L 8 U 216/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 302/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 216/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin wegen der Folgen eines als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 30.12.2005 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. zusteht.

Die 1951 geborene Klägerin war am 30.12.2005 als Fahrerin ihres Kleinwagens Typ L. Y10 unterwegs zu ihrer Arbeitsstelle, als ihr während des Haltens an einer roten Verkehrsampel ein anderes Fahrzeug auf das Heck ihres PKW auffuhr. Die Unfallbeteiligten besprachen ohne die Polizei zu benachrichtigen am Unfallort die Schadensabwicklung zu Lasten der Unfallgegnerin der Klägerin. Die Klägerin setzte danach mit dem beschädigten PKW ihren Weg zum Arbeitsplatz fort und verrichtete von 12:15 Uhr bis 16:45 Uhr ihre Arbeit in der Telefonzentrale einer Sparkasse. Ab Montag dem 02.01.2006 bescheinigte der Orthopäde Dr. H. wegen Kopfschmerzen und Nackenverspannungen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis 14.01.2006. Bis Ende Januar 2006 hatte die Klägerin Urlaub und nahm danach ihre Arbeit wieder auf.

Am 01.02.2006 suchte die Klägerin Dr. H. auf, der als Folge des Unfalls eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) diagnostizierte und die Klägerin als arbeitsfähig beurteilte (H-Arzt-Bericht von Dr. H. vom 01.02.2006). In der Folge war die Klägerin wegen zunehmend progressiv verlaufender schwerer Angstzustände in Behandlung bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. H.-R. B., der die von der Klägerin geklagten Angstzustände, Schwindelerscheinungen, Schlafstörungen und Panikattacken als eine posttraumatische Belastungsreaktion diagnostizierte (Berichte von Dr. Dr. H.-R. B. an die Beklagte vom 03.02., 24.03., 12.04. und 06.07.2006).

Die Beklagte veranlasste die gutachtliche Untersuchung der Klägerin durch Neurologe/Psychiater Dr. O ... Dr. O. stützte seine gutachtliche Stellungnahme vom 24.08.2006 auf den psychologischen Befund des Diplom-Psychologen N. vom 13.08.2006. Nach seiner Beurteilung habe es sich bei dem Auffahrunfall am 30.12.2005 um ein Ereignis von geringem Schweregrad gehandelt. Der Schaden am Kleinwagen der Klägerin sei gering gewesen. Die Klägerin sei auch nach dem Unfall in der Lage gewesen, den Schaden anzuschauen und mit dem Unfallgegner die Daten auszutauschen, die Zuziehung der Polizei habe man für nicht notwendig erachtet. Anschließend sei sie in der Lage gewesen, an ihrem Arbeitsplatz regulär vier Stunden zu arbeiten. Auf Grund der Geringfügigkeit des Traumas, das in der Folgezeit ohne neurologische Ausfallerscheinungen geblieben sei, und der fehlenden Traumakriterien im Sinne einer posttraumatische Belastungsstörung, seien psychische Folgen des Unfalls nicht anzuerkennen, insbesondere liege keine posttraumatische Belastungsstörung vor. Die psychische Gesundheitsstörungen im Sinne einer Angststörung sei mit Wahrscheinlichkeit überwiegend bedingt durch die psychosoziale Situation und dem von der Klägerin geschilderten enormen Stress und der Angst vermittelnden Situation am Arbeitsplatz. Ein unfallvorbestehender Tinnitus sei durch den Bagatellunfall nicht wesentlich beeinflusst worden. Die Klägerin sei weit überwiegend durch unfallunabhängige Gesundheitsstörungen auf psychischem Gebiet sowie durch den Tinnitus beeinträchtigt.

Mit Bescheid vom 14.03.2007 stellte die Beklagte den Unfall vom 30.12.2005 als Arbeitsunfall fest und lehnte die Gewährung einer Rente ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2007 zurück.

Am 18.01.2008 erhob die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe, das Dr. H. (Aussage vom 28.02.2008), HNO-Arzt Dr. W. (Aussage vom 28.02.2008), Dr. Dr. H.-R. B. (Aussage vom 05.03.2008) und Dr. Dr. N. B. (Aussage vom 26.03.2008) schriftlich als sachverständige Zeugen hörte. In dem von Amts wegen eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 13.06.2008 verneinte der Sachverständige Dr. N. eine posttraumatische Belastungreaktion, weil das krankheitsspezifische unwillkürlich Wiedererinnern, Albträume mit spezifischen Trauminhalten und ein spezifisches Vermeidungsverhalten bei der Klägerin nicht vorliege. Die Klägerin habe bereits vor dem Unfall unter einer vermehrten psychovegetativen Labilität gelitten, weshalb von einer spezifischen Persönlichkeitsstruktur auszugehen sei. Die aktuellen psychopathologische Befunde entsprechen einer Angststörung mit phobischen Elementen, wobei sich letztere auf soziale Situationen beziehe. Die Klägerin habe immer wieder geschildert, dass sie in Stresssituationen vermehrt Angst, Nervosität und Zittern verspüre, was sich bei Arbeitsbelastung, wenn sie telefonieren müsse, in besonderem Maße ausdrücke. Die diagnostizierte Angststörung, ein chronifizierter Tinnitus und ein Kopfschmerz vom Spannungstyp seien nicht wahrscheinlich auf den Unfall zurückzuführen. Dass der Unfall bei vorhandener psychischer Vulnerabilität als Auslöser gewirkt habe, sei nicht auszuschließen. Dass sich die Angststörung aber ohne den Unfall zur selben Zeit im gleichen Ausmaß entwickelt hätte, sei eher zu verneinen. Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. O. vom 17.10.2008 vor, der nach dem Gutachten von Dr. N. davon ausging, dass eine unfallunabhängige Angsterkrankungen mit diffuser Angstsymptomatik, eventuell moduliert durch den Einfluss des Tinnitus, vorliege. Dem Unfall komme insoweit eine mögliche, aber nicht wahrscheinliche Bedeutung in der Verschlimmerung dieser vorbestehenden Symptomatik zu.

Mit Urteil vom 18.12.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab und stützte sich in den Entscheidungsgründen auf das Gutachten von Dr. N., der die bei der Klägerin diagnostizierte Angststörung nicht auf den Unfall zurückgeführt, sondern als eigene Krankheitskategorie im Sinne einer anlagebedingte latenten Angststörung gewertet habe. Soweit er den Arbeitsunfall bei vorhandener Vulnerabilität als Auslöser bzw. anstoßender Faktor für die resultierende Angststörung nicht habe ausschließen können, halte er einen ursächlichen Zusammenhang lediglich für möglich nicht jedoch wie erforderlich für wahrscheinlich. Eine Zunahme des Ohrgeräusches nach dem Arbeitsunfall sei nicht nachgewiesen, denn nach Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. W. habe er die Klägerin nach dem 30.12.2005 erstmals wieder am 09.05.2006 behandelt. Eine entsprechende Beschwerdeverstärkung sei auch in den gutachtlichen Äußerungen des Dr. B. vom 03.02., 24.03. und 12.04.2006 zeitnah zum Unfallereignis nicht objektiviert. Die HWS-Prellung sei bei unauffälligem HWS-Befund nach Dr. H., Dr. O. und Dr. N. folgenlos ausgeheilt.

Gegen das der Klägerin am 13.01.2009 zugestellte Urteil hat sie am 14.01.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, entgegen den Ausführungen der Gutachter habe sie keinen arbeitsbedingten Stress gehabt, da ein ausgesprochen gutes Betriebsklima herrsche. Der Unfall sei auch nicht harmlos gewesen. Es habe einen massiven Energieschub auf die Grundstruktur des kleinen Fahrzeuges gegeben, wie die nachfolgende technische Untersuchung ergeben habe. Sie habe wie in Trance die Unfallaufnahme abgewickelt und anschließend nur pro forma am Arbeitsplatz weiter gearbeitet, praktisch sei sie nicht in der Lage gewesen, konzentrierte Arbeitsleistungen zu erbringen. Von den Gutachtern sei offensichtlich ein Fragenkatalog abgearbeitet worden, der Besonderheiten nicht berücksichtigt habe. Sie habe nur auf entsprechende Fragen geantwortet, dass sie nach dem Unfall weitergefahren sei und gearbeitet habe. Die von den Gutachtern herangezogenen Kriterien eines katastrophalen Erlebnisses für die Diagnose einer posttraumatische Belastungsstörung sei auf den Normalfall eines gesunden Menschen angelegt. Nicht berücksichtigt sei, wie eine gesundheitlich vorveranlagte Persönlichkeit auf einen derartigen Unfall reagiere. Tatsächlich sei sie unmittelbar nach dem Unfall auch zunächst wild schreiend und panikartig um das Auto herumgelaufen und habe sich erst beruhigt, als die Unfallgegnerin ihr volles Verschulden eingeräumt habe. Vor dem Unfall habe lediglich eine leichte gesundheitliche Beeinträchtigung bestanden. Nach dem Unfall habe das Landratsamt Rastatt rückwirkend einen GdB 50 ab dem 21.06.2006 zugesprochen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.12.2008 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 19.12.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfall vom 30.12.2005 Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin jetzt geschilderten Ausmaßes des Unfalls die diagnostischen Kriterien einer posttraumatische Belastungsstörung weiter nicht vorlägen. Auch die sonstigen Kriterien einer posttraumatische Belastungsstörung hätten zu keiner Zeit vorgelegen, und hätten bei einer Persönlichkeit, wie sich die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung selbst als ängstlich vorveranlagt beschreibt, erst recht und in stärkerem Ausmaß gegeben sein müssen.

Mit richterlicher Verfügung vom 16.04.2009 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte des Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin geltend gemachten gesundheitliche Beeinträchtigungen sind nicht wesentlich durch den anerkannten Versicherungsfall verursacht. Der Senat verweist nach eigener Prüfung insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG). Hinsichtlich des Berufungsvorbringen ist noch ergänzend folgendes auszuführen:

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Anders als bei der abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise nach der Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 45, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung die Grundsätze herausgearbeitet, dass es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallge¬staltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. mH auf BSG SozR Nr 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr 3c).

Auch zur Überzeugung des Senats liegt keine posttraumatische Belastungsstörung vor. Diese Erkrankung, deren Unfallzusammenhang sich ohne weiteres aus der Diagnose ergeben würde, haben die sich gutachtlich äußernden Ärzte Dr. O. und Dr. N. nachvollziehbar verneint. Der zu keinerlei schweren Körperverletzungen führende Auffahrunfall ist kein außergewöhnlich belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder von katastrophenartigem Ausmaß, wie dies in den internationalen Diagnoseschlüsseln ICD-10 bzw. vergleichbar in DSM-IV gefordert ist. Selbst der nachgeschobene Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren ergibt kein damit vergleichbares belastendes Ereignis, das mit Todesgefahr oder sonstiger außergewöhnlicher Bedrohung für Leib oder Leben verbunden wäre. Außerdem liegen auch nach der psychiatrischen und psychologischen Untersuchung die genannten Diagnosekriterien des Wiedererinnerns, der spezifischen Albträume und des spezifischen Vermeidungsverhaltens nicht vor. Der Einwand der Klägerin, bei psychisch anfälligen Personen müssten andere Maßstäbe gelten, verkennt, dass die Diagnosekriterien eines bestimmten Krankheitsbildes der genannten internationalen Diagnoseschlüsseln auf empirischer Grundlage beruhen und insoweit auch eine differenzialdiagnostische Zuordnung nach diesen Diagnosemanuals möglich ist. Danach hat Dr. N. auch unter Verneinung einer posttraumatischen Belastungsstörung eine Angststörung nach ICD-10 F 41.3 diagnostiziert.

Diese Angststörung mit phobischen Elementen auf dem Boden einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstruktur (ICD-10 F 41.3) ist unter Berücksichtigung der ärztlichen Ausführungen nach der vom Gericht anzustellenden rechtlich-wertenden Betrachtung nicht wesentlich kausal durch das Unfallereignis verursacht oder verschlimmert worden. Im Kern unbestritten ist, dass die Klägerin nach ihrer Persönlichkeitsstruktur bereits vor dem Unfallereignis ängstlich und stressanfällig gewesen ist. Bei der Untersuchung durch Dr. N. hat sie angegeben, bereits früher nie gerne "unter die Leute gegangen" zu sein, so wie sie auch heute Stresssituationen und auch Menschenansammlungen vermeide. Nach Auskunft des gehörten Hausarztes bestanden vor dem Unfall bereits psychovegetative Labilität mit Neigung zu Ängsten. Dementsprechend hat Dr. N. in Übereinstimmung mit Dr. O. ausgeführt, dass im Hinblick auf die anlagebedingten psychischen Veränderungen vor dem Unfall mehr gegen den ursächlichen Zusammenhang des Unfalls mit der Angststörung als für den Zusammenhang spricht. Dass der Unfall im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang eine psychisch auffällige Einwirkung hat erkennen lassen bzw. die Klägerin psychisch auffällig auf dem Unfall reagiert hat, hält der Senat für nicht glaubhaft. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch noch im gerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht und bei der Untersuchung durch Dr. N. hatte die Klägerin auf ausdrückliches Nachfragen weder eine psychische Überreaktion am Unfallort noch eine deutliche Leistungsbeeinträchtigung am Unfalltag am Arbeitsplatz angegeben, wie sie dies jetzt erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen hat. Vielmehr ergibt sich auch aus dem von Dr. N. anlässlich seiner Untersuchung erfragten Krankheitsverlauf, dass erst am Unfalltag abends Nackenschmerzen aufgetreten sind, die aber noch erträglich gewesen waren. Am Silvesterabend sind dann nach ihren eigenen Angaben während des Fernsehens zunehmend Ohrgeräusche hinzukommen, bis sie dann am 02.01.2006 zum Orthopäden Dr. H. gegangen ist, bei dem aber nach seinem H-Arzt-Bericht auch am 01.02.2006 nur somatische Beschwerden geltend gemacht wurden. Sowohl nach ihren Angaben bei Dr. O. im August 2006 und bei der Untersuchung durch Dr. N. hat die Klägerin angegeben, dass erst in der "Folgezeit" psychische Probleme aufgetreten sind. Dies deckt sich mit dem von Dr. Dr. H.-B. B. im Bericht vom 03.02.2006 geschilderten Krankheitsverlauf insoweit, als die anfänglichen Angstzustände "zunehmend progressiv" verlaufen sind, bei nichtigen Anlässen auftraten und die Klägerin dann noch an den Unfall habe denken müssen. Bei Dr. N. hat sie angegeben, vergleichbare Angstzustände mit vegetativer Beeinträchtigung bereits früher erlebt zu haben, weshalb sie anfänglich auch gedacht habe, "dies gehe wieder weg". Nach ihren ausführlichen Angaben bei Dr. O. im August 2006 wurden die psychischen Beschwerden fast ausschließlich auf die Verhältnisse am Arbeitsplatz bezogen, da der ständig vorhandene - aber nicht unfallbedingt verschlimmerte - Tinnitus zu Konzentrations- und Aufmerksamkeitsproblemen führe und sie daher im Beruf erheblich belaste. Außerdem habe sie Angst um den Arbeitsplatz und sei in ständiger Sorge, wegrationalisiert zu werden. Im psychologischen Zusatzgutachten des Diplom-Psychologe N. ist ausdrücklich vermerkt, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Untersuchung auf Anfrage angegeben hatte, nur noch selten an den Unfall zu denken, Angstzustände treten erst bei Stress am Arbeitsplatz auf. Eine Verbindung ihrer Angstzustände mit unfallbedingten Leistungsstörungen, die zum Verlust des Arbeitsplatzes führen, hat die Klägerin entgegen ihrem Berufungsvorbringens danach selbst nicht hergestellt. Nach Dr. N. war der anfängliche Bezug auf den Unfall eine normale Reaktion des Erinnerns an ein belastendes Ereignis. Soweit Dr. N. den Unfall als Auslöser für die Angstsymptomatik nicht ausschließen konnte, mag eine Kausalität im obengenannten naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne unterstellt werden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die von Dr. N. als unspezifische Angst beschriebene Erkrankung im deutlichen zeitlichen Abstand zum Unfallereignis in diesem Ausmaß aufgetreten ist und nach den zuerst gemachten Angaben der Klägerin, die in der Regel noch wenig von prozesstaktischen Überlegungen geleitet sind, die Angstsymptomatik mit vegetativen Beschwerden fast ausschließlich auf beruflichen Stress zurückgeführt wurde, tritt das Unfallereignis jedoch gegenüber der anlagebedingten psychischen vulnerablen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin nach wertender Betrachtung des Senats vollkommen in den Hintergrund. Überragende Bedeutung für das Auftreten der Angststörung und ihrer Persistenz kommt der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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