Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 37 AL 754/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 B 1081/08 AL ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 19. November 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Sozialgericht München (SG) hatte mit Urteil vom 27.01.1995 mehrere Rechts-
streitigkeiten des 1957 geborenen Antragstellers entschieden, bei denen es unter anderem um eine höhere Arbeitslosenhilfe auf der Grundlage eines höheren Bemessungsentgelts ging (S 37 AL 798/93). Der Antragsteller legte hiergegen am 22.06.1995 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein (L 9 AL 202/95), das mit Beschluss vom 16.12.1997 das Rechtsmittel zurückwies; bezüglich der Höhe der Arbeitslosenhilfe nahm es Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung sowie auf seinen früheren Beschluss vom 16.11.1997 (L 9 VR 3/96.AL).
Der Antragsteller beantragte am 23.04.2008 beim Bayer. Landessozialgericht sinngemäß die Wiederaufnahme des Verfahrens, das unter dem Az. L 9 AL 119/08 WA geführt wird. Am 22.07.2008 beantragte er beim SG im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes eine höhere Arbeitslosenhilfe für die zurückliegende Zeit von 1990 bis 1994. Nach dem Nichtbestehen des zweiten juristischen Staatsexamens habe er Arbeitslosenhilfe bezogen auf der Grundlage der Bemessung der Leistung nach den Referendarbezügen. Wegen seines vorherigen Studiums der Betriebswirtschaft von 1976 bis 1980 hätte die Arbeitslosenhilfe nach den Bezügen eines Diplombetriebswirts berechnet werden müssen. Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2008 den Antrag abgelehnt (S 37 AL 754/08 ER).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 01.12.2008. Durch die Entscheidung der Beklagten sei er in seinen Grundrechten aus Art. 1, 3, 12, 14, 20 Grundgesetz verletzt, es liege ein Prozessbetrug vor; außerdem mache er seine Rechte aus dem Herstellung- und Folgenbeseitigungsanspruch geltend. Ihm stehe Arbeitslosenhilfe von 1990 bis 1994 auf der Bemessungsgrundlage der Bezüge eines Diplombetriebswirts zu.
Er beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 19.11.2008 zu verpflichten, ihm Arbeitslosenhilfe von 1990 bis 1994 nach einer Bemessungsgrundlage von 5000,00 DM monatlich zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Senats und des SG Bezug genommen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 171, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt, wie die inhaltsgleiche Vorschrift des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung im Verwaltungsprozess voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind.
Es geht im vorliegenden Fall um eine Regelungsanordnung, da der Antragsteller eine vorläufige Regelung einer zu Grunde liegenden Verpflichtungs- und Leistungsklage geltend macht. Eine vorläufige Regelung setzt nach allgemeiner Meinung stets voraus, dass sie zur Abwehr wesentlicher Nachteile, drohender Gewalt oder aus anderen Gründen dringend nötig ist. Denn eine einstweilige Anordnung dient sowohl als Sicherungsanordnung, als auch als Regelungsanordnung nur der Sicherung von Rechten des Antragstellers, nicht ihrer Befriedigung. Streitgegenstand einer einstweiligen Anordnung ist nicht das zu sichernde Recht oder das zu regelnde Rechtsverhältnis, sondern nur dessen vorläufige Sicherung bzw. vorläufige Regelung. Das Eilverfahren bezweckt nicht die Verwirklichung des Rechts mit Rechtskraftwirkung der entsprechenden Entscheidung, sondern nur eine vorläufige Sicherung, die verhindern soll, dass der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache aufgrund von Zeitablaufs vor vollendete Tatsachen gestellt wird (Senatsbeschluss vom 04.04.2008, L 9 B 1179/07 AL ER m. w. N. der Rechtsprechung und Literatur).
Da bei der Anordnung vorläufiger Geldzahlung bereits eine begrenzte Befriedigung eintritt, sind hier besonders strenge Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit zu stellen. Dies gilt insbesondere, wenn, wie im vorliegenden Fall, Geldzahlungen für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Denn bereits aus dem Wortlaut des § 86 b Abs. 2 SGG ergibt sich, dass einstweilige Anordnungen die Sicherung bzw. Regelung eines Rechtsverhältnisses für die Zukunft zur Abwendung wesentlicher Nachteile bezwecken. Die vorausgesetzte Eilbedürftigkeit als ein Element eines Anordnungsgrundes kann im Allgemeinen nicht bejaht werden, wenn Leistungen für vergangene Zeiträume beansprucht werden.
Auch unter dem übergreifenden Gesichtspunkt des Sicherungszwecks ist ein Anordnungsgrund zu verneinen. Bei einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung von Geldforderungen fehlt es regelmäßig wegen der Leistungsfähigkeit des Sozialleistungsträgers an einem glaubhaft gemachten Anordnungsgrund.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Sozialgericht München (SG) hatte mit Urteil vom 27.01.1995 mehrere Rechts-
streitigkeiten des 1957 geborenen Antragstellers entschieden, bei denen es unter anderem um eine höhere Arbeitslosenhilfe auf der Grundlage eines höheren Bemessungsentgelts ging (S 37 AL 798/93). Der Antragsteller legte hiergegen am 22.06.1995 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein (L 9 AL 202/95), das mit Beschluss vom 16.12.1997 das Rechtsmittel zurückwies; bezüglich der Höhe der Arbeitslosenhilfe nahm es Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung sowie auf seinen früheren Beschluss vom 16.11.1997 (L 9 VR 3/96.AL).
Der Antragsteller beantragte am 23.04.2008 beim Bayer. Landessozialgericht sinngemäß die Wiederaufnahme des Verfahrens, das unter dem Az. L 9 AL 119/08 WA geführt wird. Am 22.07.2008 beantragte er beim SG im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes eine höhere Arbeitslosenhilfe für die zurückliegende Zeit von 1990 bis 1994. Nach dem Nichtbestehen des zweiten juristischen Staatsexamens habe er Arbeitslosenhilfe bezogen auf der Grundlage der Bemessung der Leistung nach den Referendarbezügen. Wegen seines vorherigen Studiums der Betriebswirtschaft von 1976 bis 1980 hätte die Arbeitslosenhilfe nach den Bezügen eines Diplombetriebswirts berechnet werden müssen. Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2008 den Antrag abgelehnt (S 37 AL 754/08 ER).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 01.12.2008. Durch die Entscheidung der Beklagten sei er in seinen Grundrechten aus Art. 1, 3, 12, 14, 20 Grundgesetz verletzt, es liege ein Prozessbetrug vor; außerdem mache er seine Rechte aus dem Herstellung- und Folgenbeseitigungsanspruch geltend. Ihm stehe Arbeitslosenhilfe von 1990 bis 1994 auf der Bemessungsgrundlage der Bezüge eines Diplombetriebswirts zu.
Er beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 19.11.2008 zu verpflichten, ihm Arbeitslosenhilfe von 1990 bis 1994 nach einer Bemessungsgrundlage von 5000,00 DM monatlich zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Senats und des SG Bezug genommen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 171, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt, wie die inhaltsgleiche Vorschrift des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung im Verwaltungsprozess voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind.
Es geht im vorliegenden Fall um eine Regelungsanordnung, da der Antragsteller eine vorläufige Regelung einer zu Grunde liegenden Verpflichtungs- und Leistungsklage geltend macht. Eine vorläufige Regelung setzt nach allgemeiner Meinung stets voraus, dass sie zur Abwehr wesentlicher Nachteile, drohender Gewalt oder aus anderen Gründen dringend nötig ist. Denn eine einstweilige Anordnung dient sowohl als Sicherungsanordnung, als auch als Regelungsanordnung nur der Sicherung von Rechten des Antragstellers, nicht ihrer Befriedigung. Streitgegenstand einer einstweiligen Anordnung ist nicht das zu sichernde Recht oder das zu regelnde Rechtsverhältnis, sondern nur dessen vorläufige Sicherung bzw. vorläufige Regelung. Das Eilverfahren bezweckt nicht die Verwirklichung des Rechts mit Rechtskraftwirkung der entsprechenden Entscheidung, sondern nur eine vorläufige Sicherung, die verhindern soll, dass der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache aufgrund von Zeitablaufs vor vollendete Tatsachen gestellt wird (Senatsbeschluss vom 04.04.2008, L 9 B 1179/07 AL ER m. w. N. der Rechtsprechung und Literatur).
Da bei der Anordnung vorläufiger Geldzahlung bereits eine begrenzte Befriedigung eintritt, sind hier besonders strenge Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit zu stellen. Dies gilt insbesondere, wenn, wie im vorliegenden Fall, Geldzahlungen für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Denn bereits aus dem Wortlaut des § 86 b Abs. 2 SGG ergibt sich, dass einstweilige Anordnungen die Sicherung bzw. Regelung eines Rechtsverhältnisses für die Zukunft zur Abwendung wesentlicher Nachteile bezwecken. Die vorausgesetzte Eilbedürftigkeit als ein Element eines Anordnungsgrundes kann im Allgemeinen nicht bejaht werden, wenn Leistungen für vergangene Zeiträume beansprucht werden.
Auch unter dem übergreifenden Gesichtspunkt des Sicherungszwecks ist ein Anordnungsgrund zu verneinen. Bei einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung von Geldforderungen fehlt es regelmäßig wegen der Leistungsfähigkeit des Sozialleistungsträgers an einem glaubhaft gemachten Anordnungsgrund.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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