L 16 B 1038/08 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 645/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 B 1038/08 AS ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 13. November 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.
Die Beschwerdeführer (Bf.) begehren im Wege des einstweiligen Rechtschutzes eine individuelle Berechnung des Bedarfs der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum ab 01.10.2008 bis 30.04.2009 , ohne Berücksichtigung des Einkommens der Bf. zu 2 bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Bf. zu 1 und die Bf. zu 3.
Der 1960 geborene Bf. zu 1 ist zusammen mit seiner 1972 geborenen Ehefrau, (Bf. zu 2) und der 1995 geborenen Tochter (Bf. zu 3) im laufenden Leistungsbezug nach Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).
Die Bf. zu 2 nahm zum 01.10.2008 eine Teilzeittätigkeit auf. Mit Bescheid vom 24.09.2008 bewilligte die Beschwerdegegnerin (Bg.) für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 751,28 EUR. Sie fügte dem Bescheid hinzu, dass das Arbeitseinkommen der Bf. zu 2 noch nicht genau feststehe und somit, wie telefonisch abgesprochen, ab dem Monat Oktober 2008 ein geschätztes Einkommen von 450 EUR netto abzüglich der Freibeträge angerechnet werde. Die Leistungen würden bei Abweichungen monatlich nach Vorlage der Lohnabrechnungen nachberechnet und ggf. nachbezahlt bzw. eine Überzahlung zurückgefordert. Dem Bescheid war ein Berechnungsbogen beigefügt, der sich wie folgt aufschlüsselt:
Höhe der monatlich zustehenden Leistungen einzeln für die Bf. und insgesamt für die Bedarfsgemeinschaft
das zu berücksichtigende monatliche Einkommen getrennt für die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
prozentuale Einkommensverteilung pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft
Bedarf pro Person nach Einkommensberücksichtigung
Mit den Bescheiden vom 07.10.2008, 07.11.2008, 09.12.2008, 20.01.2009, 10.02.2009 und 23.02.2009 setzte die Bg. unter Berücksichtigung des tatsächlichen Nettoeinkommens der Bf. zu 2 für den jeweiligen Monat die Höhe der monatlichen Leistungen fest und hob den Bescheid vom 24.09.2008 jeweils teilweise auf. Mit einem weiteren Bescheid ebenfalls vom 23.02.2009 bewilligte die Bg. für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis 30.09.2009 monatliche Leistungen von konstant 729,68 EUR unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Einkommens der letzen vier Monate in Höhe von 490 EUR netto abzüglich der Freibeträge. Eine Nachberechnung erfolge nicht mehr monatlich, sondern gesammelt für sechs Monate beim nächsten Fortsetzungsantrag. Mit Bescheid vom 04.03.2009 hob die Bg. den Bescheid vom 23.02.2009 aufgrund der Kündigung der Bf. zu 2 zum 28.03.2009 teilweise auf und gewährte ab 01.05.2009 bis 30.09.2009 wieder Leistungen ohne die Anrechnung von Erwerbseinkommen.
Am 09.10.2008 stellten die Bf. beim Sozialgericht Landshut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und erhoben zugleich Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 03.11.2008, mit dem die Bg. den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.09.2008 als unbegründet zurückgewiesen hatte. Im einstweiligen Rechtsschutz beantragten die Bf. die Abänderung und Berichtigung des Bewilligungsbescheides für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2008 unter Beachtung der individuellen Ansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Es sei ein Betrag von 111 EUR beim Bf. zu 1 rechtswidrig einbehalten worden, der auszuzahlen sei. Diesen Betrag korrigierte der Bf. zu 1 mit Schriftsatz vom 09.10.2008 auf 53 EUR unter Berücksichtigung des Bescheides vom 07.10.2008. Zusätzlich beantragten die Bf. die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Mit Beschluss vom 13.11.2008 lehnte das Sozialgerichts Landshut die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antrag sei wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Bg. habe für die Bf. zu 1 und zu 2 jeweils einen monatlichen Bedarf von 430,10 EUR zugrunde gelegt, für die Bf. zu 3 von 325,09 EUR. Ferner habe sie für die Bf. zu 2 für den Monat Oktober 2008 vorläufig ein Einkommen in Höhe von 280 EUR, endgültig in Höhe von 137,13 EUR berücksichtigt sowie für die Bf. zu 3 Kindergeld in Höhe von 154 EUR. Da folglich nach der Berechnung der Bg. das Einkommen jedes Bf. hinter seinem individuellen Bedarf zurück geblieben sei, habe sie keinem der Bf. ein Einkommen zugerechnet, dass dieser nicht selbst erzielt habe. Damit gehe das Begehren, solche Zurechnungen zu unterlassen ins Leere. Die Bf. bedürfen insoweit nicht des gerichtlichen Rechtsschutzes. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sei unzulässig. Ziel eines solchen Antrags sei die Beiordnung eines Rechtsanwalts, dies hätten die Bf. jedoch nicht beantragt, auch sei nicht ersichtlich, dass sie einen Rechtsanwalt mandatiert hätten und ihnen entsprechende Kosten entstanden wären.
Gegen diesen Beschluss haben die Bf. mit Telefax vom 25.11.2008 beim Sozialgericht Landshut Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass von der Bg. grundsätzlich das Individualitätsprinzip missachtet werde. Es habe eine individuelle Berechnung zu erfolgen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Bg. Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das ist dann der Fall, wenn den Bf. ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht in BVerfG 79, 69 ff).
Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Bf. einen Anordnungsgrund, der sich aus der Eilbedürftigkeit ergibt, und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht, § 86 Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. den §§ 90 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Bei der erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist im Bereich der Leistungen nach des SGB II die Erfolgsaussicht der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. Bundesverfassungsgericht, vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05). Ist dem Gericht allerdings im Eilverfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so muss anhand der Folgenabwägung entschieden werden. Hierbei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers einzubeziehen.
Die Bf. wenden sich in Auslegung ihres Antrags gegen die prozentuale Einkommensverteilung des Einkommens der Bf. zu 2 auf die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts fehlt dem Antrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 86 b Abs. 2 SGG ist zu bejahen, wenn die erstrebte Entscheidung dem Antragsteller einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 86 Rdnr. 7a). Da die Bf. neben der individuellen Berechnung auch Leistungen ohne Berücksichtigung des Einkommens der Bf. zu 2 in Bezug auf die Bf. zu 1 und zu 3 beantragen, wovon auch das Sozialgericht ausgeht, war das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Bei der erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage zeigt sich jedoch, dass der Antrag der Bf. insgesamt keinen Erfolg hat; es fehlt bereits ein Anordnungsanspruch.
Die von der Bg. vorgenommene prozentuale Einkommensverteilung auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft folgt aus § 9 Abs. 2 SGB?II. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem EIternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Mitteln und Kräften gedeckt, so gilt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig.
Welche individuellen Einzelleistungsansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft begründet sind, ist dementsprechend bei bestehender Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln, in dem der Summe des Hilfebedarfs der die Bedarfsgemeinschaft bildenden Personen das ("bereinigte", einzusetzende) Einkommen und Vermögen gegenübergestellt wird und das ggf. verbleibende Defizit den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft anteilig zugeordnet wird, (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2006, Az. B 7b AS 8/06 R).
Die individuellen Einzelleistungsansprüche können die Bf. ohne weiteres dem den Bescheid beigefügten Berechnungsbogen entnehmen. Die Bf. bilden auch unstreitig eine Bedarfsgemeinschaft, deren Gesamtbedarf durch das alleinige Einkommen der Bf. zu 2 nicht gedeckt ist. Die von der Bg. vorgenommene anteilige Zuordnung des Einkommens der Bf. zu 2 auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entspricht der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II. Einwände gegen die Berechnung sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Der Antrag kann somit mangels Anordnungsanspruch keine Aussicht auf Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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