Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 568/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 183/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe D im Streit.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger meldete sich am 18. November 1997 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zuvor war er bis zum 27. Juli 1995 als Kranfahrer bei der Firma D. Transporte in R. beschäftigt gewesen und hatte anschließend an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen. Bis zum 14. Januar 1998 bezog er von der LVA Hessen Übergangsgeld. Der Kläger ist verheiratet und hat eine im Jahre 1978 geborene Tochter, die sich in Berufsausbildung befindet. In seinem Antrag auf Arbeitslosengeld gab der Kläger an, die zu Jahresbeginn auf seiner Lohnsteuerkarte 1997 eingetragene Lohnsteuerklasse V sei ab 1. Dezember 1997 in IV/1 geändert worden; der Grund hierfür sei der Arbeitslosengeldbezug seiner Ehefrau.
Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger der Beklagten seine Lohnsteuerkarte für das Jahr 1998 vor, in der ein Steuerklassenwechsel von der Steuerklasse V zur Steuerklasse III ab 1. Februar 1998 eingetragen war. Auf der bei den Beklagtenakten befindlichen Kopie befindet sich der Vermerk: "Ehefrau ist alo 40456. Laut Herrn W. falsche Steuerklasse für 1/98 von der Stadtverwaltung eingetragen". Unter dem 8. April 1998 finden sich zwei weitere Vermerke: "Steuerklassenwechsel ist nicht zweckmäßig, daher weiter Leistungsgruppe D" sowie "Zweckmäßig wäre IV/IV".
Mit Bescheid vom 24. Februar 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 15. Januar 1998 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe D. Dabei wurde ein monatliches Entgelt von 3.843,00 DM der Leistungsbemessung zugrunde gelegt; bei der Ehefrau des Klägers hatte die Beklagte ein Entgelt von 3.336,66 DM als Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes herangezogen. Der Kläger widersprach mit der Begründung, er habe zum 1. Dezember 1997 mit seiner Ehefrau die Lohnsteuerklassen IV/IV gewechselt. Die Ehefrau sei bereits seit 1997 arbeitslos, beziehe ebenfalls Leistungen und sei der Leistungsgruppe D zugeordnet worden. Ursprünglich sei auf seiner Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1998 ebenfalls die Lohnsteuerklasse V eingetragen gewesen, jedoch sei zum 1. Februar 1998 der Wechsel in die Lohnsteuerklassen III für ihn und V für seine Ehefrau erfolgt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Mit am 25. Mai 1998 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) erhobener Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Seiner Ansicht nach führe die Lohnsteuerklassenkombination III/V für ihn und seine Ehefrau zum geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug, weshalb der Wechsel zum 1. Februar 1998 objektiv zweckmäßig sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 1999 gab das SG der Klage statt und verpflichtete die Beklagte, für die Zeit ab 1. Februar 1998 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe C zu berechnen. Der Wechsel der Lohnsteuerklassenkombination von V/III (Kläger/Ehefrau) zu Beginn des Kalenderjahres 1998 zu III/V (Kläger/Ehefrau) ab 1. Februar 1998 entspreche dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten. § 134 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei unter Beachtung der zu § 113 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) formulierten Gesetzgebungsmotive auszulegen und lasse erkennen, dass der Gesetzgeber habe sicherstellen wollen, dass der Steuerklassenwechsel unter Eheleuten nur dann leistungsrechtliche Folgen habe, wenn er auch ohne die Arbeitslosigkeit objektiv geboten wäre (Bundestags-Drucksachen 7/4124, S. 53 sowie 8/2624, S. 28). Die Kammer sei der Auffassung, dass ein Steuerklassenwechsel deshalb bereits dann in diesem Sinne geboten sei, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen steuerlich günstiger seien als die ursprünglich eingetragenen, ohne dass es sich um die günstigste aller möglichen Lohnsteuerklassenkombinationen handeln müsse. Der Einwand der Beklagten, dass die gewählte Lohnsteuerklassenkombination unbeachtlich sei, weil die Kombination IV/IV dem Verhältnis der Arbeitsentgelte am besten entspreche, greife nicht, da eine zweckwidrige Manipulation des Arbeitslosengeldanspruchs zu Lasten der Beklagten durch die Wahl der zweitbesten Lohnsteuerklassenkombination nicht begründet werde. Die zu § 113 AFG ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), wonach eine Lohnsteuerkombination nur dann dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entspreche, wenn sie den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge habe (BSG, Urteile vom 28. November 1995, Az.: 11b 7 RAr 3/95 sowie vom 21. September 1995, Az.: 11 RAr 13/95), sei auf § 137 SGB III nicht anwendbar, weil der Gesetzgeber beim Übergang vom AFG zum SGB III die Rechtsfolge eines nicht gebotenen Lohnsteuerklassenwechsels gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 AFG ersatzlos gestrichen habe. Die Zugrundelegung der objektiv gebotenen Lohnsteuerklassen von Amts wegen könne nicht mehr stattfinden. Danach seien die nach dem Arbeitsförderungsrecht alter Fassung gegebenen Alternativen, dass die objektiv gebotenen Steuerklassen entweder von den Eheleuten eingetragen oder aber von der Bundesanstalt abweichend vom Willen der Ehegatten zugrunde gelegt würden, so nicht mehr gegeben. In der Folge müsse bei immerhin drei Steuerklassenkombinationsmöglichkeiten (V/IV oder III/V oder V/III) ein Lohnsteuerklassenwechsel bereits dann als tunlich angesehen werden, wenn er den Arbeitsentgelten zumindest relativ angemessener sei als die ursprüngliche Lohnsteuerklassenwahl. Dass der Kläger die Tabellenwerte der günstigsten Lohnsteuerklassenkombinationen offenbar nicht gekannt habe, sondern von der Faustregel ausgegangen sei, dass dem Höchstverdienenden die niedrigste Lohnsteuerklasse und dem Minderverdienenden die höchste Lohnsteuerklasse zugeordnet werden sollte, könne dem Kläger deshalb nicht zum Nachteil reichen. Umgekehrt erscheine es unbillig, dass die Eheleute nach dem Willen der Beklagten Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der ungünstigsten Lohnsteuerklassenkombination V/V erhalten sollten.
Gegen diesen ihr am 26. Januar 1999 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 16. Februar 1999 eingelegte Berufung der Beklagten. Unstreitig sei die Lohnsteuerklassenkombination IV/IV für den Kläger und seine Ehefrau am günstigsten. Jedoch führe ein unzweckmäßiger Steuerklassenwechsel im Gegensatz zu der früheren Regelung des § 113 AFG nicht dazu, dass sich die Leistungen nach der zweckmäßigen Steuerklasse richten, sondern in einem solchen Fall bliebe der Steuerklassenwechsel leistungsrechtlich unberücksichtigt. Zwar sei zum 1. Dezember 1997 die Ehefrau des Klägers nach der damals geltenden Regelung des AFG entgegen ihrem Antrag nicht entsprechend der Kombination IV/IV, sondern nach der Leistungsgruppe D eingruppiert worden, jedoch sei ab 1998 § 137 SGB III mit dem Ergebnis anzuwenden, dass beide Ehegatten nun Leistungen weiterhin nach der Leistungsgruppe D bezögen, da die Steuerklassenkombination III/V nicht dem Verhältnis der monatlichen Bruttoentgelte entspräche. Zwar handele es sich hierbei um ein nicht leicht nachzuvollziehendes Ergebnis, das sich jedoch an der gesetzlichen Regelung und an dem Willen des Gesetzgebers orientiere. Die auf den ersten Blick sich ergebende Ungerechtigkeit relativiere sich jedoch dadurch, dass der Kläger die Möglichkeit habe, im Rahmen der Steuererklärung eine entsprechende Rückerstattung gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen, soweit dies nicht schon bereits geschehen sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Januar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, eine Steuererstattung komme für ihn mangels Steuerzahlung nicht in Betracht.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass der Steuerklassenwechsel der Eheleute zum 1. Februar 1998 von der Beklagten gemäß § 137 Abs. 4 Ziffer 1 SGB III zu berücksichtigen ist. Dabei folgt der Senat den Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid, die er für überzeugend hält (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Beklagte trägt mit der Berufung keine Gesichtspunkte vor, die geeignet wären, die zutreffenden Erwägungen des SG zu erschüttern.
Dabei ist der Beklagten zunächst zuzugestehen, dass die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen der Eheleute ab 1. Februar 1998 tatsächlich nicht die zweckmäßigste Kombination darstellt, die möglich wäre. Es handelt sich nur um die zweitbeste Kombination. Gleichwohl rechtfertigt diese Tatsache es nicht, sie deshalb als unerheblich anzusehen. Das folgt aus den Besonderheiten des vorliegenden Falles, nämlich der Tatsache, dass auch die Ehefrau des Klägers im Leistungsbezug bei der Beklagten steht und für diese ebenfalls die Leistungsgruppe D zugrunde gelegt wurde und die Eheleute ferner mangels Steuerzahlung keinen Lohnsteuerjahresausgleich vornehmen lassen konnten. Insofern überzeugt die Ansicht der Beklagten, dass die von ihr gefundene Lösung dem Willen des Gesetzgebers entspreche, nicht, weil die Steuerklassenkombination V/V im Steuerrecht nicht vorgesehen ist. Für die Wahl der Steuerklassen kam es nach § 113 AFG und der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des BSG allein auf den geringstmöglichen Lohnsteuerabzug an (siehe zuletzt Beschluss vom 18. September 2000 - B 11 AL 147/00 B). Dafür, dass der Gesetzgeber bei § 137 SGB III hiervon habe abweichen wollen, gibt es keine Anzeichen, wie das SG bereits ausgeführt hat. Befinden sich beide Eheleute im Leistungsbezug von Alg und liegen diese Verhältnisse der Beklagten offen zu Tage, dann stellt sich bei der Wahl der zweitbesten Kombination für die Eheleute auch nicht die Frage eines manipulativen Steuerklassenwechsels. Angesichts der für den Bürger fast undurchschaubaren Komplexität des Steuer- und Sozialrechts stellt es eine Überforderung des Bürgers dar, von ihm die genaue Kenntnis der für ihn jeweils günstigsten Steuerklassenkombination zu verlangen. Dass die Beklagte die für die Eheleute ungünstigste Kombination zugrunde legt, ist jedenfalls ein Ergebnis, das nach Überzeugung des Senats weder den Intensionen des Steuer- noch denen des Sozialrechts entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe D im Streit.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger meldete sich am 18. November 1997 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zuvor war er bis zum 27. Juli 1995 als Kranfahrer bei der Firma D. Transporte in R. beschäftigt gewesen und hatte anschließend an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen. Bis zum 14. Januar 1998 bezog er von der LVA Hessen Übergangsgeld. Der Kläger ist verheiratet und hat eine im Jahre 1978 geborene Tochter, die sich in Berufsausbildung befindet. In seinem Antrag auf Arbeitslosengeld gab der Kläger an, die zu Jahresbeginn auf seiner Lohnsteuerkarte 1997 eingetragene Lohnsteuerklasse V sei ab 1. Dezember 1997 in IV/1 geändert worden; der Grund hierfür sei der Arbeitslosengeldbezug seiner Ehefrau.
Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger der Beklagten seine Lohnsteuerkarte für das Jahr 1998 vor, in der ein Steuerklassenwechsel von der Steuerklasse V zur Steuerklasse III ab 1. Februar 1998 eingetragen war. Auf der bei den Beklagtenakten befindlichen Kopie befindet sich der Vermerk: "Ehefrau ist alo 40456. Laut Herrn W. falsche Steuerklasse für 1/98 von der Stadtverwaltung eingetragen". Unter dem 8. April 1998 finden sich zwei weitere Vermerke: "Steuerklassenwechsel ist nicht zweckmäßig, daher weiter Leistungsgruppe D" sowie "Zweckmäßig wäre IV/IV".
Mit Bescheid vom 24. Februar 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 15. Januar 1998 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe D. Dabei wurde ein monatliches Entgelt von 3.843,00 DM der Leistungsbemessung zugrunde gelegt; bei der Ehefrau des Klägers hatte die Beklagte ein Entgelt von 3.336,66 DM als Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes herangezogen. Der Kläger widersprach mit der Begründung, er habe zum 1. Dezember 1997 mit seiner Ehefrau die Lohnsteuerklassen IV/IV gewechselt. Die Ehefrau sei bereits seit 1997 arbeitslos, beziehe ebenfalls Leistungen und sei der Leistungsgruppe D zugeordnet worden. Ursprünglich sei auf seiner Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1998 ebenfalls die Lohnsteuerklasse V eingetragen gewesen, jedoch sei zum 1. Februar 1998 der Wechsel in die Lohnsteuerklassen III für ihn und V für seine Ehefrau erfolgt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Mit am 25. Mai 1998 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) erhobener Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Seiner Ansicht nach führe die Lohnsteuerklassenkombination III/V für ihn und seine Ehefrau zum geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug, weshalb der Wechsel zum 1. Februar 1998 objektiv zweckmäßig sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 1999 gab das SG der Klage statt und verpflichtete die Beklagte, für die Zeit ab 1. Februar 1998 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe C zu berechnen. Der Wechsel der Lohnsteuerklassenkombination von V/III (Kläger/Ehefrau) zu Beginn des Kalenderjahres 1998 zu III/V (Kläger/Ehefrau) ab 1. Februar 1998 entspreche dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten. § 134 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei unter Beachtung der zu § 113 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) formulierten Gesetzgebungsmotive auszulegen und lasse erkennen, dass der Gesetzgeber habe sicherstellen wollen, dass der Steuerklassenwechsel unter Eheleuten nur dann leistungsrechtliche Folgen habe, wenn er auch ohne die Arbeitslosigkeit objektiv geboten wäre (Bundestags-Drucksachen 7/4124, S. 53 sowie 8/2624, S. 28). Die Kammer sei der Auffassung, dass ein Steuerklassenwechsel deshalb bereits dann in diesem Sinne geboten sei, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen steuerlich günstiger seien als die ursprünglich eingetragenen, ohne dass es sich um die günstigste aller möglichen Lohnsteuerklassenkombinationen handeln müsse. Der Einwand der Beklagten, dass die gewählte Lohnsteuerklassenkombination unbeachtlich sei, weil die Kombination IV/IV dem Verhältnis der Arbeitsentgelte am besten entspreche, greife nicht, da eine zweckwidrige Manipulation des Arbeitslosengeldanspruchs zu Lasten der Beklagten durch die Wahl der zweitbesten Lohnsteuerklassenkombination nicht begründet werde. Die zu § 113 AFG ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), wonach eine Lohnsteuerkombination nur dann dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entspreche, wenn sie den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge habe (BSG, Urteile vom 28. November 1995, Az.: 11b 7 RAr 3/95 sowie vom 21. September 1995, Az.: 11 RAr 13/95), sei auf § 137 SGB III nicht anwendbar, weil der Gesetzgeber beim Übergang vom AFG zum SGB III die Rechtsfolge eines nicht gebotenen Lohnsteuerklassenwechsels gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 AFG ersatzlos gestrichen habe. Die Zugrundelegung der objektiv gebotenen Lohnsteuerklassen von Amts wegen könne nicht mehr stattfinden. Danach seien die nach dem Arbeitsförderungsrecht alter Fassung gegebenen Alternativen, dass die objektiv gebotenen Steuerklassen entweder von den Eheleuten eingetragen oder aber von der Bundesanstalt abweichend vom Willen der Ehegatten zugrunde gelegt würden, so nicht mehr gegeben. In der Folge müsse bei immerhin drei Steuerklassenkombinationsmöglichkeiten (V/IV oder III/V oder V/III) ein Lohnsteuerklassenwechsel bereits dann als tunlich angesehen werden, wenn er den Arbeitsentgelten zumindest relativ angemessener sei als die ursprüngliche Lohnsteuerklassenwahl. Dass der Kläger die Tabellenwerte der günstigsten Lohnsteuerklassenkombinationen offenbar nicht gekannt habe, sondern von der Faustregel ausgegangen sei, dass dem Höchstverdienenden die niedrigste Lohnsteuerklasse und dem Minderverdienenden die höchste Lohnsteuerklasse zugeordnet werden sollte, könne dem Kläger deshalb nicht zum Nachteil reichen. Umgekehrt erscheine es unbillig, dass die Eheleute nach dem Willen der Beklagten Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der ungünstigsten Lohnsteuerklassenkombination V/V erhalten sollten.
Gegen diesen ihr am 26. Januar 1999 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 16. Februar 1999 eingelegte Berufung der Beklagten. Unstreitig sei die Lohnsteuerklassenkombination IV/IV für den Kläger und seine Ehefrau am günstigsten. Jedoch führe ein unzweckmäßiger Steuerklassenwechsel im Gegensatz zu der früheren Regelung des § 113 AFG nicht dazu, dass sich die Leistungen nach der zweckmäßigen Steuerklasse richten, sondern in einem solchen Fall bliebe der Steuerklassenwechsel leistungsrechtlich unberücksichtigt. Zwar sei zum 1. Dezember 1997 die Ehefrau des Klägers nach der damals geltenden Regelung des AFG entgegen ihrem Antrag nicht entsprechend der Kombination IV/IV, sondern nach der Leistungsgruppe D eingruppiert worden, jedoch sei ab 1998 § 137 SGB III mit dem Ergebnis anzuwenden, dass beide Ehegatten nun Leistungen weiterhin nach der Leistungsgruppe D bezögen, da die Steuerklassenkombination III/V nicht dem Verhältnis der monatlichen Bruttoentgelte entspräche. Zwar handele es sich hierbei um ein nicht leicht nachzuvollziehendes Ergebnis, das sich jedoch an der gesetzlichen Regelung und an dem Willen des Gesetzgebers orientiere. Die auf den ersten Blick sich ergebende Ungerechtigkeit relativiere sich jedoch dadurch, dass der Kläger die Möglichkeit habe, im Rahmen der Steuererklärung eine entsprechende Rückerstattung gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen, soweit dies nicht schon bereits geschehen sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Januar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, eine Steuererstattung komme für ihn mangels Steuerzahlung nicht in Betracht.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass der Steuerklassenwechsel der Eheleute zum 1. Februar 1998 von der Beklagten gemäß § 137 Abs. 4 Ziffer 1 SGB III zu berücksichtigen ist. Dabei folgt der Senat den Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid, die er für überzeugend hält (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Beklagte trägt mit der Berufung keine Gesichtspunkte vor, die geeignet wären, die zutreffenden Erwägungen des SG zu erschüttern.
Dabei ist der Beklagten zunächst zuzugestehen, dass die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen der Eheleute ab 1. Februar 1998 tatsächlich nicht die zweckmäßigste Kombination darstellt, die möglich wäre. Es handelt sich nur um die zweitbeste Kombination. Gleichwohl rechtfertigt diese Tatsache es nicht, sie deshalb als unerheblich anzusehen. Das folgt aus den Besonderheiten des vorliegenden Falles, nämlich der Tatsache, dass auch die Ehefrau des Klägers im Leistungsbezug bei der Beklagten steht und für diese ebenfalls die Leistungsgruppe D zugrunde gelegt wurde und die Eheleute ferner mangels Steuerzahlung keinen Lohnsteuerjahresausgleich vornehmen lassen konnten. Insofern überzeugt die Ansicht der Beklagten, dass die von ihr gefundene Lösung dem Willen des Gesetzgebers entspreche, nicht, weil die Steuerklassenkombination V/V im Steuerrecht nicht vorgesehen ist. Für die Wahl der Steuerklassen kam es nach § 113 AFG und der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des BSG allein auf den geringstmöglichen Lohnsteuerabzug an (siehe zuletzt Beschluss vom 18. September 2000 - B 11 AL 147/00 B). Dafür, dass der Gesetzgeber bei § 137 SGB III hiervon habe abweichen wollen, gibt es keine Anzeichen, wie das SG bereits ausgeführt hat. Befinden sich beide Eheleute im Leistungsbezug von Alg und liegen diese Verhältnisse der Beklagten offen zu Tage, dann stellt sich bei der Wahl der zweitbesten Kombination für die Eheleute auch nicht die Frage eines manipulativen Steuerklassenwechsels. Angesichts der für den Bürger fast undurchschaubaren Komplexität des Steuer- und Sozialrechts stellt es eine Überforderung des Bürgers dar, von ihm die genaue Kenntnis der für ihn jeweils günstigsten Steuerklassenkombination zu verlangen. Dass die Beklagte die für die Eheleute ungünstigste Kombination zugrunde legt, ist jedenfalls ein Ergebnis, das nach Überzeugung des Senats weder den Intensionen des Steuer- noch denen des Sozialrechts entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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