S 12 KA 520/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 520/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 53/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Kann ein Vertragszahnarzt die Röntgenaufnahmen nicht vorgelegen und deren Verbleib nachweisen, so fehlt es an einem Nachweis für die Erbringung der Röntgenleistungen.
2. Für den Nachweis einer Osteotomie ist im Regelfall ein Röntgenbild ausreichend. Ist der röntgenologische Befund zweifelhaft, kann der Nachweis durch weitere Aufzeichnungen des Vertragszahnarztes, insbesondere einen OP-Bericht erbracht werden. Entscheidend ist nicht die Ausführlichkeit der Darlegungen, sondern die Nachvollziehbarkeit des Berichts für einen anderen Zahnmediziner. Pauschalierende Begründungen sind unzureichend.
3. Ohne eine röntgenologisch nachweisbare Zyste kann Nr. 56a BEMA-Z nicht abgerechnet werden. In Ausnahmefällen kann der Nachweis durch einen OP-Bericht erbracht werden.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine sachlich rechnerische Berichtigung für das Quartal I/02 in noch 116 Fällen in Höhe von 15.634,20 EUR.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit vier zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnärzten. Herr Dr. med. Dr. med. dent. A ist Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt. Die übrigen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis sind Zahnärzte.

Der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen Hessen überwies mit Beschluss vom 19.04.2005 einen bei ihm anhängigen Vorgang zur Durchführung einer sachlich-rechnerischen Berichtigung an die Beklagte hinsichtlich der Leistungen nach den Nrn. 56a bis 56c (Zy1 bis Zy3) sowie der Positionen nach 47a (Ost1), 48 (Ost2) und 53 (Ost3). Zur Begründung führte er aus, er habe bei Durchsicht der Abrechnungsunterlagen festgestellt, dass der Leistungsinhalt der Gebühren-Nummern nicht ausreichend beachtet worden sei. Besonders kritisch sei zu werten, dass die abgerechneten Zysten zum größten Teil weder röntgenologisch noch histologisch nachgewiesen seien. Bezüglich der Leistungen nach den Nrn. 47a (Ost1), 48 (Ost2) und 53 (Ost3) habe er die Vermutung, dass zwischen den Leistungen nicht ausreichend differenziert worden sei. Es handele sich aber im Schwerpunkt um eine Frage der sachlich-rechnerischen Berichtigung, die über seine Randzuständigkeit hinausgehe.

Die Beklagte leitete darauf hin das Verfahren zur sachlich-rechnerischen Berichtigung ein und räumte der Klägerin auf deren Antrag hin eine Frist bis zur Übersendung der Unterlagen für das Quartal I/02 bis zum 06.06.2006 und für die Quartale I bis IV/03 bis zum 31.08.2006 ein.

Mit Bescheid vom 27.06.2006, der Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten am, 28.06.2006 zugegangen, nahm die Beklagte eine Berichtigung für das Quartal I/02 betreffend die Leistungen nach Nrn. 47a (Ost1), 48 (Ost2), 53 (Ost3) und 56a bis 56c (Zy1 bis Zy3) in Höhe von 34.294,62 EUR vor. Diesen Betrag reduzierte sie unter Berücksichtigung des HVM-Einbehaltes für das Jahr 2002 auf 33.226,03 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Abrechnung einer Gebührenposition seien vom Vertragszahnarzt nachzuweisen. In der Regel genüge das Einreichen der Abrechnungsdaten auf Erfassungsschein oder Diskette. Komme es jedoch zu Beanstandungen, so habe der Vertragszahnarzt im Einzelfall die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Abrechnung der Leistungen unter Tragen des Beweislastrisikos nachzuweisen. Exemplarisch verweise sie auf das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 30.08.1995 mit Az. S 27 KA 1670/95. Die Behandlungsunterlagen habe die Klägerin trotz Fristsetzung nicht eingereicht. Von daher seien die Voraussetzungen der ordnungsgemäßen Abrechnung bei den genannten Gebührenpositionen der im Einzelnen aufgeführten Behandlungsfälle und Leistungen nicht nachgewiesen.

Hiergegen legte die Klägerin am 04.07.2006 Widerspruch ein. Sie teilte mit, wegen Arbeitsüberlastung habe sie die Unterlagen nicht fristgemäß einreichen können. Dies habe sie inzwischen nachgeholt und sie bitte nunmehr um eine Einzelfallprüfung.

Mit Bescheid vom 08.02.2007 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Sie reduzierte die Honorarberichtigung auf 17.340,51 EUR bzw. im Ergebnis auf 15.634,20 EUR. Absetzungen nahm sie in 116 Fällen vor, die sie im Einzelnen begründete.

Hiergegen legte die Klägerin erneut am 09.03.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs trug sie vor, Bescheid als auch Abhilfebescheid seien bereits insofern rechtswidrig, als dass Verjährung resp. Verwirkung bezüglich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit wegen Ablaufs der 4-Jahres-Frist eingetreten sei. Rein vorsorglich werde weiter vorgetragen. Es werde der Bescheid in Gänze angefochten. Die Umwandlungen der Ziffern 48 in die 47 bzw. der 47a in die 44 seien rechtswidrig, da insbesondere bei der Ost2 das Vorliegen eines verlagerten und/oder retinierten Zahnes erforderlich sei. Die Umwandlung werde damit begründet, dass ein "Mehraufwand" im Sinne der Ost2 nicht erkennbar sei. Ein Mehraufwand sei aber nicht Abrechnungsvoraussetzung. Gleiches gelte für die Umwandlung der Ost1 in die X2. Zu Nr. 47a (Ost1) (Entfernen eines Zahnes durch Osteotomie einschließlich Wundversorgung; Hemisektion und Teilextraktion eines mehrwurzeligen Zahnes) führte sie aus, dass das Entfernen eines Zahnes oder Wurzelrestes durch Aufklappen des Zahnfleisches mit Osteotomie (Knochenschnitt) (Nr. 47a) sowie Hemisektion (Halbierung eines Zahnes) und Teilextraktion eines mehrwurzeligen Zahnes (Nr. 47b; Hem) und Prämolarisierung (Nr. 47b; Hem) abrechnungsfähig sei. Zu Nr. 48 (Ost2) (Entfernen eines verlagerten oder retinierten Zahnes durch Osteotomie einschl. Wundversorgung) weise sie darauf hin, dass zu den nicht regelgerecht in der Zahnreihe sich befindenden Zähnen zu zählen seien retinierte Zähne, d.h., Zähne, die entweder keine Verbindung mit der Mundhöhle (vollretiniert) oder nur eine Verbindung mit einem Kronenanteil mit der Mundhöhle (teilretiniert) auswiesen, impaktierte Zähne, d.h., Zähne, die allseitig in Knochen eingebettet seien oder durch benachbarte strukturdichte Gebilde (Zähne, Tumoren) am Durchbruch in die Mundhöhle gehindert würden und tiefverlagerte Zähne, d.h., Zähne, die an falscher Stelle angelegt (Keimversprengung) oder ihre eigentliche Durchbruchsrichtung verlassen hätten und nun fehlerhaft im Kieferknochen lägen. Zu Nr. 53 (Ost3)(Osteotomie des Kiefers, Sequestrotomie) weise sie darauf hin, dass zu der Gruppe der entzündlichen Veränderungen, die durch eine Ost3 entfernt werden sollten, die Bildung von sog. Knochensequestern im Rahmen einer chronischen Osteomyelitis gehörten. Neben pathologischen Veränderungen des Kieferknochens selbst könnten auch alle nichtknöchernen Strukturen, die im Kieferknochen lägen, mittels Osteotomie nach Nr. 53 aufgesucht und entfernt werden. Hierzu zähle angeborene oder erworbene Versprengungen nicht knöchernen Gewebes im Knochen und die Neubildung nicht knöchernen Gewebes im Knochen (z.B. der Haut, des Bindegewebes, der Zähne). Charakteristisch für eine Osteotomie des Kiefers nach Nr. 53 sei das unüblich weitere Vorbringen in den Kieferknochen hinein, mit dem Ziel, eine entsprechende Struktur aus diagnostischen oder therapeutischen Gründen ganz oder teilweise zu entfernen. Aufgrund des erheblichen operativen Mehraufwandes werde eine postoperative Röntgen-Dokumentation empfohlen. Zwingend sei diese nicht. Die Ost3 sei neben einer Ost1, Ost2 oder einer WR für das gleiche Operationsgebiet nur abrechnungsfähig bei einem zusätzlichen chirurgischen Mehraufwand. Es sei aber kein Kriterium bei der Bewertung der Ziffern, soweit diese allein abgerechnet würden. In diesem Fall gelte allein die nach der Leistungslegende geforderte Voraussetzung. Durch die Osteotomie nach Nr. 53 würden mit (möglicherweise) Krankheitswert versehene Teile bzw. Strukturen aufgesucht und ggf. entfernt werden; hierzu gehörten u.a. im weitesten Sinne tumorös-neoplatische Veränderungen des Knochens in vielfältigen Variationen, angeborene oder vererbte Veränderungen des Knochens, hormonelle oder degenerative Veränderungen des Knochens, metabolische (vom Stoffwechsel bestimmt) Veränderungen des Knochens, traumatische bzw. mechanische Veränderungen des Knochens und entzündliche Veränderungen des Knochens. Neben pathologischen Veränderungen des Kieferknochens selbst könnten selbstverständlich auch alle nichtknöchernen Strukturen, die im Kieferknochen lägen, mittels Osteotomie aufgesucht werden. Hierzu zählten z.B. tiefretinierte bzw. impaktierte Zähne, angeborene oder erworbene Versprengungen nichtknöchernen Gewebes in den Knochen, Neubildungen nichtknöchernen Gewebes im Knochen, z.B. der Haut, des Bindegewebes, der Zähne) und Fremdkörper (die Entfernung eines Fremdkörpers sei aber auch nach der Nr. 68 GOÄ 65 abrechenbar). Charakteristisch für eine Osteotomie des Kiefers nach Nr. 53 sei das unüblich weite Vordringen in den Kieferknochen hinein mit dem Ziel, eine entsprechende Struktur aus diagnostischen oder therapeutischen Gründen ganz oder teilweise zu entfernen. Für die Ost1 und Ost2 gehe es nicht um einen Mehraufwand, sondern um einen bestimmten Leistungsinhalt. Gehe aus dem OP-Bericht hervor, dass die Entfernung eines Zahnes durch Osteotomie erfolgt sei, und lägen gleichzeitig die Voraussetzungen für die Osteotomie vor, also ein tief verlagerter oder retinierter Zahn, so sei es unerheblich, ob eine derartige Osteotomie einen "Mehraufwand" darstelle. Die Erfüllung des Leistungsinhaltes ergebe sich aus dem OP-Protokoll für die Ost1, die Erfüllung des Leistungsinhaltes der Ost2 ergebe sich aus dem Röntgenbild und dem OP-Protokoll. Sei eine Aufklappung mit Osteotomie erfolgt, sei nicht die X2 die richtige Leistungsziffer sondern die Ost1. Der Leistungstext ziele ausdrücklich nicht auf die Schwierigkeit ab, sondern lediglich auf die Leistungserbringung. Insofern sei es unerheblich, ob Zähne ggf. auch mit einem Hebel hätten entfernt werden können ohne Aufklappung und Osteotomie. Wenn Aufklappung und Osteotomie erfolgten, seien sie auch abrechenbar. Zu Nr. 56 (Zy) (Operation einer Zyste) führte sie aus, dass die Forderung der Diagnostizierbarkeit einer Zyste im Röntgenbild nicht der Kommentierung entspreche, nach der eine eindeutige Diagnose einer Zyste allein anhand des Röntgenbilds nicht immer möglich sei. In unklaren Fällen müsse eine histologische Untersuchung nach dem operativen Eingriff der ganz oder teilweise entfernten Zysten erfolgen. Es gelte der Lehrsatz, dass aufgrund des Röntgenbefundes eine Zyste immer nur vermutet werden könne, die endgültige Diagnose aber während der Operation und histologisch gestellt werde. Die Berichtigung könne nicht darauf gestützt werden, dass zwei Kriterien aus der Liste radiologischer Befund, OP-Bericht und histologischer Befund erfüllt sein müssten. Entscheidend sei, dass eine Zyste diagnostiziert worden sei, was sich bereits aus einem der drei genannten Kriterien ergeben könne. Ein Rechtssatz, dass eine Zyste eine gewisse Größe haben müsse, damit ihre Entfernung abrechenbar sei, sei nicht existent. Röntgenaufnahmen würden oftmals an Patienten oder Fremdbehandler ausgeliehen und seien insofern häufig nicht greifbar. Ihr Fehlen sei kein Indiz dafür, dass kein Röntgenbild angefertigt worden sei. Es falle auf, dass nicht die Abrechnung untersucht werde, sondern dass eine vollkommen andere zahnmedizinische Diagnostik bzw. Indikation für ihre Behandlungsmaßnahmen gestellt werde. Wenn überhaupt, könnten solche Überlegungen in einem Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren geltend gemacht werden. Dies beziehe sich insbesondere auf die Fälle 98, 115, 140, 145 und 166, was die Klägerin im Einzelnen weiter ausführt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Im Widerspruchsbescheid führte sie aus, die 4-jährige Ausschlussfrist sei durch die rechtzeitige Zustellung des Erstbescheids vom 27.06.2006 gewahrt worden. Die Ausschlussfrist beginne regelmäßig mit Erhalt der vorläufigen Honorarabrechnung. Für das erste, hier zur Prüfung anstehende Quartal I/02 habe damit die Ausschlussfrist frühestens am 28.06.2002 zu laufen begonnen. Die Ausschlussfrist habe damit in entsprechender Anwendung des § 188 Abs. 2 BGB am 28.06.2006 geendet. Ausweislich der Empfangsbestätigungskarte sei der Erstbescheid am 27.06.2006 eingetroffen. Es sei auch zu erwähnen, dass die Ausschlussfrist durch die Zusendung des Verweisungsbeschlusses des Prüfungsausschusses am 19.04.2005 im Sinne der BSG-Entscheidung vom 06.09.2006 (Az.: B 6 KA 40/05 R) wirksam gehemmt bzw. wirksam unterbrochen worden sei. Mit den Nrn. 47a (Ost1) und 48 (Ost2) werde der erschwerte Aufwand einer operativen Zahnentfernung abgegolten. Dieser Mehraufwand sei vom Zahnarzt im Einzelfall zu dokumentieren, jedenfalls nachzuweisen. Hierbei komme dem prä-operativen röntgenologischen Befund eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund der vorgelegten Röntgenbilder sei im Einzelfall beurteilt worden, ob die Entfernung eines Zahnes nach den höher bewerteten Leistungen nachvollziehbar sei. Hierbei sei auch nicht allein die Dokumentation im Karteiblatt (OP-Bericht) ausschlaggebend, sondern es sei die Plausibilität der abgerechneten Leistungen primär nach dem röntgenologischen Befund zu prüfen. Bei der Osteotomie müssten, wie es die Bezeichnung ausdrücke, zusätzlich zu den Manipulationen am Zahn mittels Knochenfräsen oder Knochenmeißeln die dem Zahn anliegenden Anteile des Alveolaknochens abgetragen werden, um die Entfernung des Zahns zu ermöglichen. Die Osteotomie gliedere sich grob in fünf Arbeitsschritte, nämlich Durchtrennung von Schleimhaut (Mucosa) und Knochenhaut (Periost) und die Bildung eines Mucoperiostlappens, um sich einen Zugang zum Operationsgebiet zu schaffen und sich eine übersichtliche Darstellung des Operationsgebiets zu ermöglichen; dieser Arbeitsschritt werde als "Aufklappung" bezeichnet und stelle denjenigen Arbeitsschritt dar, der die Osteotomie definiere und die Nr. 47a berechnungsfähig mache. Weitere Arbeitsschritte seien die eigentliche Osteotomie, d.h., das Entfernen des Knochens durch Fräsen oder Handinstrument und die Darstellung des Zahnes oder Zahnfragments (Freilegung), das Entfernen des freigelegten Zahnes oder Zahnfragment; evtl. die Teilung des Zahns in mehrere, einzeln leichter zu entfernende Teile, ferner die Modellation der Knochenwunde, insbesondere die Entfernung scharfer Knochenkanten sowie die Blutstillung und die Wundreinigung (Spülung) sowie die Wundversorgung einschließlich Wundverschluss. Der Unterschied zur Entfernung eines nicht verlagerten Zahnes durch Osteotomie nach Nr. 47a (Ost1) zur Entfernung eines Zahnes nach Nr. 48 (Ost2) bestehe in folgenden Charakteristika: Durch die Verlagerung bzw. Retention des Zahnes sei in der Regel mit einem wesentlich höheren Aufwand versehenes umfangreicheres bzw. tiefergehendes Entfernen des umgebenden Knochens notwendig, um den Zahn oder den impaktierten Wurzelrest aufzusuchen und sodann darzustellen, um ihn schließlich entfernen zu können. Die Entfernung des Zahnes könne oftmals in mehreren, gezielt geteilten Fragmenten erfolgen (z.B. bei unteren Weisheitszähnen). Durch diese oft mehrfachen Trennungen des Zahnes könne der Umfang der Entfernung des umgebenden Knochens im Rahmen gehalten werden. Häufig seien das Zahnsäckchen bzw. degenerierte Reststrukturen davon bei der Entfernung verlagerter/retinierter Zähne mit zu entfernen. Solche Strukturen seien bei der Entfernung nicht verlagerter Zähne nicht zu berücksichtigen. Je nach Größe der durch die Entfernung des verlagerten/retinierten Zahnes entstandenen Knochen- bzw. weichen Gewebswunde seien entsprechend aufwändigere Maßnahmen zur Wundversorgung nötig (z. B. Blutstillung, Modellation des Knochens, Naht, Legen einer Drainage, Zahnfleischverband etc.). Das Auskratzen von Granulationsgewebe oder kleinen Zysten in einer Extraktions- oder Osteotomiewunde könne nicht nach Nr. 56c (Zy3) abgerechnet werden, da bei der Exkochleation (Auskratzung mit einem scharfen Löffel) kleiner Zysten im Rahmen dieser Eingriffe nur ein geringer Mehraufwand entstehe. Diese Leistung sei mit den zur Abrechnung kommenden Nrn. 47a, 48 und 54 abgegolten. Voraussetzung zur Berechnung der Leistungen nach Nr. 56a bis d (Zy1 bis Zy4) müsse ein im Röntgenbild diagnostizierbare Zyste und ein nach Art und Inhalt einer Zystenoperation entsprechender zusätzlicher chirurgischer Aufwand sein (zusätzliche tiefe Resektion, Entfernung eines Zystenbalges, Säuberung von Zystenresten). Dem Röntgenbild komme im Rahmen der Abrechnungsprüfung die primäre Bedeutung zu. Sei bei radikulären Zysten die zystische Aufhellung im Röntgenbild in der erkennbaren größtmöglichen Ausdehnung )10 mm (Zahnfilm) bzw. ) 12 mm (OPG), bei follikulären Zysten neben Weisheitszahnentfernungen die perikoronare Aufhellung ) 3 mm (OPG), bestehe der operative Mehraufwand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Bei kleineren Aufhellungen könne der Mehraufwand durch den histologischen Befund oder den OP-Bericht bzw. intraoperativen OP-Befund nachgewiesen werden. Wenn der pathohistologische Befund der Diagnose "Zyste" bestätigt und eine Summe von Einzelpräparaten ) 15 mm bei follikulären Zysten in Verbindung mit der operativen Entfernung von Weisheitszähnen dokumentiert werde, könne dieser Befund in Verbindung mit dem röntgenologischen Befund als Nachweis für den Mehraufwand herangezogen werden. Ein pathohistologischer Befund, der eine geringe oder keine Präparationsgröße angebe, könne als Nachweis des Mehraufwandes nicht herangezogen werden. Wenn das präoperative Röntgenbild keine größere zystische bzw. perikoronare Aufhellung zeige, könne ein zusätzlicher chirurgischer Mehraufwand infolge der Zystenentfernung neben anderen chirurgischen Leistungen (Zahnentfernung, operative Zahnentfernung, Wurzelspitzenresektion) durch den OPG-Bericht bzw. der intraoperativen OP-Bericht allein nicht dokumentiert werden. Ferner wurden im Widerspruchsbescheid die Absetzungen in allen Behandlungsfällen nochmals begründet.

Hiergegen hat die Klägerin am 28.08.2007 unter weitgehender Wiederholung des Vorbringens im Widerspruchsverfahren die Klage erhoben. Ergänzend trägt sie bezüglich der Nr. 56 (Operation einer Zyste) vor, die Diagnose "Zyste" stelle sich immer in der Zusammenschau des röntgenologischen, des klinisch-intraoperativen und des histologischen Befundes dar. Zwei dieser Kriterien müssten mindestens erfüllt sein, ein zusätzlicher chirurgischer Mehraufwand sei nicht notwendig. Soweit überhaupt ein zusätzlicher operativer Mehraufwand verlangt werde, sei dieser bei Zysten über 10 mm Durchmesser ohne weiteres gegeben, da diese sich nicht mehr durch das kleine (5-6 mm Durchmesser) Knochenfenster zur Darstellung der Wurzelspitze entfernen lasse. Im Zweifel könne ein Nachweis über die Größe der Zyste durch den Zahnarzt nicht durch Röntgenbilder, sondern auch z.B. durch einen Pathologiebericht oder eigene Angaben geführt werden (LSG Schleswig-Holstein vom 19. 04. 2002 – L 6 KA 34/99 -). Entscheidend sei der OP-Bericht. Röntgenbilder seien nicht immer verfügbar, auch lasse sich aus dem präoperativen Röntgenbild nicht immer der tatsächliche chirurgische Aufwand erkennen. Der Bescheid für das Quartal I/02 sei ihr am 27.06.2002 zugestellt worden. Die vierjährige Ausschlussfrist habe daher am 27.06.2006 geendet. Der angefochtene Bescheid sei ihr aber erst am 28.06.2006 zugestellt worden. Die Klägerin hat ferner zu den meisten Behandlungsfällen kurz ausgeführt.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2006, abgeändert durch Bescheid vom 08 02.2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2007 aufzuheben.
hilfsweise
Beweis zu erheben über die Tatsache, dass sich aus den OP-Berichten im Zusammenhang mit den Röntgenbildern die abgerechneten Leistungen nachvollziehbar ergeben durch Einholung eines Gutachtens durch einen Facharzt für MKG-Chirurgie, benannt von der deutschen Gesellschaft für MKG- Chirurgie, ausschließlich bezogen auf die Fälle nach Nr. 98, 115, 145, nach der Nummerierung im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Die Beklagte beantragt,
die Klage im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag abzuweisen.

Sie trägt vor, das Bundessozialgericht habe nochmals in der Entscheidung vom 28.03.2007 zum Az. B 6 KA 22/06 R ausdrücklich bestätigt, dass die 4-jährige Ausschlussfrist regelmäßig mit Erhalt der vorläufigen Honorarabrechnung des entsprechenden Quartals beginne. Die Vierteljahresabrechnung I/02 sei erst ab Freitag, den 28.06.2002 versandt worden, ein Zugang bei der Klägerin sei daher frühestens am 29.06.2002 möglich gewesen. Im Übrigen hemme bereits der Verweisungsbeschluss die Frist. Die Osteotomien bedeuteten in ihrer jeweiligen Ausgestaltung einen gestuften Schwierigkeitsgrad gegenüber den einfachen Extraktionen. Die verschiedenen Osteotomien machten eine seitliche Aufklappung des betroffenen Zahnes erforderlich. Nicht ausreichend sei dabei eine einfache Zangen- oder Hebelextraktion, wie dies bei den Extraktionen der Fall sei. Diesen erhöhten Schwierigkeitsgrad versuche die Klägerin stereotyp durch den schlichten Hinweis in den von ihr vorgelegten OP-Berichten "einfache Zangen- oder Hebelextraktion nicht ausreichend" zu belegen. Dies sei aber unzureichend. Die präoperativen Röntgenbilder wiesen einen erhöhten Schwierigkeitsgrad eben gerade nicht aus. Die Umwandlung ergebe sich daraus, dass die Leistungen mit einem anderen Inhalt erbracht worden seien. Für die Entfernung einer Zyste reiche ein alleiniger pathohistologischer Befund, der eine geringere oder keine größere Präparationsgröße angebe, als Nachweis des Mehraufwandes nicht aus. Ferner hat die Beklagte zum Vortrag der Klägerin zu den einzelnen Behandlungsfällen Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 27.06.2006, abgeändert durch Bescheid vom 08.02.2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2007 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag abzuweisen.

Der Bescheid der Beklagten vom 27.06.2006, abgeändert durch Bescheid vom 08.02.2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2007 ist rechtmäßig.

Die Beklagte war zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 19 BMV-Z der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6 RKa 30/94 - SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 = NZS 1996, 134 = Breith 1996, 280 = USK 95120, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549, juris Rdnr. 17) bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z (vgl. BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 = USK 98155, juris Rdnr. 13; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - aaO.; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - aaO.).

Zum Zeitpunkt des Zugangs des angefochtenen Bescheids war die Ausschlussfrist von vier Jahren noch nicht verstrichen.

Für die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen gilt eine vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer der Richtigstellungsbescheid der K(Z)ÄV dem Betroffenen bekannt gegeben werden muss. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Richtigstellung auf der Rechtsgrundlage der bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften ausgeschlossen. Sie ist dann nur noch nach Maßgabe der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 (Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1) SGB X möglich (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2006 - B 6 KA 40/05 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 15 = BSGE 97, 84 = GesR 2007, 174 = USK 2006-114, juris Rdnr. 12).

Die vierjährige Ausschlussfrist zur Berichtigung beginnt mit dem Tag der Bekanntgabe des ursprünglichen Bescheides und nicht mit dem Ablauf des Jahres, in dem dieser Bescheid erlassen worden ist (vgl. BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - SozR 4 2500 § 85 Nr. 35 = BSGE 98, 169 = GesR 2007, 461 = USK 2007-35 = ZMGR 2008, 144, juris Rdnr. 18). Das Datum der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes (§ 37 SGB X) ist typischerweise feststellbar. Jeder Honorarbescheid trägt das Datum, unter dem er von der K(Z)ÄV erstellt und versandt worden ist. Dann lässt sich verlässlich berechnen, wann der Verwaltungsakt als bekannt gegeben gilt, sofern sich der Zeitpunkt der Bekanntgabe nicht ohnehin aus Zustellungsurkunden oder ähnlichen Nachweisen ergibt. Der Tag der Erstellung der jeweiligen Quartalsabrechnungsbescheide, der Termin ihrer Versendung an die Vertrags(zahn)ärzte und die darauf beruhende rechtliche Feststellung des Zeitpunktes der Bekanntgabe (§ 37 Abs 2 SGB X) ist regelmäßig anhand der Unterlagen der K(Z)ÄV zu ermitteln (vgl. BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R – aaO., juris Rdnr. 25).

Der Honorarbescheid vom 27.06.2002 ist der Klägerin frühestens am 29.06.2002 zugegangen. Dies wird von der Klägerin nicht substantiiert bestritten. Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass zur Berechnung der Ausschlussfrist ebf. die Drei-Tages-Regelung nach § 37 Abs. 2 SGB X gilt, soweit nicht ein anderer Zugangstag nachgewiesen ist. Danach gilt, da der Bescheid am 28.06.2002 zur Post gegeben wurde, die Fiktion des Zugangs am 01.07.2002. Die Ausschlussfrist lief damit vom 30.06.2002 bzw. 02.07.2002 bis zum 29.06.2006 bzw. 01.07.2006. Der Berichtigungsbescheid wurde der Klägerin aber am 28.06.2006 über ihren Prozessbevollmächtigten durch Empfangsbekenntnis zugestellt und damit innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren, unabhängig von der Frage, ob die Drei-Tages-Regelung nach § 37 Abs. 2 SGB X anzuwenden ist.

Die Ausschlussfrist von vier Jahren war auch deshalb noch nicht verstrichen, weil aufgrund des Beschlusses des Prüfungsausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen Hessen vom 19.04.2005 eine Hemmung der Ausschlussfrist eingetreten ist.

Eine Hemmung der Ausschlussfrist tritt ein, wenn die Prüfgremien die Angelegenheit der Beklagten zur Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zuleiten. Voraussetzung hierfür ist, dass beide Verfahren dieselbe Honorarforderung des Vertragsarztes zum Gegenstand haben. Die mögliche Hemmungswirkung von Wirtschaftlichkeitsprüfungsbescheiden in Bezug auf die Ausschlussfrist für Honorarberichtigungen trägt dem engen Zusammenhang Rechnung, der zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Richtigstellung in bestimmten Konstellationen bestehen kann, und berücksichtigt, dass das Vertrauen des Vertragsarztes auf ein ungeschmälertes "Behalten dürfen" des ihm im ursprünglichen Honorarbescheid zuerkannten Honorars dann nicht mehr schutzwürdig ist, wenn dem Arzt durch einen Bescheid des Prüfungsausschusses bekannt ist, dass gegen bestimmte Teile seiner Abrechnung Bedenken erhoben werden. Das von jeher von der Rechtsprechung als berechtigt anerkanntes Interesse des Vertragsarztes, nicht ohne zeitliche Begrenzung damit rechnen zu müssen, mit Prüfmaßnahmen überzogen zu werden, wird gewahrt, weil in der Situation, dass innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist weder ein Prüfbescheid noch ein Richtigstellungsbescheid ergeht und auch kein Klageverfahren einer Krankenkasse auf Vornahme einer Honorarkürzung anhängig gemacht wird, für spätere Kürzungs- bzw. Berichtigungsmaßnahmen regelmäßig kein Raum mehr ist (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2006 - B 6 KA 40/05 R – aaO., juris Rdnr. 13 ff.).

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen Hessen mit Beschluss vom 19.04.2005, ausgefertigt am 09.08. und der Klägerin – laut Empfangsbestätigung - am 10.08.2005 zugegangen einen bei ihm anhängigen Vorgang zur Durchführung einer sachlich-rechnerischen Berichtigung an die Beklagte hinsichtlich der Leistungen nach den Nrn. 56a bis 56c (Zy1 bis Zy3) sowie der Positionen nach 47a (Ost1), 48 (Ost2) und 53 (Ost3) überwiesen, weil es sich im Schwerpunkt um eine Frage der sachlich-rechnerischen Berichtigung, die über seine Randzuständigkeit hinausgehe, handele. Damit liegt Identität der Gegenstände vor. Es handelt sich um dasselbe Quartal und die Leistungsbereiche, die dann auch zu der strittigen Berichtigung führten. Damit trat durch den Beschluss vom 19.04.2005 eine Hemmung der Ausschlussfrist ein. Die Kammer hält es auch für zulässig, die Röntgenleistungen einzubeziehen, da Identität der Gegenstände nicht bedeutet, dass bereits abschließend im Verweisungsbeschluss der Prüfgremien der Prüfumfang der Leistungsnrn. im Einzelnen benannt werden muss.

Der angefochtene Berichtigungsbescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

Materiell-rechtlich streiten die Beteiligten im Wesentlichen um drei Komplexe, die sich in den Einzelfällen wiederholen, nämlich die Absetzung von Röntgenleistungen, die Beanstandung von Zahnentfernungen und die damit verbundene Umwandlung höherer in niedriger bewertete Leistungen und die Beanstandung von Zystektomien.

Die Beklagte hat Röntgenleistungen abgesetzt, weil die Klägerin Röntgenaufnahmen nicht vorgelegt hat bzw. - in den Fällen Nr. 24 und 134 – weil die Aufnahmen unbrauchbar waren. Die Klägerin hat hierzu erklärt, Röntgenaufnahmen würden oftmals an Patienten oder Fremdbehandler ausgeliehen und seien insofern häufig nicht greifbar. Ihr Fehlen sei kein Indiz dafür, dass kein Röntgenbild angefertigt worden sei. In der Begründung zu den Einzelabsetzungen hat sie lapidar in allen Fällen erklärt, es sei nicht zumutbar, dass Patienten das Röntgenbild nicht mitgegeben werden könne zur Weiterbehandlung bzw. das Röntgenbild befinde sich bei dem Hauszahnarzt. Zur Qualität der Bilder in den Fällen Nr. 24 und 134 hat die Klägerin sich nicht geäußert.

Soweit die Klägerin die Röntgenaufnahmen nicht vorgelegt und deren Verbleib nicht nachgewiesen hat, trifft die Auffassung der Beklagten zu und fehlt es an einem Nachweis für die Erbringung der Röntgenleistungen.

Nach § 5 Abs. 2 BMV-Z ist der Vertragszahnarzt verpflichtet, seine Aufzeichnungen mindestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist für Röntgenaufnahmen richtet sich nach der Röntgenverordnung. Eine längere Aufbewahrung ist darüber hinaus geboten, wenn sie nach medizinischen Erfordernissen angezeigt ist. Nach § 7 Abs. 3 EKV-Z sind die zahnärztlichen Aufzeichnungen und sonstigen Behandlungsunterlagen vier Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht andere Aufbewahrungsfristen vorgeschrieben sind. Nach § 28 Abs. 3 (Aufzeichnungspflichten, Röntgenpass) der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung - RöV), neugefasst durch Bekanntmachung v. 30.04.2003, BGBl. I S. 604; Geltung ab 01.01.1988 sind die Aufzeichnungen über Röntgenbehandlungen 30 Jahre lang nach der letzten Behandlung aufzubewahren. Röntgenbilder und die Aufzeichnungen nach Absatz 1 Satz 2 über Röntgenuntersuchungen sind zehn Jahre lang nach der letzten Untersuchung aufzubewahren.

Die Kammer folgert hieraus, dass die Aufbewahrungspflicht allein den Vertragszahnarzt trifft. Gibt er die Bilder weg, so ist er hierüber nachweispflichtig. Dies gilt auch für die Aushändigung an Patienten.

Soweit die Röntgenaufnahmen mangelhaft sind, gehören zur sachlich-rechnerischen Berichtigung auch Maßnahmen der Qualitätssicherung. Stellt die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen von Qualitätssicherungsmaßnahmen fest, dass die Qualität der Leistung nicht den fachlichen Anforderungen genügt oder ergeben eingeleitete Maßnahmen der Qualitätssicherung konkrete Hinweise auf erhebliche Mängel von Röntgen-Leistungen und der Kassen- bzw. Vertragsarzt verhindert, dass die zuständigen Kommissionen für Radiologie nach objektiven Auswahlkriterien eine Überprüfung vornehmen, steht der Kassenärztlichen Vereinigung das Recht zu, die Bezahlung sämtlicher geltend gemachter Röntgen-Honorare im Wege der sachlichen und rechnerischen Berichtigung aus der Abrechnung herauszunehmen (Vgl. LSG Hessen, Urt. v. 24.03.1993 - L-7/Ka-510/91 -).

Von daher war die Beklagte auch zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung hinsichtlich der mangelhaften Bilder. Als K(Z)V ist die Beklagte nach § 136 Abs. 2 SGB V auch berechtigt zur Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen. Danach prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen die Qualität der in der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen im Einzelfall durch Stichproben (vgl. SG A-Stadt a. M., Urt. v. 08.10.2003 - S 27 KA 3134/02 -). Die Röntgenleistungen in den Fällen Nr. 24 und 134 waren mangelhaft, was die Klägerin nicht bestritten hat. Sie sind daher zu Recht abgesetzt worden.

Die Beklagte hat auch in nicht zu beanstandender Weise die Leistungen nach Nrn. 47a (Ost1) (Entfernen eines Zahnes durch Osteotomie einschließlich Wundversorgung; Hemisektion und Teilextraktion eines mehrwurzeligen Zahnes, 58 Punkt), 48 (Ost2) (Entfernen eines verlagerten oder retinierten Zahnes durch Osteotomie einschl. Wundversorgung, 78 Punkte) und 53 (Ost3) )(Osteotomie des Kiefers, Sequestrotomie, 72 Punkte) abgesetzt und in niedriger bewertete Leistungen umgewandelt. Für die Erbringung der höher bewerteten Leistungen durch die Klägerin fehlt es an einem Nachweis.

Die Kammer geht dabei davon aus, dass ein Nachweis durch die Abrechnung des Vertragszahnarztes in Verbindung mit einem Röntgenbild ausreichend ist. Anhand eines Röntgenbildes kann im Regelfall festgestellt werden, ob der Zahn so gelegen ist, dass eine Osteotomie vorgenommen werden muss. Am Röntgenbild wird erkennbar, ob eine Hebelextraktion möglich ist. Immer dann, wenn die Indikation anhand des Röntgenbilds nicht ganz eindeutig ist, so dass die Vornahme einer Osteotomie für einen zahnärztlichen Betrachter ohne Weiteres nachvollziehbar ist, kann der Nachweis durch weitere Aufzeichnungen des Vertragszahnarztes, insbesondere einen OP-Bericht erbracht werden. Aus diesen zeitnah zu erstellenden Unterlagen muss wiederum für einen zahnärztlichen Leser ohne Weiteres nachvollziehbar sein, dass die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind. Die bloße Angabe der Leistungsnummer oder ihres Kurzbegriffs, die Wiederholung der Leistungslegende oder die bloße Verwendung des Begriffs "Ausklappen" reichen für den Nachweis einer Osteotomie nicht aus. Frakturiert z. B. der Zahn wider Erwarten, so sind die Hebelversuche und der weitere Verlauf kurz darzustellen. Ist der Zahn entgegen der Aussage des Röntgenbildes so beschaffen, dass eine Hebelextraktion nicht möglich ist, so ist die Zahnbeschaffenheit kurz darzustellen. Ist die Retinierung eines Zahnes nicht eindeutig im Röntgenbild zu erkennen, so bedarf es für den Nachweis des Leistungsinhalts gleichfalls weiterer Darlegungen. Durch diese Anforderungen wird nicht entgegen den Leistungslegenden ein "Mehraufwand" verlangt, sondern der Vertragszahnarzt bleibt lediglich beweispflichtig für die Erbringung des sich in der Leistungslegende widerspiegelnden Mehraufwands. Gerade angesichts der recht unterschiedlichen Bewertung einer einfachen Zahnentfernung nach Nr. 43 (X1) (Entfernung eines einwurzeligen Zahnes einschließl. Wundversorgung) oder 44 (X2) (Entfernung eines mehrwurzeligen Zahnes einschließl. Wundversorgung) mit 10 bzw. 15 Punkten, der Entfernung eines tieffrakturierten Zahnes einschließl. Wundversorgung nach Nr. 45 (X3) mit 40 Punkten, der Hemisektion u. Teilextraktion eines mehrwurzeligen Zahnes nach Nr. 47b (Hem) mit 72 Punkten und den Osteotomien mit 58, 72 bzw. 78 Punkten muss der Beklagten eine Überprüfung der tatsächlichen Leistungserbringung möglich sein. Entscheidend ist nicht die Ausführlichkeit der Darlegungen, sondern die Nachvollziehbarkeit des Berichts für einen anderen Zahnmediziner. Pauschalierende Begründungen sind unzureichend. Insofern ist seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen worden, es komme immer auf den Einzelfall an. Damit werden an die Beweislast eines Vertragszahnarztes geringere Anforderungen als die Erbringung eines Vollbeweises gestellt, als ein Nachweis wesentlich durch Plausibilität des zahnmedizinischen Befundes und der Schilderung der vorgefundenen Zahnsituation geführt werden kann.

Die Klägerin hat zur Klagebegründung, auch in den Einzelfällen, lapidar darauf verwiesen, der OP-Bericht reiche zur Dokumentation des Leistungsinhaltes aus. Die OP-Berichte genügen aber nicht den genannten Anforderungen. Soweit bereits kein Röntgenbild vorlag, kann dessen Beweiskraft durch einen OP-Bericht allenfalls dann ersetzt werden, wenn aus (zahn)medizinischen Gründen ein Röntgenbild nicht angefertigt werden konnte. Für die hier strittigen Fälle wird dies auch seitens der Klägerin nicht behauptet.

In den OP-Berichten wird bzgl. der streitbefangenen Absetzungen, die allesamt zur Voraussetzung hatten, dass der Leistungsinhalt sich nicht bereits aus dem röntgenologischen Befund ergab, im Wesentlichen der Leistungsinhalt der Leistungsnummern wiederholt oder lediglich ausgeführt, es sei eine "Aufklappung" erforderlich geworden. Soweit z. T. ausgeführt wird, eine Osteotomie sei erforderlich geworden, weil die Zähne entweder gar nicht mit der Zange oder dem Hebel zu fassen gewesen seien oder aber sie nach dem Fassen frakturierten, werden die unterschiedlichen Gründe nicht nach den einzelnen Zähnen unterschieden und werden die näheren Umstände für einen Zahnmediziner nicht ersichtlich und damit die Leistungserbringung nicht nachvollziehbar. Die Kammer hat dies mit den Beteiligten im Einzelnen anhand der Behandlungsfälle 98, 115, 140, 145 und 166 in der mündlichen Verhandlung erörtert.

Die Beklagte hat auch in nicht zu beanstandender Weise die Leistungen nach Nrn. 56a bis 56c (Zy1 bis Zy3) abgesetzt.

Die mit 120 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 56a (Zy1) beinhaltet die Operation einer Zyste durch Zystektomie, die mit 72 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 56b (Zy2) beinhaltet die Operation einer Zyste durch orale Zystektomie und die mit 48 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 56c (Zy3) beinhaltet die Operation einer Zyste durch Zystektomie in Verbindung mit einer Osteotomie oder Wurzelspitzenresektion. Das Entfernen von Granulationsgewebe und kleinen Zysten ist nicht nach Nr. 56 abrechnungsfähig.

Voraussetzung zur Berechnung der Leistungen nach Nr. 56 muss eine im Röntgenbild diagnostizierbare Zyste und ein zusätzlicher, nach Art und Inhalt einer Zystenoperation entsprechender chirurgischer Aufwand sein. Dabei komme es nicht allein auf die Größe des entfernten Gewebes an. Soweit die Notwendigkeit der Durchführung einer Operation nach Nr. 56 nicht ausschließlich durch Röntgenbilder belegt werden kann, kommt es in diesen seltenen Ausnahmefällen entscheidend auf den klinischen Befund, also auf den Zustand, wie ihn nur der Operateur sieht, an. Dabei kann ein Nachweis ferner nicht durch die Untersuchungsbefunde eines pathologischen Instituts geführt werden, da diese Institute nur eine Gewebsprobe erhalten, die sie untersuchen, die sie aber nicht dahingehend unterscheiden können, woher diese Proben stammen, ob es sich um Gewebeproben eines Zahnfollikels oder einer follikulären Zyste handelt. Die Voraussetzungen für die Erbringung des vollständigen Leistungsinhalts sind vom Vertragszahnarzt nachzuweisen, da er einen Anspruch geltend macht. In der Regel genügt er diesen Voraussetzungen durch Einreichung der Behandlungsausweise. Komme es aber zu Beanstandungen, so hat er im Einzelfall die Voraussetzungen unter Tragen des Beweislastrisikos nachzuweisen. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass in den Fällen, in denen allein der klinische Befund den Nachweis für die Voraussetzungen der Nr. 56 erbringen kann, der Vertragszahnarzt wenige Möglichkeiten für diesen hat. Der klinische Befund kann nur von ihm vorgenommen werden. Andererseits berechtige nicht jede Gewebsentfernung die Abrechnung nach Nr. 56, so dass die Verwaltung nicht auf die alleinige Behauptung des Vertragszahnarztes verwiesen werden könne. Dem Beweisnotstand kann durch einen detaillierten klinischen Befund abgeholfen werden, der nur dann zu erstellen ist, wenn nicht schon aufgrund der Röntgenbefunde die Voraussetzungen der Nr. 56 nachgewiesen werden können (vgl. Urt. der Kammer v. 07.12.2005 - S 12 KA 22/05 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.02.2000 - L 5 Ka 50/97 -, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 13.12.2000 - B 6 KA 28/00 B -; LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 19.04.2002 - L 6 KA 34/99 –; LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 20.06.2006 – L 4 KA 20/05 –; SG Frankfurt am Main, Urt. v. 30.08.1995 - S-27/KA-1670/95 -; v. 11.02.2004 - S 27 KA 1076/03 -; SG Gotha, Urt. v. 13.02.2008 – S 7 KA 4379/06 – und – S 7 KA 2743/05 –, www.zahn-forum.de/zf/urteile juris; SG PI., Urt. v. 06.09.2006 – S 2 KA 108/04 –).

Der röntgenologische Befund reichte in allen Absetzungen nicht aus. Die Klägerin hat zur Klagebegründung, auch in den Einzelfällen, wiederum lapidar darauf verwiesen, der OP-Bericht reiche zur Dokumentation des Leistungsinhaltes aus. Die OP-Berichte genügen aber nicht den genannten Anforderungen.

Im Übrigen wird weiter zu den Einzelfällen auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchbescheides verwiesen, der die Kammer folgt (§ 236 Abs. 4 SGG).

Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen. Der Hilfsantrag war auch abzuweisen, weil die mit zwei Zahnärzten besetzte Kammer ausreichende Sachkunde besitzt. Er war ferner abzuweisen, weil er unbestimmt ist. Soweit Röntgenbilder fehlen, kann der Nachweis ihrer Erbringung nicht durch sachverständige Begutachtung unter Heranziehung der Röntgenbilder erbracht werden. Er war schließlich weiter abzuweisen, weil es sich nicht um einen Beweisantrag zum Nachweis von Tatsachen handelt. Die Frage, ob mit einem Geschehen die Leistungslegende einer Gebührenziffer erfüllt wird, gehört zum Subsumtionsvorgang unter diese Gebührenziffer und ist damit einem Beweis nicht zugänglich. Rechtsfragen sind vom Gericht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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