L 10 AL 1182/98

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 14 AL 1635/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 1182/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. Juni 1998 wird zurückgewiesen.

II. Die Klage gegen die Bescheide vom 14. Januar 1999 und 26. Januar 1999 wird abgewiesen.

III. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes.

Der im Jahre 1951 geborene Kläger war im Jahre 1996 bei drei verschiedenen Unternehmen als technischer Betriebsleiter beschäftigt. Vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juni 1996 bezog er von der Firma P. Industriebau GmbH ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.500,00 DM brutto. Für dieses Entgelt arbeitete er zudem von Januar bis Mai 1996 für die Firma V. d.o.o., Z ... Unter dem 16. März 1996 schloss der Kläger einen Arbeitsvertrag mit der P. Bau- und Handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: Firma P.), demzufolge der Kläger ab dem 1. April 1996 als technischer Betriebsleiter bei einer Arbeitszeit von 20 Wochenstunden ein Brutto-Arbeitsentgelt in Höhe von 3.800,00 DM erhalten sollte. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Firma P. vom 23. April 1997 begann das Arbeitsverhältnis am 1. Juli 1996 und endete durch fristlose Kündigung vom 14. März 1997 an diesem Tage. Der Kläger habe bei einer Arbeitszeit von 20 Stunden ein monatliches Brutto-Arbeitsentgelt von 2.500,00 DM in den Monaten Juli, August, September und Oktober 1996 bezogen; im November 1996 habe er ein Brutto-Arbeitsentgelt von 3.303,67 DM und im Dezember 1996 ein solches von 3.309,90 DM erhalten. Für die Zeit ab 1. Januar 1997 wurde dem Kläger kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt.

Tatsächlich zahlte die Firma P. dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 31. Dezember 1996 ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.500,00 DM netto. Die Lohnabrechnungen wurden von dem Steuerberater F. J. K., G., erstellt. Dieser bestätigte später auf Anfrage der Beklagten, dass der Kläger mit der Firma P. eine Nettolohn-Vereinbarung getroffen habe; es sei ein monatlicher Betrag von 2.500,00 DM ausgezahlt worden. Es errechne sich ein Bruttolohn bei Zugrundelegung der Steuerklasse VI für die Zeit von Juli 1996 bis November 1996 von monatlich 7.491,95 DM und für Dezember 1996 ein solcher von 7.527,68 DM. In der Lohnsteuerkarte des Klägers war für das Jahr 1996 die Steuerklasse III und ein Kinderfreibetrag eingetragen; entsprechende Eintragungen gab es auch in der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 1997.

Aufgrund seiner Arbeitslosmeldung und Antragstellung vom 21. März 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Zugrundelegung einer Sperrzeit von 12 Wochen im Wege einer vorläufigen Festsetzung Arbeitslosengeld in Höhe von 307,20 DM wöchentlich (Bescheide vom 19. Juni 1997 und 4. Juli 1997). Dabei war die Beklagte von einem wöchentlichen Brutto-Arbeitsentgelt von 580,00 DM und der Leistungsgruppe C für das Jahr 1997 ausgegangen. Den hiergegen am 14. Juli 1997 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 5. August 1997 zurück. Es handele sich um eine vorläufige Festsetzung der Leistungshöhe, die auf § 42 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) beruhe und rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Durch Bescheid vom 13. Oktober 1997 setzte die Beklagte die Leistung endgültig fest. Nunmehr bewilligte sie das Arbeitslosengeld (Alg) ab 7. Juni 1997 in Höhe von 384,00 DM wöchentlich, wobei sie ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 760,00 DM und die Leistungsgruppe C zugrunde legte. Unter Rückgängigmachung der Sperrzeit bewilligte sie ebenfalls Arbeitslosengeld in Höhe von 384,00 DM wöchentlich für den Zeitraum vom 21. März bis zum 6. Juni 1997 (Bescheid vom 9. Oktober 1997). Die Beklagte war, anders als bei der vorläufigen Festsetzung der Leistung jetzt davon ausgegangen, dass die Höhe des Alg auf der Basis von 2.500,00 DM netto (statt brutto) sowie der Steuerklasse III festzusetzen sei.

Bereits am 29. August 1997 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Darmstadt (SG) erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass sein Nettoentgelt von 2.500,00 DM unter Zugrundelegung der Steuerklasse VI auf das Bruttogehalt hätte hochgerechnet werden müssen. Er habe seine Lohnsteuerkarte weder der früheren Arbeitgeberin noch dem Steuerbüro überlassen. Deshalb sei die Steuerklasse VI anwendbar. Hierzu hat sich der Kläger auf ein Schreiben des Steuerberaters K. vom 15. Dezember 1997 berufen.

Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, dass zwischen dem Kläger und der Firma P. ab 1. April 1996 ein monatliches Brutto-Arbeitsentgelt von 3.000,00 oder 3.800,00 DM vereinbart gewesen sei. Aus dem Steuerbescheid des Finanzamtes D. vom 16. Juni 1997 ergebe sich ein Brutto-Arbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit von 49.707,00 DM. Von Januar bis Mai 1996 habe der Kläger bei der Firma P. sowie der Firma V. ein Arbeitsentgelt von 5.000,00 DM monatlich (insgesamt 25.000,00 DM) brutto erhalten. Es verbleibe somit für die Zeit von Juni 1996 bis Dezember 1996 ein Brutto-Arbeitsentgelt von 24.770,00 DM für sieben Monate, was 3.529,59 DM monatlich entspreche. Eine Bemessung nach einem monatlichen Brutto-Arbeitsentgelt von über 7.000,00 DM, wie dies vom Kläger begehrt werde, sei nicht möglich.

Nach persönlicher Anhörung des Klägers hat das SG die Klage durch Urteil vom 26. Juni 1998 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte das Arbeitslosengeld zutreffend gemäß §§ 111 und 112 Abs. 1 und 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) festgesetzt habe. Die Beklagte habe die Leistung zu Recht aus einem Nettolohn von monatlich 2.500,00 DM unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse III errechnet. Maßgeblich könne nur die Lohnsteuerklasse sein, die in der für das Arbeitsverhältnis vorzulegenden Lohnsteuerkarte eingetragen sei. Dies sei für die Jahre 1996 und 1997 die Lohnsteuerklasse III gewesen. Da der Kläger neben dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma P. kein weiteres Arbeitsverhältnis mehr gehabt habe, habe er diese Lohnsteuerkarte auch für dieses Beschäftigungsverhältnis vorlegen müssen. Die Vorlage einer Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse VI für ein weiteres Arbeitsverhältnis komme nicht in Betracht. Komme ein Arbeitnehmer seiner Pflicht zur Vorlage der Lohnsteuerkarte beim Arbeitgeber nicht nach, so könne dies auch im Falle einer Nettolohn-Vereinbarung nur dazu führen, dass nach der in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse aus dem vereinbarten Netto-Entgelt das Brutto-Arbeitsentgelt errechnet werde und dass hiervon wegen der Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte Steuern nach Lohnsteuerklasse VI abzuführen seien. Nur so werde ein Arbeitnehmer, der eine Nettolohn-Vereinbarung abgeschlossen habe, im Ergebnis einem Arbeitnehmer, der eine Bruttolohn-Vereinbarung abgeschlossen habe, beitragsrechtlich gleichgestellt. Diese Gleichbehandlung von Arbeitnehmern, die eine Nettolohn-Vereinbarung getroffen hätten, mit solchen, die einer Bruttolohn-Vereinbarung unterlägen, müsse sich auf der Leistungsseite fortsetzen. Eine andere Beurteilung würde zu einem nicht zu rechtfertigenden Ungleichgewicht zwischen Beitragsrecht und Leistungsrecht führen. Folglich sei auch auf der Leistungsseite im Falle einer Nettolohn-Vereinbarung zur Feststellung der Bemessungsgrundlage und der Höhe des Arbeitslosengeldes das Brutto-Arbeitsentgelt nach der in der für das entsprechende Beschäftigungsverhältnis vorzulegenden Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse zu errechnen. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer durch Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte nach eigenem Gutdünken dafür sorgen, dass der Berechnung seines Arbeitslosengeld-Anspruchs ein deutlich höheres Brutto-Arbeitsentgelt zugrunde zu legen wäre, während die Bundesanstalt für Arbeit (BA) bei der Bestimmung des Leistungssatzes dann gemäß § 111 Abs. 2 AFG an die in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse gebunden wäre. Im Übrigen könne der Kläger auch nicht geltend machen, er habe mit seinem früheren Arbeitgeber eine Nettolohn-Vereinbarung über 2.500,00 DM monatlich bei gleichzeitiger ausdrücklicher Vereinbarung der Lohnsteuerklasse VI getroffen, woraus sich konkludent die Vereinbarung eines deutlich höheren Brutto-Arbeitsentgeltes, nämlich in Höhe von ca. 7.500,00 DM im Monat, ergebe. Er habe mit seiner Lohnsteuererklärung für das Jahr 1996 nach eigenen Angaben nur einen Brutto-Arbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 49.707,00 DM geltend gemacht. Diese Einkünfte seien auch in seinem Einkommensteuerbescheid vom 26. Juni 1997 zugrunde gelegt worden. Demzufolge sei der Kläger im Rahmen seiner Steuererklärung selbst nicht von einem nach der Lohnsteuerklasse VI zu errechnenden Brutto-Arbeitentgelt ausgegangen, weil bei einem hiernach aus dem Netto-Arbeitsentgelt von 2.500,00 DM zu errechnenden Brutto-Einkommen von ca. 7.500,00 DM sich allein für die Tätigkeit bei der Firma P. ein Brutto-Arbeitsentgelt von ca. 45.000,00 DM ergeben würde. Er habe jedoch von den angeführten 49.707,00 DM jedenfalls 27.500,00 DM aus anderen Beschäftigungsverhältnissen im Jahre 1996 erhalten.

Gegen dieses an ihn am 24. Juli 1998 zur Post aufgelieferte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 19. August 1998 eingegangenen Berufung, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Ergänzend weist er auf den Bescheid des Finanzamtes D. vom 13. August 1998 für das Jahr 1996 hin, wonach nunmehr sich seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf 72.487,00 DM belaufen. Dabei ging das Finanzamt ausweislich eines an den Kläger gerichteten Schreibens vom 24. Juni 1999 davon aus, dass der Kläger nach seinen Angaben von der Firma P. von Juli bis November 1996 monatlich 7.491,95 DM brutto und im Dezember 1996 7.527,68 DM brutto (insgesamt: 44.987,43 DM) bezogen habe. Zusammen mit den Brutto-Arbeitslöhnen aus den Beschäftigungen bei der Firma P. und V. (insgesamt: 27.500,00 DM) ergebe sich ein Brutto-Arbeitslohn für das Jahr 1996 in Höhe von 72.487,43 DM. Des weiteren hat der Kläger ein Schreiben der Barmer Ersatzkasse vom 23. März 1999 vorgelegt, mit dem bestätigt wird, dass für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 31. Dezember 1996 ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt von 44.987,00 DM festgestellt und der Rentenversicherung gemeldet worden sei.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte durch Änderungsbescheide vom 14. Januar 1999 und 26. Januar 1999 das Arbeitslosengeld ab 1. Januar 1999 in Höhe von 399,49 DM bewilligt. Der Leistung lag nunmehr ein wöchentliches Bemessensentgelt von 780,00 DM sowie die Leistungsgruppe C zugrunde.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. Juni 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 9. Oktober 1997, vom 13. Oktober 1997, vom 14. Januar 1999 und vom 26. Januar 1999 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 21. März 1997 Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines Bruttoeinkommens zu gewähren, das sich aus einem Nettoeinkommen von 2.500,00 DM bei Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse VI errechnet.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie die Klage gegen die Bescheide vom 14. Januar 1999 und vom 26. Januar 1999 abzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, dass für die Bewilligung des Arbeitslosengeldes die Leistungsgruppe E (= Steuerklasse VI) maßgebend wäre, wenn der Leistungszahlung ein Brutto-Arbeitsentgelt zugrunde zu legen wäre, das sich unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse VI ergebe.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Deren Streitgegenstand sind die Bescheide vom 9. Oktober 1997 und 13. Oktober 1997, durch die endgültig die Höhe des den Kläger ab 21. März 1997 zustehenden Arbeitslosengeldes festgesetzt worden ist. Die früheren Bescheide vom 19. Juni 1997, 4. Juli 1997 und 5. August 1997, die sämtlich die vorläufige Leistungsfestsetzung betrafen, sind infolge der endgültigen Festsetzung gegenstandslos geworden. Die Änderungsbescheide vom 14. Januar 1999 und 26. Januar 1999 sind gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden; über sie hat der Senat auf Klage zu entscheiden.

Die Bescheide vom 9. Oktober 1997 und 13. Oktober 1997, mit denen die Beklagte die Höhe des Arbeitslosengeldes endgültig festgesetzt hat, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht ein höherer Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) nicht zu. Dabei ist diese Frage auch nach Inkrafttreten des Dritten Buches - Sozialgesetzbuch (SGB III) noch nach den §§ 111 und 112 AFG zu beurteilen, weil der Anspruch des Klägers auf Alg vor dem 1. Januar 1998 entstanden ist (§ 426 Abs. 1 Nr. 1 SGB III).

Nach § 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG in der vorliegend anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I, Seite 2353) beträgt das Arbeitslosengeld für Arbeitslose, die - wie der Kläger - mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 4 und 5 des EStG haben, 67 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts im Sinne des § 112 AFG. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist Arbeitsentgelt im Sinne des § 111 Abs. 1 das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten 6 Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat (§ 112 Abs. 2 Satz 1 AFG). Für die Berechnung des in der Woche durchschnittlich erzielten Arbeitsentgeltes wird das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt (Lohnfaktor) mit der Zahl der Arbeitsstunden vervielfacht, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs. 3 Satz 1 AFG) (Zeitfaktor). Arbeitsentgelt, das nach Monaten bemessen ist, gilt als in der Zahl von Arbeitsstunden erzielt, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden mit 13 vervielfacht und durch drei geteilt wird (§ 112 Abs. 3 Satz 2 AFG). Für die Ausfüllung des leistungsrechtlichen Entgelt-Begriffs ist auf den Arbeitsentgelt-Begriff der §§ 14, 17 des Vierten Buches - Sozialgesetzbuch (SGB IV) zurückzugreifen. Dies gilt jedoch nur, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist oder die Besonderheiten der jeweiligen Regelung dem nicht entgegenstehen (BSG SozR 4100 § 112 Nrn. 30, 38 und 40; BSG SozR 4100 § 68 Nr. 3).

Zutreffend hat hieraus das SG zunächst abgeleitet, dass für die Bemessung des Arbeitslosengeldes das im Bemessungszeitraum bezogene Brutto-Arbeitsentgelt maßgebend ist. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Barmer Ersatzkasse als Einzugsstelle sowie das Finanzamt D. das Brutto-Arbeitsentgelt im maßgeblichen sechsmonatigen Bemessungszeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1996 auf der Grundlage einer Lohnsteuerklasse VI zutreffend mit 44.987,00 DM errechnet haben. Für das arbeitsförderungsrechtliche Leistungsrecht jedenfalls kann - ausgehend von der Nettolohn-Vereinbarung über die Zahlung von 2.500,00 DM monatlich - lediglich ein Brutto-Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden, das auf der Lohnsteuerklasse III basiert. Besonderheiten des Leistungsrechts erzwingen diese Auffassung.

Das Arbeitslosengeld verfolgt den Zweck, dem Arbeitslosen einen angemessenen Ersatz für den Ausfall zu leisten, den er dadurch erleidet, dass er gegenwärtig keine tariflich bezahlte Beschäftigung findet. Aus § 112 AFG ergibt sich insgesamt, dass - trotz der Orientierung am bisherigen Entgelt für den Regelfall - die Leistung nicht das bisherige beitragspflichtige Arbeitsentgelt ersetzen soll, sondern dasjenige, welches der Arbeitslose im Fall der Beschäftigung im Leistungszeitraum mutmaßlich erzielen würde (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 15 und SozR 3-4100 § 112 Nr. 7). Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz ein Brutto-Arbeitsentgelt bei Anknüpfung an die Steuerklasse VI nicht wird erzielen können. Die Zugrundelegung dieser Klasse findet nämlich ihren rechtfertigenden Grund allein darin, dass es der Kläger unterlassen hat, dem Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte vorzulegen. Wie das Finanzamt D. dem Kläger mit Schreiben vom 20. September 1999 mitgeteilt hat, ist für die Einbehaltung der Abzugsbeträge im laufenden Jahr bei fehlender Lohnsteuerkarte § 39 c Abs. 1 Satz 1 EStG maßgebend, wonach der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug auf Grundlage der Steuerklasse VI durchzuführen hat. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist nicht die Durchführung des Steuerabzugs nach den tatsächlichen Verhältnissen, vielmehr soll der Steuerpflichtige durch dieses Druckmittel, nämlich Ermittlung der Lohnsteuer nach der ungünstigsten Steuerklasse zur Vorlage der Lohnsteuerkarte angehalten werden. Zwar hat es damit der Arbeitnehmer letztlich in der Hand, die Steuerklasse willkürlich zu ändern und eine höhere Besteuerung zu veranlassen, arbeitsrechtlich ist der Arbeitgeber jedoch berechtigt, in Fällen willkürlicher Änderung der Steuerklasse durch Nichtvorlage einer Steuerkarte den Nettolohn in entsprechendem Umfang zu kürzen (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 71 V 3.). Dementsprechend hat auch der arbeitslose Kläger davon ausgehen müssen, dass er auf künftigen Arbeitsplätzen bei einer Nettolohn-Vereinbarung in Höhe von 2.500,00 DM nicht einen Bruttomonatslohn von über 7.500,00 DM unter Berücksichtigung von Lohnsteuerklasse VI würde erzielen können.

Darüber hinaus spricht auch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) gegen die Rechtsauffassung des Klägers. Dieser würde im Vergleich zu Arbeitnehmern, die ihre Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse III rechtzeitig dem Arbeitgeber vorlegen, wozu sie steuerrechtlich grundsätzlich verpflichtet sind, nämlich ungerechtfertigt begünstigt. Zutreffend hat insoweit das SG hervorgehoben, dass es nicht angehen kann, dass der Arbeitnehmer durch Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte nach eigenem Gutdünken dafür sorgt, dass der Berechnung seines Arbeitslosengeldes ein deutlich höheres Brutto-Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist.

Für eine Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse III spricht schließlich § 111 Abs. 2 AFG. Danach bestimmt das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die Leistungssätze jeweils für ein Kalenderjahr durch Rechtsverordnung. Dabei hat es gemäß Satz 2 dieser Bestimmung zugrunde zu legen als Lohnsteuer die Steuer nach der allgemeinen Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse III ohne Kinderfreibetrag (Leistungsgruppe C) bei Arbeitnehmern, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist und die Steuer nach der allgemeinen Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse VI (Leistungsgruppe E) bei Arbeitnehmern, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse VI eingetragen ist, weil sie noch aus einem weiteren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Das Gesetz geht damit grundsätzlich davon aus, dass der Steuerabzug sich nach der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse richtet und diese dann auch für die Bestimmung der Leistungsgruppen gilt. Auf der Steuerkarte des Klägers war sowohl 1996 als auch 1997 die Steuerklasse III eingetragen. Ganz abgesehen davon, dass die Eintragung der Klasse VI nicht in Betracht kam, weil der Kläger im zweiten Halbjahr 1996 keinen Arbeitslohn aus einem weiteren Dienstverhältnis bezog.

Nach alledem hat die Beklagte zu Recht als beitragspflichtiges Brutto-Arbeitsentgelt den Betrag von 3.309,90 DM monatlich bei Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III angenommen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, resultiert daraus unter Anwendung von § 112 Abs. 3 AFG ein wöchentlicher Leistungssatz von 384,00 DM. Auf die diesbezüglichen erstinstanzlichen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Da auch der Bescheid vom 28. Januar 1998, mit dem die Beklagte den Leistungssatz nach der Leistungsverordnung für das Jahr 1998 angepasst und ab 1. Januar 1998 einen (höheren) Leistungssatz von 389,27 DM bewilligt hat, rechtlich nicht zu beanstanden ist, ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Klage gegen die Bescheide vom 14. Januar 1999 und 26. Januar 1999 ist abzuweisen, da auch insoweit keine Rechtsfehler erkennbar sind. Die Erhöhung des wöchentlichen Leistungssatzes auf 399,49 DM beruht auf der Leistungsentgelt-Verordnung 1999 sowie auf der Anpassung des für die Bemessung der Leistung maßgebenden Arbeitsentgelts nach § 138 SGB III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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