Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 AL 784/99
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 1174/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. Juni 2000 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 11. Januar 1999, vom 14. Januar 1999 und vom 27. April 1999, sämtlich in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1999, verurteilt, das dem Kläger vom 1. Januar 1999 bis 31. August 1999 zustehende Arbeitslosengeld auf Grundlage der Leistungsgruppe A zu gewähren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger drei Fünftel der Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu erstatten.
Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung der zutreffenden Leistungsgruppe bei Berechnung des dem Kläger vom 1. Januar bis 31. August 1999 zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg).
Der 1936 geborene Kläger ist verheiratet und hat keine Kinder. Zuletzt war er vom1. Januar 1979 bis 31. März 1998 als Einrichtungsberater in einem Möbelhaus beitragspflichtig beschäftigt.
Aufgrund seiner Arbeitslosmeldung vom 5. März 1998 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 1998 Arbeitslosengeld ab 1. April 1998 nach Leistungsgruppe A, wobei sie entsprechend der Eintragung in der Lohnsteuerkarte des Klägers von der Lohnsteuerklasse IV ausging. Unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts in Höhe vom 1.790,- DM gelangte die Beklagte zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 537,88 DM.
Mit Wirkung ab 1. September 1998 wechselten die Eheleute die Lohnsteuerklassen. In der Lohnsteuerkarte der Ehefrau des Klägers, die bisher weiterhin beitragspflichtig beschäftigt war, war nunmehr die Lohnsteuerklasse III und in der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse V eingetragen.
Hierauf stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 1998 das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 1. September 1998 unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D und weiterhin ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.790,- DM neu fest und gelangte nunmehr zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 373,03 DM.
Ab 1. Januar 1999 ließen die Eheleute jeweils die Lohnsteuerklasse IV eintragen und legten noch im November 1998 der Beklagten die Lohnsteuerkarte 1999 sowie Vergütungsbescheinigungen der Ehefrau des Klägers für August und Oktober 1998 vor.
Mit Bescheid vom 11. Januar 1999 stellte die Beklagte das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 1. Januar 1999 erneut unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D fest, wobei sie weiterhin von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.790,- DM und der Lohnsteuerklasse V ausging und zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 369,67 DM gelangte.
Mit Änderungsbescheid vom 14. Januar 1999 legt die Beklagte mit Wirkung ab 1. Januar 1999 für die Berechnung des Arbeitslosengeldes nur noch ein wöchentliches Bemessungsentgelt in Höhe von 1.480,- DM zugrunde, weil sie bisher bei der Berechnung des Bemessungsentgeltes eine Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze im Bemessungszeitraum nicht berücksichtigt hatte. Hierdurch gelangte sie zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 320,74 DM.
Am 11. Februar 1999 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 11. Januar 1999 und vom 14. Januar 1999 wegen der Zugrundelegung der Leistungsgruppe D anstelle der Leistungsgruppe A Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 27. April 1999 stellte die Beklagte das dem Kläger ab 1. April 1999 zustehende Arbeitslosengeld mit einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1,500,- DM und erneut unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D neu fest und gelangte nunmehr zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 323,61 DM.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers wegen der Berücksichtigung der zutreffenden Leistungsgruppe zurück, weil die von den Eheleuten ab 1. Januar 1999 jeweils gewählte Lohnsteuerklasse IV nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprochen habe. Ausgehend vom wöchentlichen Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) des Klägers in Höhe von 1.480,- DM habe sich für ihn ein monatliches Entgelt in Höhe von 6.413,33 DM ergeben. Demgegenüber habe die Ehegattin des Klägers wie schon in den Monaten August und Oktober 1998 so auch im Januar 1999 über ein Bruttoarbeitsentgelt lediglich in Höhe von 4.034,57 DM verfügt, weshalb sich nach der Tabelle zur Steuerklassenwahl die Zweckmäßigkeit für eine Kombination III (Kläger)/V (Ehefrau) ergeben habe. Die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen IV seien daher unbeachtlich, weil sie nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprächen. Dies habe zur Folge, dass bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes weiterhin von der bisher eingetragenen Lohnsteuerklasse V und der hieraus folgenden Leistungsgruppe D auszugehen gewesen sei.
Die hiergegen mit dem Ziel der Berücksichtigung der Leistungsgruppe C, hilfsweise der Leistungsgruppe A, bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes des Klägers vom 1. Januar 1999 bis 31. August 1999 am 7. Juni 1999 erhobene Klage hat das Sozialgericht Kassel mit Urteil vom 21. Juni 2000 (Az.: S 7 AL 784/99) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Steuerklassenwahl zum 1.1.1999 (IV/IV) sei nicht zweckmäßig und damit unbeachtlich gewesen. Damit sei weiterhin von der ab 1. September 1998 eingetragenen Lohnsteuerklasse V bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes auszugehen gewesen. Der von der Klägerseite vorgetragene Beratungsmangel anlässlich der Wahl der Lohnsteuerklasse V für den Kläger ab 1. September 1998 und auch bei der späteren Änderung in die Lohnsteuerklasse IV sei nicht nachgewiesen. Unabhängig davon, ob der sozialrechtliche Herstellungsanspruch überhaupt geeignet wäre, die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge herbeizuführen, sei auch die Kausalität des behaupteten Beratungsmangels für die jeweils getroffene Lohnsteuerklassenwahl nicht erwiesen, zumal auch die Ehefrau des Klägers mit der Lohnsteuerklassenwahl habe einverstanden sein müssen. Im übrigen habe der Kläger auch aus dem Merkblatt für Arbeitslose die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Höhe seiner Leistung leicht entnehmen können. Hierbei habe er insbesondere den hervorgehobenen Hinweis, sich "deshalb vorher Rat einzuholen" beachten müssen. Den Empfang des Merkblattes habe er unter dem 1. April 1998 selbst unterschriftlich bestätigt.
Gegen das ihm am 14. August 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. September 2000 Berufung eingelegt mit der Begründung, der zuständige Sachbearbeiter des Arbeitsamtes habe ihn nicht über die Rechtsfolgen bei Änderung der Steuerklasse informiert. Die Übergabe einer umfangreichen Broschüre mit dem Hinweis, dass darin alles notwendige enthalten sei, sei nicht geeignet, als Ersatz für die Beratung über die Rechtsfolgen bei Änderungen der Steuerklasse zu dienen. Hätte der Kläger gewusst, welche negativen Rechtsfolgen die Änderung der Steuerklasse für ihn habe, habe er einvernehmlich mit seiner Ehefrau die für ihn günstigste Steuerklasse gewählt. Seine Ehefrau sei mit jeder Regelung einverstanden gewesen, wie durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin zu beweisen sei.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. Juni 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 11. Januar 1999, vom 14 Januar 1999 und vom 27. April 1999, sämtlich in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1999, zu verurteilen, das ihm vom 1. Januar 1999 bis 31. August 1999 zustehende Arbeitslosengeld auf Grundlage der Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III),
hilfsweise
auf der Grundlage der Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse IV), zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich insoweit auf die tragenden Gründe des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend schriftlich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Leistungsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senat ergehen, denn die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise schriftlich einverstanden erklärt (§§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, insbesondere überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG 1.000,- DM, sie ist auch teilweise begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. Juni 2000 ist abzuändern, denn die Bescheide der Beklagten vom 11. Januar 1999 und vom 14. Januar 1999 sowie der Änderungsbescheid vom 27. April 1999, der gemäß § 86 Abs. 1 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist, sämtlich in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1999, sind rechtswidrig und daher abzuändern, soweit die Beklagte bei der Berechnung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. August 1999 unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse V von der Leistungsgruppe D statt richtigerweise unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV von der Leistungsgruppe A gemäß § 137 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - 3. Buch (SGB III) ausgegangen ist.
Die bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer richtet sich nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen ist (§ 137 Abs. 1 SGB III).
Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse I oder IV eingetragen ist, sind der Leistungsgruppe A und Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, sind der Leistungsgruppe D zuzuordnen (§ 137 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 SGB III). Dabei richtet sich die Zuordnung nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§ 137 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Ein späterer Wechsel der eingetragenen Lohnsteuerklassen durch die Ehegatten wird von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn
1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder
2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das geringer ist, als das Arbeitslosengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe.
Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht (§ 137 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III).
Hiervon ausgehend hat die Beklagte zwar zutreffend mit Wirkung ab 1. September 1998 zunächst den Wechsel der Lohnsteuerklasse des Klägers in V und seiner Ehefrau in III mit dem nicht angegriffenen Bescheid vom 14. September 1998 berücksichtigt und dem Kläger Arbeitslosengeld ab 1. September 1998 nur noch unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D gewährt, ohne zu prüfen, ob die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprachen, denn jedenfalls ergab sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld, das geringer war, als das Arbeitslosengeld, das der Kläger zuvor unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A und unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV bezogen hatte.
Den erneuten Lohnsteuerklassenwechsel zum 1. Januar 1999 in die Lohnsteuerklassen IV sowohl für den Kläger als auch seine Ehefrau hatte die Beklagte gemäß § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III allerdings ebenfalls zu berücksichtigen und dementsprechend ab 1. Januar 1999 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe A zu gewähren, weil die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprachen. Ein Steuerklassenwechsel ist nämlich objektiv dann geboten, wenn die bisherige Lohnsteuerklassenkombination nach den erzielten Arbeitslöhnen beider Ehegatten insgesamt zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führen würde oder - mit anderen Worten -, wenn die neu eingetragenen Steuerklassen den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge habe, was am einfachsten anhand der jährlich vom Bundesministerium der Finanzen und den Obersten Finanzbehörden der Länder neu herausgegebenen Tabellen zur Lohnsteuerklassenwahl zu beurteilen ist (so: Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 21. April 1993 - Az.: 11 RAr 47/92 m.w.N.). Beim Vergleich der Entgelte der Ehegatten im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung ist gemäß § 137 Abs. 4 Satz 2 SGB III das einer Lohnersatzleistung zugrundeliegende fiktive Arbeitsentgelt, dem in der Arbeitslosenversicherung das Bemessungsentgelt entspricht, zugrunde zu legen (so: Dalichau-Grüner, Arbeitsförderung, Sozialgesetzbuch, III. Buch, Kommentar, S. 10 zu § 137 m.w.N.). Demzufolge ist beim Kläger von einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 6.413,33 DM und bei seiner Ehefrau in Höhe von 4.034,57 DM auszugehen, wie das Sozialgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat. Nach den ab 1999 geltenden Tabellen zur Steuerklassenwahl ergibt sich damit zwar die Zweckmäßigkeit der Steuerklassenkombination III/V, dies ist jedoch keinesfalls "offensichtlich", denn die Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau bewegen sich damit in einem Grenzbereich, der nicht den Schluss zulässt, Eheleute, die daran interessiert sind, möglichst wenig Steuern zu bezahlen, hätten die Kombination IV/IV eindeutig nicht gewählt. In der Rechtsprechung zu § 113 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu dem dort vorgesehenen Merkmal der "Offensichtlichkeit" der unzweckmäßigen Lohnsteuerklassenwahl war eine Überschreitung des Tabellensatzes für das geringere Einkommen von weniger als 10 v.H. unschädlich mit der Folge, dass der zu einem höheren Leistungssatz führende Wechsel der Lohnsteuerklasse zu berücksichtigen war (siehe hierzu Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, § 137 RdNr. 61 m.w.N.; BSG, Urteil vom 21. April 1993, a.a.0.). Zwar enthält § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht mehr das Kriterium der "Offensichtlichkeit" einer unzweckmäßigen Lohnsteuerklassenwahl, gleichwohl verbleibt auch hier unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes ein Grenzbereich, in dem die Wahl unterschiedlicher Steuerklassen gleich zweckmäßig erscheinen kann. Dies muss erst recht gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - nach den Tabellen zur Steuerklassenwahl eine Lohnsteuerklassenkombination möglich gewesen wäre, die zu einem höheren Leistungsanspruch des Klägers geführt hätte. § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III bezweckt ebenso wie schon § 113 Abs. 2 Satz 2 AFG nicht nur die Verhinderung eines missbräuchlichen Steuerklassenwechsels unter den Ehegatten, die auf solche Weise höhere Lohnersatzleistungen erzielen wollen. Er zielt auch weiterhin darauf, dass ein Steuerklassenwechsel nur dann berücksichtigt wird, wenn er auch ohne eine eingetretene Arbeitslosigkeit objektiv geboten wäre, d.h. dann zu einem für die Ehegatten insgesamt niedrigeren Steuerabzug führen würde. Der Steuerklassenwechsel muss demnach auch ohne den Lohnausfall tunlich sein. Die Höhe des Alg soll sich nämlich in diesen Fällen vornehmlich an der "richtigen" Steuerklasse orientieren (so noch: BSG, Urteil vom 21. April 1993, a. a. O.).
Der Wechsel in die Steuerklasse IV mit Wirkung ab 1. Januar 1999 war nach den zu berücksichtigenden Einkommensverhältnissen keinesfalls missbräuchlich und wäre insbesondere auch ohne den Lohnausfall tunlich gewesen, denn die mit Wirkung ab 1. September 1998 eingetragene Lohnsteuerklassenkombination V/III (Kläger/Ehefrau) entsprach keinesfalls den maßgeblichen Einkommensverhältnissen der Ehegatten.
Gegen die Berücksichtigung des Steuerklassenwechsels ab 1. Januar 1999 spricht auch nicht der Gedanke der Verwaltungsvereinfachung, der schon § 113 Abs. 2 AFG inne wohnte (so: BSG vom 21. April 1993, a.a.0.) und der in § 137 Abs. 4 SGB III noch wesentlich größere Bedeutung gewonnen hat. Damit hat der Gesetzgeber nämlich erneut an die steuerrechtlichen Vorschriften und damit auch die steuerrechtliche Wirksamkeit von eingetragenen Änderungen auf den Lohnsteuerkarten typisierend und pauschalierend angeknüpft, womit sich eine Verwaltungsvereinfachung, zugleich aber auch eine der Rechtssicherheit dienende Gleichbehandlung aller Leistungsbezieher in einschlägigen Fällen erreichen lässt (siehe: BSG, Urteil vom 21. April 1993 a.a.0.). Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 137 SGB III (Bundestagsdrucksache 13/4941, S. 179) ergibt sich hierzu nichts wesentlich neues, denn danach sollte die Neuregelung zum Steuerklassenwechsel von Ehegatten, noch stärker als das bisher geltende Recht, Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung verhindern. Diesem Gesetzeszweck würde es zuwiderlaufen, einen Steuerklassenwechsel der Ehegatten unbeachtet zu lassen, weil damit nicht die für den Leistungsempfänger günstigste Lohnsteuerklasse und damit ein noch höherer Leistungssatz erreicht wurde. Unabhängig davon, dass sich die maßgeblichen Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau ohnehin im Grenzbereich der Wahl der Steuerklassenkombination (III/V oder IV/IV) befanden, entspricht auch eine Lohnsteuerklassenkombination, die zwar zu einem im Vergleich zur bisherigen Lohnsteuerklassenkombination geringeren, jedoch nicht zum geringst möglichen Lohnsteuerabzug bei Eheleuten führt, dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten im Sinne von § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III (so auch: Landessozialgericht Niedersachsen, Urteil vom 26. September 2000 - Az.: L 7 AL 32/00 - Revision anhängig beim BSG, Az.: B 7 AL 84/00 R).
Nach allem war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger im streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 1999 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe A zu gewähren.
Soweit der Kläger darüber hinaus die Berücksichtigung der Leistungsgruppe C ausgehend von der möglichen Lohnsteuerklasse III bei der Berechnung seines Arbeitslosengeldes begehrt, ist die Berufung allerdings unbegründet.
Das Klagebegehren lässt sich insoweit nicht auf die in der für das Jahr 1999 geltenden Eintragungen in der Lohnsteuerkarte stützen, weshalb insoweit allenfalls ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch als Rechtsgrundlage in Betracht kommen könnte. Dieser setzt allerdings zunächst voraus, dass die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Beratungspflicht verletzt hat. Eine Beratungspflicht kommt dem Arbeitsamt im Zusammenhang mit der Lohnsteuerklassenwahl nach herrschender Meinung allerdings zu, sobald sich eine entsprechende Fragestellung aufdrängt. Dies gilt in jedem Falle, wenn danach gefragt wird (so: Dalichau-Grüner, a.a.0., § 137 S. 4; Gagel, a.a.0., § 137 RdNr. 75, 76). Eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Beklagte im Zusammenhang mit der Wahl der Steuerklassenkombination V/III zum 1. September 1998 ist schon nach der Einlassung des Klägers nicht nachzuweisen, weil weder aus den Verwaltungsakten der Beklagten noch aus den Angaben des Klägers ersichtlich ist, mit welchem Mitarbeiter der Beklagten, der als Zeuge in Betracht käme, das Gespräch über den beabsichtigten Steuerklassenwechsel geführt wurde. Insoweit wäre auch der genaue Inhalt des Gesprächs von wesentlicher Bedeutung, denn der Kläger hat anlässlich seiner persönlichen Anhörung durch das Sozialgericht vorgetragen, ihm sei eine Verminderung des Arbeitslosengeldes durch den Steuerklassenwechsel in Höhe von "ca. 150,- DM monatlich" statt der tatsächlichen Minderung von mehr als 150,- DM in der Woche angekündigt worden. Somit ist schon nach der Einlassung des Klägers nicht auszuschließen, dass es sich hierbei um ein von der Beklagten nicht zu vertretendes Missverständnis handeln könnte. Letztlich kann dies jedoch ebenso wie eine - durchaus möglich erscheinende - Verletzung der Beratungspflicht der Beklagten im Zusammenhang mit der Vorlage der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 sowie der Vergütungsbescheinigungen der Ehefrau des Klägers für die Monate August und Oktober 1998 am 17. November 1998 dahingestellt bleiben, denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG (so zuletzt: Urteil vom 18. September 2000 - Az.: B 11 AL 147/00 B) ist ein Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers mit Hilfe des Herstellungsanspruchs nur zu berichtigen, wenn eine solche Korrektur mit dem jeweiligen Gesetzeszweck im Einklang steht. Eine solche Zweckverfehlung wäre aber zu besorgen, wenn die Beklagte entgegen den gesetzlichen Vorschriften von einer tatsächlich nicht eingetragenen Lohnsteuerklasse ausgehen würde (so: Gagel, a.a.0., § 137 RdNr. 76 m.w.N.; Dalichau-Grüner, a.a.0., § 137 S. 7). Die in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse kann daher nicht mit Hilfe des Herstellungsanspruchs durch eine andere (günstigere) ersetzt werden (so: BSG, Urteil vom 1. Juni 1994, Az.: 7 RAr 86/93 m.w.N.).
Soweit die Beklagte durch Verletzung ihrer Beratungspflicht am 17. November 1998 beim Kläger adäquat kausal einen Vermögensschaden verursacht haben sollte, muss sich der Kläger auf einen - bisher nicht geltend gemachten - Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz verweisen lassen, für den im Streitfalle der Rechtswege zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei der Kläger gegen die Beklagte entsprechend dem Verhältnis des obsiegenden zum unterliegenden Klagebegehren einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von drei Fünftel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten hat.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG schon wegen des noch beim BSG zur Auslegung von § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III anhängigen Verfahrens (Az.: B 7 AL 84/00 R) zuzulassen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger drei Fünftel der Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu erstatten.
Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung der zutreffenden Leistungsgruppe bei Berechnung des dem Kläger vom 1. Januar bis 31. August 1999 zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg).
Der 1936 geborene Kläger ist verheiratet und hat keine Kinder. Zuletzt war er vom1. Januar 1979 bis 31. März 1998 als Einrichtungsberater in einem Möbelhaus beitragspflichtig beschäftigt.
Aufgrund seiner Arbeitslosmeldung vom 5. März 1998 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 1998 Arbeitslosengeld ab 1. April 1998 nach Leistungsgruppe A, wobei sie entsprechend der Eintragung in der Lohnsteuerkarte des Klägers von der Lohnsteuerklasse IV ausging. Unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts in Höhe vom 1.790,- DM gelangte die Beklagte zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 537,88 DM.
Mit Wirkung ab 1. September 1998 wechselten die Eheleute die Lohnsteuerklassen. In der Lohnsteuerkarte der Ehefrau des Klägers, die bisher weiterhin beitragspflichtig beschäftigt war, war nunmehr die Lohnsteuerklasse III und in der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse V eingetragen.
Hierauf stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 1998 das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 1. September 1998 unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D und weiterhin ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.790,- DM neu fest und gelangte nunmehr zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 373,03 DM.
Ab 1. Januar 1999 ließen die Eheleute jeweils die Lohnsteuerklasse IV eintragen und legten noch im November 1998 der Beklagten die Lohnsteuerkarte 1999 sowie Vergütungsbescheinigungen der Ehefrau des Klägers für August und Oktober 1998 vor.
Mit Bescheid vom 11. Januar 1999 stellte die Beklagte das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 1. Januar 1999 erneut unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D fest, wobei sie weiterhin von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.790,- DM und der Lohnsteuerklasse V ausging und zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 369,67 DM gelangte.
Mit Änderungsbescheid vom 14. Januar 1999 legt die Beklagte mit Wirkung ab 1. Januar 1999 für die Berechnung des Arbeitslosengeldes nur noch ein wöchentliches Bemessungsentgelt in Höhe von 1.480,- DM zugrunde, weil sie bisher bei der Berechnung des Bemessungsentgeltes eine Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze im Bemessungszeitraum nicht berücksichtigt hatte. Hierdurch gelangte sie zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 320,74 DM.
Am 11. Februar 1999 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 11. Januar 1999 und vom 14. Januar 1999 wegen der Zugrundelegung der Leistungsgruppe D anstelle der Leistungsgruppe A Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 27. April 1999 stellte die Beklagte das dem Kläger ab 1. April 1999 zustehende Arbeitslosengeld mit einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1,500,- DM und erneut unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D neu fest und gelangte nunmehr zu einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 323,61 DM.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers wegen der Berücksichtigung der zutreffenden Leistungsgruppe zurück, weil die von den Eheleuten ab 1. Januar 1999 jeweils gewählte Lohnsteuerklasse IV nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprochen habe. Ausgehend vom wöchentlichen Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) des Klägers in Höhe von 1.480,- DM habe sich für ihn ein monatliches Entgelt in Höhe von 6.413,33 DM ergeben. Demgegenüber habe die Ehegattin des Klägers wie schon in den Monaten August und Oktober 1998 so auch im Januar 1999 über ein Bruttoarbeitsentgelt lediglich in Höhe von 4.034,57 DM verfügt, weshalb sich nach der Tabelle zur Steuerklassenwahl die Zweckmäßigkeit für eine Kombination III (Kläger)/V (Ehefrau) ergeben habe. Die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen IV seien daher unbeachtlich, weil sie nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprächen. Dies habe zur Folge, dass bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes weiterhin von der bisher eingetragenen Lohnsteuerklasse V und der hieraus folgenden Leistungsgruppe D auszugehen gewesen sei.
Die hiergegen mit dem Ziel der Berücksichtigung der Leistungsgruppe C, hilfsweise der Leistungsgruppe A, bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes des Klägers vom 1. Januar 1999 bis 31. August 1999 am 7. Juni 1999 erhobene Klage hat das Sozialgericht Kassel mit Urteil vom 21. Juni 2000 (Az.: S 7 AL 784/99) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Steuerklassenwahl zum 1.1.1999 (IV/IV) sei nicht zweckmäßig und damit unbeachtlich gewesen. Damit sei weiterhin von der ab 1. September 1998 eingetragenen Lohnsteuerklasse V bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes auszugehen gewesen. Der von der Klägerseite vorgetragene Beratungsmangel anlässlich der Wahl der Lohnsteuerklasse V für den Kläger ab 1. September 1998 und auch bei der späteren Änderung in die Lohnsteuerklasse IV sei nicht nachgewiesen. Unabhängig davon, ob der sozialrechtliche Herstellungsanspruch überhaupt geeignet wäre, die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge herbeizuführen, sei auch die Kausalität des behaupteten Beratungsmangels für die jeweils getroffene Lohnsteuerklassenwahl nicht erwiesen, zumal auch die Ehefrau des Klägers mit der Lohnsteuerklassenwahl habe einverstanden sein müssen. Im übrigen habe der Kläger auch aus dem Merkblatt für Arbeitslose die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Höhe seiner Leistung leicht entnehmen können. Hierbei habe er insbesondere den hervorgehobenen Hinweis, sich "deshalb vorher Rat einzuholen" beachten müssen. Den Empfang des Merkblattes habe er unter dem 1. April 1998 selbst unterschriftlich bestätigt.
Gegen das ihm am 14. August 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. September 2000 Berufung eingelegt mit der Begründung, der zuständige Sachbearbeiter des Arbeitsamtes habe ihn nicht über die Rechtsfolgen bei Änderung der Steuerklasse informiert. Die Übergabe einer umfangreichen Broschüre mit dem Hinweis, dass darin alles notwendige enthalten sei, sei nicht geeignet, als Ersatz für die Beratung über die Rechtsfolgen bei Änderungen der Steuerklasse zu dienen. Hätte der Kläger gewusst, welche negativen Rechtsfolgen die Änderung der Steuerklasse für ihn habe, habe er einvernehmlich mit seiner Ehefrau die für ihn günstigste Steuerklasse gewählt. Seine Ehefrau sei mit jeder Regelung einverstanden gewesen, wie durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin zu beweisen sei.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. Juni 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 11. Januar 1999, vom 14 Januar 1999 und vom 27. April 1999, sämtlich in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1999, zu verurteilen, das ihm vom 1. Januar 1999 bis 31. August 1999 zustehende Arbeitslosengeld auf Grundlage der Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III),
hilfsweise
auf der Grundlage der Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse IV), zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich insoweit auf die tragenden Gründe des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend schriftlich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Leistungsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senat ergehen, denn die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise schriftlich einverstanden erklärt (§§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, insbesondere überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG 1.000,- DM, sie ist auch teilweise begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. Juni 2000 ist abzuändern, denn die Bescheide der Beklagten vom 11. Januar 1999 und vom 14. Januar 1999 sowie der Änderungsbescheid vom 27. April 1999, der gemäß § 86 Abs. 1 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist, sämtlich in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1999, sind rechtswidrig und daher abzuändern, soweit die Beklagte bei der Berechnung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. August 1999 unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse V von der Leistungsgruppe D statt richtigerweise unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV von der Leistungsgruppe A gemäß § 137 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - 3. Buch (SGB III) ausgegangen ist.
Die bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer richtet sich nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen ist (§ 137 Abs. 1 SGB III).
Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse I oder IV eingetragen ist, sind der Leistungsgruppe A und Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, sind der Leistungsgruppe D zuzuordnen (§ 137 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 SGB III). Dabei richtet sich die Zuordnung nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§ 137 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Ein späterer Wechsel der eingetragenen Lohnsteuerklassen durch die Ehegatten wird von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn
1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder
2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das geringer ist, als das Arbeitslosengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe.
Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht (§ 137 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III).
Hiervon ausgehend hat die Beklagte zwar zutreffend mit Wirkung ab 1. September 1998 zunächst den Wechsel der Lohnsteuerklasse des Klägers in V und seiner Ehefrau in III mit dem nicht angegriffenen Bescheid vom 14. September 1998 berücksichtigt und dem Kläger Arbeitslosengeld ab 1. September 1998 nur noch unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D gewährt, ohne zu prüfen, ob die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprachen, denn jedenfalls ergab sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld, das geringer war, als das Arbeitslosengeld, das der Kläger zuvor unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A und unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV bezogen hatte.
Den erneuten Lohnsteuerklassenwechsel zum 1. Januar 1999 in die Lohnsteuerklassen IV sowohl für den Kläger als auch seine Ehefrau hatte die Beklagte gemäß § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III allerdings ebenfalls zu berücksichtigen und dementsprechend ab 1. Januar 1999 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe A zu gewähren, weil die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprachen. Ein Steuerklassenwechsel ist nämlich objektiv dann geboten, wenn die bisherige Lohnsteuerklassenkombination nach den erzielten Arbeitslöhnen beider Ehegatten insgesamt zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führen würde oder - mit anderen Worten -, wenn die neu eingetragenen Steuerklassen den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge habe, was am einfachsten anhand der jährlich vom Bundesministerium der Finanzen und den Obersten Finanzbehörden der Länder neu herausgegebenen Tabellen zur Lohnsteuerklassenwahl zu beurteilen ist (so: Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 21. April 1993 - Az.: 11 RAr 47/92 m.w.N.). Beim Vergleich der Entgelte der Ehegatten im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung ist gemäß § 137 Abs. 4 Satz 2 SGB III das einer Lohnersatzleistung zugrundeliegende fiktive Arbeitsentgelt, dem in der Arbeitslosenversicherung das Bemessungsentgelt entspricht, zugrunde zu legen (so: Dalichau-Grüner, Arbeitsförderung, Sozialgesetzbuch, III. Buch, Kommentar, S. 10 zu § 137 m.w.N.). Demzufolge ist beim Kläger von einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 6.413,33 DM und bei seiner Ehefrau in Höhe von 4.034,57 DM auszugehen, wie das Sozialgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat. Nach den ab 1999 geltenden Tabellen zur Steuerklassenwahl ergibt sich damit zwar die Zweckmäßigkeit der Steuerklassenkombination III/V, dies ist jedoch keinesfalls "offensichtlich", denn die Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau bewegen sich damit in einem Grenzbereich, der nicht den Schluss zulässt, Eheleute, die daran interessiert sind, möglichst wenig Steuern zu bezahlen, hätten die Kombination IV/IV eindeutig nicht gewählt. In der Rechtsprechung zu § 113 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu dem dort vorgesehenen Merkmal der "Offensichtlichkeit" der unzweckmäßigen Lohnsteuerklassenwahl war eine Überschreitung des Tabellensatzes für das geringere Einkommen von weniger als 10 v.H. unschädlich mit der Folge, dass der zu einem höheren Leistungssatz führende Wechsel der Lohnsteuerklasse zu berücksichtigen war (siehe hierzu Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, § 137 RdNr. 61 m.w.N.; BSG, Urteil vom 21. April 1993, a.a.0.). Zwar enthält § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht mehr das Kriterium der "Offensichtlichkeit" einer unzweckmäßigen Lohnsteuerklassenwahl, gleichwohl verbleibt auch hier unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes ein Grenzbereich, in dem die Wahl unterschiedlicher Steuerklassen gleich zweckmäßig erscheinen kann. Dies muss erst recht gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - nach den Tabellen zur Steuerklassenwahl eine Lohnsteuerklassenkombination möglich gewesen wäre, die zu einem höheren Leistungsanspruch des Klägers geführt hätte. § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III bezweckt ebenso wie schon § 113 Abs. 2 Satz 2 AFG nicht nur die Verhinderung eines missbräuchlichen Steuerklassenwechsels unter den Ehegatten, die auf solche Weise höhere Lohnersatzleistungen erzielen wollen. Er zielt auch weiterhin darauf, dass ein Steuerklassenwechsel nur dann berücksichtigt wird, wenn er auch ohne eine eingetretene Arbeitslosigkeit objektiv geboten wäre, d.h. dann zu einem für die Ehegatten insgesamt niedrigeren Steuerabzug führen würde. Der Steuerklassenwechsel muss demnach auch ohne den Lohnausfall tunlich sein. Die Höhe des Alg soll sich nämlich in diesen Fällen vornehmlich an der "richtigen" Steuerklasse orientieren (so noch: BSG, Urteil vom 21. April 1993, a. a. O.).
Der Wechsel in die Steuerklasse IV mit Wirkung ab 1. Januar 1999 war nach den zu berücksichtigenden Einkommensverhältnissen keinesfalls missbräuchlich und wäre insbesondere auch ohne den Lohnausfall tunlich gewesen, denn die mit Wirkung ab 1. September 1998 eingetragene Lohnsteuerklassenkombination V/III (Kläger/Ehefrau) entsprach keinesfalls den maßgeblichen Einkommensverhältnissen der Ehegatten.
Gegen die Berücksichtigung des Steuerklassenwechsels ab 1. Januar 1999 spricht auch nicht der Gedanke der Verwaltungsvereinfachung, der schon § 113 Abs. 2 AFG inne wohnte (so: BSG vom 21. April 1993, a.a.0.) und der in § 137 Abs. 4 SGB III noch wesentlich größere Bedeutung gewonnen hat. Damit hat der Gesetzgeber nämlich erneut an die steuerrechtlichen Vorschriften und damit auch die steuerrechtliche Wirksamkeit von eingetragenen Änderungen auf den Lohnsteuerkarten typisierend und pauschalierend angeknüpft, womit sich eine Verwaltungsvereinfachung, zugleich aber auch eine der Rechtssicherheit dienende Gleichbehandlung aller Leistungsbezieher in einschlägigen Fällen erreichen lässt (siehe: BSG, Urteil vom 21. April 1993 a.a.0.). Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 137 SGB III (Bundestagsdrucksache 13/4941, S. 179) ergibt sich hierzu nichts wesentlich neues, denn danach sollte die Neuregelung zum Steuerklassenwechsel von Ehegatten, noch stärker als das bisher geltende Recht, Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung verhindern. Diesem Gesetzeszweck würde es zuwiderlaufen, einen Steuerklassenwechsel der Ehegatten unbeachtet zu lassen, weil damit nicht die für den Leistungsempfänger günstigste Lohnsteuerklasse und damit ein noch höherer Leistungssatz erreicht wurde. Unabhängig davon, dass sich die maßgeblichen Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau ohnehin im Grenzbereich der Wahl der Steuerklassenkombination (III/V oder IV/IV) befanden, entspricht auch eine Lohnsteuerklassenkombination, die zwar zu einem im Vergleich zur bisherigen Lohnsteuerklassenkombination geringeren, jedoch nicht zum geringst möglichen Lohnsteuerabzug bei Eheleuten führt, dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten im Sinne von § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III (so auch: Landessozialgericht Niedersachsen, Urteil vom 26. September 2000 - Az.: L 7 AL 32/00 - Revision anhängig beim BSG, Az.: B 7 AL 84/00 R).
Nach allem war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger im streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 1999 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe A zu gewähren.
Soweit der Kläger darüber hinaus die Berücksichtigung der Leistungsgruppe C ausgehend von der möglichen Lohnsteuerklasse III bei der Berechnung seines Arbeitslosengeldes begehrt, ist die Berufung allerdings unbegründet.
Das Klagebegehren lässt sich insoweit nicht auf die in der für das Jahr 1999 geltenden Eintragungen in der Lohnsteuerkarte stützen, weshalb insoweit allenfalls ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch als Rechtsgrundlage in Betracht kommen könnte. Dieser setzt allerdings zunächst voraus, dass die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Beratungspflicht verletzt hat. Eine Beratungspflicht kommt dem Arbeitsamt im Zusammenhang mit der Lohnsteuerklassenwahl nach herrschender Meinung allerdings zu, sobald sich eine entsprechende Fragestellung aufdrängt. Dies gilt in jedem Falle, wenn danach gefragt wird (so: Dalichau-Grüner, a.a.0., § 137 S. 4; Gagel, a.a.0., § 137 RdNr. 75, 76). Eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Beklagte im Zusammenhang mit der Wahl der Steuerklassenkombination V/III zum 1. September 1998 ist schon nach der Einlassung des Klägers nicht nachzuweisen, weil weder aus den Verwaltungsakten der Beklagten noch aus den Angaben des Klägers ersichtlich ist, mit welchem Mitarbeiter der Beklagten, der als Zeuge in Betracht käme, das Gespräch über den beabsichtigten Steuerklassenwechsel geführt wurde. Insoweit wäre auch der genaue Inhalt des Gesprächs von wesentlicher Bedeutung, denn der Kläger hat anlässlich seiner persönlichen Anhörung durch das Sozialgericht vorgetragen, ihm sei eine Verminderung des Arbeitslosengeldes durch den Steuerklassenwechsel in Höhe von "ca. 150,- DM monatlich" statt der tatsächlichen Minderung von mehr als 150,- DM in der Woche angekündigt worden. Somit ist schon nach der Einlassung des Klägers nicht auszuschließen, dass es sich hierbei um ein von der Beklagten nicht zu vertretendes Missverständnis handeln könnte. Letztlich kann dies jedoch ebenso wie eine - durchaus möglich erscheinende - Verletzung der Beratungspflicht der Beklagten im Zusammenhang mit der Vorlage der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 sowie der Vergütungsbescheinigungen der Ehefrau des Klägers für die Monate August und Oktober 1998 am 17. November 1998 dahingestellt bleiben, denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG (so zuletzt: Urteil vom 18. September 2000 - Az.: B 11 AL 147/00 B) ist ein Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers mit Hilfe des Herstellungsanspruchs nur zu berichtigen, wenn eine solche Korrektur mit dem jeweiligen Gesetzeszweck im Einklang steht. Eine solche Zweckverfehlung wäre aber zu besorgen, wenn die Beklagte entgegen den gesetzlichen Vorschriften von einer tatsächlich nicht eingetragenen Lohnsteuerklasse ausgehen würde (so: Gagel, a.a.0., § 137 RdNr. 76 m.w.N.; Dalichau-Grüner, a.a.0., § 137 S. 7). Die in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse kann daher nicht mit Hilfe des Herstellungsanspruchs durch eine andere (günstigere) ersetzt werden (so: BSG, Urteil vom 1. Juni 1994, Az.: 7 RAr 86/93 m.w.N.).
Soweit die Beklagte durch Verletzung ihrer Beratungspflicht am 17. November 1998 beim Kläger adäquat kausal einen Vermögensschaden verursacht haben sollte, muss sich der Kläger auf einen - bisher nicht geltend gemachten - Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz verweisen lassen, für den im Streitfalle der Rechtswege zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei der Kläger gegen die Beklagte entsprechend dem Verhältnis des obsiegenden zum unterliegenden Klagebegehren einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von drei Fünftel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten hat.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG schon wegen des noch beim BSG zur Auslegung von § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III anhängigen Verfahrens (Az.: B 7 AL 84/00 R) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved