Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 135 AS 11123/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 815/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. April 2009 aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerinnen auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. April 2009 ist gemäß §§ 172 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet. Der Antrag der Antragstellerinnen auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war
abzulehnen.
Der Erlass der von den Antragstellerinnen begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei sind der Anordnungsanspruch und der
Anordnungsgrund jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes beurteilt sich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Rn. 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 des Grundgesetzes (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, 1236 und vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier also im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, nicht (mehr) vorliegt. Insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt; das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
So aber liegt der Fall hier. Die Antragstellerin zu 1) ist nach ihrem Vorbringen am 24. April 2009, also noch vor Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses am 2. Mai 2005, in ihre neue Wohnung umgezogen. Diesen Umzug hat sie mit Hilfe einer "Bekannten" durchgeführt, die über einen "großen Wagen" verfügt. Kosten sind ihr dadurch nicht entstanden. Die Antragstellerin konnte den Umzug mithin im Wege der Selbsthilfe (vgl. § 2 SGB II) durchführen, so dass sie insoweit auf gerichtlichen Rechtsschutz weder angewiesen war noch derzeit ist.
Die Antragstellerin zu 1) selbst hat insoweit vorgetragen, dass sich "das Darlehen für die Umzugskosten dadurch erledigt" habe.
Entsprechendes gilt für ihr Begehren, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr "ein Darlehen in Höhe von 980,40 Euro für die Mietkaution" zu gewähren. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Antragstellerin zu 1) insoweit Schuldnerin der Forderung des Vermieters ist und auf welcher Grundlage diese ggf. beruht. Denn der Antragsgegner hat insoweit zu Recht vorgetragen, dass Mieter der von den Antragstellerinnen bewohnten Wohnung ausweislich des Mietvertrages der Großvater der Antragstellerin zu 1) ist. Denn er hat den Mietvertrag unterschrieben und der Vermieter hat die Zahlungserinnerung vom 8. Mai 2009 auch folgerichtig nicht an die Antragstellerinnen, sondern an den Mieter der Wohnung, den genannten Großvater gerichtet.
Jedenfalls aber hat die Antragstellerin zu 1) die Kautionsforderung bereits am 17. April 2009 in Höhe von 326,40 Euro erfüllt. Sie hat hierzu vorgetragen, dass sie sich "das Geld von (ihrem) Vater geliehen" habe und "er das Geld so schnell wie möglich wieder haben" wolle. Abgesehen davon, dass Mittel für die Begleichung eingegangener Schuldverpflichtungen nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung zugesprochen werden können, weil die mit der Eingehung der Schuldverpflichtung verbundenen Nachteile bereits eingetreten sind und deshalb nicht mehr abgewendet werden können, was Voraussetzung der Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes nach § 86b SGG ist, hat der Vater der Antragstellerin zu 1) den Fälligkeitstermin für die Rückzahlung des Darlehens auf den (unbestimmten) Zeitpunkt festgelegt. Denn er hat bestimmt, dass die Antragstellerin zu 1) erst leisten muss, wenn es ihr "möglich" ist, also ggf. auch erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Vor diesem Hintergrund ist insoweit eine besondere Dringlichkeit im vorgenannten Sinne nicht erkennbar.
Insbesondere aber ist nicht erkennbar, dass durch die Nichtzahlung der verbleibenden 654,00 Euro der geschuldeten Mietkaution eine Schuldenlage eingetreten ist, die den Vermieter zur Kündigung der Wohnung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a) oder b) in Verbindung mit § 569 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigen würde. Der Senat muss vor diesem
Hintergrund nicht die von den Senaten des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg uneinheitlich beurteilte Frage entscheiden, ob schon das Vorliegen einer Kündigungslage nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, erst der Ausspruch einer solchen Kündigung, die Rechtshängigkeit einer
Räumungsklage (mit der letzten Möglichkeit der Abwendung der Kündigung in der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) oder gar erst das Vorliegen eines Räumungstitels einen Anordnungsgrund im Hinblick auf Mietschulden darstellen kann.
Die Antragstellerin zu 1) hat im Übrigen im Beschwerdeverfahren vorgetragen, dass sie ein ihr gewährtes Darlehen "selbstverständlich monatlich immer pünktlich abzahlen" werde. Soweit die Antragstellerin sich tatsächlich in der Lage sieht, ein Darlehen durch monatliche
Ratenzahlungen zu tilgen, sollte sie sich mit dem Vermieter in Verbindung setzten, um insoweit eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Die Antragstellerinnen müssen sich daher auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen.
Der Antrag des Antraggegners nach § 175 SGG hat sich mit diesem Beschluss erledigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. April 2009 ist gemäß §§ 172 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet. Der Antrag der Antragstellerinnen auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war
abzulehnen.
Der Erlass der von den Antragstellerinnen begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei sind der Anordnungsanspruch und der
Anordnungsgrund jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes beurteilt sich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Rn. 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 des Grundgesetzes (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, 1236 und vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier also im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, nicht (mehr) vorliegt. Insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt; das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
So aber liegt der Fall hier. Die Antragstellerin zu 1) ist nach ihrem Vorbringen am 24. April 2009, also noch vor Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses am 2. Mai 2005, in ihre neue Wohnung umgezogen. Diesen Umzug hat sie mit Hilfe einer "Bekannten" durchgeführt, die über einen "großen Wagen" verfügt. Kosten sind ihr dadurch nicht entstanden. Die Antragstellerin konnte den Umzug mithin im Wege der Selbsthilfe (vgl. § 2 SGB II) durchführen, so dass sie insoweit auf gerichtlichen Rechtsschutz weder angewiesen war noch derzeit ist.
Die Antragstellerin zu 1) selbst hat insoweit vorgetragen, dass sich "das Darlehen für die Umzugskosten dadurch erledigt" habe.
Entsprechendes gilt für ihr Begehren, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr "ein Darlehen in Höhe von 980,40 Euro für die Mietkaution" zu gewähren. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Antragstellerin zu 1) insoweit Schuldnerin der Forderung des Vermieters ist und auf welcher Grundlage diese ggf. beruht. Denn der Antragsgegner hat insoweit zu Recht vorgetragen, dass Mieter der von den Antragstellerinnen bewohnten Wohnung ausweislich des Mietvertrages der Großvater der Antragstellerin zu 1) ist. Denn er hat den Mietvertrag unterschrieben und der Vermieter hat die Zahlungserinnerung vom 8. Mai 2009 auch folgerichtig nicht an die Antragstellerinnen, sondern an den Mieter der Wohnung, den genannten Großvater gerichtet.
Jedenfalls aber hat die Antragstellerin zu 1) die Kautionsforderung bereits am 17. April 2009 in Höhe von 326,40 Euro erfüllt. Sie hat hierzu vorgetragen, dass sie sich "das Geld von (ihrem) Vater geliehen" habe und "er das Geld so schnell wie möglich wieder haben" wolle. Abgesehen davon, dass Mittel für die Begleichung eingegangener Schuldverpflichtungen nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung zugesprochen werden können, weil die mit der Eingehung der Schuldverpflichtung verbundenen Nachteile bereits eingetreten sind und deshalb nicht mehr abgewendet werden können, was Voraussetzung der Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes nach § 86b SGG ist, hat der Vater der Antragstellerin zu 1) den Fälligkeitstermin für die Rückzahlung des Darlehens auf den (unbestimmten) Zeitpunkt festgelegt. Denn er hat bestimmt, dass die Antragstellerin zu 1) erst leisten muss, wenn es ihr "möglich" ist, also ggf. auch erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Vor diesem Hintergrund ist insoweit eine besondere Dringlichkeit im vorgenannten Sinne nicht erkennbar.
Insbesondere aber ist nicht erkennbar, dass durch die Nichtzahlung der verbleibenden 654,00 Euro der geschuldeten Mietkaution eine Schuldenlage eingetreten ist, die den Vermieter zur Kündigung der Wohnung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a) oder b) in Verbindung mit § 569 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigen würde. Der Senat muss vor diesem
Hintergrund nicht die von den Senaten des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg uneinheitlich beurteilte Frage entscheiden, ob schon das Vorliegen einer Kündigungslage nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, erst der Ausspruch einer solchen Kündigung, die Rechtshängigkeit einer
Räumungsklage (mit der letzten Möglichkeit der Abwendung der Kündigung in der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) oder gar erst das Vorliegen eines Räumungstitels einen Anordnungsgrund im Hinblick auf Mietschulden darstellen kann.
Die Antragstellerin zu 1) hat im Übrigen im Beschwerdeverfahren vorgetragen, dass sie ein ihr gewährtes Darlehen "selbstverständlich monatlich immer pünktlich abzahlen" werde. Soweit die Antragstellerin sich tatsächlich in der Lage sieht, ein Darlehen durch monatliche
Ratenzahlungen zu tilgen, sollte sie sich mit dem Vermieter in Verbindung setzten, um insoweit eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Die Antragstellerinnen müssen sich daher auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen.
Der Antrag des Antraggegners nach § 175 SGG hat sich mit diesem Beschluss erledigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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