L 11 B 1063/08 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SO 98/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 1063/08 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.11.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Hilfe zur Pflege wegen des Aufenthalts der Antragstellerin (ASt) in einem Pflegeheim nach den Vorschriften des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch - SGB XII -.

Die 1926 geborene ASt ist seit dem 30.12.1999 im Familienzentrum in A-Stadt untergebracht. Ihren am 13.01.2005 gestellten Antrag auf Hilfe zur Pflege lehnte die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 19.10.2006 ab. Die ASt habe den Nachweis des Vorliegens von Hilfebedürftigkeit nicht erbracht. Trotz mehrfacher Aufforderung seien die für die Prüfung der Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse erforderlichen Unterlagen und Nachweise nicht vorgelegt worden. Eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen sei daher nicht möglich.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2008 zurück. Die ASt habe nur unvollständige Unterlagen vorgelegt, der Verbleib eines Betrages von 19.740,29 EUR sei nicht nachgewiesen, die Umstände einer Schenkung i.H.v. 10.225,84 EUR weiterhin ungeklärt. Hiergegen hat die ASt Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben (S 10 SO 29/08).

Am 21.10.2008 hat die ASt beim Sozialgericht Bayreuth (SG) beantragt, ihr im Wege einer einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die von der Ag als nicht nachgewiesen angesehenen Vermögensanteile längst verbraucht seien. Die ASt benötige dringend die Kostenübernahme für die ungedeckten Heimkosten, es sei der ASt nicht mehr zuzumuten, die Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache abzuwarten.

Mit Beschluss vom 27.11.2008 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht erkennbar. Die ASt sei nach wie vor im Familienzentrum A-Stadt wohnhaft. Eine konkrete Gefährdung dieser Wohnung sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine vorläufige Regelung mit Wirkung für die Zukunft bestehe nicht.

Hiergegen hat die ASt am 04.12.2008 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und mit im Wesentlichen gleichlautenden Argumenten begründet. Die ASt habe selbst nach Einsatz ihres gesamten Vermögens und Unterstützung durch Familienangehörige nicht genügend Einkommen, die Heimkosten zu decken. Wann mit einer Kündigung des Heimplatzes zu rechnen sei, stünde zwar "in den Sternen", sei aber nicht ausgeschlossen. Die ständig anwachsenden Verbindlichkeiten würden wohl irgendwann auch im Rahmen einer verjährungsunterbrechenden Maßnahme durch die Heimleitung gerichtlich geltend gemacht werden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Ag, sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, aber unbegründet.

Die ASt begehrt die Gewährung von Hilfe zur Pflege wegen des Aufenthalts der ASt in einem Pflegeheim im Rahmen einer einstweiligen Anordnung. Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69 (74), vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel Der Sozialgerichtsprozess 4.Aufl RdNr 643). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer SGG 9.Aufl § 86b RdNr 41). Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -). In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO). Vorliegend besteht eine für das Eilverfahren erforderliche Eilbedürftigkeit der Angelegenheit nicht. Nach der eigenen Einlassung der ASt ist eine mögliche Kündigung des Heimplatzes von Seiten der Heimleitung noch nicht einmal angedacht, sondern "steht in den Sternen". Allein die Möglichkeit, dass die Heimleitung "irgendwann" verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergreifen könnte, begründet keinen Anordnungsgrund.

Darüber hinaus fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch. Die ASt hat bis jetzt den Nachweis des Vorliegens einer Hilfebedürftigkeit nicht geführt. Allein der Vortrag der ASt, ein von der Ag der ASt unterstelltes Vermögen sei durch Zeitablauf längst verbraucht, genügt den an die ASt zu richtenden Anforderungen nicht. Der Verbleib von verwertbarem Vermögen i.H.v. 19.740,29 EUR und 10.225,84 EUR ist bis jetzt nicht hinreichend geklärt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren war ebenso abzulehnen. Gemäß § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff Zivilprozessordnung erhält ein Berechtigter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Prozesskosten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen bestehen hinreichende Erfolgsaussichten für das Beschwerdeverfahren nicht. Damit kommt es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der ASt nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der ASt.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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