L 3 RJ 65/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 2 RJ 95/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 RJ 65/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
wesentliche Änderung, Entziehung der Rente
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Stendal vom 15. April 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2002 aufgehoben.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechts-streits für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung einer als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Renten-versicherung - SGB VI) geleisteten Invalidenrente.

Die am 1955 geborene Klägerin absolvierte eine berufliche Ausbildung, die sie mit dem Abschluss als "Teilfacharbeiter für Dauerbackwaren" erfolgreich beendete. Von September 1973 bis April 1974 war sie als Bäckerin bei einer Konsumgenossenschaft beschäftigt. Von Dezember 1976 bis Oktober 1978 stand sie in einem Beschäftigungs-verhältnis als Näherin in einem Kleiderwerk; von Januar 1985 bis Dezember 1987 arbeitete sie als Essensausgeberin. Zuletzt war die Klägerin in der Zeit vom 2. Mai 1988 bis zum 30. Juni 1991 als Produktionsarbeiterin in einer Baumkuchenfabrik beschäftigt.

Am 11. August 1990 erlitt die Klägerin einen Verkehrsunfall. Auf Grund einer fortschrei-tenden Weichteilinfektion musste am 13. August 1990 ihr rechtes Bein in Höhe des Oberschenkels amputiert werden.

In einem für den Träger der Rentenversicherung erstellten Gutachten vom 28. November 1990 gaben der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskran-kenhauses Salzwedel Dr. L. und der Stationsarzt Dipl.-Med. B. an, die Klägerin habe große Probleme bei stehenden Tätigkeiten und Schmerzen bei längerer Belastung und beim Zurücklegen längerer Wegstrecken. Sie leide zeitweise unter starken Phantom-schmerzen, die einen regelmäßigen Analgetika-Einsatz erforderlich machten. Bei der Untersuchung habe sich ein reizloser Oberschenkelstumpf rechts mit Parästhesien im Bereich der Narbe gezeigt. Es liege eine deutlich eingeschränkte körperliche Leis-tungsfähigkeit vor, da der Körperschaden rechts 75 Prozent betrage. Ihre bisherige Tätigkeit könne die Klägerin nicht mehr ausüben. Aus chirurgischer Sicht müsse dringend eine Umschulungsmaßnahme erfolgen, in deren Folge die Klägerin mit einer sitzenden Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen könne. Auch müsse über eine bessere Prothesenversorgung der Klägerin nachgedacht werden.

Auf ihren Rentenantrag vom 1. April 1991 bewilligte der Träger der Rentenversiche-rung - Überleitungsanstalt Sozialversicherung - der Klägerin mit Bescheid vom 24. Juni 1991 eine Invalidenrente sowie eine Zusatzinvalidenrente, jeweils mit Rentenbeginn am 1. Juli 1991 im Anschluss an die bis zum Rentenbeginn erfolgte Krankengeldge-währung. Die Rente wurde auf der Grundlage von § 302 a Abs. 1 SGB VI ab dem 1. Januar 2002 als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geleistet.

In seinem im Auftrag der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt erstellten Gutachten vom 19. November 1991 führte Dr. L. aus, die Klägerin klage über zuneh-mende Hüft- und Wirbelsäulenschmerzen infolge unphysiologischer Belastung durch das Gehen mit der Oberschenkelprothese rechts. Es seien statische Beschwerden infolge einer zunehmenden Dickleibigkeit hinzugetreten. An der Operationswunde zeigten sich reizlose Wundverhältnisse sowie eine aktiv und passiv freie Beweglichkeit bei einem zufrieden stellenden Gangbild mit Hilfe einer Unterarmstütze. Es bestehe eine ausgeprägte Einschränkung der Leistungsfähigkeit, wobei bestenfalls eine sitzende Tätigkeit durchführbar sei. Eine Besserung des Gesundheitszustands und damit auch des Leistungsvermögens sei nicht wahrscheinlich.

In ihrem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 11. Mai 1994 gab die Ärztin für Orthopädie B. an, die Klägerin könne mit Hilfe von zwei Unterarmgehstützen gehen, zeige jedoch ein rechtshinkendes Gangbild. Der Prothesensitz sei mangelhaft. Die Narbenverhältnisse am rechten Oberschenkel seien reizlos. Die Narbe sei mit dem Knochen verwachsen. Die zurzeit verwendete Oberschenkelprothese erfülle nicht die Bedingungen eines guten Standes und eines kosmetisch guten Gangbildes, wobei eine neue Prothesenversorgung eingeleitet worden sei. Die Klägerin zeige ein äußerst klagsames, demonstratives Verhalten. Es bestehe der Verdacht auf einen Alkoholabu-sus. Die Beschwerden seien stark subjektiv geprägt. Mit einer gut sitzenden Prothese und einer Umschulung sei die Klägerin in der Lage, einer Erwerbstätigkeit vorwiegend im Sitzen nachzugehen. Der verbliebene Leistungsrest liege aus orthopädischer Sicht deutlich über einem Drittel. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein halb- bis unter vollschichtiges Leistungsvermögen (sechs Stunden täglich).

In dem Entlassungsbericht der Moritzklinik B. K. vom 13. Mai 1996 über die dort in der Zeit vom 4. April bis 2. Mai 1996 durchgeführte stationäre Rehabilita-tionsmaßnahme wurde ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Arbeiten im Sitzen festgestellt. Die Klägerin habe im Wesentlichen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und Phantomschmerzen bei Wetterwechsel angegeben. Zurzeit laufe die Klägerin mit einem Gehstock und zeige ein gutes Gangbild. Falls von Seiten der Beklagten eine Umschulung nicht für sinnvoll angesehen werde, sei vor allem aus sozialen und medizinischen Gesichtspunkten das Leistungsvermögen auf unter zwei Stunden in einer leichten Tätigkeit einzuschätzen. Die Klägerin werde als arbeitsunfähig entlassen.

In ihrem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 5. Juli 2001 führte der Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. H. aus, die Klägerin habe von seit dem Jahr 1996 zuneh-menden Beschwerden im Hüft- und Lumbalbereich berichtet. Eine Spritzenbehandlung sei seit der vorgenannten Rehabilitationsmaßnahme nicht mehr erforderlich. Die bei der Klägerin seit Jahren vorliegenden Schulter-Nacken-Beschwerden hätten keine wesentlichen Einschränkungen zur Folge. Die Klägerin habe angegeben, nur gelegent-lich ihren Hausarzt aufzusuchen und sich noch nie in fachärztlicher Behandlung befunden zu haben. Sie könne ihren Haushalt normal bewältigen. In gewohnter Umgebung laufe sie ohne Gehstützen. Auf der Straße benutze sie gelegentlich zwei Gehstützen, um nicht zu fallen. Für eine Umschulung fühle sich die Klägerin zu alt. In der Untersuchungssituation sei die Klägerin im Praxisbereich freihändig und gelegent-lich mit einem Gehstock gegangen. Das Gangbild sei dabei leicht rechtshinkend gewesen. Trotz der posttraumatischen Oberschenkelamputation stünden bei der Klägerin Beschwerdeangaben für den Berech der Halswirbelsäule (HWS) und LWS im Vordergrund. Aus orthopädischer Sicht könne die Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Stehen und Gehen, vorwiegend im Sitzen und ohne große geistige Beanspruchung ausführen. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen sei die Klägerin in ihrem bisher ausgeübten Beruf seit Antragstellung unter zwei Stunden täglich, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsetzbar.

Aus der prüfärztlichen Stellungnahme von Dipl.-Med. F. vom 27. Juli 2001 geht ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr (nicht jedoch ein vollschichtiges Leistungsvermögen) seit der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 1996 hervor.

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 27. November 2001 zu der beab-sichtigten Entziehung der Erwerbsunfähigkeitsrente an. Die Klägerin führte hierzu aus, es komme trotz ihrer gut sitzenden Prothese immer wieder zu Druck- und Scheuerstel-len an dem Beinstumpf. Sie habe im Übrigen starke Abnutzungserscheinungen am Knie und im Bereich der Wirbelsäule. Durch die ständige Fehlhaltung komme es auch immer häufiger zu Schmerzen in der Hüfte. Sie müsse im Übrigen auch Medikamente wegen ihres Bluthochdrucks einnehmen.

Die Beklagte hob den Bescheid vom 19. November 1991 mit Bescheid vom 17. Januar 2002 auf und stellte die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 302 a des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – (SGB VI) mit Wirkung vom 1. März 2002 ein. Der Bescheid werde gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsver-fahren und Sozialdatenschutz – SGB X) aufgehoben, da in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erteilung des Bescheides vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Diese bestehe nach dem Gutachten von Dipl.-Med. Hesse vom 5. Juli 2001 darin, dass sich die gesundheitlichen Verhältnisse so gebessert hätten, dass durch die Prothesenversorgung eine Anpassung und Gewöh-nung vorliege. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Sie könne zwar nicht mehr ihren angelernten Beruf als Facharbeiterin für Dauerbackwaren ausüben, aber noch eine Tätigkeit als Warenaufmacher verrichten. Bei der Beurteilung des Leistungsvermögens seien als Krankheiten oder Behinderungen der Verlust des rechten Beines nach Oberschenkel-amputation, Übergewicht und Wirbelsäulenbeschwerden berücksichtigt worden. Damit könne wenigstens die Hälfte dessen verdient werden, was gesunde Versicherte mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten üblicherweise verdienten.

Zur Begründung ihres gegen diesen Bescheid am 20. Februar 2002 eingelegten Widerspruchs verwies die Klägerin im Wesentlichen auf ihre nach wie vor unzurei-chende Prothesenversorgung. Eine Anpassung und Gewöhnung an den Zustand nach Amputation sei bei ihr nicht eingetreten. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2002 als unbegründet zurück. Für die Prüfung des Sachverhalts sei auf die bis zum 31. Dezember 2000 geltende Rechtslage abzustellen gewesen. Eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustands der Klägerin seit der Rentengewährung mit Bescheid vom 19. November 1991 liege in Form einer Anpassung und Gewöhnung an die Prothesenversorgung vor. Berufsunfä-higkeit nach § 43 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung liege bei der Klägerin nicht mehr vor. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei gegen-über dem eines vergleichbaren gesunden Versicherten nicht mehr um die Hälfte herabgesunken. Nach dem Untersuchungsergebnis sei die Klägerin noch fähig, leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne häufiges Heben, Tragen, Bücken, Hocken, Knien sowie ohne häufige Zwangshaltungen vollschichtig zu verrich-ten. Mit diesem Leistungsvermögen könne die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit als Facharbeiter für Dauerbackwaren zwar nicht mehr ausüben. Als Angelernte im oberen Bereich sei sie aber auf eine vollschichtige Tätigkeit z.B. als Warenaufma-cher/Versandfertigmacher oder mit Kontrolltätigkeiten in der Endfertigung und von Verpackungen in Großkonditoreien und Feinbäckereien - jeweils mit näheren Angaben zum Anforderungsprofil dieser Tätigkeiten - medizinisch und sozial zumutbar verweis-bar. Erwerbsunfähigkeit gemäß § 302 a SGB VI in Verbindung mit § 44 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung liege ebenfalls nicht vor, weil bei der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsver-mögen unter zusätzlichen qualitativen Einschränkungen bestehe. Der Bescheid vom 19. November 1991 sei gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufzuheben gewesen, weil in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erteilung des Bescheides vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Es bestehe auch kein Spielraum für eine Ermessensentscheidung.

Mit ihrer am 26. Juni 2002 bei dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebungsentscheidung der Beklagten angefochten. Seit der Amputation seien die Beschwerden im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates hinzugetreten, sodass eine Änderung ihres Gesundheitszustandes im Sinne einer Besserung gegen-über den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Begutachtung im November 1990 nicht eingetreten sei. Sie könne die Prothese nur stundenweise tragen, da bei Belastung immer Druck- und Scheuerstellen aufträten. Eine Anpassung und Gewöhnung an die Folgen der Amputation sei nicht gegeben. Folge man dem Gutachten von Dipl.-Med. H., sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer Rentengewährung bereits bei Erlass des ursprünglichen Bescheides nicht vorgelegen hätten. Eine wesentliche Änderung habe dann in den tatsächlichen Verhältnissen nicht eintreten können.

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte eingeholt. Dr. H. hat in seinem Befund-bericht vom 25. Mai 2004 auf den Bericht des A.-Klinikums vom 19. August 2003 über die dort durchgeführte Hysteroskopie und fraktionierte Abrasio verwiesen. In ihrem Befundbericht vom 9. Juni 2004 hat die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. L. auf im Wesentlichen unveränderte Befunde verwiesen.

Das Sozialgericht hat eine Arbeitgeberauskunft der S. Baumkuchen GmbH vom 5. Juli 2004 eingeholt, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 68 bis 71 der Gerichtsakte). Es hat sodann ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopä-die Dr. F. vom 16. September 2005 eingeholt. Die Klägerin habe Schmerzen vor allem im linken Knie, in der LWS und Brustwirbelsäule (BWS) angegeben. Sie müsse alle zwei bis drei Stunden für mindestens dreißig Minuten eine liegende Position einneh-men und die Prothese ablegen. Die Beschwerden in der BWS seien teilweise so stark, dass diese mit Atemnot und spontanem Erbrechen verbunden seien. Wegen der Schmerzen sei es ihr nicht mehr möglich, das Haus zu verlassen oder ein Hobby auszuüben. Sie könne eine halbe Stunde langsam am Stück gehen und eine Wegstre-cke von 400 Metern zurücklegen. Der Sachverständige gab an, im Laufe des Untersu-chungsvorgangs seien Zeichen des Aggravierens und Simulierens im Sinne einer aggravierenden facettenreichen Ausgestaltung der Beschwerden aufgefallen. Des öfteren habe der Untersuchungsvorgang wegen heftiger Tränenflüsse unterbrochen werden müssen. Die geschilderten subjektiven Schmerzangaben seien mit den objektiven Untersuchungsbefunden und auch mit den objektiven radiologischen Untersuchungen nicht in Einklang zu bringen gewesen. Es dränge sich der Eindruck auf, die Klägerin habe das durch den Verkehrsunfall und seine Folgen verursachte traumatische Ereignis der Oberschenkelamputation immer noch nicht verarbeitet. Ein Gehen mit Unterarmgehstützen sei bei den hervorragenden Weichteil- und Stumpfver-hältnissen nicht erforderlich. Es sei seit dem Unfall bis zum Untersuchungszeitpunkt keine suffiziente Schmerztherapie erfolgt. Bei der Klägerin lägen als Gesundheitsein-schränkungen eine fest mechanisch konsolidierte Fraktur im Bereich des Lendenwir-belkörpers 1, eine initiale Coxarthrose beidseits, Blockierungen im Bereich des rechten Kreuzdarmbeingelenkes sowie der oberen und mittleren BWS, eine massive Adipositas und ein medikamentös eingestellter Hypertonus vor. Der Klägerin seien Tätigkeiten, die überwiegend mit häufigem Gehen und Stehen, einem Tragen von schweren Gegen-ständen ohne mechanische Hilfsmittel oder einem Klettern auf Leitern oder Gerüsten verbunden seien, nicht mehr zumutbar. Zu vermeiden seien auch Zwangshaltungen im Sinne einer vorn übergebeugten Haltung. Aus orthopädischer Sicht könne die Klägerin bei den gestellten Diagnosen noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen oder auch nur im Sitzen mit den üblichen Ruhepausen und Unterbrechungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Sie könne auch eine Tätigkeit als Bäcker, Warenaufmacher, Versandfertigmacher sowie Kontrolltätigkeiten in der Endfertigung und von Verpackungen in Großkonditoreien und Feinbäckereien vollschichtig verrichten. Auf dem durch Ankreuzen zu vervollständigenden Ergebnisbo-gen ist zum Leistungsvermögen "in dem bisher hauptsächlich ausgeübten Beruf" "unter zweistündig" angegeben, "auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt" "vollschichtig". Eine Verschlechterung des Erkrankungsbildes der Klägerin sei nicht zu erkennen. Die von der Klägerin angegebenen Einschränkungen im Hinblick auf die Tragedauer der Prothese oder die mit dieser zu bewältigenden Wegstrecke könnten nicht bestätigt werden. Die festgestellte Leistungsminderung bestehe seit ihrer gutachterlichen Dokumentation im November 1991. Es sei aber eine deutliche Verbesserung der gesamten Situation bezüglich Prothesenstumpf und Prothese mittlerweile eingetreten. In Zusammenfassung müsse man festhalten, dass sich die Gutachter vom 11. Mai 1994 sowie vom 5. Juli 2001 in allen wesentlichen Punkten absolut einig seien. Der Sachverständige könne sich diesen Vorgutachten in allen wesentlichen Punkte anschließen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. April 2005 abgewiesen. Die Invalidenrente sei der Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. L. vom 28. November 1990 bewilligt worden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Der Klägerin stehe die begehrte Versichertenrente wegen Erwerbsunfä-higkeit bzw. Berufsunfähigkeit über den 28. Februar 2002 hinaus nicht zu, da sie über diesen Zeitpunkt hinaus weder erwerbs- noch berufsunfähig sei. Auch ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Rechtslage komme nicht in Betracht. Die Vorausset-zungen des § 48 Abs. 1 SGB X lägen hier vor. Eine Anpassung und Gewöhnung könne zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift führen. Die Klägerin sei über den 28. Februar 2002 hinaus nicht mehr berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung. Ihre Er-werbsfähigkeit sei nicht mehr auf weniger als die Hälfte einer gesunden Vergleichsper-son mit ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken. Um ihre Berufsunfähigkeit abzuwehren, könne die Klägerin - unter Zugrundelegung ihres bisherigen Berufs als Teilfacharbeiterin in der Produktion von Backwaren - für die Zeit ab dem 1. März 2002 vollschichtig auf eine angelernte Tätigkeit als Warenaufma-cherin verwiesen werden, da sie noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen oder auch nur im Stehen mit den üblichen Ruhepausen und Unterbrechungen vollschichtig verrichten könne. Das Gericht entnehme die Feststellungen zum Gesundheitszustand dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und Beweisaufnahme, insbesondere dem Sachverständigengutachten von Dr. F. vom 16. September 2004. Da die Klägerin nicht einmal mehr berufsunfähig ist, könne sie erst recht nicht mehr erwerbsunfähig oder gar erwerbsgemindert sein.

Gegen den ihr am 18. April 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12. Mai 2005 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der ursprünglichen Bewilligung von Invalidenrente habe die Feststellung von Dr. L. in seinem Gutachten vom 28. November 1990 zugrunde gelegen, bei ihr liege ein Zustand nach Oberschenkel-amputation vor, auf Grund dessen ihr Körperschaden 75 Prozent betrage. Es gehe zu Lasten der Beklagten, dass aus diesen dürftigen Feststellungen nicht zu entnehmen sei, auf welcher Grundlage ihr zunächst eine Invalidenrente zuerkannt worden sei. Eine tatsächliche Verbesserung ihres Gesundheitszustandes sei seit der ursprünglichen Rentenbewilligung nicht eingetreten. Vielmehr sei eine Verschlechterung des Befundes an ihrem Oberschenkelstumpf durch eine Auswucherung aufgetreten, die sich auch auf der von Dr. F. angefertigten Röntgenaufnahme erkennen lasse und schon von Frau B. in dem Gutachten vom 11. Mai 1994 erwähnt worden sei. Der Oberschenkelstumpf habe deshalb am 16. Oktober 2007 nachamputiert werden müssen. Sie verweist im Übrigen auf den Inhalt ihres zur Gerichtsakte gereichten Rentenbescheides vom 24. Juni 1991.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 15. April 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2002 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 4. Juni 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat zunächst Befundberichte eingeholt. In ihren Befundberichten vom 13. September 2007, 17. Oktober 2007 und 2. Januar 2008 hat die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. L. ausgeführt, bei der Klägerin seien zunehmende Wirbelsäulenbeschwerden auf Grund der Fehlbelastung erkennbar. Sie leide im Übrigen unter innerer Unruhe und Ängsten. Nach der Revisionsoperation sei eine deutliche Besserung der Stumpfschmerzen eingetreten. Dem letzten der Befundberich-te ist der Arztbrief des A.-Klinikums Krankenhaus S. vom 1. November 2007 über den stationären Aufenthalt der Klägerin in dieser Einrichtung in der Zeit vom 15. Oktober bis zum 2. November 2007 beigefügt gewesen. Als Entlassungsbefund werden dort reizlose Wundverhältnisse am Oberschenkelstumpf angegeben.

Auf den Antrag der Klägerin vom 9. Mai 2008 auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat die Beklagte ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie und Manualtherapie Dr. W. vom 3. September 2008 eingeholt. Die Klägerin habe bei der Untersuchung über Rückenbeschwerden geklagt, besonders bei der Benutzung von zwei Gehhilfen. In geschlossenen Räumen werde im Allgemeinen eine Gehhilfe benutzt. Es bestehe ein deutlich hinkendes Gangbild bei einem deutlichen Becken-schiefstand. Die vorhandene Prothese sei deutlich zu weit. Es werde ein Silikonstrumpf getragen, der zur ausgeprägten Feuchtigkeitsabsonderung beitrage. Als Gesundheits-einschränkungen lägen ein Zustand nach Oberschenkelamputation rechts mit Nach-amputation im Oktober 2007 und zurzeit ungenügender Prothesenversorgung, eine Osteochondrose der Wirbelsäule bei abgeflachter Lendenlordose, ein Facettensyn-drom der HWS sowie eine Adipositas per magna mit einem Body-Mass-Index von 37 vor. Es sei glaubhaft, dass die Klägerin eine Gehstrecke von 500 Metern nicht in 20 Minuten bewältigen könne. Für eine Tätigkeit als Bäcker sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liege wegen der ungenügenden Prothesenversorgung ein Leistungsver-mögen von unter zwei Stunden täglich vor. Die Beklagte hat diesen Rentenantrag mit Bescheid vom 27. Januar 2009 mit der Begründung abgelehnt, es fehle nun an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter konnte mit Einverständnis der Beteiligten nach §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anstelle des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Nach § 302a Abs. 3 Satz 1 SGB VI wird eine als Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit geleistete Invalidenrente bis zum Erreichen der Regelal-tersgrenze gewährt, solange der Versicherte berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist oder die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Blindengeld oder Sonder-pflegegeld nach den am 31. Dezember 1991 geltenden Vorschriften des Beitrittsge-biets vorliegen. Diese Regelung stellt indes keine eigenständige, den §§ 44 ff. SGB X vorgehende, Regelung über die Entziehung von nach den Vorschriften des Beitrittsge-biets gewährten Invalidenrenten dar. Vielmehr legt die Vorschrift fest, dass eine Rente nicht deshalb entzogen werden kann, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Invalidenrente nach dem Recht des Beitrittsgebiets nicht mehr vorliegen und nimmt die Versicherten von der mit Wirkung zum 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Neufassung der Leistungsregelungen bei Erwerbsmindung aus (vgl. Jörg in Kreike-bohm, SGB VI Kommentar, 3. Aufl., § 302 a RdNr. 10; O´Sullivan, jurisPK-SGB VI, § 302 a RdNr. 10). Die Regelung erleichtert der Verwaltung die Prüfung einer Aufhe-bungsentscheidung, indem als Maßstab auf die nach dem SGB VI in der Fassung bis zum 31. Dezember 2000 gewährten Renten wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit abzustellen ist.

Auf der Grundlage von § 302 a Abs. 3 SGB VI war hier zu prüfen, ob fiktiv der Klägerin im Juni 1991 unter Zugrundelegung des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechts eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zustand und diesbezüglich eine tatsächliche Änderung in rechtserheblichem Umfang im Juni 2002 vorlag (vgl. zum maßgebenden Prüfungsmaßstab Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. Oktober 1981 - 5 b/5 RJ 110/79 – juris).

Nach § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. sind Versicherte erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbs-tätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitsein-kommen zu erzielen, das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt; erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, dabei ist die jeweilige Arbeits-marktlage nicht zu berücksichtigen.

Für eine Feststellung, ob im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB a.F. eine tatsächliche Änderung in rechtlich relevantem Umfang im Juni 2002 vorlag, genügen die vorliegenden medizinischen Befunde aus den Jahren 1990 bis 1991 nicht. Vielmehr sprechen die Umstände dafür, dass vor dem Hintergrund des Grundsatzes "Rehabilitation vor Rente" der Klägerin im Jahr 1991 nach dem Renten-recht des SGB VI Leistungen zur beruflichen Rehabiliation (heute Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) zu bewilligen gewesen wären. Demgegenüber sind die tatsächlichen Verhältnisse am 1. Januar 1992 nur in dem Punkt von Bedeutung, ob der Hinzuverdienst im Sinne von § 302 a SGB VI zutreffend angenommen wurde, was hier unzweifelhaft der Fall ist. Im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände im Juni 1991 verbleibende Unklarheiten gehen bei einer Aufhebungsentscheidung - anders als im Fall einer Leistungsbewilligung - zu Lasten der Beklagten (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 SGB X, RdNr. 22).

Im vorliegenden Fall ist eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht feststellbar. Weder dem Gutachten vom 19. Dezember 1990 noch dem Gutachten vom 11. November 1991 lässt sich ein Gesundheitszustand der Klägerin zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung im Juni 1991 entnehmen, der nachweis-lich wesentlich von demjenigen zum Zeitpunkt der maßgebenden letzten Behördenent-scheidung der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2002 abweicht. Auch dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 24. Juni 1991 lassen sich keine Anhaltspunkte im Hinblick auf sonstige der damaligen Entscheidung zugrunde gelegte medizinische Feststellungen entnehmen.

Zwischen den Untersuchungen im Dezember 1990 und November 1991 ist insbeson-dere eine erheblichen Gewichtszunahme der Klägerin (von 72 auf 90 kg) mit den daraus resultierenden zunehmenden Hüft- und Wirbelsäulenbeschwerden eingetreten, die Dr. L. auf Grund der Untersuchung vom 19. November 1991 hervorgehoben hat. Der Gesundheitszustand der Klägerin zum maßgebenden Zeitpunkt der Rentenbewilli-gung, der zwischen diesen beiden Untersuchungen liegt, lässt sich auf dieser Grundla-ge nicht ermitteln.

Vergleicht man die Gutachten von Dr. L. vom 28. November 1990 a) und das zur Aufhebungsentscheidung der Beklagten zeitnah erstattete Gutachten von Dipl.-Med. H. b) miteinander, ergibt sich folgendes: Gewicht a) 72 kg, b) mit Prothese 92 kg; a) guter Allgemeinzustand bei Adipositas, b) adipöser Zustand und ausreichender Allgemeinzu-stand; a) und b) Zustand nach Oberschenkelamputation; a) große Probleme beim Ausüben stehender Tätigkeiten, b) Tätigkeiten sollten ohne häufiges Stehen und Gehen sein; a) Klägerin klagt über Schmerzen bei längerer Belastung und dem Zurücklegen von längeren Gehstrecken, b) Klägerin berichtet seit 1996 zunehmende Hüft- und Lumbalbeschwerden, links stärker als rechts beim Heben und Tragen und längeren Gehen; a) Reizloser Stumpf rechts mit Parästehsien im Bereich der Narbe, b) reizloser Stumpf.

Eine erhebliche Reduzierung des qualitativen Leistungsvermögens der Klägerin ergibt sich aus beiden Gutachten. Ein quantitatives Leistungsvermögen wird in dem Gutach-ten von Dr. L. vom 28. November 1990 nicht angegeben. Die Feststellung in diesem Gutachten, nach Durchführung einer Umschulungsmaßnahme könne die Klägerin "mit einer sitzenden Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen", lässt auch keine Rück-schlüsse auf ein dauerhaft reduziertes quantitatives Leistungsvermögenen zu. Die zum Zeitpunkt des ersten Gutachtens wohl noch durchgeführte Schmerzmitteleinnahme lässt sich aus dem Gutachten von Dr. H. nicht mehr entnehmen. Daraus allein lässt sich aber eine relevante Änderung des quantitaven Leistungsvermögens nicht ableiten.

Allein der Zeitablauf genügt grundsätzlich nicht, um von einer "Anpassung und Gewöh-nung" als tatsächlicher Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X auszugehen (vgl. Wiesner in von Wulffen (Hrsg.), SGB X Kommentar, § 48 RdNr. 14 m.w.N). Bezüglich einer Änderung des Gesundheitszustands der Klägerin in einem für die Rentenentzie-hung maßgebendem Umfang ist im Übrigen hervorzuheben, dass sich aus der prüf-ärztlichen Stellungnahme von Dipl.-Med. F. vom 27. Juli 2001 ein Leistungsvermögen der Klägerin für eine Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden, nicht jedoch ein voll-schichtiges Leistungsvermögen ergibt. Die Beklagte hat diese Einschätzung des quantitativen Leistungsvermögens auch ihrem Bescheid vom 19. November 1991 ( könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten ) nicht eindeutig im Sinne eines von ihr nun angenommenen vollschichtigen Leistungsvermögens klar gestellt. Im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Juni 2002 wird auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin mit qualitativen Einschränkungen verwiesen. Dem lag nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid die abschlie-ßende sozialmedizinische Stellungnahme vom 2. April 2002 zugrunde. Diese Stellung-nahme von Dr. B. lautet: 1. Neue medizinische Sachvershalten wurden im Wider-spruchsschreiben vom 14. März 2002 nicht mitgeteilt; 2. Das orthopädische Gutachten vom 5. Juli 2001 ist aus prüfärztlicher Sicht schlüssig; 3. Das Einholen einer Stellung-nahme vom Gutachter zu den Beanstandung wird empfohlen; 4. Erneute Begutachtun-gen sind nicht erforderlich; 5. Voten Bl. 70, 56/57 und Bl. 66 bleiben gültig. Dabei betrifft Bl. 56/57 die Leistungseinschätzung von Dipl.-Med. H., Bl. 70 (ärztlicher Teil) die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 5. November 2001, in der auf eine mit dem Tätigkeitsprofil Warenaufmacher und Pförtner übereinstimmendes Leistungsprofil seit Mai 1996 und Bl. 66 die Stellungnahme von Dr. R. vom 7. Januar 2002, es werde an der vorherigen Stellungnahme festgehalten. Damit verbleiben auch Zweifel, ob bei der Klägerin zum Zeitpunkt der hier maßgebenden letzten Behördenentscheidung ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vorlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe I. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbe-vollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bundessozialgericht Kassel, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel, einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen: a) Rechtsanwälte b) Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule mit Befähigung zum Richteramt c) zur Vertretung ihrer Mitglieder und bei einem Handeln durch Personen mit Befähi-gung zum Richteramt oder durch Diplomjuristen - selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung - berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft - Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung - Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessen-vertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkrei-ses die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten d) juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zu c) genannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt. Dazu ist ein Handeln durch Personen mit Befähigung zum Richteramt oder Diplomjuristen und die Haftung der Organisation für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten Voraussetzung.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte oder solche anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts ein-schließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusam-menschlüsse vertreten lassen. Diese Beschäftigten müssen die Befähigung zum Richteramt haben oder Diplomjurist sein.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verlet-zung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch einen Bevollmächtigten der unter I. c) und I. d) genannten Vereini-gungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundesso-zialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persön-lichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

gez. Fischer

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Rechtskraft
Aus
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