , es seien 1998 Veränderungen der klei-nen Wirbelgelenke aufzufinden gewesen. Denn dabei handelt es nach der maßgebli-chen Begriffsbildung um eine Spondylarthrose, die von einer Spondylose abzusetzen ist (a.a.O., S. 215). Im Übrigen geht der Senat von der Richtigkeit der Aussage Dr. F. aus, da ihm die Vorbefunde vorlagen und er Anlass zu deren kritischer Überprüfung hatte.
An weiteren Merkmalen, bei denen Einigkeit besteht, dass sie die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zu den Arbeitsbelastungen begründen (Untergruppe B 2), fehlt es im Falle des Klägers. Beim Kläger liegt keine Schädigung von mindestens zwei an-grenzenden Bandscheiben vor, wie sie erforderlich ist, wenn nur ein Wirbelsäulenab-schnitt – hier L5/S1 ¬– von einer Chondrose oder einem Vorfall betroffen ist. Eine Chondrose und/oder ein Vorfall liegt zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbel-körper nicht auch vor. Zwar enthält der MRT-Befund vom 22. Oktober 1998 die Anga-be, dort finde sich eine Signalminderung, wie sie durch Flüssigkeitsverlust bzw. Chondrose hervorgerufen werde. Die nach der maßgeblichen Begriffsbildung für eine Chondrose entscheidende Höhenminderung der Bandscheibe ist aber hier nicht be-schrieben und liegt nach Einschätzung der Sachverständigen nicht vor. Dieser, nach Überprüfung aller älteren aktenkundigen Befunde getroffenen Aussage der Sachver-ständigen folgt der Senat auch gegen die Bescheinigung von Dr. Sch. , wonach schon 1998 eine geringfügige Höhenminderung feststellbar gewesen sein soll. Im MRT-Befund vom 4. Januar 2000 ist im Übrigen weder von einer Chondrose noch von einer Höhenminderung die Rede.
Die bei diesem Schadensbild vorauszusetzende Schädigung zweier angrenzender Bandscheiben liegt nicht vor. Um eine geschädigte Bandscheibe handelt es sich aus-weislich des Flüssigkeitsverlustes und der Vorwölbung zwar im Bereich zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbelkörper, ein weiterer angrenzender Abschnitt der Len-denwirbelsäule ist aber ausweislich der MRT-Befunde nicht von Bandscheibenschäden betroffen.
Der Kläger war auch nicht im Sinne einer weiteren hinreichenden Voraussetzung be-sonders intensiv belastet. Die hierbei geforderte Belastung geht über die allgemeine Mindestbelastungsdosis hinaus, deren Erfüllung ohnehin für den Anspruch vorauszu-setzen ist. Folgerichtig machen die Konsensempfehlungen daher das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren zum Anhaltspunkt für die besonders intensive Belastung. Der Kläger hat im Zehnjahreszeitraum von 1981 bis 1991 nach den Expositionsermittlungen der Beklagten den Mindestgrenzwert (BSG, Urt. v. 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R – Juris, Rdnr. 25) von 12,5 MNh leicht über-schritten (mit jedenfalls unter 15 MNh). Es liegt aber nahe, hier weiterhin von einer Größenordnung im Bereich des Richtwertes nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell auszugehen. Jedenfalls reicht ein Überschreiten des Mindestgrenzwertes von 12,5 MNh um weniger als 20 Prozent zum Beleg einer besonders intensiven Belastung nicht aus.
Zum Einen folgt eine Maßgeblichkeit des Orientierungswertes von 25 MNh für die Zu-ordnung zur Fallgruppe B 2 der Konsensempfehlungen aus ärztlicher Sicht daraus, dass die beteiligten Ärzte bei Herausgabe dieser Empfehlungen den "Richtwert für die Lebensdosis" nur in diesem Orientierungswert sehen konnten. Denn die Verfeinerung der Rechtsprechung unter Einführung eines Mindestgrenzwertes erfolgte erst nach der Herausgabe der Konsensempfehlungen. Zum Zweiten würde auch der Mindestgrenz-wert an dieser Stelle nicht die Funktion erfüllen, die ihm für die Erfüllung der Voraus-setzungen bei der Fallgruppe B 2 zukommt. Die Zusatzvoraussetzung der intensiven Belastung hat hier die gleiche Bedeutung wie eine medizinische Voraussetzung, die auf einen wahrscheinlichen Zusammenhang schließen lässt. Sie kann nicht allein da-durch erfüllt sein, dass eine Mindestdosis erreicht wird, unterhalb derer ein beruflicher Schädigungszusammenhang nach jetzigem Wissensstand schlechthin ausgeschlossen (BSG, a.a.O., Rdnr. 25) ist. Denn dann wäre sie kein auffälliges Kennzeichen dafür, dass bei einem medizinisch nicht ausreichend auf einen beruflichen Zusammenhang hinweisenden Schadensbild der Zusammenhang im konkreten Fall gleichwohl vorliegt. Dafür ist ein Orientierungswert in der Größenordnung von 25 MNh aussagekräftiger, weil er für ein bereits messbar erhöhtes Risiko des Auftretens von Lendenwirbelsäu-lenerkrankungen (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2108 Nr. 4.1) steht.
Beim Kläger bestand schließlich kein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen. Einzelbelastungen ab 6 kN werden nach der Belastungsanalyse, die die Beklagte als Vergleichsberechnung nach den Angaben des Klägers gefertigt hat, nicht erreicht.
Bei Fehlen der Zusatzvoraussetzungen der Fallgruppe B 2 lässt sich eine Zusammen-hangswahrscheinlichkeit aus den Konsensempfehlungen nicht ableiten, weil die Ar-beitsgruppe für diesen Fall als Fallgruppe B 3 mangels übereinstimmender Auffassung keine Empfehlung abgegeben hat. Insoweit muss es bei den Hinweisen von Dr. O. und Dr. R. sein Bewenden haben, dass Veränderungen der beim Kläger vorliegen-den Art mit einem Krankheitsschwerpunkt zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein eine Massenkrankheit darstellen, die auch bei einem Auftreten in jungem Alter beruflichen Belastungen nicht ausreichend sicher zugeordnet werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
gez. Eyrich gez. Boldt gez. Dr. Mecke
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