Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 5 KA 2260/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 67/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 85.200,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten wegen Berufsunfähigkeit.
Nach der hier maßgeblichen - in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2006 geltenden - Fassung der Grundsätze der EHV (GEHV - Hessisches Ärzteblatt, Oktober 2001) nimmt jedes ärztliche Mitglied der Beklagten, soweit es rechtskräftig zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen wurde und sein Honorar mit der Beklagten regelmäßig abrechnet (aktiver Vertragsarzt), auch im Falle der Anerkennung seiner Berufsunfähigkeit und nach Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung (inaktiver Vertragsarzt) weiterhin an der (allgemeinen) Honorarverteilung im Rahmen der Bestimmungen der GEHV teil (§ 1 Abs. 1 S. 1 GEHV). Die Unfähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes im Sinne der EHV liegt dann vor, wenn dem betreffenden Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit, sei es z. B. als angestellter Arzt oder in einem anderen Fachgebiet - gegebenenfalls auch nach einer Umschulungsfrist - nicht zugemutet werden kann. Die Berufsunfähigkeit wird in der Regel durch zwei unabhängige Begutachtungen beurteilt. Die Gutachter sollen Mitglieder der KVH sein; sie werden vom Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle benannt. Der Geschäftsausschuss kann im Einzelfall beschließen, dass auch Nichtmitglieder der KVH die Begutachtung durchführen können. Der antragstellende Arzt kann für die Erstbegutachtung von mehreren ihm vom Geschäftsausschuss der Bezirksstelle benannten Gutachtern einen Gutachter seiner Wahl bestimmen. Der Geschäftsausschuss der Bezirksstelle oder der Vorstand der KVH können ein Obergutachten einholen (§ 2 Abs. 1 Buchstabe c S. 1, 3 bis 6 GEHV).
Der 1946 geborene Kläger nahm ab 1. April 1976 als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin zuletzt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Ablauf des 30. Juni 2003 beendete er seine vertragsärztliche Tätigkeit und beantragte unter gleichem Datum bei der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit nach den GEHV. Mit Rentenbescheid vom 1. September 2003 bewilligte die Ärzteversorgung LW. auf seinen Antrag vom 18. Juli 2003 aufgrund der von ihm vorgelegten ärztlichen Befundberichte mit Wirkung ab 1. August 2003 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.764,42 EUR. Außerdem bezieht der Kläger seit 1. August 2003 Leistungen wegen Berufsunfähigkeit aus seiner privaten Versicherung.
Die Versorgungsverwaltung stellte beim Kläger mit Bescheid vom 5. September 2003 den Grad der Behinderung mit 80 fest.
Die Beklagte holte bei dem vom Kläger ausgewählten Psychiater B. ein ärztliches Gutachten zur Frage der Berufsunfähigkeit vom 30. September 2003 ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung folgende Diagnosen:
Endoreaktive Depression mit Angst, Somatisierungstendenz und Erschöpfungssymptomatik, lumbales Wurzelreizsyndrom mit rezidivierender Ischialgie bei degenerativem LWS-Syndrom Gonarthrose beidseits arterielle Hypertonie.
Es sei zu einer erheblichen Erschöpfungssymptomatik gekommen, die Belastbarkeit sei eingeschränkt, die Umstellungsfähigkeit gemindert. Außerdem bestünden Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit. Bisherige Behandlungsmaßnahmen mit antidepressiver Medikation und Psychotherapie hätten keine Befundbesserung erbracht, es sei von einer Chronifizierung auszugehen. Der Kläger sei damit außer Stande, seine bisherige Tätigkeit als Allgemeinmediziner oder auch eine sonstige ärztliche Tätigkeit, z. B. als Gutachter, auch nach einer entsprechenden Schulung, auszuüben, weil ihm hierfür die notwendige Umstellungsfähigkeit und Belastbarkeit fehle. Aus nervenärztlicher Sicht sei daher - ohne Aussicht auf Besserung - Berufsunfähigkeit für jedwede ärztliche Tätigkeit gegeben. Der Kläger sei daher "voll berufsunfähig" im Sinne der EHV und der Versorgungsordnung des Versorgungswerkes.
Die Beklagte holte hierauf ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von der Gutachterin ihrer Wahl Dr. SX. vom 8. Januar 2004 ein, die ebenfalls nach ambulanter Untersuchung folgende Diagnosen stellte:
Zustand nach reaktiver Depression kompensierte arterielle Hypertonie.
Die depressive Verstimmung des Klägers hätte "offenbar viel mit den gesundheitsreform-politischen Bemühungen zu tun", die ihn zunehmend belastet hätten. Vor diesem Hintergrund sei auch zu verstehen, dass sich die depressive Verstimmung nach Aufgabe der Praxis "offenbar rasch gebessert" habe. Derzeit nehme er das Antidepressivum Remergil in einer mittleren Dosierung ein. Außerdem habe er angegeben, sich einer Psychotherapie unterzogen zu haben, wofür ihm aber keine Rechnung gestellt worden sei. "Somit" sei davon auszugehen, dass es sich nicht um eine Therapie "im engeren Sinne" gehandelt haben könne. Die im Gutachten B. festgestellte hirnorganische Leistungsminderung, die auch von der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T. in verschiedenen Berichten beschrieben worden sei, könne nicht nachvollzogen werden. Aus neurologischer-psychiatrischer Sicht sei keine Berufsunfähigkeit des Klägers gegeben. Er könne sowohl als selbstständiger Arzt in eigener Praxis als auch als angestellter Arzt oder als Gutachter tätig sein. Eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sei nicht festzustellen.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2004 lehnte die Beklagte hierauf den Antrag des Klägers ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch - ohne Einholung eines Obergutachtens - mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2004 zurück.
Gegen den ihm am 17. November 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 23. November 2004 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Das Sozialgericht hat über die Berufsunfähigkeit des Klägers im Sinne der Bestimmungen der GEHV Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Gutachtens von der Sachverständigen Dr. VM. vom 27. März 2007, die nach ambulanter und testdiagnostischer Untersuchung (letztere durch den psychologischen Psychotherapeuten N.) auf ihrem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt hat:
Dysthymia mit spätem Beginn und leichten depressiven Episoden Zustand nach einem chronischen Erschöpfungssyndrom.
Bei der Dysthymia handele es sich um eine chronische depressive Verstimmung. Die Verteilung zwischen den einzelnen Episoden leichter Depression und dazwischen liegenden Perioden vergleichsweiser Normalität sei sehr unterschiedlich. Meistens fühlten sich Betroffene - oft monatelang - müde und depressiv, alles sei für sie eine Anstrengung und nichts werde genossen. Sie grübelten und beklagten sich, schliefen schlecht und fühlten sich unzulänglich, seien aber in der Regel fähig, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden. Wesentliches Kennzeichen sei die langdauernde, depressive Verstimmung. Sie beginne gewöhnlich früh im Erwachsenenleben und dauere mindestens mehrere Jahre, manchmal lebenslang. Im höheren Lebensalter trete die Störung häufig nach einer abgrenzbaren depressiven Episode, nach einem Trauerfall oder einer anderen offensichtlichen Belastung auf. Eine Tätigkeit als frei praktizierender Hausarzt könne der Kläger nicht mehr ausüben. Im Falle des Wiedereintritts in dieses Berufsleben werde sich der psychische Zustand des Klägers rasch verschlechtern. Eine Tätigkeit als Arzt in einem Krankenhaus sei selbstredend ausgeschlossen. Für andere ärztliche Tätigkeiten, die gegebenenfalls nach Umschulung oder anderen Qualifizierungsmaßnahmen auszuüben seien, komme der Kläger ebenfalls nicht mehr in Betracht, weil bei ihm u. a. testdiagnostisch festgestellte Konzentrationsstörungen und Unsicherheiten beim Ausüben komplexerer Tätigkeiten (z. B. Autofahren) bestünden, deren Ursache in der seelischen Erkrankung lägen oder die auch Symptome eines hirnorganischen Prozesses sein könnten. Eine wesentliche Besserung sei nicht zu erwarten sondern sogar eher eine Verschlechterung mit fortschreitendem Alter. Hierbei sei zu bedenken, dass sich der Kläger bereits im 61. Lebensjahr befinde und möglicherweise am Ende einer Qualifizierungsmaßnahme das Rentenalter erreicht habe. Auch sei es erfahrungsgemäß eher unwahrscheinlich, dass der Kläger zweieinhalb Jahre nach Ausscheiden aus dem Berufsleben wieder in seinem Beruf Fuß fassen könne, zumal er mit einem Antriebsmangel behaftet sei.
Nach den vorliegenden ärztlichen Befundberichten und unter Berücksichtigung der Entwicklung des Klägers sei davon auszugehen, dass die beschriebene Leistungsminderung schon vor dem 1. Juli 2003 bestanden habe. Eine entscheidende Besserung des berufsbezogenen Leistungsvermögens sei nicht zu erwarten.
Mit Urteil vom 4. Juli 2007 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Ablehnungsbescheides verurteilt, dem Kläger Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung für die Zeit ab dem 1. Juli 2003 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei berufsunfähig im Sinne der GEHV. Auch wenn es sich bei der EHV um keine Vollversicherung gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit handle, solle sie als Teilversicherung jedenfalls dann voll eingreifen, wenn Berufsunfähigkeit des Arztes eingetreten sei. Dies sei nach der satzungsgemäßen Definition der Fall, wenn dem Arzt eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne. Hierfür sei nicht erforderlich, dass er überhaupt nicht mehr, auch nicht in geringem oder geringstem Umfang, ärztlich tätig sein könne. Ein solches Erfordernis sei aus dem dargelegten begrenzten Zweck der EHV nicht abzuleiten, denn dieser führe lediglich zu einer geringeren Leistungshöhe. Im Ergebnis bestehe kein Unterschied zum berufständischen ärztlichen Versorgungsrecht, in dem Berufsunfähigkeit dann anzunehmen sei, wenn der Arzt aus einer ärztlichen Tätigkeit kein existenzsicherndes Einkommen erzielen könne. Berufsunfähigkeit liege auch dann vor, wenn ein Arzt nur noch in Teilzeit eine ärztliche Tätigkeit ausüben könne, der Arbeitsmarkt für eine solche Teilzeittätigkeit aber praktisch verschlossen sei.
Im Übrigen sei den Feststellungen der Sachverständigen Dr. VM. in ihrem psychiatrischen Gutachten zu folgen, die in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Psychiaters B. sowie den vorliegenden fachärztlichen Befundberichten zu dem Ergebnis gekommen sei, dass dem Kläger weder seine frühere Tätigkeit als niedergelassener Arzt noch eine andere ärztliche Tätigkeit zumutbar sei und dieser Zustand auch schon vor dem 1. Juli 2003 bestanden habe.
Gegen das ihr am 12. September 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. Oktober 2007 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Das Sozialgericht gehe von fehlerhaften rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Berufsunfähigkeit aus. Berufsunfähigkeit liege nur vor, wenn dem Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände jegliche irgendwie geartete fortlaufende Tätigkeit, die eine ärztliche Vorbildung ganz oder teilweise zur Voraussetzung hat, unmöglich sei. Bei nur teilweiser Berufsunfähigkeit komme keine Rentengewährung in Betracht. Außerdem habe das Sozialgericht unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung ermitteln müssen, mit welchem zeitlichen Aufwand ein Arzt ein existenzsicherndes Einkommen erzielen könne. Die Sachverständige habe in ihrem Gutachten nicht dargelegt, welche äußeren Faktoren im Falle einer Angestelltentätigkeit - differenziert nach Tätigkeitsbereichen - diese ganz oder teilweise ausschlössen. Gleiches gelte für die Tätigkeit als Gutachter oder Prüfarzt. Auch komme es nicht darauf an, ob der Kläger eine realistische Aussicht auf tatsächliche Ausübung einer noch möglichen ärztlichen Tätigkeit habe, weil er als Vertragsarzt und damit als Unternehmer den Gesetzen des Marktes unterworfen gewesen sei und daher nicht nur deshalb Leistungen der EHV beanspruchen könne, weil der Markt seine ärztlichen Leistungen nicht in Anspruch nehme. Das Risiko einer fehlenden Nachfrage ärztlicher Leistungen müsse der Kläger selbst tragen.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind zu der Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zurückzuweisen, angehört worden. Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zuvor angehört worden (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung ist sachlich unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht mit dem angegriffenen Urteil die Beklagte zur Gewährung von Leistungen aus der EHV ab 1. Juli 2003 verurteilt, weil die Voraussetzungen hierfür wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit gemäß §§ 2, 3 GEHV noch vor dem 1. Juli 2003 erfüllt waren und auch weiter erfüllt sind. Insbesondere ist der Kläger seit dieser Zeit ohne Aussicht auf wesentliche Besserung unfähig zur Ausübung des ärztlichen Berufes im Sinne des § 2 Abs. 1 Buchstabe c GEHV. Danach liegt die Unfähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes dann vor, wenn dem betreffenden Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit, sei es z. B. als angestellter Arzt oder in einem anderen Fachgebiet - gegebenenfalls auch nach einer Umschulungsfrist - nicht zugemutet werden kann. Von dieser satzungsgemäßen Definition der Berufsunfähigkeit im Sinne der EHV ist das Sozialgericht bei der Formulierung seiner Beweisfragen an die Sachverständige Dr. VM. zutreffend ausgegangen. Zur Überzeugung des Senats ist durch das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des Akteninhalts, insbesondere der bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und Befundberichte, nachgewiesen, dass dem Kläger schon seit der Zeit vor dem 1. Juli 2003 die Ausübung jeglicher ärztlichen Tätigkeit - aus gesundheitlichen Gründen und unter Berücksichtigung seines Alters - nicht mehr zumutbar ist. Dies folgt zum einen bereits aus dem psychiatrischen Gutachten des vom Kläger benannten Gutachters B. vom 30. September 2003, das in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar aufgrund ambulanter Untersuchung erstellt worden ist und im Übrigen auch im Einklang mit dem Ergebnis der Bewertung der ärztlichen Befunde durch die Ärzteversorgung LW. steht, die dem Kläger aufgrund identischer ärztlicher Befundberichte Versorgung wegen Berufsunfähigkeit ab 1. August 2003 gewährt hat. Die Sachverständige Dr. VM. hat dieses Ergebnis aufgrund ambulanter Untersuchung in ihrem Gutachten vom 27. März 2007 unter Einbeziehung einer testpsychologischen Untersuchung nachvollziehbar und überzeugend bestätigt. Nach ihren Ausführungen besteht beim Kläger eine testdiagnostisch festgestellte Konzentrationsstörung und Unsicherheit beim Ausüben komplexerer Tätigkeiten (z. B. Autofahren), die einer Umschulung oder sonstigen Qualifizierung in einem anderen ärztlichen Tätigkeitsbereich auch unter Berücksichtigung des durch die psychische Erkrankung bedingten Antriebsmangels entgegensteht. Damit ist offenkundig auch eine Tätigkeit als angestellter Arzt, Prüfarzt oder ärztlicher Gutachter, bei denen es sich unzweifelhaft um noch komplexere Tätigkeiten als das Führen eines Kraftfahrzeugs handelt, aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen. Um zu dieser Feststellung zu gelangen, bedarf es entgegen der Auffassung der Beklagten keiner ins Einzelne gehenden Beschäftigung mit den Tätigkeitsanforderungen des ärztlichen Berufs, die der Sachverständigen Dr. VM. als Leitender Abteilungsärztin einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und langjähriger Gerichtsgutachterin bestens bekannt sind. Der Senat hat daher keine Zweifel gerade auch an der besonderen Sachkunde der Sachverständigen hinsichtlich der Anforderungen an das Berufsbild eines Arztes in allen Tätigkeitsbereichen. Das anderslautende Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. SX. leidet an gravierenden Mängeln, weshalb sich der Senat diesem Gutachten nicht anschließen kann. Soweit Dr. SX. keine hirnorganische Leistungsminderung oder eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit feststellen konnte, stehen dem nicht nur sämtliche fachärztlichen Befundberichte sondern insbesondere auch die Ergebnisse der von der Sachverständigen Dr. VM. veranlassten testpsychologischen Untersuchung entgegen. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat außerdem die von Dr. SX. angenommene rasche Besserung der Depression des Klägers, obgleich dieser auch weiterhin das Antidepressivum Remergil in einer mittleren Dosierung einnahm. Ferner ist nicht nachvollziehbar, weshalb es sich bei der vom Kläger in Anspruch genommenen Psychotherapie nicht um eine "Therapie im engeren Sinne" gehandelt haben soll, nur weil ihm hierfür keine Rechnung geschickt worden sein soll. Nach allem schließt sich der Senat den Feststellungen der unabhängigen Sachverständigen Dr. VM. sowie des Gutachters B. in vollem Umfang an, wonach der Kläger schon seit der Zeit vor dem 1. Juli 2003 "voll berufsunfähig" im Sinne der EHV ist.
Auf die Frage, ob die Bestimmungen der GEHV in Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts zu den Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit dahingehend auszulegen sind, dass auch bei teilweiser Berufsunfähigkeit unter vollständiger Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit eine Teilnahme an der EHV in Betracht kommt, wenn der Arzt keine Chance zur Erlangung einer entsprechenden Tätigkeit hat (so schon Sozialgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24. Oktober 2001, Az.: S 5 KA 3182/98, bestätigt durch rechtskräftiges Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. November 2002, Az.: L 7 KA 1443/01) kommt es an dieser Stelle nicht an, weshalb hierauf auch nicht weiter einzugehen ist. Ebenso kann hier dahingestellt bleiben, welche "sonstigen Umstände" i.S.d. § 2 Abs. 1 Buchstabe c GEHV zur Unzumutbarkeit einer ärztlichen Tätigkeit außer den hier maßgeblichen der Gesundheit und des Alters führen können, wobei jedenfalls der unbestimmte Rechtsbegriff der "Zumutbarkeit" offenbar nicht mit dem Begriff der "Unmöglichkeit", auf den die Beklagte abstellt, identisch ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 42 Abs. 3, 47, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der Senat vom dreijährigen Bezug der streitigen Leistungen aus der EHV ausgegangen ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 85.200,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten wegen Berufsunfähigkeit.
Nach der hier maßgeblichen - in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2006 geltenden - Fassung der Grundsätze der EHV (GEHV - Hessisches Ärzteblatt, Oktober 2001) nimmt jedes ärztliche Mitglied der Beklagten, soweit es rechtskräftig zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen wurde und sein Honorar mit der Beklagten regelmäßig abrechnet (aktiver Vertragsarzt), auch im Falle der Anerkennung seiner Berufsunfähigkeit und nach Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung (inaktiver Vertragsarzt) weiterhin an der (allgemeinen) Honorarverteilung im Rahmen der Bestimmungen der GEHV teil (§ 1 Abs. 1 S. 1 GEHV). Die Unfähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes im Sinne der EHV liegt dann vor, wenn dem betreffenden Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit, sei es z. B. als angestellter Arzt oder in einem anderen Fachgebiet - gegebenenfalls auch nach einer Umschulungsfrist - nicht zugemutet werden kann. Die Berufsunfähigkeit wird in der Regel durch zwei unabhängige Begutachtungen beurteilt. Die Gutachter sollen Mitglieder der KVH sein; sie werden vom Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle benannt. Der Geschäftsausschuss kann im Einzelfall beschließen, dass auch Nichtmitglieder der KVH die Begutachtung durchführen können. Der antragstellende Arzt kann für die Erstbegutachtung von mehreren ihm vom Geschäftsausschuss der Bezirksstelle benannten Gutachtern einen Gutachter seiner Wahl bestimmen. Der Geschäftsausschuss der Bezirksstelle oder der Vorstand der KVH können ein Obergutachten einholen (§ 2 Abs. 1 Buchstabe c S. 1, 3 bis 6 GEHV).
Der 1946 geborene Kläger nahm ab 1. April 1976 als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin zuletzt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Ablauf des 30. Juni 2003 beendete er seine vertragsärztliche Tätigkeit und beantragte unter gleichem Datum bei der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit nach den GEHV. Mit Rentenbescheid vom 1. September 2003 bewilligte die Ärzteversorgung LW. auf seinen Antrag vom 18. Juli 2003 aufgrund der von ihm vorgelegten ärztlichen Befundberichte mit Wirkung ab 1. August 2003 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.764,42 EUR. Außerdem bezieht der Kläger seit 1. August 2003 Leistungen wegen Berufsunfähigkeit aus seiner privaten Versicherung.
Die Versorgungsverwaltung stellte beim Kläger mit Bescheid vom 5. September 2003 den Grad der Behinderung mit 80 fest.
Die Beklagte holte bei dem vom Kläger ausgewählten Psychiater B. ein ärztliches Gutachten zur Frage der Berufsunfähigkeit vom 30. September 2003 ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung folgende Diagnosen:
Endoreaktive Depression mit Angst, Somatisierungstendenz und Erschöpfungssymptomatik, lumbales Wurzelreizsyndrom mit rezidivierender Ischialgie bei degenerativem LWS-Syndrom Gonarthrose beidseits arterielle Hypertonie.
Es sei zu einer erheblichen Erschöpfungssymptomatik gekommen, die Belastbarkeit sei eingeschränkt, die Umstellungsfähigkeit gemindert. Außerdem bestünden Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit. Bisherige Behandlungsmaßnahmen mit antidepressiver Medikation und Psychotherapie hätten keine Befundbesserung erbracht, es sei von einer Chronifizierung auszugehen. Der Kläger sei damit außer Stande, seine bisherige Tätigkeit als Allgemeinmediziner oder auch eine sonstige ärztliche Tätigkeit, z. B. als Gutachter, auch nach einer entsprechenden Schulung, auszuüben, weil ihm hierfür die notwendige Umstellungsfähigkeit und Belastbarkeit fehle. Aus nervenärztlicher Sicht sei daher - ohne Aussicht auf Besserung - Berufsunfähigkeit für jedwede ärztliche Tätigkeit gegeben. Der Kläger sei daher "voll berufsunfähig" im Sinne der EHV und der Versorgungsordnung des Versorgungswerkes.
Die Beklagte holte hierauf ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von der Gutachterin ihrer Wahl Dr. SX. vom 8. Januar 2004 ein, die ebenfalls nach ambulanter Untersuchung folgende Diagnosen stellte:
Zustand nach reaktiver Depression kompensierte arterielle Hypertonie.
Die depressive Verstimmung des Klägers hätte "offenbar viel mit den gesundheitsreform-politischen Bemühungen zu tun", die ihn zunehmend belastet hätten. Vor diesem Hintergrund sei auch zu verstehen, dass sich die depressive Verstimmung nach Aufgabe der Praxis "offenbar rasch gebessert" habe. Derzeit nehme er das Antidepressivum Remergil in einer mittleren Dosierung ein. Außerdem habe er angegeben, sich einer Psychotherapie unterzogen zu haben, wofür ihm aber keine Rechnung gestellt worden sei. "Somit" sei davon auszugehen, dass es sich nicht um eine Therapie "im engeren Sinne" gehandelt haben könne. Die im Gutachten B. festgestellte hirnorganische Leistungsminderung, die auch von der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T. in verschiedenen Berichten beschrieben worden sei, könne nicht nachvollzogen werden. Aus neurologischer-psychiatrischer Sicht sei keine Berufsunfähigkeit des Klägers gegeben. Er könne sowohl als selbstständiger Arzt in eigener Praxis als auch als angestellter Arzt oder als Gutachter tätig sein. Eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sei nicht festzustellen.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2004 lehnte die Beklagte hierauf den Antrag des Klägers ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch - ohne Einholung eines Obergutachtens - mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2004 zurück.
Gegen den ihm am 17. November 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 23. November 2004 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Das Sozialgericht hat über die Berufsunfähigkeit des Klägers im Sinne der Bestimmungen der GEHV Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Gutachtens von der Sachverständigen Dr. VM. vom 27. März 2007, die nach ambulanter und testdiagnostischer Untersuchung (letztere durch den psychologischen Psychotherapeuten N.) auf ihrem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt hat:
Dysthymia mit spätem Beginn und leichten depressiven Episoden Zustand nach einem chronischen Erschöpfungssyndrom.
Bei der Dysthymia handele es sich um eine chronische depressive Verstimmung. Die Verteilung zwischen den einzelnen Episoden leichter Depression und dazwischen liegenden Perioden vergleichsweiser Normalität sei sehr unterschiedlich. Meistens fühlten sich Betroffene - oft monatelang - müde und depressiv, alles sei für sie eine Anstrengung und nichts werde genossen. Sie grübelten und beklagten sich, schliefen schlecht und fühlten sich unzulänglich, seien aber in der Regel fähig, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden. Wesentliches Kennzeichen sei die langdauernde, depressive Verstimmung. Sie beginne gewöhnlich früh im Erwachsenenleben und dauere mindestens mehrere Jahre, manchmal lebenslang. Im höheren Lebensalter trete die Störung häufig nach einer abgrenzbaren depressiven Episode, nach einem Trauerfall oder einer anderen offensichtlichen Belastung auf. Eine Tätigkeit als frei praktizierender Hausarzt könne der Kläger nicht mehr ausüben. Im Falle des Wiedereintritts in dieses Berufsleben werde sich der psychische Zustand des Klägers rasch verschlechtern. Eine Tätigkeit als Arzt in einem Krankenhaus sei selbstredend ausgeschlossen. Für andere ärztliche Tätigkeiten, die gegebenenfalls nach Umschulung oder anderen Qualifizierungsmaßnahmen auszuüben seien, komme der Kläger ebenfalls nicht mehr in Betracht, weil bei ihm u. a. testdiagnostisch festgestellte Konzentrationsstörungen und Unsicherheiten beim Ausüben komplexerer Tätigkeiten (z. B. Autofahren) bestünden, deren Ursache in der seelischen Erkrankung lägen oder die auch Symptome eines hirnorganischen Prozesses sein könnten. Eine wesentliche Besserung sei nicht zu erwarten sondern sogar eher eine Verschlechterung mit fortschreitendem Alter. Hierbei sei zu bedenken, dass sich der Kläger bereits im 61. Lebensjahr befinde und möglicherweise am Ende einer Qualifizierungsmaßnahme das Rentenalter erreicht habe. Auch sei es erfahrungsgemäß eher unwahrscheinlich, dass der Kläger zweieinhalb Jahre nach Ausscheiden aus dem Berufsleben wieder in seinem Beruf Fuß fassen könne, zumal er mit einem Antriebsmangel behaftet sei.
Nach den vorliegenden ärztlichen Befundberichten und unter Berücksichtigung der Entwicklung des Klägers sei davon auszugehen, dass die beschriebene Leistungsminderung schon vor dem 1. Juli 2003 bestanden habe. Eine entscheidende Besserung des berufsbezogenen Leistungsvermögens sei nicht zu erwarten.
Mit Urteil vom 4. Juli 2007 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Ablehnungsbescheides verurteilt, dem Kläger Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung für die Zeit ab dem 1. Juli 2003 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei berufsunfähig im Sinne der GEHV. Auch wenn es sich bei der EHV um keine Vollversicherung gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit handle, solle sie als Teilversicherung jedenfalls dann voll eingreifen, wenn Berufsunfähigkeit des Arztes eingetreten sei. Dies sei nach der satzungsgemäßen Definition der Fall, wenn dem Arzt eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne. Hierfür sei nicht erforderlich, dass er überhaupt nicht mehr, auch nicht in geringem oder geringstem Umfang, ärztlich tätig sein könne. Ein solches Erfordernis sei aus dem dargelegten begrenzten Zweck der EHV nicht abzuleiten, denn dieser führe lediglich zu einer geringeren Leistungshöhe. Im Ergebnis bestehe kein Unterschied zum berufständischen ärztlichen Versorgungsrecht, in dem Berufsunfähigkeit dann anzunehmen sei, wenn der Arzt aus einer ärztlichen Tätigkeit kein existenzsicherndes Einkommen erzielen könne. Berufsunfähigkeit liege auch dann vor, wenn ein Arzt nur noch in Teilzeit eine ärztliche Tätigkeit ausüben könne, der Arbeitsmarkt für eine solche Teilzeittätigkeit aber praktisch verschlossen sei.
Im Übrigen sei den Feststellungen der Sachverständigen Dr. VM. in ihrem psychiatrischen Gutachten zu folgen, die in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Psychiaters B. sowie den vorliegenden fachärztlichen Befundberichten zu dem Ergebnis gekommen sei, dass dem Kläger weder seine frühere Tätigkeit als niedergelassener Arzt noch eine andere ärztliche Tätigkeit zumutbar sei und dieser Zustand auch schon vor dem 1. Juli 2003 bestanden habe.
Gegen das ihr am 12. September 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. Oktober 2007 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Das Sozialgericht gehe von fehlerhaften rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Berufsunfähigkeit aus. Berufsunfähigkeit liege nur vor, wenn dem Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände jegliche irgendwie geartete fortlaufende Tätigkeit, die eine ärztliche Vorbildung ganz oder teilweise zur Voraussetzung hat, unmöglich sei. Bei nur teilweiser Berufsunfähigkeit komme keine Rentengewährung in Betracht. Außerdem habe das Sozialgericht unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung ermitteln müssen, mit welchem zeitlichen Aufwand ein Arzt ein existenzsicherndes Einkommen erzielen könne. Die Sachverständige habe in ihrem Gutachten nicht dargelegt, welche äußeren Faktoren im Falle einer Angestelltentätigkeit - differenziert nach Tätigkeitsbereichen - diese ganz oder teilweise ausschlössen. Gleiches gelte für die Tätigkeit als Gutachter oder Prüfarzt. Auch komme es nicht darauf an, ob der Kläger eine realistische Aussicht auf tatsächliche Ausübung einer noch möglichen ärztlichen Tätigkeit habe, weil er als Vertragsarzt und damit als Unternehmer den Gesetzen des Marktes unterworfen gewesen sei und daher nicht nur deshalb Leistungen der EHV beanspruchen könne, weil der Markt seine ärztlichen Leistungen nicht in Anspruch nehme. Das Risiko einer fehlenden Nachfrage ärztlicher Leistungen müsse der Kläger selbst tragen.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind zu der Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zurückzuweisen, angehört worden. Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zuvor angehört worden (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung ist sachlich unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht mit dem angegriffenen Urteil die Beklagte zur Gewährung von Leistungen aus der EHV ab 1. Juli 2003 verurteilt, weil die Voraussetzungen hierfür wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit gemäß §§ 2, 3 GEHV noch vor dem 1. Juli 2003 erfüllt waren und auch weiter erfüllt sind. Insbesondere ist der Kläger seit dieser Zeit ohne Aussicht auf wesentliche Besserung unfähig zur Ausübung des ärztlichen Berufes im Sinne des § 2 Abs. 1 Buchstabe c GEHV. Danach liegt die Unfähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes dann vor, wenn dem betreffenden Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit, sei es z. B. als angestellter Arzt oder in einem anderen Fachgebiet - gegebenenfalls auch nach einer Umschulungsfrist - nicht zugemutet werden kann. Von dieser satzungsgemäßen Definition der Berufsunfähigkeit im Sinne der EHV ist das Sozialgericht bei der Formulierung seiner Beweisfragen an die Sachverständige Dr. VM. zutreffend ausgegangen. Zur Überzeugung des Senats ist durch das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des Akteninhalts, insbesondere der bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und Befundberichte, nachgewiesen, dass dem Kläger schon seit der Zeit vor dem 1. Juli 2003 die Ausübung jeglicher ärztlichen Tätigkeit - aus gesundheitlichen Gründen und unter Berücksichtigung seines Alters - nicht mehr zumutbar ist. Dies folgt zum einen bereits aus dem psychiatrischen Gutachten des vom Kläger benannten Gutachters B. vom 30. September 2003, das in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar aufgrund ambulanter Untersuchung erstellt worden ist und im Übrigen auch im Einklang mit dem Ergebnis der Bewertung der ärztlichen Befunde durch die Ärzteversorgung LW. steht, die dem Kläger aufgrund identischer ärztlicher Befundberichte Versorgung wegen Berufsunfähigkeit ab 1. August 2003 gewährt hat. Die Sachverständige Dr. VM. hat dieses Ergebnis aufgrund ambulanter Untersuchung in ihrem Gutachten vom 27. März 2007 unter Einbeziehung einer testpsychologischen Untersuchung nachvollziehbar und überzeugend bestätigt. Nach ihren Ausführungen besteht beim Kläger eine testdiagnostisch festgestellte Konzentrationsstörung und Unsicherheit beim Ausüben komplexerer Tätigkeiten (z. B. Autofahren), die einer Umschulung oder sonstigen Qualifizierung in einem anderen ärztlichen Tätigkeitsbereich auch unter Berücksichtigung des durch die psychische Erkrankung bedingten Antriebsmangels entgegensteht. Damit ist offenkundig auch eine Tätigkeit als angestellter Arzt, Prüfarzt oder ärztlicher Gutachter, bei denen es sich unzweifelhaft um noch komplexere Tätigkeiten als das Führen eines Kraftfahrzeugs handelt, aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen. Um zu dieser Feststellung zu gelangen, bedarf es entgegen der Auffassung der Beklagten keiner ins Einzelne gehenden Beschäftigung mit den Tätigkeitsanforderungen des ärztlichen Berufs, die der Sachverständigen Dr. VM. als Leitender Abteilungsärztin einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und langjähriger Gerichtsgutachterin bestens bekannt sind. Der Senat hat daher keine Zweifel gerade auch an der besonderen Sachkunde der Sachverständigen hinsichtlich der Anforderungen an das Berufsbild eines Arztes in allen Tätigkeitsbereichen. Das anderslautende Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. SX. leidet an gravierenden Mängeln, weshalb sich der Senat diesem Gutachten nicht anschließen kann. Soweit Dr. SX. keine hirnorganische Leistungsminderung oder eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit feststellen konnte, stehen dem nicht nur sämtliche fachärztlichen Befundberichte sondern insbesondere auch die Ergebnisse der von der Sachverständigen Dr. VM. veranlassten testpsychologischen Untersuchung entgegen. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat außerdem die von Dr. SX. angenommene rasche Besserung der Depression des Klägers, obgleich dieser auch weiterhin das Antidepressivum Remergil in einer mittleren Dosierung einnahm. Ferner ist nicht nachvollziehbar, weshalb es sich bei der vom Kläger in Anspruch genommenen Psychotherapie nicht um eine "Therapie im engeren Sinne" gehandelt haben soll, nur weil ihm hierfür keine Rechnung geschickt worden sein soll. Nach allem schließt sich der Senat den Feststellungen der unabhängigen Sachverständigen Dr. VM. sowie des Gutachters B. in vollem Umfang an, wonach der Kläger schon seit der Zeit vor dem 1. Juli 2003 "voll berufsunfähig" im Sinne der EHV ist.
Auf die Frage, ob die Bestimmungen der GEHV in Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts zu den Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit dahingehend auszulegen sind, dass auch bei teilweiser Berufsunfähigkeit unter vollständiger Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit eine Teilnahme an der EHV in Betracht kommt, wenn der Arzt keine Chance zur Erlangung einer entsprechenden Tätigkeit hat (so schon Sozialgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24. Oktober 2001, Az.: S 5 KA 3182/98, bestätigt durch rechtskräftiges Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. November 2002, Az.: L 7 KA 1443/01) kommt es an dieser Stelle nicht an, weshalb hierauf auch nicht weiter einzugehen ist. Ebenso kann hier dahingestellt bleiben, welche "sonstigen Umstände" i.S.d. § 2 Abs. 1 Buchstabe c GEHV zur Unzumutbarkeit einer ärztlichen Tätigkeit außer den hier maßgeblichen der Gesundheit und des Alters führen können, wobei jedenfalls der unbestimmte Rechtsbegriff der "Zumutbarkeit" offenbar nicht mit dem Begriff der "Unmöglichkeit", auf den die Beklagte abstellt, identisch ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 42 Abs. 3, 47, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der Senat vom dreijährigen Bezug der streitigen Leistungen aus der EHV ausgegangen ist.
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