L 2 U 1964/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 925/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 1964/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts H. vom 20. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Witwenrente nach dem am 2. Oktober 1939 geborenen und am 2. Dezember 2001 verstorbenen Versicherten P. H. (V.).

Der V. hatte am 18. September 1975 einen Arbeitsunfall erlitten. Infolge eines Gerüstabsturzes aus 3 bis 4 m Höhe zog er sich u.a. eine Kompressionsfraktur des 12. Brustwirbelkörpers und ein darauf beruhendes komplettes Querschnittssyndrom in Höhe L1 beidseits mit Blasen- und Mastdarmlähmung zu.

Mit Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 1978 wurde der Arbeitsunfall und als Folgen des Arbeitsunfalls anerkannt: Unter Zusammensinterung der Wirbelkörper und Verschmälerung des Wirbelzwischenraumes knöchern fest verheilte und abgestützte Brüche des 8. und 12. Brustwirbelkörpers; komplette Querschnittslähmung ab L1/2 mit Blasen- und Mastdarmlähmung; pyelonephritische Veränderungen beider Nierenkelchsysteme; Abflusshinderung im Bereich des Ureters bei Balkenblasenbildung; Harnwegsinfekt. Hüftkopf- und Schenkelhalsnekrose mit paraartikulären Verkalkungen im Bereich des rechten Hüftgelenkes mit starker Bewegungseinschränkung; endgradige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes; Beugekontraktur beider Kniegelenke, rechts mehr als links; deutliche Blutumlaufstörungen an beiden Füßen. Dem V. wurde eine Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. ab dem 18. Dezember 1977 gewährt.

In der Folgezeit traten zunehmend Durchblutungsstörungen an den Beinen, immer wieder Decubitalulcera und eine fortschreitende Zuckererkrankung hinzu. Im Dezember 1989 musste der Oberschenkel links amputiert werden, im Januar 1991 erfolgte eine Knieexartikulation rechts. Im März 2000 war es zu einem cerebralen Insult gekommen.

Am 1. Februar 2001 wurde der V. wegen beidseitiger Sitzbeinredecubitalulcera in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. stationär zur myoplastischen Deckung aufgenommen. Der Eingriff wurde am 1. März 2001 durchgeführt. Dabei wurde zur Gewinnung von genügend schwenkbarem Material die Kürzung des linken Oberschenkelstumpfs um 10 cm vorgenommen. Nachdem zunächst eine Wundheilungsstörung aufgetreten war, wurde der V. am 16. Mai 2001 nach den Angaben im Bericht von Prof. Dr. K. vom 26. Juni 2001 in deutlich gebessertem Zustand entlassen.

Vom 14. November bis 2. Dezember 2001 wurde der V. in den SLK-Klinken in H. stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte zur Stumpfrevision nach Abheilung eines infizierten Hautdefektes am linken Oberschenkel. Postoperativ kam es zu einem Defekt im Bereich des Stumpfes und zu einer offenen Wundbehandlung. Im Verlauf der stationären Behandlung trat eine Septikämie mit Bronchopneumonie auf, an der der V. verstarb. Sein Hausarzt, Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W., vertrat im Schreiben vom 11. Januar 2002 die Auffassung, infolge der Querschnittslähmung seien im weiteren Verlauf Beugekontrakturen aufgetreten und seien im Bereich beider Oberschenkel Amputationen durchgeführt worden. Durch die ursächlich daraus entstandenen Druckulcera sei es zur toxischen Belastung des gesamten Organismus gekommen, so dass sich im weiteren Verlauf Nierenschädigungen und eine diabetische Stoffwechsellage entwickelt hätten, weshalb der V. an den Folgen seiner Querschnittlähmung verstorben sei. Beratungsarzt Dr. D. sah in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2002 den arteriosklerotischen Prozess im Zusammenhang mit dem schicksalsmäßigen Alterungsprozess, wobei der Diabetes mellitus verschlimmernd hinzugekommen sei. Die Wundheilungsstörung mit den zum Tod führenden Folgen sei auf die arteriosklerotischen Gefäßveränderungen zurückzuführen. Prof. Dr. K., Chefarzt der Abteilung für Querschnittsgelähmte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. verneinte in der Stellungnahme vom 5. März 2002 ebenfalls einen Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem Tod. Die Septikämie mit Bronchopneumonie hätte ihren Ausgang im Defekt im Bereich des Oberschenkelstumpfes gehabt. Insgesamt sei die Todesursache in erster Linie im Rahmen der arteriellen Verschlusskrankheit und des Diabetes mellitus zu sehen und nicht durch Komplikationen seitens der unfallbedingten Querschnittlähmung verursacht worden. Oberarzt Dr. Lie, Chirurgische Klinik der SLK-Kliniken, führte im Bericht vom 26. September 2002 aus, der infizierte Ulcus am linken Oberschenkelstumpf könnte durchaus die Folge der Rekonstruktionsoperation von Decubitalulcera unter Mitnahme eines großen Weichteils vom linken Oberschenkelstumpf und einem postoperativen Wundinfekt sein.

Mit Bescheid vom 10. September 2002 gewährte die Beklagte der Klägerin eine einmalige Witwenbeihilfe und lehnte die Gewährung von Witwenrente unter Hinweis auf die Stellungnahme des Prof. Dr. K. ab. Dr. L. habe lediglich die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs angedeutet, was jedoch nicht ausreiche. Den von der Klägerin und Dr. W. eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit an Dr. W. adressierten Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2002 zurück, der der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 14. März 2003 zur Kenntnis übersandt wurde.

Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt und am 16. April 2003 Klage zum Sozialgericht H. (SG) erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem erlittenen Arbeitsunfall bzw. den Unfallfolgen und dem Tod ihres Ehemannes bestehe. Das SG hat ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. M., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums H. vom 29. März 2004 eingeholt, in dem der Sachverständige darlegt, dass die Wundinfektion ohne die Stumpfrevision, die aufgrund der unfallbedingten Decubitalulcera notwendig war, nicht entstanden wäre. Er hat zudem darauf hingewiesen, dass bereits 1978 Blutumlaufstörungen in den Beinen festgestellt worden seien, noch 1981 ein subklinischer Diabetes diagnostiziert worden sei. Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Prof. Dr. K. vorgelegt, der in Auseinandersetzung mit dem eingeholten Sachverständigengutachten an seiner Auffassung festgehalten hat.

Mit Urteil vom 20. Oktober 2005 hat das SG den angefochtenen Bescheid vom 10. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2002 geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente zu gewähren. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, unmittelbar verstorben sei der V. an einer Sepsis nach Bronchopneumonie anlässlich des stationären Krankenhausaufnahme ab 14. November 2001 wegen offener Wundbehandlung nach Stumpfrevision. Diese Wundheilungsstörung hätte sich zwar auf der Grundlage von unfallunabhängigen Erkrankungen, einer Arteriosklerose und eines Diabetes mellitus entwickelt, ohne die Verkürzung des Oberschenkelstumpfes links und die durchgeführte Verschiebeplastik wäre diese Komplikation jedoch nicht eingetreten, denn für die Behandlung des arbeitsunfallbedingten Decubitalgeschwürs im Bereich des Steißbeins mit Fistelbildung sei ein Hautlappen zur Deckung benötigt worden. Die Deckung der Fistel und des Decubitalulcus und die dazu nötige Oberschenkelstumpfverkürzung links seien somit eine Bedingung für den Tod. Diese Bedingung sei auch wesentlich, denn ihr komme nicht nur eine völlig untergeordnete Bedeutung zu. Vielmehr habe das Gericht aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. die Überzeugung gewonnen, dass sowohl unfallabhängige als auch unfallunabhängige Umstände in gleichem Umfang von Bedeutung für den Tod des Versicherten gewesen seien. Auch Prof. Dr. K., dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werde, habe keine durchschlagenden Argumente dafür mitgeteilt, dass die erlittene Querschnittslähmung durch unfall-unabhängig bestehende Gesundheitsstörungen als Bedingung völlig in den Hintergrund gedrängt werde.

Gegen dieses ihr am 27. März 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. April 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass die aufgrund der Oberschenkelstumpfkürzung links entstandene Wunde bereits am 16. Mai 2001 jedenfalls am 30. September 2001 vollständig verheilt und nicht mehr vorhanden gewesen sei. Der ab 14. November 2001 behandelte Defekt sei unabhängig von dem unfallbedingten Eingriff allein aufgrund der arteriellen Verschlusskrankheit entstanden.

Der Senat hat von dem Sachverständigen Prof. Dr. M. ergänzende gutachterliche Stellungnahmen angefordert. Weiterhin hat er zur Frage der Lage der ab dem 14. November 2001 behandelten Geschwüre eine ärztliche Auskunft von Prof. Dr. H. eingeholt. Dieser hat hierzu unter dem 21. September 2006 mitgeteilt, dass am 14. November 2001 beim V. ein handtellergroßes Ulcus am Oberschenkelstumpf mit einer Ausdehnung bis auf den Oberschenkel und ein superinfiziertes Druckulcus an der Oberschenkelvorderseite bestanden habe. In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 31. August 2006, 10. Oktober 2006, 7. Dezember 2006, 8. August 2007 und 30. Oktober 2007 hat der Sachverständige Prof. Dr. M. an seiner Einschätzung im Gutachten vom 29. März 2004 festgehalten. Die Beklagte ist den ergänzenden Stellungnahmen unter Berufung auf Prof. Dr. K. jeweils entgegengetreten und hat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. K. vom 9. März 2007 vorgelegt, in dem dieser weiterhin die Ansicht vertritt, dass das im Oktober 2001 aufgetretene Geschwür nicht auf eine Wundheilungsstörung nach der Operation vom 1. März 2001 zurückzuführen sei. Aus dem histologischen Befund könne nicht mit Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass schon längere Zeit vor Oktober 2001 ein Entzündungsprozess bestanden habe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. August 2007 hat der Sachverständige Prof. Dr. M. demgegenüber die Ansicht vertreten, die Annahme, dass die Operationswunde in der Tiefe keineswegs vollständig verheilt gewesen sei, erkläre den weiteren Verlauf wesentlich überzeugender als die Annahme, dass ein über Jahre vaskulär stabiler Stumpf jetzt allein aufgrund der Vorerkrankungen ein so großes Ulcus entwickelt habe. In seiner Stellungnahme vom 29. August 2007 hat Prof. Dr. K. dem entgegengehalten, dass die Annahme einer fortbestehenden Wundheilungsstörung in der Tiefe spekulativ sei und es nicht zutreffe, dass der Stumpf seit Jahren vaskulär stabil gewesen sei. Vielmehr seien über die Jahre mehrfach Ulcerationen im Bereich der unteren Extremitäten aufgetreten. Prof. Dr. M. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. Oktober 2007 hervorgehoben, dass das im Oktober 2001 aufgetretene Geschwür an der Stelle aufgetreten sei, an der Haut für die Hauttransplantation genommen und die dementsprechend auch von den Ärzten zum Zeitpunkt der Operation als gesundes Areal angesehen worden sei. Der Senat hat schließlich Beweis erhoben durch Einholung eines pathologischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. M ... Dieser hat sich in seinem Gutachten vom 11. Juni 2008 der Ansicht von Prof. Dr. M. angeschlossen, dass es nach der Transplantation wahrscheinlich nie zu einem völligen Stillstand der Umbauvorgänge gekommen sei, trotz äußerlich reizloser Wunde. Wenn die Wundheilung bei primär heilender Wunde bei normaler Wundheilung bis zu mehreren Monaten bis zum vollständigen Abschluss andauern könne, so könne man mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Wunde des V. aufgrund der die Wundheilung erschwerenden Erkrankungen und seines Alters nach 4 1/2 Monaten noch nicht vollständig abgeheilt gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt jedoch, nämlich ab dem 1. Oktober 2001, sei aber bereits ein Geschwür am linken Oberschenkelstumpf bekannt gewesen.

Die Beklagte hat an der Berufung festgehalten und vorgetragen, dass bereits nicht sicher ausgeschlossen werden könne, dass es für die Bronchopneumonie und Septikämie einen anderen Ausgangspunkt gegeben habe, als der Defekt im Bereich des linken Oberschenkelstumpfes. In Betracht käme die Nierenparenchymschädigung oder auch ein weiterer Schlaganfall.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts H. vom 20. Oktober 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Es bedarf keiner näheren Ausführungen dazu, dass die Berufung nicht schon deshalb Erfolg haben könnte, weil die Klage der Klägerin vom 16. April 2003 unzulässig gewesen wäre. Denn der Klägerin, die – zusammen mit Dr. W. – persönlich Widerspruch eingelegt hat, ist der - an Dr. W. adressierte, für den eine Vollmacht nicht vorlag – Widerspruchsbescheid erst mit Schreiben vom 14. März 2003 zugesandt worden. Damit könnte er frühestens als am 17. März 2003 bekannt gegeben gelten. Für die fristgerechte Klageerhebung kommt es damit auf den Vortrag der Klägerin, sie habe diesen erst am 20. März 2003 erhalten, nicht an.

Die Berufung hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin Witwenrente statt Witwenbeihilfe zu gewähren. Nach § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und S. 2 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod (des Versicherten) infolge eines Versicherungsfalls (§ 7 Abs. 1 SGB VII) eingetreten ist. Der Versicherungsfall ist Todesursache im Rechtssinne, wenn er eine wesentliche Bedingung des Todes war (vgl. BSG Urteil vom 12. Mai 1992 - 2 RU 26/91 -, SozR 3 -2200 § 548 RVO Nr. 14). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. Des BSG: BSGE 1, 72, 76; 1, 150, 156 f.; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13). Ob die Verursachung des Todes eines Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne – dementsprechend letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes bildet (st. Rspr. des BSG; vgl. stellvertretend BSG SozR 2200 § 548 Nr. 91 m.w.N.). Gab es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr. 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSG SozR 2200 § 589 Nr. 10 S. 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG a.a.O.; SozR 2200 § 548 Nr. 75).

Nach diesem Maßstab ist der Tod des V. infolge eines Arbeitsunfalls eingetreten. Der V. hatte am 18. September 1975 einen Unfall erlitten, der mit Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 1978 als Arbeitsunfall anerkannt worden war. Infolge dieses Arbeitsunfalls ist der Tod des V. am 2. Dezember 2001 eingetreten. Nach Überzeugung des Senats ergibt sich der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall des V. am 18. September 1975 und dem Tod am 2. Dezember 2001 daraus, dass die Todesursache Bronchopneumonie bei Septikämie Folge des Defekts im Bereich des Oberschenkelstumpfes war, der auf die Operation vom 1. März 2001 zurückzuführen war, die wiederum aufgrund von unfallbedingten Sitzbeindecubitalulcera durchgeführt wurden war.

Der V. ist am 2. Dezember 2001 an einer Bronchopneumonie bei Septikämie verstorben. Dies steht für den Senat auf der Grundlage des Abschlussberichts der SLK Kliniken H. vom 22. Januar 2002 fest. Anhaltspunkte für eine andere Todesursache gibt es nicht. Der V. war am 14. November 2001 in das Klinikum in H. wegen eines handtellergroßen Ulcus am linken Oberschenkelstumpf und eines flächigen superinfizierten Druckulcus an der Oberschenkelvorderseite aufgenommen worden. Die zunächst konservative Behandlung war nicht erfolgreich, so dass wegen zunehmender Verschlechterung der Stumpfsituation am 21. November 2001 eine Nachamputation erfolgen musste. Wie Prof. Dr. M. schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, macht die Beschreibung im OP-Bericht: "völlig septischer, nekrotisch veränderter, fetziger Oberschenkelstumpf mit eitertriefenden Weichteilfetzen in der Umgebung und einem 2 Querfinger vorstehenden Knochen" die ausgedehnte Erkrankung deutlich. Dementsprechend ergeben sich auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Septikämie mit Bronchopneumonie ihren Ausgang von dem Defekt im Bereich des Oberschenkelstumpfes hatte. Dies hat Prof. Dr. K. bereits am 5. März 2002 gegenüber der Beklagten dargelegt. Die Aufrechterhaltung der Berufung mit der Begründung, dass es für den Tod des V. möglicherweise eine andere Ursache gehabt habe, ist nicht nachvollziehbar. Für eine andere Ursache sind konkrete Anhaltspunkte weder genannt noch ersichtlich. Während der gesamten Ermittlungen im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren hat sich nichts ergeben, was auch nur im Entferntesten darauf hinweisen könnte, dass eine andere - unfallunabhängige - Ursache von überragender Bedeutung für die Septikämie mit Bronchopneumonie gewesen sein könnte, und der nachgewiesene Stumpfdefekt keine wesentliche Bedingung für den am 2. Dezember 2001 eingetretenen Tod war. Gestritten wurde daher ausschließlich darüber, ob der Defekt im Bereich des Oberschenkelstumpfes unfallunabhängig aufgrund der arteriellen Verschlusskrankheit und des Diabetes mellitus eingetreten ist oder ob wesentliche (Mit )Ursache die unfallbedingte Stumpfverkürzung war. Für den Senat steht fest, dass der Defekt im Bereich des Oberschenkelstumpfes auf die Operation vom 1. März 2001 zurückzuführen ist.

Nach den oben genannten Grundsätzen erfüllt die durch den Unfall des V. am 18. September 1975 erforderlich gewordene Operation vom 1. März 2001 die qualitativen Anforderungen an eine für den Eintritt des Todes wesentliche Bedingung. Dies steht für den Senat aufgrund der Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. M. und Prof. Dr. M. sowie dessen ergänzender Stellungnahmen im Berufungsverfahren fest. Die Stumpfverkürzung am 1. März 2001 erfolgte im Rahmen der Behandlung von großen Sitzbeindecubitalulcera. Aufgrund fehlenden Materials zur Deckung der Ulcera wurde ein Rotationslappen vom linken Oberschenkel durch Kürzung des Oberschenkelstumpfes um 10 cm gewonnen. Postoperativ kam es zu einer Wundheilungsstörung, die eine Öffnung der Wunde notwendig machte. Erst auf die am 23. April 2001 durchgeführte Sekundärnaht folgte äußerlich eine regelrechte Wundheilung. Im Mai 2001 wurde der V. dann in deutlich gebessertem Zustand aus der stationären Behandlung entlassen. Die Stumpfverkürzung war zur Behandlung der großen Sitzbeindecubitalulcera erforderlich gewesen, die nach der übereinstimmenden Beurteilung aller gehörten Sachverständigen und Ärzte auf die unfallbedingte Querschnittslähmung zurückzuführen waren. Dementsprechend hat die Beklagte die Kosten dieser Behandlung getragen. Anhaltspunkte für eine unfallunabhängige Ursache der Sitzbeindecubitalulcera haben sich auch im weiteren Verfahren nicht ergeben. Damit war der Arbeitsunfall kausal für die Stumpfverkürzung. Diese wiederum war wesentliche Bedingung für die Todesursache. Prof. Dr. M. hat schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass die Durchblutungssituation von Oberschenkelstümpfen nach Gliedmaßenamputation aufgrund einer pAVK oft problematisch sei, da es häufig nach einer Amputation zu einer Nachamputation oder Sekundärheilung kommen müsse, weil erneut Nekrosen oder Infekte aufträten. Auch im weiteren Verlauf könnten bei zunächst äußerlich abgeheiltem Amputationsareal erneut Nekrosen auftreten. Beim V. sei offenbar die Durchblutung betreffend ein stabiler Zustand am linken Oberschenkelstumpf eingetreten, da nach der Amputation 12/89 bis zur notwendigen Kürzung zur Gewinnung eines Schwenklappens im Februar 2001 keine durchblutungsbedingten Wunden mehr, sondern nur ausschließlich druckbedingte Ulcera dokumentiert worden seien. Nachdem damit vor der Operation zur Gewinnung des Schwenklappens zur Versorgung des ausgedehnten unfallbedingten Decubitalgeschwürs im Februar 2001 mehr als 10 Jahre keine Durchblutungsprobleme am linken Oberschenkelstumpf auftreten seien, sei dann bereits am 1. Oktober 2001, also kurze Zeit nach der Operation, ein neuerliches durchblutungsbedingtes Ulcus dokumentiert. Dieses habe sich zunehmend verschlechtert und schließlich zur erneuten stationären Aufnahme am 14. November 2001 in das Klinikum H. geführt, wo der V. am 2. Dezember 2001 verstorben sei. Der Arbeitsunfall stehe damit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ableben des V., da der ausgedehnte Infekt mit folgender Septikämie mit Wahrscheinlichkeit nicht aufgetreten wäre, hätte man nicht die Nachamputation durchführen müssen, um das unfallbedingt aufgetretene Decubitalgeschwür zu versorgen. Die pAVK, wie auch den unfallunabhängigen Diabetes mellitus und den Bluthochdruck allein für die Wunde verantwortlich zu machen, sei aufgrund des seit 1989 bis zu der Nachamputation reizlosen Oberschenkelstumpfes nicht gerechtfertigt. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der durch eine Unfallfolge motivierten Operation und der im Operationsgebiet aufgetretenen Infektion des Amputationsstumpfes nach einem jahrelangen komplikationslosen Intervall lege vielmehr nahe, dass es nicht zu einer Wundheilungsstörung und Infektion im Operationsgebiet gekommen wäre, wenn keine Operation am Oberschenkelstumpf zur Versorgung des unfallbedingt entstandenen Decubitalgeschwürs erforderlich gewesen wäre. Die Aussage von Prof. Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 29. August 2007, dass über die Jahre mehrfach Ulcerationen im Bereich der unteren Extremitäten auch außerhalb von typischen Druckstellenbereichen aufgetreten seien, ist zu allgemein und zu unsubstantiiert, um die Annahme, dass nach der Amputation des linken Oberschenkels im Jahre 1989 keine wesentlichen vaskulären Störungen mehr aufgetreten sind, zu widerlegen. Auch aus den Akten ergeben sich insoweit keine Hinweise, insbesondere keine auf druckunabhängige Geschwüre am linken Oberschenkel nach der Amputation. Zudem hat der Sachverständige Prof. Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. Oktober 2007 für den Senat überzeugend darauf hingewiesen, dass das im Oktober 2001 festgestellte Geschwür an der Stelle gewesen sei, an der Haut für das Hauttransplantation genommen und die dementsprechend auch von den Ärzten zum Zeitpunkt der Operation als gesundes Areal angesehen worden sei.

Wenn die Sachverständigen auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis kommen, dass es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Defekt im Bereich der Stumpfrevision, der sich am 1. Oktober 2001 u.a. durch ein Geschwür über dem Stumpf bemerkbar gemacht hatte und der die Todesursache bedingt hat, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Stumpfverkürzung vom 1. März 2001 zurückzuführen ist, ist dies für den Senat überzeugend und schlüssig.

Damit steht für den Senat fest, dass das Unfallgeschehen für den Tod des V. wesentliche Ursache war. Denn die operative Stumpfverkürzung hätte nicht stattgefunden und damit wäre der Tod des V. zu diesem Zeitpunkt (wahrscheinlich) nicht eingetreten, wenn der V. den Unfall am 18. September 1975 nicht erlitten hätte, weil dann die auf die Querschnittslähmung zurückzuführenden Sitzbeindecubitalulcera nicht aufgetreten wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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