L 6 AL 1328/00

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 971/99
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 1328/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. September 2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999 vollständig aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die gesamten außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich noch gegen die Feststellung einer 6-wöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 7. Februar bis 20. März 1998.

Der 1967 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit war von 1985 bis 30. April 1997 überwiegend als Schweißer und Schlosser, zuletzt im Safebau, beitragspflichtig beschäftigt.

Aufgrund seiner Arbeitslosmeldung vom 5. Mai 1997 bewilligte die Beklagte ab 5. Mai 1997 Arbeitslosengeld. Am 5. August 1997 nahm der Kläger erneut eine beitragspflichtige Beschäftigung bei der Firma V-GmbH als Schweißer auf, während der er bei der Firma B. Heiztechnik GmbH in E. eingesetzt war. Auf das Angebot eines zunächst vom 9. Februar 1998 bis 30. Juni 1998 befristeten Arbeitsverhältnisses als Montierer und Schweißer bei der Firma B. kündigte er mit Schreiben vom 30. Januar 1998 mit Wirkung zum 6. Februar 1998 sein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der Firma V-GmbH. Sein befristetes Arbeitsverhältnis bei der Firma B. wurde nochmals bis 31. Oktober 1998 verlängert. Eine erneute Verlängerung kam nicht zustande, weshalb sich der Kläger am 26. Oktober 1998 arbeitslos meldete. Aus der Arbeitsbescheinigung der Firma V-GmbH vom 31. Oktober 1998 ergibt sich für den bescheinigten Zeitraum ein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.273,- DM, während aus der Arbeitsbescheinigung der Firma B. Heiztechnik GmbH vom 11. November 1998 für den bescheinigten Zeitraum ein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 4.570,- DM hervorgeht. Mit Bescheid vom 26. November 1998 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit vom 7. Februar bis 1. Mai 1998 sowie eine hieraus folgende Minderung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes (Alg.) um 90 Tage fest.

Hiergegen legte der Kläger am 23. Dezember 1998 Widerspruch ein mit der Begründung, er habe seine Beschäftigung bei der Firma V. aufgeben müssen, weil er infolge der Beschädigung seines Kraftfahrzeugs keine zumutbare Möglichkeit zur Erreichung des Arbeitsplatzes besessen habe. In ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 7. Januar 1999 hat die Firma V. GmbH eine Kopie des Kündigungsschreibens des Klägers vom 23. Januar 1998 im Widerspruchsverfahren vorgelegt und ergänzend darauf hingewiesen, der Kläger sei aufgrund seiner zuverlässigen Arbeitsweise von der Firma B. übernommen worden. Diese teilte mit Schreiben vom 17. Februar 1999 mit, über eine Verlängerung der befristeten Arbeitsverhältnisse, die mit mehreren Arbeitnehmern bestanden hätten, habe sie jeweils bei Fristende nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Mit der am 12. Mai 1999 beim Sozialgericht Gießen erhobenen Klage (Az.: S 5 AL 971/99) hat der Kläger im wesentlichen geltend gemacht, sein Wechsel in ein befristetes Arbeitsverhältnis bei der Firma B. GmbH beruhe zumindest auf einem wichtigen Grund, denn bei der Firma B. habe er einen wesentlich höheren Stundenlohn erzielt und aufgrund seines Arbeitsvertrages auch nicht mit einem wohnortfernen Einsatzort rechnen müssen. Dies sei für ihn insbesondere deshalb von Bedeutung, weil in seinem Haushalt sein schwerstpflegebedürftiger minderjähriger Sohn H. zu betreuen sei. Außerdem sei er davon ausgegangen, dass sein Arbeitsverhältnis bei der Firma B. nach Fristablauf verlängert werde, weshalb er die Arbeitslosigkeit ab 1. November 1998 nicht grob fahrlässig herbeigeführt habe.

Der Kläger hat außerdem einen Arbeitsvertrag mit der Firma B. vom 2. August 1999 vorgelegt, wonach der Kläger dort ab 2. August 1999 erneut zunächst befristet bis 31. Dezember 1999 als Schweißer und Montierer im Werk E. nach Tariflohngruppe 5 des maßgeblichen Tarifvertrages für die Hessische Metallindustrie mit einer 35-Stunden-Woche eingestellt wurde. Der Kläger hat mitgeteilt, dieses Arbeitsverhältnis sei bis Ende September 2000 verlängert worden.

Ferner hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren seinen schriftlichen Arbeitsvertrag mit der Firma V-GmbH vom 1. August 1997 vorgelegt, wonach er dort als Schweißer mit einem Stundenlohn von 17,00 DM und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt war. Der Arbeitsvertrag enthält u.a. unter § 1 die Klausel, dass die Firma V. berechtigt ist, den Mitarbeiter jederzeit von einem Einsatz abzuberufen und für die verbleibende Dauer des Arbeitsvertrages anderweitig innerhalb Deutschlands im zumutbaren Rahmen zu beschäftigen. Wegen weiterer Einzelheiten wird insoweit auf die bei der Gerichtsakte befindlichen Arbeitsverträge (Bl. 18 - 24) Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 30. August 1999 hat die Beklagte im Rahmen eines Teilanerkenntnisses den Sperrzeitbescheid vom 26. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999 abgeändert und die Sperrzeit auf 6 Wochen vom 7. Februar bis 20. März 1998 herabgesetzt sowie die Minderung der Anspruchsdauer um 42 Kalendertage verkürzt und die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers übernommen.

Nachdem sich die Beteiligten schriftlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 12. September 2000 die über das Anerkenntnis der Beklagten hinausgehende Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die verbleibende 6-wöchige Sperrzeit festgestellt, weil der Kläger gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) durch Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma V-GmbH grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit ab 1. November 1998 herbeigeführt habe, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Wegen der Befristung des folgenden Arbeitsverhältnisses bei der Firma B. habe er mit dem Eintritt der Arbeitslosigkeit bei Fristende rechnen müssen. Dieses Risiko habe er mithin grob fahrlässig in Kauf genommen. Insoweit sei die Kündigung seines Arbeitsvertrages mit der Firma V-GmbH auch ursächlich für die eingetretene Arbeitslosigkeit.

Für sein Verhalten könne sich der Kläger auf keinen wichtigen Grund stützen, denn die zeitweilige finanzielle Besserstellung während seiner Beschäftigung bei der Firma B. habe er mit dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes "erkauft".

Die im Arbeitsvertrag mit der Firma V. vorgesehene Möglichkeit, ihn ggfs. auch wohnortfern einzusetzen, habe sich nicht konkret realisiert. Ob wegen des fehlenden Kraftfahrzeuges und der Pflegebedürftigkeit seines Kindes im Falle eines wohnortfernen Arbeitseinsatzes ein wichtiger Grund für eine Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma V. bestanden habe, sei daher im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

Bei Abwägung der Interessen des Klägers an einer vorübergehenden finanziellen Verbesserung und den Interessen der Versichertengemeinschaft an einer Vermeidung der Belastung mit Leistungen wegen Arbeitslosigkeit müssten daher letztere den Ausschlag geben.

Den durch das Beschäftigungsförderungsgesetz eingeräumten erweiterten Möglichkeiten der Befristung von Arbeitsverhältnissen habe die Beklagte bereits durch Herabsetzung der Sperrzeit wegen einer Härte ausreichend Rechnung getragen.

Gegen das ihm am 13. Oktober 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Oktober 2000 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er ergänzend darauf hinweist, zu Beginn seiner Beschäftigung bei der Firma B. habe er die mehr als berechtigte Aussicht gehabt, bei dieser Firma einen Dauerarbeitsplatz zu erhalten. Er habe daher das Risiko der Arbeitslosigkeit weder billigend in Kauf genommen noch grob fahrlässig verkannt. Folge man der Auffassung der Beklagten, bestehe ein Wertungswiderspruch zu § 121 Abs. 5 SGB III, wonach einem Arbeitslosen eine Beschäftigung nicht schon deshalb unzumutbar ist, weil sie befristet ist. Auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt gebiete die grundgesetzlich gewährleistete Berufsfreiheit (Art. 12 GG), dass die vom Kläger mit dem Arbeitsplatzwechsel angestrebte berufliche Verbesserung als wichtiger Grund für die Kündigung seines nur gering vergüteten Arbeitsverhältnisses bei der Firma V. GmbH anzuerkennen sei. Hinzu komme, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau seinen schwerstpflegebedürftigen Sohn H. zu versorgen und zu betreuen habe und daher auf eine geregelte Arbeitszeit und einen wohnortnahen Arbeitsplatz angewiesen gewesen sei. Insoweit nimmt er auf den von ihm vorgelegten Untersuchungsbericht des Zentrums für Kinderheilkunde am Klinikum der Justus-Liebig-Universität G. vom 27. April 2000 Bezug.

Mit Schriftsatz vom 26. April 2001 hat der Kläger das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 30. August 1999 ausdrücklich angenommen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
- über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus -
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. September 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999 vollständig aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger habe seine Arbeitslosigkeit ab 1. November 1998 zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, denn er habe bei Eingehung des befristeten Arbeitsverhältnisses damit rechnen müssen, nach wenigen Monaten wieder arbeitslos zu werden. Seine Arbeitslosigkeit sei auch adäquat kausal auf die Eigenkündigung zum 6. Februar 1998 zurückzuführen. Mit den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils könne sich der Kläger auch auf keinen wichtigen Grund für sein Verhalten berufen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Leistungsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung treffen, denn die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise im Erörterungstermin vom 25. April 2000 übereinstimmend einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid ursprünglich eine Sperrzeit auch für die Zeit vom 21. März 1998 bis 1. Mai 1998 festgestellt hatte, ist der Rechtsstreit durch angenommenes Anerkenntnis in der Hauptsache erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG), denn der Kläger hat die im Berufungsschriftsatz vom 19. Oktober 2000 sinngemäß enthaltene Annahmeerklärung mit Schriftsatz vom 26. April 2001 ausdrücklich bestätigt.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig und auch in der Sache begründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. September 2000 kann keinen Bestand haben, denn der Bescheid der Beklagten vom 26. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999 ist vollständig aufzuheben, weil er rechtswidrig ist.

Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit von 6 Wochen für die Zeit vom 7. Februar bis 20. März 1998 lagen nämlich nicht vor.

Gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit von 6 Wochen u.a. dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil die Kündigungserklärung des Klägers mit Schreiben vom 23. Januar 1998 bezüglich seines Arbeitsverhältnisses mit der Firma V-GmbH zum 6. Februar 1998 nicht wesentlich kausal für den Eintritt der Arbeitslosigkeit am 1. November 1998 war. Jedenfalls bei Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist der Kausalzusammenhang nach der Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung zu beurteilen (so: Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 28. Juni 1991 - Az.: 11 RAr 81/90 und vom 28. Juni 1990 - Az.: 7 RAr 124/89; Henke in Hennig, SGB III, § 144 Rdnr. 10, 11 m.w.N.). Nach der Kausallehre der wesentlichen Bedingungen ist eine Bedingung als ursächlich oder mitursächlich im Rechtssinne anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat. Hierbei handelt es sich um einen Wertbegriff, der auch Billigkeitserwägungen umschließt (BSG vom 28. Juli 1991, a.a.O.). Im Falle des Klägers war neben der Kündigung seines unbefristeten Arbeitsvertrages mit der Firma V-GmbH zum 6. Februar 1998 die Entscheidung seines späteren Arbeitgebers im befristeten Arbeitsverhältnis über die Nichtfortsetzung des zuletzt bis 31. Oktober 1998 verlängerten Arbeitsvertrages adäquat kausal für die am 1. November 1998 eintretende Arbeitslosigkeit. Diese war auch i.S. der zuvor dargestellten Rechtsgrundsätze die wesentliche Ursache für die Arbeitslosigkeit des Klägers, hinter der seine Kündigungserklärung vom 23. Januar 1998 zurücktritt. Hierbei kann nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger nach seinem glaubhaften Vortrag und der schriftlichen Erklärung der Firma B. vom 17. Februar 1999 bei Abschluss des zunächst bis 30. Juni 1998 befristeten Arbeitsvertrages mit der Firma B. durchaus begründete Aussicht auf eine Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses bis hin zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages hatte und sein Vertrag dann auch dann tatsächlich bis 31. Oktober 1998 verlängert wurde. Nach den Angaben der Firma B., von deren Richtigkeit der Senat überzeugt ist, behielt sich der Arbeitgeber bei den befristeten Arbeitsverhältnissen vor, jeweils zum Fristende über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden, wobei er diese Entscheidung vor allem von betriebswirtschaftlichen Kriterien (positive Absatzlage und hieraus resultierender weitergehender Personalbedarf) abhängig machte. Nur aus diesen Gründen kam es auch über den 31. Oktober 1998 hinaus zunächst zu keiner Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger, der bei günstiger Absatzlage nach den glaubhaften Angaben der Firma B. mit der Aussicht auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag weiterbeschäftigt worden wäre und erwiesenermaßen zum 2. August 1999 erneut befristet eingestellt wurde. Ferner ist bei der wertenden Bestimmung der wesentlichen Ursache zu beachten , dass der Kläger den Arbeitsplatz in der berechtigten Erwartung einer nicht nur vorübergehenden wesentlichen Verbesserung der arbeitsvertraglichen Bedingungen, insbesondere der Höhe seiner Vergütung, gewechselt hat, die bei der Fa. V. lediglich zu einem monatlichen Bruttoeinkommen i. H. v. ca. 3.273,- DM, bei der Fa. B. hingegen - bei etwas kürzerer Wochenarbeitszeit - zu einem monatlichen Bruttoeinkommen i. H. v. ca. 4.570,- DM führte. Dabei war die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Arbeitslosigkeit bei Fristablauf nicht höher als die Wahrscheinlichkeit einer Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses, die alleine von der betriebswirtschaftlich geprägten Entscheidung des Arbeitgebers abhing und nicht schon im voraus durch feststehende Tatsachen (wie z.B. Krankheit, Erziehungsurlaub etc.) determiniert war. Außerdem ist auch das Argument des Klägers beachtlich, er sei wegen der notwendigen gemeinsamen Betreuung seines minderjährigen schwerstpflegebedürftigen Sohnes auf einen Arbeitsplatz mit geregelter Arbeitszeit und ohne das Risiko eines wohnortfernen Einsatzes angewiesen gewesen. Die Schwerstpflegebedürftigkeit seines Sohnes H. ist durch den von ihm vorgelegten Untersuchungsbericht des Zentrums für Kinderheilkunde am Klinikum der Justus-Liebig-Universität G. vom 27. April 2000 bewiesen, wonach dieses Kind, das zu Hause versorgt wird, in der Pflegestufe III eingestuft ist. Im einzelnen wurden folgende Diagnosen beschrieben:

Cerebrale Bewegungsstörungen,
psychomentale Retardation,
mundmotorische Störung/Probleme der Nahrungsaufnahme,
Dystrophie, Kleinwuchs, Mikrozephalie.

Der Hinweis des Sozialgerichts in den Gründen seiner angefochtenen Entscheidung, der Kläger sei bisher bei der Firma V. nicht wohnortfern eingesetzt worden, weshalb es hierauf nicht ankomme, geht fehl, denn unzweifelhaft war die Firma V. aufgrund des Arbeitsvertrages befugt, den Kläger "jederzeit von seinem Einsatz abzuberufen und für die verbleibende Dauer des Arbeitsvertrages anderweitig innerhalb Deutschlands in zumutbarem Rahmen zu beschäftigen". Dies allein begründet bereits ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Eingehung eines - wenn auch befristeten - Arbeitsverhältnisses mit festem Arbeitsort in der Nähe des Wohnortes, ohne dass er zunächst abwarten müsste, bis sein bisheriger Arbeitgeber von der arbeitsvertraglich eingeräumten Möglichkeit des wohnortfernen Einsatzes Gebrauch macht. Vielmehr muss einem Versicherten zugebilligt werden, einen günstigeren - wenn auch befristeten - Arbeitsvertrag abzuschließen, wenn sich für ihn hierzu die Gelegenheit bietet. Eine Sperrzeitregelung, die diese Gesichtspunkte außer Acht ließe, würde im übrigen mit dem durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes kollidieren, ohne dass die hieraus folgende erhebliche Einschränkung der freien Wahl des Arbeitsplatzes durch die entgegenstehenden Interessen an einer Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung und einem Schutz vor Risiken, deren Eintritt der Betroffene selbst zu vertreten hat (siehe hierzu: BSG vom 28. Juni 1991, a.a.O.; Winkler in Gagel, § 144 Rdnr. 22 ff.), aufgewogen würde. Zutreffend wird auch darauf hingewiesen, dass die Anknüpfung der Sperrzeit an die Kündigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Eingehung eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses einen Wertungswiderspruch zu § 121 Abs. 5 SGB III beinhaltet, wonach dem Arbeitslosen eine Beschäftigung jedenfalls nicht deshalb unzumutbar ist, weil sie befristet ist. Nach dem Grundsatz des Vorrangs der Vermittlung ist in den Fällen der Arbeitsaufgabe nicht vorrangig eine Sperrzeit festzustellen, sondern der Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln (so: BSG vom 28. Juni 1991, a.a.O). Dieser Verpflichtung genügt die Beklagte jedoch bereits durch die Benennung befristeter Arbeitsverhältnisse, weshalb umgekehrt die Kündigung zur Eingehung eines solchen Arbeitsverhältnisses nicht die wesentliche Ursache für den späteren Eintritt der Arbeitslosigkeit sein kann, es sei denn der Kläger konnte vernünftigerweise nicht mit einer Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses rechnen. Auch wenn dem Senat hierüber keine statistischen Erkenntnisse vorliegen, muss schon alleine aufgrund der Reaktionen des Gesetzgebers zuletzt u.a. durch das zum 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG - vom 21. Dezember 2000, BGBl.I, Nr.59 vom 28. Dezember 2000) von einer wachsenden tatsächlichen Bedeutung befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt ausgegangen werden, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch " ... als Brücke zur Dauerbeschäftigung ..." dienen sollen (so: Viethen, Bundesarbeitsblatt 2001, Nr. 2, S 5 ff.). Dies aber hat zur Folge, dass die regelmäßige Anknüpfung des Sperrzeittatbestandes des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III an den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages im Falle anschließender Arbeitslosigkeit die Versicherten in wachsendem Maße von wesentlichen Teilen des Arbeitsmarktes einschließlich der Möglichkeit beruflicher Verbesserung ausschließen würde, was weder mit den Aufgaben der Beklagten noch mit Art. 12 GG zu vereinbaren wäre. Im übrigen widerspräche dies - von der Grundüberlegung her - auch dem seit 1. Januar 2001 geltenden Verbot der Diskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer im Arbeitsvertragsrecht (§ 4 Abs. 2 TzBfG). Die Kündigung eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer zum Zwecke der Aufnahme einer befristeten Beschäftigung mit ansonsten deutlich besseren Vertragsbedingungen ist daher keine wesentliche Ursache für den Eintritt der Arbeitslosigkeit nach Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, es sei denn, der Arbeitnehmer konnte schon bei Kündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses vernünftigerweise nicht mit einer Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses rechnen. Beruht die Entscheidung des Arbeitgebers über die Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses - wie im vorliegenden Fall - hauptsächlich auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen zum Zeitpunkt des Ablaufs des befristeten Arbeitsverhältnisses, so ist diese die wesentliche Ursache für den Eintritt der Arbeitslosigkeit. Insoweit besteht auch keine Möglichkeit, dass der Anspruchsberechtigte das Risiko seiner Arbeitslosigkeit manipuliert, wovor die Gemeinschaft der Beitragszahler geschützt werden soll (siehe: BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 - Az.: 7 RAr 124/89 m.w.N.).

Darüber hinaus hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit durch die Kündigung vom 23. Januar 1998 weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt. Der Arbeitnehmer führte mit der Lösung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitslosigkeit nur dann grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Lösung des Arbeitsverhältnisses keine Aussicht auf einen neuen Arbeitsplatz hatte und er auch aufgrund der allgemeinen Verhältnisse auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt vernünftigerweise mit einem Anschlussarbeitsplatz nicht rechnen konnte (so: BSG, Urteil vom 12. April 1984 - Az.: 7 RAr 28/83 und vom 28. Juni 1990 - Az.: 7 RAr 124/89 m.w.N.). Zum Zeitpunkt der Kündigung seines Arbeitsvertrages mit der Firma V. hatte der Kläger konkrete Aussicht auf das dann auch zustande gekommene befristete Arbeitsverhältnis mit der Firma B ... Darüber hinaus durfte er vernünftigerweise auch durchaus damit rechnen, dass es zu einer Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses kommen würde. Dies ergibt sich, wie bereits dargelegt, aus dem Schreiben der Firma B. vom 17. Februar 1999 wie auch aus dem Umstand, dass es zu einer Verlängerung und später auch erneut zu einem befristeten Arbeitsverhältnis bei der Firma B. kam. Grob fahrlässig ist die Arbeitslosigkeit nur dann herbeigeführt, wenn der Arbeitslose die erforderliche Sorgfalt - in Bezug auf die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit - in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Halbs. 2 Sozialgesetzbuch - X. Buch - SGB X). Dies ist der Fall, wenn er insoweit schon einfachste ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat, wobei von einem subjektiven Sorgfaltsmaßstab auszugehen ist (so zutreffend Henke, a.a.O., § 144 Rdnr. 12, 13 m.w.N.). Nach dem zuvor Ausgeführten hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit ab 1. November 1998 nicht leichtsinnig unter Hinwegsetzung über einfachste ganz naheliegende Überlegungen herbeigeführt, weil für ihn die begründete Aussicht bestand, bei der Firma B. zu wesentlich günstigeren Arbeitsbedingungen zumindest im Rahmen mehrerer befristeter Arbeitsverträge und schließlich auch aufgrund eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses einen Anschlussarbeitsplatz zu erhalten. Dies hat auch die Firma B. in ihrem Schreiben vom 17. Februar 1999 so bestätigt, wenn es dort heißt, die Entscheidung über eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis wäre "im Rahmen Ziff. 1 § 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes zum gegebenen Zeitpunkt erfolgt".

Nach allem bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass sich der Kläger für sein Verhalten außerdem auch auf einen wichtigen Grund i.S.d. § 144 Abs. 1 SGB III stützen kann. Da auch die in § 144 Abs. 1 Nr. 2 - 4 SGB III genannten Gründe für den Eintritt einer Sperrzeit offenkundig nicht vorliegen, war der Bescheid der Beklagten vom 26. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999 vollständig aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, soweit die Beklagte nicht bereits durch angenommenes Anerkenntnis einen Kostenerstattungsanspruch des Klägers anerkannt hat.

Der Senat hat die Revision zum Bundessozialgericht gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved