S 4 SO 6021/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 6021/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2007 und des weiteren Bescheids vom 27. Dezember 2007 werden aufgehoben, soweit darin vom Kläger ein höherer Kostenbeitrag als die monatliche Rente seiner Ehefrau (derzeit 313,88 EUR) gefordert wird. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag (Aufwendungsersatz) für Leistungen der Hilfe zur Pflege, die der Beklagte für die Ehefrau des Klägers erbringt.

Der am ... 1929 geborene Kläger ist Schwerbehinderter (GdB 70) und erfüllt seit dem 11. April 2006 die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" (Bescheid des Landratsamts R ...). Die am ... 1927 geborene Ehefrau des Klägers ist ebenfalls schwerbehindert (GdB 80, Merkzeichen "G", "B", Bescheid des Versorgungsamts K ...). Seit April 2005 ist die Ehefrau des Klägers in einem Altenpflegeheim stationär untergebracht.

Am 29. April 2005 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der nicht gedeckten Heimkosten für seine Ehefrau aus Mitteln der Sozialhilfe. Mit Bescheid vom 19. Juli 2005 gewährte der Beklagte der Ehefrau des Klägers für die Zeit der Aufnahme ins Pflegeheim, am 08. April 2005, ein Heimentgelt in Höhe von zur Zeit täglich 90,18 EUR sowie einen monatlichen Barbetrag von 90,- EUR. Weiter hieß es, die Abrechnung erfolge unmittelbar mit dem Heimträger. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag wandte sich der Beklagte an den Kläger und setzte gegen ihn nach Überprüfung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus seinem Einkommen einen monatlichen Kostenbeitrag, für die seiner Ehefrau vom Beklagten gewährten Pflegeleistungen ab Mai 2005 in Höhe von 702,02 EUR fest. Für die Zeit vom 08. April bis zum 30. April 2005 wurde der Kostenbeitrag mit 538,20 EUR berechnet. Zur Begründung hieß es, der Kostenbeitrag berechne sich gemäß § 35 SGB XII i. V. m. den §§ 85 ff. SGB XII. Dem Kläger und seiner Ehefrau sei die Aufbringung der Mittel aus ihrem Einkommen und Vermögen in der angegebenen Höhe monatlich zuzumuten. Die Verpflichtung zur Zahlung des Kostenbeitrags bestehe, solange Sozialhilfe gewährt werde. Für die Zeit vom 08. April 2005 bis zum 31. Juli 2005 seien 2.644,26 EUR nachzuzahlen.

Den am 02. August 2005 erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid über die Festsetzung eines Kostenbeitrags zu Lasten des Klägers ermäßigte der Beklagte den vom Kläger geforderten Kostenbeitrag mit Bescheid vom 29. September 2005 monatlich 673,20 EUR. Zur Begründung hieß es, aufgrund neuer vorgelegter Nachweise sei die Kostenbeitragsberechnung korrigiert worden. Der in der Zeit zwischen dem 08. April und dem 30. September 2005 zu zahlende Kostenbeitrag betrage insgesamt 3.882,12 EUR. Daraufhin seien bislang 1.880,52 EUR geleistet worden. Der Restbetrag von 2.001,60 EUR sei nunmehr zu zahlen.

Auf den auch dagegen am 11. Oktober 2005 erhobenen Widerspruch änderte der Beklagte den vom Kläger geforderten Kostenbeitrag durch Bescheid vom 28. November 2005 erneut ab. Nunmehr forderte der Beklagte vom Kläger einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 654,80 EUR für die Zeit ab dem 08. April 2005. Zur Begründung hieß es, aus den nunmehr übersandten Heizkostenabrechnungen des Klägers gehe hervor, dass die monatlichen Heizkosten höher gelegen hätten und deshalb der dem Kläger zuzumutende Kostenbeitrag erneut habe gesenkt werden können. Bislang habe der Kläger 2.193,94 EUR; die Rückzahlungsschuld betrage derzeit 2.891,65 EUR und sei baldmöglichst zu begleichen.

Den auch dagegen unter dem 13. Dezember 2005 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte nunmehr mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, Hilfe zur Pflege werde gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII geleistet, soweit den Leistungsberechtigten und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern die Aufbringung der Mittel aus eigenem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitel SGB XII nicht zuzumuten sei. Nach § 35 Abs. 1 SGB XII umfasse die Hilfe in Einrichtungen - hierzu sei die Hilfe zur Pflege in einem Pflegeheim zu zählen - auch den notwendigen Lebensunterhalt, der nach § 42 SGB XII den maßgebenden Regelsatz, eine Unterkunfts- und Heizkostenpauschale, mögliche Mehrbedarfe entsprechend § 30 SGB XII, den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie mögliche Sonderbedarfe nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII umfasse. Daneben beinhalte der weitere notwendige Lebensunterhalt in einer Einrichtung nach § 35 Abs. 2 SGB XII auch einen angemessenen Barbetrag. Dabei sei nach § 43 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 19 SGB XII das Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten, das dessen notwendigen Lebensunterhalt übersteige, zu berücksichtigen. Bei der Berechnung der Grundsicherungsbedarfe und des Kostenbeitrags seien folgende Einkommen berücksichtigt worden:

Altersrente der Ehefrau des Klägers 314,97 EUR Altersrente des Klägers 1.261,45 EUR.

Daneben seien die Aufwendungen des Klägers für seine Mietwohnung in Höhe von 539,06 EUR total und die Versicherungsbeiträge in voller Höhe anerkannt worden. Der Kostenbeitrag nach § 35 SGB XII errechne sich wie folgt:

Kostenbeitrag nach § 35 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) Name ... Berechnung ab 08.04.2005

1. Grundsicherungsbedarfe 1.1 Grundsicherungsbedarf Ehefrau Regelsatz 276,00 EUR Mehrbedarf 46,92 EUR Kosten der Unterkunft 265,38 EUR gesamt 588,30 EUR

1.2 Grundsicherungsbedarf Kläger Regelsatz 345,00 EUR Mehrbedarf 0,00 EUR Kosten der Unterkunft 441,43 EUR Heizung 98,26 EUR gesamt 884,69 EUR

2. Bedarf Hilfe zur Pflege Ehefrau Heimkosten Tagessatz 90,18 EUR x 30,42 Tage (365/12)= 2.743,28 EUR Barbetrag 90,00 EUR Zusatzbarbetrag 0,00 EUR gesamt 2.883,28 EUR

Um den tatsächlichen Anteil der Pflege zu ermitteln, ist der Anteil der Hilfe zum Lebensunterhalt = Grundsicherung (1.1) und das Pflegegeld von den Heimkosten in Abzug zu bringen.

Heimkosten 2.833,29 EUR abzgl. Grundsicherung im Heim 588,30 EUR abzgl. Pflegegeld Stufe II 1.279,00 EUR Bedarf Hilfe zur Pflege 965,98 EUR

3. Ermittlung der Leistungsansprüche Grundsicherung 3.1 Grundsicherungsanspruch Ehefrau Grundsicherung (1.1) 588,30 EUR Abzgl. Einkommen Rente 314,97 EUR Einsatz übersteigendes Ein- 356,46 EUR kommen Peter Schmitt Einkommensüberschreitung 83,13 EUR

Ergebnis: Es besteht damit kein Anspruch auf Grundsicherung.

3.2 Grundsicherung Kläger Grundsicherung (1.2) 884,69 EUR abzgl. Einkommen Rente 1.261,45 EUR abzgl. Hausratvers. -11,98 EUR abzgl. Haftpflichtvers. -8,32 EUR Einkommensüberschreitung 356,46 EUR

Ergebnis: Es besteht damit kein Anspruch auf Grundsicherung. Das übersteigende Einkommen ist bei der Ehefrau anzurechnen gem. § 43 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 19 SGB XII.

4. Ermittlung des Einkommenseinsatzes bei der Hilfe zur Pflege 4.1 Ermittlung der Einkommensgrenze Grundbetrag 690,00 EUR (doppelter Regelsatz Haushaltsvorstand) Familienzuschlag 242,00 EUR Unterkunft im Heim 265,38 EUR Unterkunft zu Hause 411,43 EUR Einkommensgrenze 1.638,81 EUR Im Rahmen der Einkommensgrenze gehören die Heizkosten nach § 85 Abs. 1 SGB XII nicht zu den Kosten der Unterkunft. Diese gelten mit dem doppelten Regelsatz und dem Familienzuschlag als abgegolten.

4.2 Ermittlung des Einkommens über der Einkommensgrenze Einkommen Ehefrau (siehe 3.1) 314,97 EUR Einkommen Kläger (Altersrente 1.241,15 EUR 1.261,45 EUR./. Vers. 20,30 EUR (siehe 3.2) Gesamteinkommen 1.556,12 EUR

Einkommen über der Einkommensgrenze (4.1) 0,00 EUR

4.3 Einkommenseinsatz unter der Einkommensgrenze Einkommensgrenze oder niedrigeres 1.556,12 EUR Gesamteinkommen abzgl. Grundsicherungsbedarf 588,30 EUR Ehefrau (1.1) abzgl. Grundsicherungsbedarf 884,69 EUR Kläger (1.2) noch nicht eingesetztes Einkommen unter 83,13 EUR der Einkommensgrenze davon 20 % frei nach Rd.-Nr.: 88.10 16,63 EUR Einkommenseinsatz unter der Einkommensgrenze 66,50 EUR

4.4 Gesamter Einkommenseinsatz (Kostenbeitrag) Einkommenseinsatz über der Einkommensgrenze 0,00 EUR Einkommenseinsatz unter der Einkommensgrenze 66,50 EUR Kostenbeitrag als Einkommen bei der Hilfe zur Pflege 66,50 EUR

5. Ergebnis Aus dem Gesamtergebnis in Höhe von 1.556,12 EUR Muss folgendes Einkommen für den Heimbewohner angesetzt werden: Grundsicherung für Ehefrau 588,30 EUR Kostenbeitrag Hilfe zur Pflege 66,50 EUR Einkommenseinsatz der Ehefrau insgesamt 654,80 EUR

Der Berechnung sei zu entnehmen, dass ein Einkommenseinsatz von monatlich 654,80 EUR ab April 2005 zu fordern sei. Die Berechnung habe ergeben, dass kein Kostenbeitrag über der Einkommensgrenze, jedoch ein Kostenbeitrag unter der Einkommensgrenze in Höhe von monatlich 66,50 EUR zu leisten sei. Da zur Bemessung des notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen auf den Umfang der Leistungen der Grundsicherung zurückgegriffen werde und die Eheleute eine Einstandsgemeinschaft bildeten, seien auf ihrem gemeinsamen Renteneinkommen die Leistungen der Grundsicherung für die Ehefrau des Klägers zzgl. des Einkommenseinsatzes unter Einkommensgrenze aufzubringen. Eine Selbstbehaltregelung mit festen Bedarfssätzen wie im Unterhaltsrecht finde hier keine Anwendung.

Auf die dagegen vom Kläger am 15. Februar 2006 erhobene Klage (S 4 SO 663/06) schlossen die Beteiligten vor dem Sozialgericht Karlsruhe am 19. Dezember 2006 während der anberaumten mündlichen Verhandlung nachfolgenden Vergleich:

1. Aufgrund der Vorlage der Urkunde über die Anerkennung des Merkzeichens "G" berechnet der Beklagte ab 11. April 2006 den Kostenbeitrag des Klägers neu.

2. Dabei wird insbesondere der Mehrbedarf wegen Behinderung berücksichtigt sowie die Unterkunftskosten nochmals nachvollziehbar dargelegt und geprüft.

3. Nach Abschluss dieser Prüfung erhält der Kläger für die Zeit ab dem 11. April 2006 einen neuen Bescheid.

4. Der Rechtsstreit wird für erledigt erklärt.

5. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben (§ 195 SGG).

Daraufhin entschied der Beklagte mit Bescheid vom 23. Januar 2007 den Kläger für die Zeit ab dem 11. April 2006 mit einem monatlichen Kostenbeitrag für die Aufwendungen des ungedeckten Pflegeheimbedarfs seiner Ehefrau von 617,27 EUR heranzuziehen. Zur Begründung hieß es: Für die Ehefrau des Klägers werde seit dem 08. April 2005 aus Mitteln der Sozialhilfe Hilfe zur Pflege gemäß § 61 ff. SGB XII gewährt. Die ungedeckten Heimkosten machten zurzeit monatlich ca. 1.554,28 EUR aus. Der Kläger als Ehemann der Pflegebedürftigen habe zu diesen Kosten der Sozialhilfe beizutragen. Aufgrund des vor dem Sozialgericht Karlsruhe geschlossenen Vergleichs vom 19. Dezember 2006 und der Feststellung des gesundheitlichen Merkzeichens "G" zu Gunsten des Klägers sei der zu leistende Kostenbeitrag für die Zeit ab dem 11. April 2006 neu zu berechnen gewesen. Der Kostenbeitrag berechne sich gemäß § 35 SGB XII i. V. m. §§ 85 ff. SGB XII. Die beigefügten Berechnungsbogen seien Bestandteil des Bescheids. Zu den dabei berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten des Klägers sei Folgendes auszuführen: Laut der vorliegenden Mietbescheinigung betrage die monatliche Miete 474,- EUR. Hierin seien Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser in Höhe von monatlich 56,62 EUR enthalten, sodass sich nach Abzug dieser Vorauszahlungen eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 417,38 EUR ergebe. Neben dieser Kaltmiete seien Gebühren für Wasser und Abwasser gemäß Gebührenbescheid vom 31. Januar 2005 in Höhe von monatlich 17,94 EUR sowie Müllgebühren in Höhe von monatlich 6,11 EUR berücksichtigt worden, sodass sich die Gesamtkosten für Unterkunft des Klägers auf monatlich 441,43 EUR beliefen. Bei der Ermittlung des Grundsicherungsbedarfs des Klägers sei neben den Heizkosten gemäß der vorliegenden Heizkostenabrechnung in Höhe von monatlich 98,26 EUR berücksichtigt worden. Bei der Ermittlung der Einkommensgrenze seien die Kosten für Heizung und Warmwasser im Grundbetrag in Höhe von monatlich 690,- EUR enthalten und könnten daher nicht nochmals gesondert berücksichtigt werden. Für die Zeit vom 11. April 2006 bis zum 31. Januar 2007 seien abzgl. der vom Kläger in diesem Zeitraum geleisteten Zahlungen insgesamt noch 3.146,16 EUR nachzuzahlen. Hinsichtlich des Kostenbeitragsrückstands für die Zeit vom 08. April 2005 bis zum 10. April 2006 werde auf die bisherige Korrespondenz Bezug genommen. Insgesamt beliefen sich die rückständigen Kosten für Beitragsforderungen auf 7.308,18 EUR. Der Bescheid wurde am 23. Januar 2007 zur Post gegeben.

Den dagegen am 26. Februar 2007 erhobenen Widerspruch beantwortete der Beklagte mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 12. November 2007. Der Tenor des Widerspruchsbescheids lautete:

1. Dem Widerspruch wird hinsichtlich der Höhe des Mehrbedarfszuschlags teilweise statt gegeben, ansonsten wird der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens hat der Widerspruchsführer zu 80 %, der Landkreis Rastatt zu 20 % zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Widerspruchsführer wird für notwendig erachtet.

Zur Begründung des Widerspruchsbescheids hieß es: Bei der Berechnung der Grundsicherungsbedarfe und des Kostenbeitrags seien folgende Einkommen berücksichtigt worden:

11.04.2006 01.04.2007 01.07.2007

Altersrente Ehefrau 314,97 EUR 312,21 EUR 313,88 EUR Altersrente Kläger 1.261,45 EUR 1.250,42 EUR 1.257,11 EUR

Die Kosten der Unterkunft wurden anhand der vorliegenden Unterlagen (Abrechnungen etc.) errechnet und setzen sich wie folgt zusammen: 11.04.2006 01.07.2007

Kaltmiete 417,38 EUR 460,00 EUR Wasser- und Abwassergebühren 17,94 EUR 17,94 EUR Müllgebühren 6,11 EUR 6,11 EUR Heizkosten 105,69 EUR 105,69 EUR Gesamtbetrag 547,12 EUR 589,74 EUR

Kosten für Hausrat- und Haftpflichtversicherungen seien anerkannt, bei der Kostenbeitragsberechnung entsprechend berücksichtigt worden. Der monatliche Beitrag von 55,98 EUR für die Sterbegeldversicherung sei ausnahmsweise bei der Kostenbeitragsberechnung ab 11. April 2006 bis 31. Dezember 2007 berücksichtigungsfähig, weil der Kläger mit Abschluss der Versicherung vor der Neuberechnung des Kostenbeitrags eine vorrangige Zahlungsverpflichtung eingegangen sei. Allerdings handele es sich bei dieser Versicherung um eine Kapitalversicherung auf den Todesfall. Da diese auch zur Vermögensbildung beitrage, könnten die Beiträge ab 01. Januar 2008 bei der Berechnung des Kostenbeitrags nicht mehr berücksichtigt werden. Das SGB XII sehe weder bei den Leistungen selbst noch bei der Berechnung der Kostenbeiträge vor, dass hierbei Aufwendungen zur Vermögensbildung zu berücksichtigen seien. Mit Bescheid vom 23. Januar 2007 sei dem Kläger ein Mehrbedarfszuschlag in Höhe von monatlich 46,92 EUR aufgrund seiner Schwerbehinderung zuerkannt worden. Es handele sich hier jedoch um den Mehrbedarfszuschlag für Heimbewohner. Da sich der Kläger noch im eigenen Haushalt befinde, sei nunmehr ein Mehrbedarfszuschlag in Höhe von monatlich 58,65 EUR rückwirkend anzuerkennen. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII könne Hilfe zur Pflege nach dem Fünften bis Neunten Kapitel geleistet werden, soweit den Leistungsberechtigten und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus eigenem Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten seien. Eine Unterbringung in einem Pflegeheim stelle jedoch kein gewolltes Getrenntleben im Sinne des § 19 SGB XII dar, sodass Ehegatten auch bei einem über sechs Monate hinausgehenden Heimaufenthalt weiterhin eine Einstandsgemeinschaft bildeten. Etwas anderes gelte nur, wenn zweifelsfrei erkennbar sei, dass sich ein Ehegatte unter Aufgabe der bisherigen Lebensgemeinschaft auf Dauer trennen wolle. Dem Beklagten seien keine Unterlagen vorgelegt worden, aus denen hervorgehe, dass sich der Kläger von seiner Ehefrau getrennt habe oder auch nur trennen wolle. Vielmehr hätten Nachfragen ergeben, dass der Kläger seine Ehefrau im Pflegeheim regelmäßig besuche, sodass ein Getrenntleben nicht angenommen werden könne. Wie sich aus den beigefügten Berechnungen ergebe, seien die Heizkosten von monatlich 105,69 EUR, die erstmals durch Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 08. Februar 2007 belegt worden seien, berücksichtigt worden. Der Unterhaltsbeitrag, den der Sohn der Pflegebedürftigen in Höhe von monatlich 63,- EUR leiste, sei kraft Gesetzes auf den Beklagten übergegangen. Da der Sozialhilfeaufwand nach Zahlung des Kostenbeitrags noch ca. 1.200,- EUR betrage, sei eine Verrechnung mit dem vom Kläger zu zahlenden Kostenbeitrag rechtlich weder möglich noch zulässig. Der Kostenbeitrag für den Zeitraum vom 11. April bis zum 31. Dezember 2006 errechne sich nach § 35 SGB XII. Danach könne kein Kostenbeitrag über der Einkommensgrenze, jedoch ein Kostenbeitrag unter der Einkommensgrenze in Höhe von monatlich 13,64 EUR gefordert werden. Da zur Bemessung des notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen gemäß § 35 Abs. 1 i. V. m. § 42 Satz 1 SGB XII auf den Umfang der Leistung der Grundsicherung zurückgegriffen werde und der Kläger und seine Ehefrau eine Einstandsgemeinschaft bildeten, seien aus ihrem gemeinsamen Renteneinkommen die Leistungen der Grundsicherung für die Ehefrau des Klägers, die Pflegebedürftige, zzgl. des Einkommenseinsatzes unter der Einkommensgrenze aufzubringen. Durch das Gesetz zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze errechne sich der Kostenbeitrag ab 01. Januar 2007 nach § 92a SGB XII. Die beigefügten Berechnungsblätter (Anlage 1-4) seien Bestandteil des Bescheids. Demnach habe der Kläger Kostenbeiträge wie folgt zu leisten:

Vom 11. April 2006 bis zum 31. Dezember 2006 monatlich 601,94 EUR Vom 01. Januar 2007 bis zum 31. März 2007 monatlich 494,70 EUR Vom 01. April 2007 bis zum 30. Juni 2007 monatlich 483,66 EUR Vom 01. Juli 2007 bis laufend monatlich 454,78 EUR.

Für den Zeitraum vom 11. April 2006 bis zum 30. November 2007 ergebe sich somit ein Gesamtkostenbeitrag von 10.425,- EUR. Bislang seien für diesen Zeitraum noch keine Zahlungen eingegangen. Um baldige Überweisung werde gebeten. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen sei bei der Berechnung des Kostenbeitrags des Klägers ein höherer Mehrbedarf berücksichtigt worden. Insofern sei dem Widerspruch abgeholfen worden. Darüber hinaus sei der Kläger durch den Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt, sodass der Widerspruch im Übrigen habe als unbegründet zurückgewiesen werden müssen.

Am 17. Dezember 2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erheben lassen.

Der Kläger ist der Auffassung, er sei nicht verpflichtet aus seiner Rente überhaupt einen Kostenbeitrag für die Heimkosten seiner Ehefrau zu leisten. Bei Lichte besehen stehe ihm hierfür einzusetzendes Einkommen nicht zur Verfügung. Müsste er die vom Beklagten ermittelten Kostenbeiträge tatsächlich leisten, würde er seinerseits sozialhilfebedürftig werden. Im Einzelnen sei zu rügen, dass der Mehrbedarfszuschlag wegen der eigenen Schwerbehinderung höher einzustufen sei. Weiter sei zu beanstanden, dass der Beklagte im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt habe, dass er die Rente seiner Frau seit Jahr und Tag an die Beklagte überweise. Daher seien die vom Beklagten geltend gemachten Beitragsrückstände deutlich geringer, als im Widerspruchsbescheid angegeben. Schließlich berücksichtige die Beklagte nicht die Fahrtkosten, die ihm durch die vielfachen Fahrten ins Pflegeheim zu seiner Frau monatlich entstünden. Er fahre mindestens zweimal wöchentlich von Bietigheim nach Kuppenheim, um seine Ehefrau zu besuchen. Dies sei auch deshalb erforderlich, weil er als Betreuer seiner Ehefrau eingesetzt sei. Bei alledem sei weiter zu berücksichtigen, dass er selbst schwer krank und anerkannter Schwerbehinderter sei. Er müsse mehrmals monatlich verschiedene Fachärzte (Lungenfacharzt, Internist, Orthopäde) konsultieren. Zur Wahrnehmung dieser Arzttermine sei er dringend auf seinen PKW angewiesen. Dementsprechend seien auch die gesamten Fixkosten für diesen PKW ebenfalls kostenbeitragsmindernd durch den Beklagten zu berücksichtigen. Auch dies sei bislang nicht geschehen. Die Fahrstrecke von Bietigheim nach Kuppenheim hin und zurück betrage 22 km. Monatlich lege er mindestens 176 km zurück, um zu seiner Ehefrau nach Kuppenheim und zurück nach Hause zu gelangen. Darüber hinaus habe er erst im Jahre 2007 für die Kfz-Haftpflichtversicherung seines PKW 503,48 EUR aufgewandt. Entsprechend habe er Kfz-Steuer in Höhe von 121,- EUR entrichtet. Im Jahre 2008 habe er zwei Kfz-Rechnungen für Autoreparaturen über 98,32 EUR und 102,94 EUR gehabt. Tankbelege bewahre er nicht auf, sodass er diese auch nicht vorlegen könne. Bei seinem PKW handele es sich um einen Mitsubishi Lancer, Datum der Erstzulassung 15. Februar 1995.

Der Kläger beantragt zuletzt,

den Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2007 sowie den weiteren Bescheid vom 27. Dezember 2007 aufzuheben, soweit darin vom Kläger ein höherer Kostenbeitrag als die monatliche Rente seiner Ehefrau (derzeit 313,88 EUR) gefordert wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte weist zunächst daraufhin, dass er aufgrund der Nichtberücksichtigung der Sterbegeldversicherung ab dem 01. Januar 2008 den Kostenbeitrag des Klägers für die Zeit ab 01. Januar 2008 abermals neu berechnet habe. Er habe im Bescheid vom 27. Dezember 2007 verfügt, dem Kläger für die Zeit ab dem 01. Januar 2008 einen monatlichen Kostenbeitrag von 499,57 EUR in Rechnung zu stellen. Die Änderung ergebe sich dadurch, dass der monatliche Beitrag zur Sterbegeldversicherung in Höhe von 55,98 EUR nicht mehr berücksichtigt werden könne, da der Kläger die Versicherung beitragsfrei stellen könne. Die Ermittlung des Kostenbeitrags erfolge nach § 92a SGB XII und ergebe sich aus dem beigefügten Berechnungsbogen, der Bestandteil des Bescheids sei. Zur Begründung hieß es, nach den Bestimmungen des SGB XII habe der Kläger die Aufwendungen in soweit zu ersetzen, als ihm und seinen in § 19 SGB XII genannten Angehörigen die Aufklärung der Mittel aus eigenem Einkommen und Vermögen zuzumuten sei. Der Umfang oder die Höhe des zu leistenden Kostenbeitrags sei nach Maßgabe von § 92a i. V. m. §§ 85 ff. SGB XII zu ermitteln und durch Leistungsbescheid festzustellen. Dementsprechend sei bei nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern das Einkommen gemeinsam zu berücksichtigen. Die Verpflichtung zur Zahlung des Kostenbeitrags bestehe, solange Sozialhilfe gewährt werde. Die vom Kläger erstmals im Klageverfahren geltend gemachten Fahrtkosten seien grundsätzlich mit dem Regelsatz abgegolten. Darüber hinaus könnten Fahrtkosten im Rahmen der Kostenbeitragsrechnung allenfalls als besondere Belastungen im Rahmen des einzusetzenden Einkommens über der Einkommensgrenze berücksichtigt werden. Da im Fall des Klägers aber kein Einkommen über der Einkommensgrenze vorhanden sei, könnten Fahrtkosten im Rahmen der Kostenbeitragsrechnung gar nicht berücksichtigt werden. Selbst wenn sie berücksichtigungsfähig seien, könnten sie erst ab Vorlage in die Berechnung mit einbezogen werden.

Den weiteren Kostenbeitragsbescheid vom 27. Dezember 2007 hat der Beklagte dem Gericht mit der Behördenakte vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakten und den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Streitgegenstand sind die Bescheide der Beklagten vom 23. Januar 2007, 12. November 2007 und 27. Dezember 2007. Letztgenannter Bescheid wird gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auf Antrag des Beklagten in das streitgegenständliche Verfahren einbezogen.

Die damit zulässige Klage ist auch insgesamt begründet. Die angefochtenen Bescheide sind, soweit sie angefochten worden sind, nämlich offensichtlich rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Mit den angefochtenen Bescheiden gelingt dem Beklagten schon keine hinreichende Differenzierung der an den Kläger adressierten Kostenbeitragsforderungen nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen. Dies stellt einen Begründungsmangel im Sinn von § 35 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - dar, wonach in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben.

Bis zum 31. Dezember 2006 bestimmt sich Möglichkeit und Kostenbeitrag vom im Hause verbleibenden oder Lebenspartner eines stationär oder teilstationär Pflegebedürftigen zu erheben nach § 35 SGB XII i. V. m. §§ 85, 89 SGB XII. § 35 SGB XII definiert dabei den notwendigen Lebensunterhalt des Pflegebedürftigen in einer Einrichtung. Die §§ 85 ff. SGB XII beschäftigen sich demgegenüber mit den Einkommensgrenzen und dem Einsatz von Einkommen über und unter der Einkommensgrenze. Nach § 85 Abs. 1 SGB XII ist bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII der nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus 1. einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes, 2. den Kosten der Unterkunft, soweit die Aufwendungen hierfür den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang nicht übersteigen und 3. einen Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrags von 70 v. H. des Eckregelsatzes für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist dem Pflegebedürftigen oder/und seinem Lebenspartner die Aufbringung der Mittel in angemessenem Umfang zuzumuten, soweit das zu berücksichtigende Einkommen die Einkommensgrenze übersteigt. Bei der Prüfung, welcher Umfang angemessen ist, sind insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen. Der Einsatz von Einkommen unter der Einkommensgrenze bestimmt sich nach § 88 Abs. 1 SGB XII. Danach kann die Aufbringung der Mittel, auch soweit das Einkommen unter der Einkommensgrenze liegt, verlangt werden, 1. soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck erbracht werden, für den sonst Sozialhilfe zu leisten wäre, 2. wenn zur Deckung des Bedarfs nur geringfügige Mittel erforderlich sind. Darüber hinaus soll in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel verlangt werden, wenn eine Person für voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf.

Für die Zeit ab dem 01. Januar 2007 ist die Zentralnorm für den Einkommenseinsatz bei Leistungen in Einrichtungen § 92a SGB XII, der durch Gesetz vom 02. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2670) in das SGB XII aufgenommen worden ist. § 92a Abs. 1 SGB XII bestimmt, dass, erhält eine Person in einer stationären oder teilstationären Einrichtung Leistungen, die Aufbringung für die Mittel der Leistungen in der Einrichtung nach dem Dritten und Vierten Kapitel von ihr und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner aus den gemeinsamen Einkommen verlangt werden kann, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Darüber hinaus soll in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel verlangt werden, wenn eine Person auf voraussichtlich längere Zeit Leistungen einer stationären Einrichtung bedarf (§ 92a Abs. 2 SGB XII). Bei der Prüfung welcher Umfang angemessen ist, ist auch der bisherigen Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen, nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie der im Haushalt lebenden minderjährigen unverheirateten Kinder Rechnung zu tragen (§ 92a Abs. 3 SGB XII).

Sämtlichen genannten Rechtsgrundlagen, die abschließend für die Erhebung eines Kostenbeitrags in Betracht kommen, ist auf der Rechtsfolgenseite der Normen eines gemeinsam. Der Sozialhilfeträger darf Kostenbeiträge nur nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (vgl. § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -) geltend machen und erheben. Dies setzt zuallererst voraus, dass sich der Leistungsträger darüber bewusst ist, überhaupt eine Ermessensentscheidung zu treffen. Darüber hinaus muss sich der Leistungsträger bewusst sein, eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen, dieses Ermessen auch sachgerecht ausüben. D. h. eine Behörde muss bei der Begründung ihrer Entscheidung gemäß § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X erkennen lassen, dass sie sich bewusst war, überhaupt einen Ermessensspielraum zu haben. Darüber hinaus muss sie weiter alle zentralen Gesichtspunkte, von denen sie bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist, in den Entscheidungsgründen mitteilen.

An diesem Maßstab orientiert, ist im Fall des Klägers festzustellen, dass der Beklagte sich trotz Nennung einschlägiger Rechtsgrundlagen überhaupt nicht bewusst gewesen ist, vorliegend bei der Erhebung des Kostenbeitrags vom Kläger dem Grunde nach eine Ermessensentscheidung zu treffen. Anders lässt sich der Wortlaut im Widerspruchsbescheid vom 12. November 2007 "sodass wir den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurückweisen müssen" nicht interpretieren. Nicht anders verhält es sich in der Begründung des weiteren Bescheids vom 27. Dezember 2007, wenn es dort nur heißt: "Nach den Bestimmungen des SGB XII hat Herr Schmidt die Aufwendungen insoweit zu ersetzen, als ". Ermessensentscheidungen basieren aber stets auf einem Können oder Sollen, nicht auf einem Müssen. Müssen muss die Behörde nur im Fall einer gebundenen Entscheidung, die nur eine richtige Entscheidung kennt. Eine Ermessensentscheidung kennt, abgesehen vom vorliegend offensichtlich nicht einschlägigen Sonderfall der Ermessensreduzierung auf Null, aber stets mehrere vertretbare Entscheidungen.

Die gerichtliche Ermessensprüfung hat bei alledem allerdings zu beachten, dass die Verwaltung durch das ihr eingeräumte Ermessen in ihrer Entscheidungsfindung freier gestellt werden soll. Gleichwohl ist die Behörde gehalten, die wesentlichsten Ermessensgründe darzulegen, vor allem nachweisen zu können, überhaupt Ermessen ausgeübt zu haben. Daran fehlt es aber vorliegend. Deshalb sind die angefochtenen Bescheide in der Art und Weise, wie sie ergangen sind, unrettbar verloren.

Sollte der Beklagte erwägen, neue Kostenbeitragsbescheide gegen den Kläger zu verfügen, wird er, sollen diese rechtmäßig sein, das Folgende zu beachten haben:

1. Für die Zeit vom 11. April 2006 bis zum 31. Dezember 2006 richtet sich eine etwaige Kostenbeitragsforderung nach Auffassung der erkennenden Kammer nach den §§ 35, 85 ff. SGB XII. Nach anderer Ansicht könnte auch insoweit schon § 92a SGB XII maßgebliche Rechtsgrundlage sein. Die Norm ist zwar erst zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten und enthält keine Rückwirkungsklausel. Maßgeblich könnten insoweit aber die Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts sein. Beim Fehlen einer Überleitungsvorschrift gelten neue Rechtsnormen mit sofortiger Wirkung für die Zeit nach ihrer Verkündung, unabhängig davon, wie die Materie vorher geregelt war (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 2006 - 16 A 5085/04 -, veröffentlicht in JURIS). Eine Neuregelung erfasst damit im Prinzip alle im Zeitpunkt der Verkündung bestehenden, nach altem Recht entstandenen Rechte und Rechtsverhältnisse (vgl. BSG, SozR 4-1200 § 33a Nr. 2 und BSG, SozR 3-4100 § 141e Nr. 3 sowie Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2008 - L 12 SO 13/07 -, veröffentlicht in JURIS). Insbesondere neue Vorschriften, welche die Rechtsstellung des Betroffenen verbessern, sind danach unproblematisch mit ihrem In-Kraft-Treten auf ein - wie hier - bestehendes Rechtsverhältnis anzuwenden (vgl. BSG SozR 4-2700 § 70 Nr. 1).

Vorliegend werden insbesondere die Fahrtkosten des Klägers sowie seine gesamten Kosten für den PKW (PKW-Vollkosten) bei der Einkommensanrechnung anzusetzen sein. Denn der Kläger selbst ist schwerbehindert, verfügt über das Merkzeichen "G", wie die Beklagte spätestens seit April 2006 weiß. Darüber hinaus setzt der Kläger mit seinem PKW wenigstens zweimal wöchentlich seiner Wohnung aus Pflegeheim zu seiner Ehefrau. Entgegen der Einlassung des Beklagten im Prozess mit Schriftsatz vom 11 Juni 2008, ist ihm dies auch bekannt gewesen, heißt es doch im Widerspruchsbescheid vom 12. November 2007, dass der Kläger seine Ehefrau im Pflegeheim regelmäßig besuche, sodass von einem Getrenntleben nicht ausgegangen werden könne. Sowohl die Vorhaltekosten für den PKW als auch die Fahrtkosten von der Wohnung ins Pflegeheim und zurück sind als einkommensmindernd anzurechnen. Dies ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII für den Einsatz von Einkommen über der Einkommensgrenze und aus § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XII für Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze. § 88 Abs. 1 S. 2 SGB XII, der im Fall des Klägers allein einschlägig ist, bestimmt, dass Einsatz von Einkommen unter der Einkommensgrenze nur in angemessenem Umfang folgen soll, wenn wie hier, eine Person für voraussichtlich längere Zeit Leistungen in der stationären Pflege bedarf. Dabei auf Einkommen des Klägers zurückzugreifen, das er zum Betrieb und zur Erhaltung seines alten PKW (Baujahr 1995) bedarf, erscheint dem erkennenden Gericht vor dem Hintergrund der erheblichen Schwerbehinderung des Klägers (Merkzeichen "G") einerseits und seiner regen Besuchstätigkeit seiner im Pflegeheim lebenden Ehefrau andererseits von vornherein und nach allen denkbaren Fallgestaltungen unangemessen und damit unverhältnismäßig. Der beinahe 80 Jahre schwerbehinderte und in der Gehfähigkeit eingeschränkte Kläger bedarf des PKW`s für eigene Arzt- und Einkaufsfahrten ebenso wie für Fahrten zu seiner im Pflegeheim lebenden Ehefrau. Für ihn als gehbehinderten alten Menschen kommt von vornherein kaum die Nutzung nichtbarrierefreier öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht, ebenso wenig, wie man von ihm wird erwarten können, seine notwendigen Einkäufe zu Fuß nach Hause zu tragen oder Arztbesuche zu Fuß zu bewältigen.

Die PKW-Vollkosten hat der Kläger zwar einerseits zu belegen. Die Nachweisführung insbesondere der laufenden Kosten für Benzin und Verschleißreparaturen durch Rechnungsbelege ist dem Kläger bislang auch nicht hinreichend gelungen. Andererseits sind diese Kosten aber im Wesentlichen auch offensichtlich und damit für den Beklagten von Amts wegen einschätzbar. Allein die nachgewiesenen Kosten für die Haftpflicht- und Teilkaskoversicherung des Klägers haben 2008 einen Betrag von 503,48 EUR ausgemacht. Die Berücksichtigung sowohl von Haftpflicht- als auch Teilkaskobeträgen als angemessen ergibt sich für das erkennende Gericht aus folgenden Gründen: das Fahrzeug des Klägers ist alt (Baujahr 1995), dementsprechend wartungsanfällig und eine Pkw-Neubeschaffung wird dem aufs Auto angewiesenen Kläger angesichts seines Alterseinkünfte nur schwerlich möglich sein. Hinzu treten nachgewiesene Kosten für die Kfz-Steuer von jährlich ca. 121 EUR (Kfz-Steuerbescheid 2006). Weiter legt das Gericht im Wege der Schätzung jährlich angemessene Kosten für Benzin von 600 EUR und angesichts des Fahrzeugalters weitere jährlich angemessene Kosten von 600 EUR für allfällige Verschleißreparaturen, etwa an Reifen, Bremsen, Kupplung sowie für erforderliche Inspektionen etc. zugrunde. Danach ergeben sich für das Gericht jährlich angemessene PKW-Vollkosten des Klägers in Höhe von ca. 1.825 EUR. Monatlich sind danach nach Auffassung des erkennenden Gerichts ca. 152 EUR für die erforderliche und absolut angemessene KFZ-Haltung des Klägers einkommensmindernd in Ansatz zu bringen.

Überhaupt wird der Beklagte bei einem etwaigen Kostenbeitrag auch für die Zeit vor dem 31. Dezember 2006 zu beachten haben, dass er aus der Tatsache der ehelichen Lebensgemeinschaft des Klägers und seiner hilfe- und pflegebedürftigen Ehefrau keine dem Kläger nachteiligen Schlussfolgerungen ziehen darf. Die zwischen dem Kläger und der Pflegebedürftigen bestehende Ehe steht - wie jede Ehe - unter dem besonderen staatlichen Schutz von Art. 6 GG. Aus der Tatsache, dass der Kläger mit der Pflegebedürftigen verheiratet ist, dürfen ihm also keine Nachteile erwachsen. Insbesondere hat der Beklagte den Kläger nicht auf die Vorteile des etwaigen Getrenntlebens von Eheleuten im Rechtssinne hinzuweisen. Das erkennende Gericht sieht sich zu diesen Bemerkungen veranlasst, heißt es doch im Widerspruchsbescheid des Beklagten insoweit missverständlich, dem Sozialamt seien keine Unterlagen vorgelegt worden, aus denen hervorgehe, dass sich der Kläger von seiner Ehefrau getrennt habe oder trennen wolle. Es ist schlicht nicht Aufgabe des Beklagten, entsprechende Hinweise oder Anmerkungen zu geben, zumal dann, wenn diese einer grundlegenden grundrechtlichen Wertentscheidung des Grundgesetzes entgegenlaufen oder zumindest entgegenlaufen zu scheinen.

2. Spätestens für die Zeit ab dem 01. Januar 2007 sind dem Beklagten für die Erhebung eines etwaigen Kostenbeitrags beim Kläger noch engere Grenzen gesetzt. Diese bestimmt § 92a SGB XII, der den Beklagten wohl dem Grunde als auch der Höhe nach eine Ermessenentscheidung auferlegt. Nach § 92a Abs. 1 SGB XII kann die Aufbringung der Mittel für die Leistungen in der Einrichtung nach dem Dritten (Hilfe zum Lebensunterhalt) und Vierten (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) Kapitel von einer Person, die Leistungen in einer stationären Einrichtung erhält, von dieser und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten aus dem gemeinsamen Einkommen verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/2711) ebenso wie nach der bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Oktober 2007, L 2 SO 4175/07 ER-B, JURIS, Rn. 13, zustimmend: Ruschmeier, Kostenbeitragsberechnung bei Einsatzgemeinschaften in der stationären Hilfe nach dem SGB XII - Divergenzen in der Umsetzung des § 92a SGB XII, ZfF, 2008, 265 (266); Lücking, in Hauck/Noftz, SGB XII, Kommentar, Loseblatt, 2008, § 92a Rn. 5) begrenzt Abs. 1 die Heranziehung zu den Kosten der erbrachten Leistungen auf die tatsächlich vorliegenden Einsparungen für den Lebensunterhalt, wenn eine Person in einer stationären Einrichtung lebt. Die Regelung stellt darüber hinaus ausdrücklich sicher, dass die Einkommensschonregelung auch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Anwendung findet. § 92a Abs. 2 SGB XII bestimmt ferner, dass, wenn - wie hier - eine Person auf voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf, die Aufbringung der Mittel über die häusliche Ersparnis des Abs. 1 hinaus in angemessenem Umfang verlangt werden soll. Insoweit hat der Gesetzgeber dem Sozialhilfeträger in Abs. 1 der genannten Bestimmung Ermessen eingeräumt, das unter den in Abs. 2 angeführten Voraussetzungen als sog. gebundenes Ermessen besteht, mithin die Aufbringung der Mittel durch den Hilfeempfänger zwar grundsätzlich erfolgen soll, jedoch in atypischen Fällen auch Abweichungen geboten sind (vgl. Brühl/Schoch, LPK-SGB XII, a.a.O., § 92a, Rn. 8 und 14).

Welche Beteiligung an den Kosten der Heimunterbringung angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Neben der Dauer der erforderlichen Aufwendungen sind die besonderen Belastungen des Leistungsberechtigten und nach Abs. 3 der Vorschrift auch die bisherige Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen (Ehe-)Partners sowie der im Haushalt lebenden unverheirateten Kinder zu berücksichtigen; insoweit handelt es sich um eine Spezialnorm, etwa auch im Verhältnis zu § 19 Abs. 1 und 2 SGB XII. Welcher Selbstbehalt dem im Haushalt verbliebenen (Ehe-)Partner zu belassen ist, richtet sich ebenfalls nach den Gegebenheiten des Einzelfalles, wobei dem Betroffenen nach dem Willen des Gesetzgebers (a. a. O.) ein angemessener Betrag deutlich oberhalb des sozialhilferechtlich notwendigen Lebensunterhalts verbleiben soll. Bei der Prüfung der Frage des Selbstbehalts des im Haushalt verbliebenen (Ehe-)Partners ist dem Sozialhilfeträger vom Gesetzgeber - wie bereits wiederholt ausgeführt - weiterhin Ermessen eingeräumt worden, was die Träger der Sozialhilfe in die Lage versetzen soll, die frühere Praxis nach dem BSHG fortzuführen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, a. a. O.; Bundestags-Drucksache, a. a. O.; Ruschmeier, a. a. O.).

Aus den vorliegend angefochtenen Bescheiden ist indes - wie bereits unter 1.- ausgeführt - in keiner Weise zu erkennen, ob und wie der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen ausgeübt hat. Die dort vorgenommene Anrechnung des verfügbaren Einkommens des alten und gehbehinderten Klägers ohne Berücksichtigung insbesondere der PKW-Vollkosten spricht vielmehr - ebenso wie der bereits diskutierte Wortlaut der angefochtenen Bescheide - dafür, dass sich die Beklagte des ihr eingeräumten Ermessens gar nicht bewusst gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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