Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 63/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KR 8/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 18/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 1997 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für die Behandlung mit der Bioresonanztherapie.
Die 1956 geborene Klägerin war bis zum 31. August 1996 Pflichtmitglied der Beklagten. Am 9. November 1995 beantragte sie die Kostenübernahme (bis zum Ende der Mitgliedschaft) für die am 2. Juni 1995 bei Dr. med. M. (Vertragsarzt) begonnene Behandlung mit der Bioresonanztherapie. Sie legte u.a. Informationsmaterial und eine ärztliche Bescheinung von Dr. med. M. vor, der eine Holzschutztoxikose sowie eine Amalganthaliumtoxiose mit gleichzeitiger Allergie diagnostiziert hatte, und machte geltend, sie leide seit 1993 an grippeähnlichen Zuständen und allgemeiner Erschöpfung. Die Beklagte hörte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) an. Die Ärztin T.-B. kam in ihrer Stellungnahme vom 29. Februar 1996 zu dem Ergebnis, dass bei der Bioresonanztherapie weder die theoretisch-naturwissenschaftliche Grundlage nachvollziehbar, noch die klinische Wirkung gesichert sei. Mit Bescheid vom 16. April 1996 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab und gab zur Begründung die Stellungnahme des MDK wieder.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, da ihrer Ansicht nach die Notwendigkeit der biophysikalischen Therapie medizinisch begründet sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Bioresonanztherapie keine Vertragsleistung nach dem Arzt-/Ersatzkassenvertrag darstelle. Vielmehr zähle die Bioresonanztherapie nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gerade zu den Behandlungsmethoden, die in der kassenvertragsärztlichen Versorgung nicht angewendet werden dürften. Der MDK habe ausgeführt, dass das Prinzip der Bioresonanztherapie, welches darauf beruhe, dass apparativ krankmachende körpereigene Schwingungen verändert wieder an den Körper zurückgegeben würden und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, naturwissenschaftlich nicht belegt sei.
Am 13. Januar 1997 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben und vorgetragen, ihre Erkrankung sei durch schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht behandelbar gewesen. Nur die Bioresonanztherapie habe ihr geholfen. Sie hat ein Attest der R-Universität H. vom 4. Juni 1997 vorgelegt.
Mit Urteil vom 5. November 1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, nach den Richtlinien für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sei die Bioresonanztherapie seit dem 9. Juli 1995 aufgrund der Ergänzung der NUB-Richtlinien vom 5. Mai 1995 (Bundesanzeiger Nr. 126 vom 8. Juli 1995) in der kassenärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden. Diese Therapie sei für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnis nicht erforderlich. Die Voraussetzungen für die Anerkennung des therapeutischen Nutzens lägen nicht vor. Bei diesen NUB-Richtlinien handele es sich um Bundesrecht, das verbindlich sei. Auch die Gerichte seien hieran gebunden. Da die Bioresonanztherapie in den NUB-Richtlinien ausgeschlossen sei, scheitere ein Kostenerstattungsanspruch.
Gegen das am 1. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Januar 1998 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 10. März 1998 wurde der Klägerin wegen Versäumnis der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bioresonanztherapie erst mit dem 9. Juli 1995 wirksam geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe ihre Therapie bereits begonnen und die NUB-Richtlinien seien deshalb unerheblich. Erst die Bioresonanztherapie sei geeignet gewesen, die Diagnose (Schädigung durch Holzschutzmittel) zu erstellen und effektiv zu behandeln. Die streitige Therapie habe sich für die Klägerin als wirksame Methode erwiesen. Das Schweigen des Bundesausschusses zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginnes könne nicht den Nachweis der Unwirksamkeit erbringen. Es liege ein "therapeutisches Gesamtkonzept" vor, mit dem sich weder das Bundessozialgericht (BSG) noch das Sozialgericht Gießen auseinander gesetzt hätten. Die Klägerin weist auf das Urteil des Landessozialgerichtes (LSG) Rheinland-Pfalz vom 4. Juli 1991 - L 5 K 23/90 - in dem eine Kostenerstattung für die Therapie nach Dr. K. trotz nicht-wissenschaftlicher Begründung bei Mehlstauballergie bejaht wurde. Das BSG fordere auch nicht, dass Krankenkassen vorher eingeschaltet werden müssen, wenn ein Arzt Leistungen verordnete und Arzt sowie Patient eine Sachleistung wünschten. Letztlich hat die Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. Februar 2000 - L 4 KR 130/98 - hingewiesen, wonach die Richtlinien keine Normwirkung hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten in Höhe von 12.460,05 DM für die von Dr. med. M. bis zum 31. August 1996 durchgeführte Bioresonanztherapie zu erstatten,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) zur Kostenübernahme im Rahmen der sogenannten Außenseitermethoden.
Der Senat hat beim Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung", ermittelt. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 hat dieser Ausschuss mitgeteilt, dass Anfang 1995 über die Bioresonanztherapie beraten und mit Beschluss vom 8. Mai 1995 unter eingehender Würdigung der vorliegenden Untersuchungen und wissenschaftlichen Stellungnahmen, die Bioresonanztherapie in Anlage 2 der NUB-Richtlinien aufgenommen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist formgerecht eingelegt sowie statthaft. Durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt sie auch als fristgerecht (Beschluss vom 10. März 1998) erfolgt (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Klägerin ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführte Bioresonanztherapie. Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, auch die im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente rechtfertigen kein anderes Ergebnis.
Der Senat schließt sich - wie bereits einer Vielzahl vergleichbarer Fälle - der bisherigen Rechtsprechung an, wonach bei bereits durchgeführter Behandlung bzw. Behandlungssequenzen als Rechtsgrundlage für den streitigen Kostenanspruch ausschließlich § 13 Abs. 3 5. Buch des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.1992 - BGBl. I, S. 2266) in Betracht kommt. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese dem Versicherten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht zu Gunsten der Klägerin erfüllt.
Eine unaufschiebbare Maßnahme lag nicht vor. Dabei kann der Senat auch weiterhin dahingestellt sein lassen, ob die Formulierung "unaufschiebbar" in § 13 Abs. 3 SGB V gleichbedeutend ist mit einem "Notfall" im Sinne des § 76 SGB V, bei dem auch außervertragliche Ärzte in Anspruch genommen werden können und dürfen. Es lag jedenfalls bei der Klägerin kein dringliches, sofortiges ärztliches Eingreifen erforderlich machender Handlungsbedarf und auch kein lebensbedrohender Zustand vor. Es bestand auch keine Krankheit, bei welcher die Verschiebung der Behandlung bis zu einer Beratung mit der und durch die Beklagte zu einer nicht wieder gutzumachenden Verschlimmerung des Leidens der Klägerin geführt hätte. Entsprechendes ist von der Klägerin auch nicht vorgetragen bzw. behauptet worden. Es war der Klägerin demnach auch grundsätzlich zumutbar, vor dem Beginn der Bioresonanztherapie bei der Beklagten anzufragen, ob ihr diese Therapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verschafft werden könnte.
Deshalb scheitert der Anspruch auf Kostenerstattung, soweit die Klägerin Kostenerstattung für die Behandlungsmaßnahme geltend macht, die zum Zeitpunkt des Antragsschreibens vom 9. November 1995 (Beginn der Behandlung 2. Juni 1995) bereits abgeschlossen war, schon an der verspäteten Antragstellung, dies ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 13 Abs. 3 ("dadurch"), der einen Kausalzusammenhang fordert. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. HLSG, Beschluss vom 12. April 1999 - L 14 KR 1024/96 -; Urteil vom 29. Oktober 1998 - L 14 KR 917/97 -; BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96 - SozR 3 - 2500 § 13 SGB V Nr. 15; vgl. auch Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 21. April 1998 - L 1 KR 44/96 - in: NZS 1999, S. 30) scheidet die Kostenerstattung aus, wenn der Versicherte nicht vor Beginn der Behandlung seiner Krankenkasse durch einen Antrag auf Kostenübernahme die Möglichkeit gegeben hat, zu prüfen, ob eine anderweitige Behandlungsform im Rahmen des Sachleistungs (Verschaffungs-)Systems besteht und die Entscheidung abwartet. Eine Behandlungsmaßnahme von der sie nichts wusste, kann die Beklagte nicht ablehnen.
Aber auch soweit die Behandlung der Bioresonanztherapie nach Eingang des Antrages der Klägerin vom 9. November 1995 durchgeführt worden ist, sind die Kosten von der Beklagten nicht zu erstatten. Die Beklagte hat die Übernahme der Kosten für diese Therapie auch zur Überzeugung des Senates im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Berechtigung zur Ablehnung ergibt sich dabei nach Auffassung des Senates - unter Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung (vgl. HLSG, Urteil vom 19. Februar 1998 - L 14 KR 134/95 -) nicht schon, wie das Sozialgericht meint, alleine daraus, dass die Bioresonanztherapie vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (sogenannter NUB-Ausschuss) in die Anlage 2 der NUB-Richtlinien aufgenommen worden sind. In dieser Anlage 2 werden solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgenommen, die nach Prüfung durch den Ausschuss als nicht wirksam (oder nicht wirtschaftlich) eingestuft werden und die deshalb im Rahmen des Sachleistungssystemes der gesetzlichen Krankenversicherung von den daran beteiligten Ärzten nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden können. Diesen NUB-Richtlinien wird in der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 28/95 - u.a.) Rechtsnormcharakter derart zugebilligt, dass durch sie erst der individuelle Anspruch eines Versicherten auf eine spezifisch medizinische Behandlung konkretisiert werde und gegebenenfalls bestimme, nicht allein anerkannt, neu bzw. unwirtschaftliche Behandlungsmethoden ausgeschlossen werden können, wenn sie sich nach der Prüfung durch den Ausschuss als nichtwirksam erwiesen haben. Der Senat trägt gegen eine derart weitgehende Interpretation der NUB-Richtlinien, als verbindliche, unter gesetzlicher Rechtsnorm auch weiterhin grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. im Einzelnen: Urteil des Senates vom 19. Februar 1998 - L 14 KR 134/95 - m.w.N.; vgl. auch: Di Fabio, Verlust der Steuerungskraft klassischer Rechtsquellen, in: NZS 1998, S. 449 ff.). Den NUB-Richtlinien kann allenfalls der Charakter sogenannter "Anhaltspunkte" zugebilligt werden. Wenn in einem transparenten und nachprüfbaren sowie im Rahmen des Möglichen auch veröffentlichten Verfahren und nach Anhörung von Sachverständigen der Ausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" (früher NUB-Ausschuss), zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Abrechnung einer bestimmten Behandlungsmethode im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abzulehnen ist, dann kehrt sich für die Versicherten die Beweisführungslast um (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 19. Februar 1998, a.a.O., m.w.N.). Dann muss im Einzelfall detailliert nachgewiesen werden, inwieweit die neue bzw. abgelehnte Behandlungsmethode erforderlich, geeignet und auch wirksam ist, um ein anderes nicht therapierbares Leiden zu heilen oder zu lindern. Hierbei reicht jedoch auch nicht der Erfolgsnachweis im Einzelfall aus.
Dieser Nachweis ist zur Überzeugung des Senates nicht gelungen. Wiederholt ist für die Bioresonanztherapie der Wirkungsnachweis verneint worden (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 28/95 -; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 1998 - L 14 KR 897/96 -). Aus der Sicht des Senates ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, durch eigenständige Sachverständigengutachten in eine erneute Überprüfung der Bioresonanztherapie einzutreten. Der Ausschluss der Bioresonanztherapie ist zur Überzeugung des Senates in einem hinlänglich transparenten und nach rechtsstaatlichen Maßstäben konkreten Verfahren erfolgt, weshalb keine Verpflichtung der Beklagten bestand, die Kosten für diese Behandlung zu erstatten. Auch im Berufungsverfahren wurde nochmals eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" eingeholt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass auf Grund umfangreicher Unterlagen, Untersuchungen, Stellungnahmen und Sachverständigengutachten die Bioresonanztherapie nicht zu den anerkannten Behandlungsmethoden gehört. Eine allgemeine Wirksamkeit aus medizinischen Gründen lässt sich nicht objektivieren. Durch eine begrenzte Objektivierbarkeit alleine - wie im Falle der Klägerin - lässt sich jedoch kein Kostenerstattungsanspruch begründen (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 28/95 -).
Auch die Tatsache, dass der Ausschuss zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginnes noch nicht über die Bioresonanztherapie entschieden hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn selbst wenn die Bioresonanztherapie als anerkannte Behandlungsmethode in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen worden wäre, hätte sich kein Kostenerstattungsanspruch für die Vergangenheit ergeben (BSG, Urteil vom 3. April 2001 - 1 BKR 17/00 R -). Dies muss erst recht gelten, wenn die bereits Anfang 1995 überprüfte Behandlungsmethode als nicht wirksame Behandlungsmethode mit Beschluss vom 8. Mai 1995 abgelehnt wurde.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision wurde zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Insbesondere aufgrund des besonderen Sachverhalts bleibt streitig, welche Bindungswirkung die Richtlinien des Bundesausschusses "Ärztliche Behandlung" haben.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für die Behandlung mit der Bioresonanztherapie.
Die 1956 geborene Klägerin war bis zum 31. August 1996 Pflichtmitglied der Beklagten. Am 9. November 1995 beantragte sie die Kostenübernahme (bis zum Ende der Mitgliedschaft) für die am 2. Juni 1995 bei Dr. med. M. (Vertragsarzt) begonnene Behandlung mit der Bioresonanztherapie. Sie legte u.a. Informationsmaterial und eine ärztliche Bescheinung von Dr. med. M. vor, der eine Holzschutztoxikose sowie eine Amalganthaliumtoxiose mit gleichzeitiger Allergie diagnostiziert hatte, und machte geltend, sie leide seit 1993 an grippeähnlichen Zuständen und allgemeiner Erschöpfung. Die Beklagte hörte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) an. Die Ärztin T.-B. kam in ihrer Stellungnahme vom 29. Februar 1996 zu dem Ergebnis, dass bei der Bioresonanztherapie weder die theoretisch-naturwissenschaftliche Grundlage nachvollziehbar, noch die klinische Wirkung gesichert sei. Mit Bescheid vom 16. April 1996 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab und gab zur Begründung die Stellungnahme des MDK wieder.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, da ihrer Ansicht nach die Notwendigkeit der biophysikalischen Therapie medizinisch begründet sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Bioresonanztherapie keine Vertragsleistung nach dem Arzt-/Ersatzkassenvertrag darstelle. Vielmehr zähle die Bioresonanztherapie nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gerade zu den Behandlungsmethoden, die in der kassenvertragsärztlichen Versorgung nicht angewendet werden dürften. Der MDK habe ausgeführt, dass das Prinzip der Bioresonanztherapie, welches darauf beruhe, dass apparativ krankmachende körpereigene Schwingungen verändert wieder an den Körper zurückgegeben würden und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, naturwissenschaftlich nicht belegt sei.
Am 13. Januar 1997 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben und vorgetragen, ihre Erkrankung sei durch schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht behandelbar gewesen. Nur die Bioresonanztherapie habe ihr geholfen. Sie hat ein Attest der R-Universität H. vom 4. Juni 1997 vorgelegt.
Mit Urteil vom 5. November 1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, nach den Richtlinien für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sei die Bioresonanztherapie seit dem 9. Juli 1995 aufgrund der Ergänzung der NUB-Richtlinien vom 5. Mai 1995 (Bundesanzeiger Nr. 126 vom 8. Juli 1995) in der kassenärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden. Diese Therapie sei für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnis nicht erforderlich. Die Voraussetzungen für die Anerkennung des therapeutischen Nutzens lägen nicht vor. Bei diesen NUB-Richtlinien handele es sich um Bundesrecht, das verbindlich sei. Auch die Gerichte seien hieran gebunden. Da die Bioresonanztherapie in den NUB-Richtlinien ausgeschlossen sei, scheitere ein Kostenerstattungsanspruch.
Gegen das am 1. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Januar 1998 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 10. März 1998 wurde der Klägerin wegen Versäumnis der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bioresonanztherapie erst mit dem 9. Juli 1995 wirksam geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe ihre Therapie bereits begonnen und die NUB-Richtlinien seien deshalb unerheblich. Erst die Bioresonanztherapie sei geeignet gewesen, die Diagnose (Schädigung durch Holzschutzmittel) zu erstellen und effektiv zu behandeln. Die streitige Therapie habe sich für die Klägerin als wirksame Methode erwiesen. Das Schweigen des Bundesausschusses zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginnes könne nicht den Nachweis der Unwirksamkeit erbringen. Es liege ein "therapeutisches Gesamtkonzept" vor, mit dem sich weder das Bundessozialgericht (BSG) noch das Sozialgericht Gießen auseinander gesetzt hätten. Die Klägerin weist auf das Urteil des Landessozialgerichtes (LSG) Rheinland-Pfalz vom 4. Juli 1991 - L 5 K 23/90 - in dem eine Kostenerstattung für die Therapie nach Dr. K. trotz nicht-wissenschaftlicher Begründung bei Mehlstauballergie bejaht wurde. Das BSG fordere auch nicht, dass Krankenkassen vorher eingeschaltet werden müssen, wenn ein Arzt Leistungen verordnete und Arzt sowie Patient eine Sachleistung wünschten. Letztlich hat die Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. Februar 2000 - L 4 KR 130/98 - hingewiesen, wonach die Richtlinien keine Normwirkung hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten in Höhe von 12.460,05 DM für die von Dr. med. M. bis zum 31. August 1996 durchgeführte Bioresonanztherapie zu erstatten,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) zur Kostenübernahme im Rahmen der sogenannten Außenseitermethoden.
Der Senat hat beim Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung", ermittelt. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 hat dieser Ausschuss mitgeteilt, dass Anfang 1995 über die Bioresonanztherapie beraten und mit Beschluss vom 8. Mai 1995 unter eingehender Würdigung der vorliegenden Untersuchungen und wissenschaftlichen Stellungnahmen, die Bioresonanztherapie in Anlage 2 der NUB-Richtlinien aufgenommen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist formgerecht eingelegt sowie statthaft. Durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt sie auch als fristgerecht (Beschluss vom 10. März 1998) erfolgt (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Klägerin ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführte Bioresonanztherapie. Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, auch die im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente rechtfertigen kein anderes Ergebnis.
Der Senat schließt sich - wie bereits einer Vielzahl vergleichbarer Fälle - der bisherigen Rechtsprechung an, wonach bei bereits durchgeführter Behandlung bzw. Behandlungssequenzen als Rechtsgrundlage für den streitigen Kostenanspruch ausschließlich § 13 Abs. 3 5. Buch des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.1992 - BGBl. I, S. 2266) in Betracht kommt. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese dem Versicherten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht zu Gunsten der Klägerin erfüllt.
Eine unaufschiebbare Maßnahme lag nicht vor. Dabei kann der Senat auch weiterhin dahingestellt sein lassen, ob die Formulierung "unaufschiebbar" in § 13 Abs. 3 SGB V gleichbedeutend ist mit einem "Notfall" im Sinne des § 76 SGB V, bei dem auch außervertragliche Ärzte in Anspruch genommen werden können und dürfen. Es lag jedenfalls bei der Klägerin kein dringliches, sofortiges ärztliches Eingreifen erforderlich machender Handlungsbedarf und auch kein lebensbedrohender Zustand vor. Es bestand auch keine Krankheit, bei welcher die Verschiebung der Behandlung bis zu einer Beratung mit der und durch die Beklagte zu einer nicht wieder gutzumachenden Verschlimmerung des Leidens der Klägerin geführt hätte. Entsprechendes ist von der Klägerin auch nicht vorgetragen bzw. behauptet worden. Es war der Klägerin demnach auch grundsätzlich zumutbar, vor dem Beginn der Bioresonanztherapie bei der Beklagten anzufragen, ob ihr diese Therapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verschafft werden könnte.
Deshalb scheitert der Anspruch auf Kostenerstattung, soweit die Klägerin Kostenerstattung für die Behandlungsmaßnahme geltend macht, die zum Zeitpunkt des Antragsschreibens vom 9. November 1995 (Beginn der Behandlung 2. Juni 1995) bereits abgeschlossen war, schon an der verspäteten Antragstellung, dies ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 13 Abs. 3 ("dadurch"), der einen Kausalzusammenhang fordert. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. HLSG, Beschluss vom 12. April 1999 - L 14 KR 1024/96 -; Urteil vom 29. Oktober 1998 - L 14 KR 917/97 -; BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96 - SozR 3 - 2500 § 13 SGB V Nr. 15; vgl. auch Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 21. April 1998 - L 1 KR 44/96 - in: NZS 1999, S. 30) scheidet die Kostenerstattung aus, wenn der Versicherte nicht vor Beginn der Behandlung seiner Krankenkasse durch einen Antrag auf Kostenübernahme die Möglichkeit gegeben hat, zu prüfen, ob eine anderweitige Behandlungsform im Rahmen des Sachleistungs (Verschaffungs-)Systems besteht und die Entscheidung abwartet. Eine Behandlungsmaßnahme von der sie nichts wusste, kann die Beklagte nicht ablehnen.
Aber auch soweit die Behandlung der Bioresonanztherapie nach Eingang des Antrages der Klägerin vom 9. November 1995 durchgeführt worden ist, sind die Kosten von der Beklagten nicht zu erstatten. Die Beklagte hat die Übernahme der Kosten für diese Therapie auch zur Überzeugung des Senates im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Berechtigung zur Ablehnung ergibt sich dabei nach Auffassung des Senates - unter Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung (vgl. HLSG, Urteil vom 19. Februar 1998 - L 14 KR 134/95 -) nicht schon, wie das Sozialgericht meint, alleine daraus, dass die Bioresonanztherapie vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (sogenannter NUB-Ausschuss) in die Anlage 2 der NUB-Richtlinien aufgenommen worden sind. In dieser Anlage 2 werden solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgenommen, die nach Prüfung durch den Ausschuss als nicht wirksam (oder nicht wirtschaftlich) eingestuft werden und die deshalb im Rahmen des Sachleistungssystemes der gesetzlichen Krankenversicherung von den daran beteiligten Ärzten nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden können. Diesen NUB-Richtlinien wird in der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 28/95 - u.a.) Rechtsnormcharakter derart zugebilligt, dass durch sie erst der individuelle Anspruch eines Versicherten auf eine spezifisch medizinische Behandlung konkretisiert werde und gegebenenfalls bestimme, nicht allein anerkannt, neu bzw. unwirtschaftliche Behandlungsmethoden ausgeschlossen werden können, wenn sie sich nach der Prüfung durch den Ausschuss als nichtwirksam erwiesen haben. Der Senat trägt gegen eine derart weitgehende Interpretation der NUB-Richtlinien, als verbindliche, unter gesetzlicher Rechtsnorm auch weiterhin grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. im Einzelnen: Urteil des Senates vom 19. Februar 1998 - L 14 KR 134/95 - m.w.N.; vgl. auch: Di Fabio, Verlust der Steuerungskraft klassischer Rechtsquellen, in: NZS 1998, S. 449 ff.). Den NUB-Richtlinien kann allenfalls der Charakter sogenannter "Anhaltspunkte" zugebilligt werden. Wenn in einem transparenten und nachprüfbaren sowie im Rahmen des Möglichen auch veröffentlichten Verfahren und nach Anhörung von Sachverständigen der Ausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" (früher NUB-Ausschuss), zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Abrechnung einer bestimmten Behandlungsmethode im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abzulehnen ist, dann kehrt sich für die Versicherten die Beweisführungslast um (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 19. Februar 1998, a.a.O., m.w.N.). Dann muss im Einzelfall detailliert nachgewiesen werden, inwieweit die neue bzw. abgelehnte Behandlungsmethode erforderlich, geeignet und auch wirksam ist, um ein anderes nicht therapierbares Leiden zu heilen oder zu lindern. Hierbei reicht jedoch auch nicht der Erfolgsnachweis im Einzelfall aus.
Dieser Nachweis ist zur Überzeugung des Senates nicht gelungen. Wiederholt ist für die Bioresonanztherapie der Wirkungsnachweis verneint worden (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 28/95 -; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 1998 - L 14 KR 897/96 -). Aus der Sicht des Senates ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, durch eigenständige Sachverständigengutachten in eine erneute Überprüfung der Bioresonanztherapie einzutreten. Der Ausschluss der Bioresonanztherapie ist zur Überzeugung des Senates in einem hinlänglich transparenten und nach rechtsstaatlichen Maßstäben konkreten Verfahren erfolgt, weshalb keine Verpflichtung der Beklagten bestand, die Kosten für diese Behandlung zu erstatten. Auch im Berufungsverfahren wurde nochmals eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" eingeholt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass auf Grund umfangreicher Unterlagen, Untersuchungen, Stellungnahmen und Sachverständigengutachten die Bioresonanztherapie nicht zu den anerkannten Behandlungsmethoden gehört. Eine allgemeine Wirksamkeit aus medizinischen Gründen lässt sich nicht objektivieren. Durch eine begrenzte Objektivierbarkeit alleine - wie im Falle der Klägerin - lässt sich jedoch kein Kostenerstattungsanspruch begründen (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 28/95 -).
Auch die Tatsache, dass der Ausschuss zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginnes noch nicht über die Bioresonanztherapie entschieden hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn selbst wenn die Bioresonanztherapie als anerkannte Behandlungsmethode in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen worden wäre, hätte sich kein Kostenerstattungsanspruch für die Vergangenheit ergeben (BSG, Urteil vom 3. April 2001 - 1 BKR 17/00 R -). Dies muss erst recht gelten, wenn die bereits Anfang 1995 überprüfte Behandlungsmethode als nicht wirksame Behandlungsmethode mit Beschluss vom 8. Mai 1995 abgelehnt wurde.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision wurde zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Insbesondere aufgrund des besonderen Sachverhalts bleibt streitig, welche Bindungswirkung die Richtlinien des Bundesausschusses "Ärztliche Behandlung" haben.
Rechtskraft
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