Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 4145/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1460/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Entschädigung eines Ereignisses vom 31. Januar 1997 als Arbeitsunfall.
Der mittlerweile 42jährige Kläger nahm auf Kosten des Arbeitsamtes ab April 1996 an einer berufsfördernden Maßnahme der Firma N., Bildung und Wissen GmbH, B., teil. Im Rahmen dieser Maßnahme absolvierte er ab 9. Januar 1997 ein Praktikum bei der Werbebaugesellschaft mbH in H ... Auf der Fahrt von seiner Wohnung A-Straße in F. nach H. kollidierte er am 31. Januar 1997 gegen 6:50 Uhr auf der Landstraße X zwischen B. und M. mit einem entgegenkommenden Pkw und zog sich eine distale Schienbeinfraktur zu. Der Kläger hatte bei Dunkelheit auf ansteigender Straße vor einer Bergkuppe und vor einer Rechtskurve eine Fahrzeugkolonne überholt, wobei es zur Kollision kam. Er war bis zum 30. Juni 1997 arbeitsunfähig. Nach dem Rentengutachten des Dr. K. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F. (BGUK) vom 23. September 1997 war die Beinverletzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 30 v.H. zu bemessen.
Die Beklagte zog die Verkehrsunfallakte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hanau (Az.: XXXXX) bei. Das Amtsgericht Frankfurt (Beschluss vom 12. Mai 1997) und das Amtsgericht Hanau (Beschluss vom 10. Juli 1997) entzogen dem Kläger während des Ermittlungsverfahrens wegen grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen fehlerhaften Überholens vorläufig die Fahrerlaubnis und wurden auf die Beschwerde des Klägers hin darin durch den Beschluss des Landgerichts Hanau vom 29. Juli 1997 bestätigt. Auf die Hauptverhandlung vom 19. Januar 1998 verurteilte das Amtsgericht Hanau den Kläger wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen und entzog ihm für die Dauer von drei Monaten die Fahrerlaubnis (§§ 315 c Abs. 1 Ziffer 2 d, Abs. 3 Ziffer 1, 230, 52, 44 Strafgesetzbuch -StGB-). Aufgrund der Hauptverhandlung sah das Amtsgericht Hanau es als erwiesen an, dass der Kläger grob verkehrswidrig und rücksichtslos eine Fahrzeugschlange überholt hatte, obwohl die Sicht durch Dunkelheit, eine Bergkuppe und den Kurvenbereich eingeschränkt war, so dass es zu einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Pkw kam, dessen Fahrerin schwer verletzt wurde. Auf die Vernehmung von sechs zur Hauptverhandlung erschienenen Zeugen wurde nach Anhörung des Klägers und Vorhalt der in der Ermittlungsakte befindlichen Zeugenangaben allseits verzichtet. Das Urteil wurde rechtskräftig. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1998 Entschädigungsleistungen wegen des Verkehrsunfalls ab, da der innere Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges durch das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Klägers nach dessen strafrechtlicher Verurteilung entfallen sei.
Der Kläger hat dagegen am 17. November 1998 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage eingelegt mit dem Vorbringen, er halte die Voraussetzungen für erfüllt, den Unfall als Wegeunfall zu entschädigen. Ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten habe er nicht an den Tag gelegt, da er die Strecke erstmals befahren und es eilig gehabt habe, um rechtzeitig zur Arbeit zu gelangen. Er habe gehofft, von der Praktikumfirma in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden, und habe deswegen auf keinen Fall zu spät zur Arbeit kommen wollen. Auch der Unfallhergang erlaube nicht den Schluss auf eine rücksichtslose Fahrweise. Ein langsam fahrender Kastenwagen sei vor ihm hergefahren und er habe zum Überholen auf gerader Strecke angesetzt, nachdem eine Geschwindigkeitsbegrenzung und ein Überholverbot aufgehoben worden seien. Während des Überholvorganges habe er bemerkt, dass noch weitere Fahrzeuge vor dem Kastenwagen gefahren seien, die er vorher nicht habe erkennen können. Auch jetzt habe er erst bemerkt, dass er in eine Rechtskurve hineingefahren sei, wobei er schon in Höhe des vorderen Pkws der Kolonne gewesen sei, als er plötzlich die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Pkws gesehen habe. Er habe nur noch die Möglichkeit gehabt, den vierten Pkw schnellstens zu überholen und nach rechts auszuweichen, sei aber dabei mit dem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen. Erst nach seinem Unfall sei an der Unfallstelle ein Verkehrsschild mit Überholverbot und Geschwindigkeitsbegrenzung aufgestellt worden. Auch die rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht Hanau stehe einer Anerkennung des Unfalles als Wegeunfall nicht entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 1999 hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger den Wegeunfallschutz durch grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise verloren habe. Er habe eine Autoschlange bis in den unübersichtlichen Bereich einer Rechtskurve hinein überholt, wobei die Sicht noch durch eine Bergkuppe versperrt gewesen sei, was sich aus der beigezogenen Strafakte und der strafgerichtlichen Verurteilung ergebe, an deren Feststellungen die Kammer gebunden sei. Der Kläger könne mit seinem Vorbringen, die Straße überhaupt erstmals befahren zu haben, schon deswegen nicht gehört werden, weil dies - zumal bei Dunkelheit - ein noch besonneneres Fahrverhalten erfordert hätte. Sein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Fahrverhalten sei unfallversicherungsrechtlich einer Alkoholfahrt gleichzustellen, wie dies § 315 c StGB für den Bereich des Strafrechts tue. Extreme betriebliche Bedingungen, die ein solches Fahrverhalten hätten provozieren können, seien nicht erkennbar. Das letztlich eigenwirtschaftliche Bestreben, pünktlich zur Arbeit zu gelangen, rechtfertige die Fahrweise des Klägers ebenso wenig wie dies gesetzlichen Unfallversicherungsschutz fortbestehen lassen könne.
Der Kläger hat gegen den ihm am 21. Oktober 1999 zugestellten Gerichtsbescheid am Montag, den 22. November 1999, Berufung eingelegt und vertritt weiter die Auffassung, trotz der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung sei gesetzlicher Unfallversicherungsschutz nicht ausgeschlossen, insbesondere sei seine Fahrt nicht mit einer Alkoholfahrt zu vergleichen. Dies gelte schon deshalb, weil er die Absicht gehabt habe, eine verspätete Aufnahme der Arbeit zu vermeiden und dabei kein rein eigensüchtiges Verhalten gezeigt sondern auch betriebliche Belange mitverfolgt habe. Ein verbotswidriges Verhalten schließe unter Hinweis auf § 548 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nicht aus und dieser dürfe auch im Hinblick auf § 101 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 7. Band (SGB 7) nicht zu Vergeltungszwecken versagt werden. Entgegen der Rechtsprechung des erkennenden Senats schließe eine Verurteilung wegen grob rechtswidrigen und rücksichtslosen Fahrverhaltens den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht grundsätzlich aus. Dies gelte insbesondere nicht für seinen Fall, in dem das Amtsgericht Hanau das Urteil ohne Vernehmung der Zeugen gesprochen habe, das letztlich wie ein Vergleich gewertet werden müsse und das er nur akzeptiert habe, weil er daraufhin seinen Führerschein sofort wiederbekommen habe. Nur wenn die Entscheidung des Amtsgerichts Hanau nach Zeugenvernehmung und sorgfältiger mündlicher Verhandlung zu Stande gekommen wäre, könne eventuell eine andere Auffassung vertreten werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1998 zu verurteilen, den Unfall vom 31. Januar 1997 als Wegeunfall in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Zuerkennung gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes sei bei Verurteilung des Klägers wegen eines Verstoßes gegen § 315 Abs. 1 Ziffer 2 StGB in jedem Falle zu verneinen. Der Kläger habe diesen Verstoß vorsätzlich begangen und in der Rechtsprechung werde diese Konsequenz auch schon bei fahrlässiger Begehungsweise gezogen.
Der Senat hat die bereits erstinstanzlich beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hanau Az.: XXXXX erneut beigezogen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf diese Akte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers war zurückzuweisen und die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen, da der Kläger, der als Teilnehmer einer berufsfördernden Maßnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB 7 grundsätzlich Unfallversicherungsschutz genoss (dazu: Lauterbach-Schwerdtfeger, Unfallversicherung, SGB 7, Anmerkung 138 zu § 2), am 31. Januar 1997 auf dem Weg zur Praktikumsstelle bei der Firma W. GmbH in H. keinen Wegeunfall (§ 8 Abs. 2 Ziffer 1 SGB 7) erlitten hat.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit. Zur versicherten Tätigkeit gehört auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Ziffer 1 SGB 7). Bei einem Wegeunfall ist das unfallbringende Verhalten des Versicherten dem versicherten Tätigkeitsbereich noch zu rechenbar, wenn die Zurücklegung des Weges der Aufnahme der versicherten Tätigkeit bzw. nach Beendigung dieser Tätigkeit dem Erreichen der Wohnung oder eines dritten Ortes dient. Insoweit schützt die gesetzliche Unfallversicherung den Versicherten vor den allgemeinen Straßenverkehrsgefahren. Es ist dabei wertend zu entscheiden, ob das Handeln des Versicherten noch zum Weg zur Arbeitsstätte oder zurück gehört (BSGE 58, 76, 77; BSG SozR 3-2200 § 550 Nrn. 1, 14). Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, soweit sie durch objektive Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 550 Nrn. 4, 16).
Hat der Versicherte demgemäß in innerem Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit bzw. dem Hinweg zum Betrieb gehandelt, so muss die versicherte Tätigkeit allein wesentlich - oder zumindest mit anderen dem unversicherten, privaten Bereich entstammenden Kausalbeiträgen - wesentlich (mit)ursächlich für den Eintritt des Unfalls geworden sein. Bei Bewertung verschiedener Kausalbeiträge für das Entstehen eines Handlungserfolges wird in der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Theorie von der wesentlichen Bedingung abgestellt (dazu: Lauterbach-Schwerdtfeger, a.a.O., Anm. 36 zu § 8 m.w.N.). Danach ist nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, als ursächlich anzusehen, sondern nur diejenige Bedingung, die im Verhältnis zu anderen, einzelnen Bedingungen nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Wenn mehrere Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig zu dem Erfolg beigetragen haben, so ist jede von ihnen Ursache im Rechtssinn. Kommt dagegen einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein wesentliche Ursache im Rechtssinne (dazu grundsätzlich BSGE 13, 176).
Der Kläger war vom Amtsgericht Hanau durch Urteil vom 19. Januar 1998 zu einer Geldstrafe und einem dreimonatigen Führerscheinentzug verurteilt worden, weil er bei dem zur Kollision führenden Überholen einer Fahrzeugschlange am frühen Morgen des 31. Januar 1997 grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt und dadurch fahrlässig Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer und fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet hatte (§ 315 c I Nr. 2 b, III Nr. 1 StGB). Zu dieser Feststellung war das Amtsgericht Hanau aufgrund der Hauptverhaltung vom 19. Januar 1998 nach eingehender Anhörung des Klägers unter Hinweis auf die in den Ermittlungsakten enthaltenen Zeugenangaben gelangt, nachdem alle am Hauptverfahren Beteiligten auf die Vernehmung der sechs anwesenden Unfallzeugen verzichtet hatten. Der Kläger hatte diese Entscheidung akzeptiert. Sie ist unter Beachtung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" auf eine Hauptverhandlung in Strafsachen hin ergangen und in Rechtskraft erwachsen mit der Folge, dass im Sozialgerichtsverfahren keine weiteren eigenständigen Ermittlungen und Beweiswürdigungen zum Tatbestandsmerkmal der grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fahrweise des Klägers anzustellen sind (BSGE 75, 180; Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25. August 1999 Az.: L 3 U 252/97). Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die ausnahmsweise gebieten könnten, von dieser Vorgabe abzuweichen (zu solchen Ausnahmefällen: BSG, a.a.O., sowie BSG in SozR 3-3200 § 86 Nr. 1 SVG). Das BSG (E 75, 180) hat für den Bereich der Soldatenversorgung entschieden, dass bei einer Verurteilung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB Zweifel daran ausgeschlossen sind, dass wehrdienstfremde Zwecke verfolgt wurden und dass sie den wehrdienstlichen Zweck überwogen. Es hätten dann keine beachtlichen Zweifel daran bestanden, dass der Wehrdienstleistende aus Eigensucht gehandelt hat. Denn Rücksichtslosigkeit könne nach ständiger Rechtsprechung der Strafgerichte nur festgestellt werden, wenn der Täter sich aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten hinweggesetzt oder aus Gleichgültigkeit Bedenken gegen sein Verhalten nicht habe aufkommen lassen. Die Feststellung eigensüchtigen Verhaltens schließt es aus anzunehmen, der Wehrdienstpflichtige habe trotzdem überwiegend im dienstlichen Interesse gehandelt. Ebenso wie die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit als die wesentliche Bedingung für einen Unfall gewertet werde, müsse dasselbe gelten, wenn ein Kraftfahrer sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalte und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährde. Der nach § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB handelnde Kraftfahrer sei nicht mehr fahrtüchtig, weil er sich eigensüchtig über elementare Regeln und Vorschriften des Straßenverkehrs hinwegsetze. Der erkennende Senat hat diese Wertungen auf den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung übertragen (Beschluss vom 15. April 1996 Az.: L-3/U-1101/94 veröffentlicht in HVBG Info 96, 1319). Danach führt ein verbotswidriges oder sogar mit Kriminalstrafe geahndetes Verhalten zwar nicht generell zum Ausschluss des Unfallversicherungsschutzes. Kommt es aber zu einer rechtskräftigen Verurteilung eines Versicherten auf einem nach § 8 Abs. 2 Ziffer 1 SGB 7 geschützten Weg wegen einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB, so sind nicht mehr die geschützten allgemeinen Verkehrsgefahren als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen sondern allein das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Versicherten im Verkehr. Die vom BSG im Bereich der Soldatenversorgung herausgearbeiteten Grundsätze sind in gleicher Weise für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung bedeutsam, da die Grundentscheidungen des Rechts der Soldatenversorgung als Teil des sozialen Entschädigungsrechts auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung Bedeutung erlangen (ständige Rechtsprechung des BSG: Urteil vom 10. Oktober 1994, Az.: 9 RV 8/94 sowie BSG in SozR 3200 Nr. 12 zu § 81 SVG). Die sozialgerichtliche Rechtsprechung ist der Entscheidung des Senats gefolgt (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25. August 1999 Az.: L 3 U 252/97 - sogar für den Fall einer fahrlässigen Tatbegehung im Sinne des § 315 c Abs. 1 Ziffer 2, Abs. 3 Nr. 2 StGB, Urteil des SG Koblenz vom 23. Juli 1997 Az.: S-2/U-61/97; Urteil des SG Köln vom 18. September 1997 Az.: S-16/U-86/97). Die grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise des Klägers war danach allein wesentliche Ursache für den am 31. Januar 1997 vom Kläger herbeigeführten Verkehrsunfall.
Eine Motivforschung im Hinblick auf das Fehlverhalten des Klägers war entbehrlich, da insbesondere die Absicht, den Arbeitsplatz noch rechtzeitig zu erreichen, kein den Zusammenhang herstellendes betriebliches Interesse zu begründen vermag. Der Kläger hat mit seinem Verhalten nicht mehr in erster Linie seinem Beschäftigungsverhältnis dienende Zwecke verfolgt sondern hat rücksichtslos eigene Interessen vorangestellt und dadurch die Verletzungen selbst verursacht, wofür er Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt, aber nach der der gesetzlichen Regelung zugrundliegenden Wertentscheidung nicht verlangen kann (ebenso BSG, a.a.O. und LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).
Die unfallversicherungsrechtlichen Vorgaben, dass nur das vorsätzliche bzw. das absichtliche Herbeiführen des Unfalles Entschädigungsansprüche ausschließt (§ 553 RVO bzw. § 101 Abs. 1 SGB 7) und dass verbotswidriges Handeln eine Entschädigung nicht ausschließt (§ 548 RVO bzw. § 72 Abs. 2 SGB 7) sind in der Rechtsprechung des BSG, des LSG Rheinland-Pfalz und des erkennenden Senats berücksichtigt, ohne dass sich im Hinblick darauf die wesentliche Mitverursachung des Wegeunfallrisikos begründen ließe. Der vom Kläger angesprochene § 101 Abs. 2 SGB 7, wonach Leistungen versagt oder entzogen werden können, wenn der Versicherungsfall bei einem vom Versicherten begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen eingetreten ist, rechtfertigt ebenfalls keine Anerkennung. Denn "Versagung" in diesem Sinne bedeutet die Leistungsverweigerung bei Vorliegen des Versicherungsfalles und fortbestehendem Entschädigungsanspruch. Steht eine Straftat nicht im erforderlichen ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bzw. beseitigt sie den Zusammenhang des strafbewehrten Verhaltens mit der versicherten Tätigkeit, kann ein durch sie bedingter Schaden kein Versicherungsfall sein und eine Anwendung des § 101 Abs. 2 SGB 7 scheidet bereits dem Grunde nach aus, (so zutreffend beispielsweise Ricke in: Kasseler Kommentar, Anm. 4 und 7 zu § 101 SGB 7).
Schließlich steht auch die vom Kläger angezogene Entscheidung des BSG in SozR 2200 Nr. 73 zu § 550 RVO der Rechtsprechung des Senats nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung soll eine durch die Zurücklegung des Weges zur Familienwohnung mit dem Kfz ohne ausreichende Pausen herbeigeführte Übermüdung des Versicherten als Unfallursache den Unfallversicherungsschutz nicht ausschließen, wenn die Fahrt wesentlich von dem Wunsch bestimmt war, möglichst schnell zur Familie nach Hause zu kommen. Der Kläger war indessen weder durch die kurze Fahrt noch eine vorhergehende Arbeitsverrichtung übermüdet. Er führte den schweren Verkehrsunfall vielmehr infolge einer grob verkehrswidrigen Fahrweise herbei und stellte damit sein Eigeninteresse rücksichtslos gegenüber das Interesse der Mitverkehrsteilnehmer, denen gegenüber er nach § 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) jederzeit Rücksichtnahme hätte walten lassen müssen. Mit seiner Absicht, die Arbeitsstelle noch rechtzeitig zu erreichen - koste es was es wolle - konnte er in keiner Weise betrieblichen Interessen dienen. Demgegenüber resultierte die für den folgenschweren Unfall im vom BSG entschiedenen Falle ursächliche Übermüdung unmittelbar aus der nach § 550 RVO bzw. § 8 SGB 7 versicherten "Tätigkeit", der Heimfahrt des Versicherten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Entschädigung eines Ereignisses vom 31. Januar 1997 als Arbeitsunfall.
Der mittlerweile 42jährige Kläger nahm auf Kosten des Arbeitsamtes ab April 1996 an einer berufsfördernden Maßnahme der Firma N., Bildung und Wissen GmbH, B., teil. Im Rahmen dieser Maßnahme absolvierte er ab 9. Januar 1997 ein Praktikum bei der Werbebaugesellschaft mbH in H ... Auf der Fahrt von seiner Wohnung A-Straße in F. nach H. kollidierte er am 31. Januar 1997 gegen 6:50 Uhr auf der Landstraße X zwischen B. und M. mit einem entgegenkommenden Pkw und zog sich eine distale Schienbeinfraktur zu. Der Kläger hatte bei Dunkelheit auf ansteigender Straße vor einer Bergkuppe und vor einer Rechtskurve eine Fahrzeugkolonne überholt, wobei es zur Kollision kam. Er war bis zum 30. Juni 1997 arbeitsunfähig. Nach dem Rentengutachten des Dr. K. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F. (BGUK) vom 23. September 1997 war die Beinverletzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 30 v.H. zu bemessen.
Die Beklagte zog die Verkehrsunfallakte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hanau (Az.: XXXXX) bei. Das Amtsgericht Frankfurt (Beschluss vom 12. Mai 1997) und das Amtsgericht Hanau (Beschluss vom 10. Juli 1997) entzogen dem Kläger während des Ermittlungsverfahrens wegen grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen fehlerhaften Überholens vorläufig die Fahrerlaubnis und wurden auf die Beschwerde des Klägers hin darin durch den Beschluss des Landgerichts Hanau vom 29. Juli 1997 bestätigt. Auf die Hauptverhandlung vom 19. Januar 1998 verurteilte das Amtsgericht Hanau den Kläger wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen und entzog ihm für die Dauer von drei Monaten die Fahrerlaubnis (§§ 315 c Abs. 1 Ziffer 2 d, Abs. 3 Ziffer 1, 230, 52, 44 Strafgesetzbuch -StGB-). Aufgrund der Hauptverhandlung sah das Amtsgericht Hanau es als erwiesen an, dass der Kläger grob verkehrswidrig und rücksichtslos eine Fahrzeugschlange überholt hatte, obwohl die Sicht durch Dunkelheit, eine Bergkuppe und den Kurvenbereich eingeschränkt war, so dass es zu einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Pkw kam, dessen Fahrerin schwer verletzt wurde. Auf die Vernehmung von sechs zur Hauptverhandlung erschienenen Zeugen wurde nach Anhörung des Klägers und Vorhalt der in der Ermittlungsakte befindlichen Zeugenangaben allseits verzichtet. Das Urteil wurde rechtskräftig. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1998 Entschädigungsleistungen wegen des Verkehrsunfalls ab, da der innere Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges durch das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Klägers nach dessen strafrechtlicher Verurteilung entfallen sei.
Der Kläger hat dagegen am 17. November 1998 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage eingelegt mit dem Vorbringen, er halte die Voraussetzungen für erfüllt, den Unfall als Wegeunfall zu entschädigen. Ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten habe er nicht an den Tag gelegt, da er die Strecke erstmals befahren und es eilig gehabt habe, um rechtzeitig zur Arbeit zu gelangen. Er habe gehofft, von der Praktikumfirma in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden, und habe deswegen auf keinen Fall zu spät zur Arbeit kommen wollen. Auch der Unfallhergang erlaube nicht den Schluss auf eine rücksichtslose Fahrweise. Ein langsam fahrender Kastenwagen sei vor ihm hergefahren und er habe zum Überholen auf gerader Strecke angesetzt, nachdem eine Geschwindigkeitsbegrenzung und ein Überholverbot aufgehoben worden seien. Während des Überholvorganges habe er bemerkt, dass noch weitere Fahrzeuge vor dem Kastenwagen gefahren seien, die er vorher nicht habe erkennen können. Auch jetzt habe er erst bemerkt, dass er in eine Rechtskurve hineingefahren sei, wobei er schon in Höhe des vorderen Pkws der Kolonne gewesen sei, als er plötzlich die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Pkws gesehen habe. Er habe nur noch die Möglichkeit gehabt, den vierten Pkw schnellstens zu überholen und nach rechts auszuweichen, sei aber dabei mit dem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen. Erst nach seinem Unfall sei an der Unfallstelle ein Verkehrsschild mit Überholverbot und Geschwindigkeitsbegrenzung aufgestellt worden. Auch die rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht Hanau stehe einer Anerkennung des Unfalles als Wegeunfall nicht entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 1999 hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger den Wegeunfallschutz durch grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise verloren habe. Er habe eine Autoschlange bis in den unübersichtlichen Bereich einer Rechtskurve hinein überholt, wobei die Sicht noch durch eine Bergkuppe versperrt gewesen sei, was sich aus der beigezogenen Strafakte und der strafgerichtlichen Verurteilung ergebe, an deren Feststellungen die Kammer gebunden sei. Der Kläger könne mit seinem Vorbringen, die Straße überhaupt erstmals befahren zu haben, schon deswegen nicht gehört werden, weil dies - zumal bei Dunkelheit - ein noch besonneneres Fahrverhalten erfordert hätte. Sein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Fahrverhalten sei unfallversicherungsrechtlich einer Alkoholfahrt gleichzustellen, wie dies § 315 c StGB für den Bereich des Strafrechts tue. Extreme betriebliche Bedingungen, die ein solches Fahrverhalten hätten provozieren können, seien nicht erkennbar. Das letztlich eigenwirtschaftliche Bestreben, pünktlich zur Arbeit zu gelangen, rechtfertige die Fahrweise des Klägers ebenso wenig wie dies gesetzlichen Unfallversicherungsschutz fortbestehen lassen könne.
Der Kläger hat gegen den ihm am 21. Oktober 1999 zugestellten Gerichtsbescheid am Montag, den 22. November 1999, Berufung eingelegt und vertritt weiter die Auffassung, trotz der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung sei gesetzlicher Unfallversicherungsschutz nicht ausgeschlossen, insbesondere sei seine Fahrt nicht mit einer Alkoholfahrt zu vergleichen. Dies gelte schon deshalb, weil er die Absicht gehabt habe, eine verspätete Aufnahme der Arbeit zu vermeiden und dabei kein rein eigensüchtiges Verhalten gezeigt sondern auch betriebliche Belange mitverfolgt habe. Ein verbotswidriges Verhalten schließe unter Hinweis auf § 548 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nicht aus und dieser dürfe auch im Hinblick auf § 101 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 7. Band (SGB 7) nicht zu Vergeltungszwecken versagt werden. Entgegen der Rechtsprechung des erkennenden Senats schließe eine Verurteilung wegen grob rechtswidrigen und rücksichtslosen Fahrverhaltens den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht grundsätzlich aus. Dies gelte insbesondere nicht für seinen Fall, in dem das Amtsgericht Hanau das Urteil ohne Vernehmung der Zeugen gesprochen habe, das letztlich wie ein Vergleich gewertet werden müsse und das er nur akzeptiert habe, weil er daraufhin seinen Führerschein sofort wiederbekommen habe. Nur wenn die Entscheidung des Amtsgerichts Hanau nach Zeugenvernehmung und sorgfältiger mündlicher Verhandlung zu Stande gekommen wäre, könne eventuell eine andere Auffassung vertreten werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1998 zu verurteilen, den Unfall vom 31. Januar 1997 als Wegeunfall in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Zuerkennung gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes sei bei Verurteilung des Klägers wegen eines Verstoßes gegen § 315 Abs. 1 Ziffer 2 StGB in jedem Falle zu verneinen. Der Kläger habe diesen Verstoß vorsätzlich begangen und in der Rechtsprechung werde diese Konsequenz auch schon bei fahrlässiger Begehungsweise gezogen.
Der Senat hat die bereits erstinstanzlich beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hanau Az.: XXXXX erneut beigezogen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf diese Akte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers war zurückzuweisen und die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen, da der Kläger, der als Teilnehmer einer berufsfördernden Maßnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB 7 grundsätzlich Unfallversicherungsschutz genoss (dazu: Lauterbach-Schwerdtfeger, Unfallversicherung, SGB 7, Anmerkung 138 zu § 2), am 31. Januar 1997 auf dem Weg zur Praktikumsstelle bei der Firma W. GmbH in H. keinen Wegeunfall (§ 8 Abs. 2 Ziffer 1 SGB 7) erlitten hat.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit. Zur versicherten Tätigkeit gehört auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Ziffer 1 SGB 7). Bei einem Wegeunfall ist das unfallbringende Verhalten des Versicherten dem versicherten Tätigkeitsbereich noch zu rechenbar, wenn die Zurücklegung des Weges der Aufnahme der versicherten Tätigkeit bzw. nach Beendigung dieser Tätigkeit dem Erreichen der Wohnung oder eines dritten Ortes dient. Insoweit schützt die gesetzliche Unfallversicherung den Versicherten vor den allgemeinen Straßenverkehrsgefahren. Es ist dabei wertend zu entscheiden, ob das Handeln des Versicherten noch zum Weg zur Arbeitsstätte oder zurück gehört (BSGE 58, 76, 77; BSG SozR 3-2200 § 550 Nrn. 1, 14). Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, soweit sie durch objektive Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 550 Nrn. 4, 16).
Hat der Versicherte demgemäß in innerem Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit bzw. dem Hinweg zum Betrieb gehandelt, so muss die versicherte Tätigkeit allein wesentlich - oder zumindest mit anderen dem unversicherten, privaten Bereich entstammenden Kausalbeiträgen - wesentlich (mit)ursächlich für den Eintritt des Unfalls geworden sein. Bei Bewertung verschiedener Kausalbeiträge für das Entstehen eines Handlungserfolges wird in der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Theorie von der wesentlichen Bedingung abgestellt (dazu: Lauterbach-Schwerdtfeger, a.a.O., Anm. 36 zu § 8 m.w.N.). Danach ist nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, als ursächlich anzusehen, sondern nur diejenige Bedingung, die im Verhältnis zu anderen, einzelnen Bedingungen nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Wenn mehrere Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig zu dem Erfolg beigetragen haben, so ist jede von ihnen Ursache im Rechtssinn. Kommt dagegen einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein wesentliche Ursache im Rechtssinne (dazu grundsätzlich BSGE 13, 176).
Der Kläger war vom Amtsgericht Hanau durch Urteil vom 19. Januar 1998 zu einer Geldstrafe und einem dreimonatigen Führerscheinentzug verurteilt worden, weil er bei dem zur Kollision führenden Überholen einer Fahrzeugschlange am frühen Morgen des 31. Januar 1997 grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt und dadurch fahrlässig Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer und fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet hatte (§ 315 c I Nr. 2 b, III Nr. 1 StGB). Zu dieser Feststellung war das Amtsgericht Hanau aufgrund der Hauptverhaltung vom 19. Januar 1998 nach eingehender Anhörung des Klägers unter Hinweis auf die in den Ermittlungsakten enthaltenen Zeugenangaben gelangt, nachdem alle am Hauptverfahren Beteiligten auf die Vernehmung der sechs anwesenden Unfallzeugen verzichtet hatten. Der Kläger hatte diese Entscheidung akzeptiert. Sie ist unter Beachtung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" auf eine Hauptverhandlung in Strafsachen hin ergangen und in Rechtskraft erwachsen mit der Folge, dass im Sozialgerichtsverfahren keine weiteren eigenständigen Ermittlungen und Beweiswürdigungen zum Tatbestandsmerkmal der grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fahrweise des Klägers anzustellen sind (BSGE 75, 180; Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25. August 1999 Az.: L 3 U 252/97). Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die ausnahmsweise gebieten könnten, von dieser Vorgabe abzuweichen (zu solchen Ausnahmefällen: BSG, a.a.O., sowie BSG in SozR 3-3200 § 86 Nr. 1 SVG). Das BSG (E 75, 180) hat für den Bereich der Soldatenversorgung entschieden, dass bei einer Verurteilung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB Zweifel daran ausgeschlossen sind, dass wehrdienstfremde Zwecke verfolgt wurden und dass sie den wehrdienstlichen Zweck überwogen. Es hätten dann keine beachtlichen Zweifel daran bestanden, dass der Wehrdienstleistende aus Eigensucht gehandelt hat. Denn Rücksichtslosigkeit könne nach ständiger Rechtsprechung der Strafgerichte nur festgestellt werden, wenn der Täter sich aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten hinweggesetzt oder aus Gleichgültigkeit Bedenken gegen sein Verhalten nicht habe aufkommen lassen. Die Feststellung eigensüchtigen Verhaltens schließt es aus anzunehmen, der Wehrdienstpflichtige habe trotzdem überwiegend im dienstlichen Interesse gehandelt. Ebenso wie die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit als die wesentliche Bedingung für einen Unfall gewertet werde, müsse dasselbe gelten, wenn ein Kraftfahrer sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalte und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährde. Der nach § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB handelnde Kraftfahrer sei nicht mehr fahrtüchtig, weil er sich eigensüchtig über elementare Regeln und Vorschriften des Straßenverkehrs hinwegsetze. Der erkennende Senat hat diese Wertungen auf den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung übertragen (Beschluss vom 15. April 1996 Az.: L-3/U-1101/94 veröffentlicht in HVBG Info 96, 1319). Danach führt ein verbotswidriges oder sogar mit Kriminalstrafe geahndetes Verhalten zwar nicht generell zum Ausschluss des Unfallversicherungsschutzes. Kommt es aber zu einer rechtskräftigen Verurteilung eines Versicherten auf einem nach § 8 Abs. 2 Ziffer 1 SGB 7 geschützten Weg wegen einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB, so sind nicht mehr die geschützten allgemeinen Verkehrsgefahren als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen sondern allein das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Versicherten im Verkehr. Die vom BSG im Bereich der Soldatenversorgung herausgearbeiteten Grundsätze sind in gleicher Weise für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung bedeutsam, da die Grundentscheidungen des Rechts der Soldatenversorgung als Teil des sozialen Entschädigungsrechts auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung Bedeutung erlangen (ständige Rechtsprechung des BSG: Urteil vom 10. Oktober 1994, Az.: 9 RV 8/94 sowie BSG in SozR 3200 Nr. 12 zu § 81 SVG). Die sozialgerichtliche Rechtsprechung ist der Entscheidung des Senats gefolgt (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25. August 1999 Az.: L 3 U 252/97 - sogar für den Fall einer fahrlässigen Tatbegehung im Sinne des § 315 c Abs. 1 Ziffer 2, Abs. 3 Nr. 2 StGB, Urteil des SG Koblenz vom 23. Juli 1997 Az.: S-2/U-61/97; Urteil des SG Köln vom 18. September 1997 Az.: S-16/U-86/97). Die grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise des Klägers war danach allein wesentliche Ursache für den am 31. Januar 1997 vom Kläger herbeigeführten Verkehrsunfall.
Eine Motivforschung im Hinblick auf das Fehlverhalten des Klägers war entbehrlich, da insbesondere die Absicht, den Arbeitsplatz noch rechtzeitig zu erreichen, kein den Zusammenhang herstellendes betriebliches Interesse zu begründen vermag. Der Kläger hat mit seinem Verhalten nicht mehr in erster Linie seinem Beschäftigungsverhältnis dienende Zwecke verfolgt sondern hat rücksichtslos eigene Interessen vorangestellt und dadurch die Verletzungen selbst verursacht, wofür er Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt, aber nach der der gesetzlichen Regelung zugrundliegenden Wertentscheidung nicht verlangen kann (ebenso BSG, a.a.O. und LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).
Die unfallversicherungsrechtlichen Vorgaben, dass nur das vorsätzliche bzw. das absichtliche Herbeiführen des Unfalles Entschädigungsansprüche ausschließt (§ 553 RVO bzw. § 101 Abs. 1 SGB 7) und dass verbotswidriges Handeln eine Entschädigung nicht ausschließt (§ 548 RVO bzw. § 72 Abs. 2 SGB 7) sind in der Rechtsprechung des BSG, des LSG Rheinland-Pfalz und des erkennenden Senats berücksichtigt, ohne dass sich im Hinblick darauf die wesentliche Mitverursachung des Wegeunfallrisikos begründen ließe. Der vom Kläger angesprochene § 101 Abs. 2 SGB 7, wonach Leistungen versagt oder entzogen werden können, wenn der Versicherungsfall bei einem vom Versicherten begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen eingetreten ist, rechtfertigt ebenfalls keine Anerkennung. Denn "Versagung" in diesem Sinne bedeutet die Leistungsverweigerung bei Vorliegen des Versicherungsfalles und fortbestehendem Entschädigungsanspruch. Steht eine Straftat nicht im erforderlichen ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bzw. beseitigt sie den Zusammenhang des strafbewehrten Verhaltens mit der versicherten Tätigkeit, kann ein durch sie bedingter Schaden kein Versicherungsfall sein und eine Anwendung des § 101 Abs. 2 SGB 7 scheidet bereits dem Grunde nach aus, (so zutreffend beispielsweise Ricke in: Kasseler Kommentar, Anm. 4 und 7 zu § 101 SGB 7).
Schließlich steht auch die vom Kläger angezogene Entscheidung des BSG in SozR 2200 Nr. 73 zu § 550 RVO der Rechtsprechung des Senats nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung soll eine durch die Zurücklegung des Weges zur Familienwohnung mit dem Kfz ohne ausreichende Pausen herbeigeführte Übermüdung des Versicherten als Unfallursache den Unfallversicherungsschutz nicht ausschließen, wenn die Fahrt wesentlich von dem Wunsch bestimmt war, möglichst schnell zur Familie nach Hause zu kommen. Der Kläger war indessen weder durch die kurze Fahrt noch eine vorhergehende Arbeitsverrichtung übermüdet. Er führte den schweren Verkehrsunfall vielmehr infolge einer grob verkehrswidrigen Fahrweise herbei und stellte damit sein Eigeninteresse rücksichtslos gegenüber das Interesse der Mitverkehrsteilnehmer, denen gegenüber er nach § 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) jederzeit Rücksichtnahme hätte walten lassen müssen. Mit seiner Absicht, die Arbeitsstelle noch rechtzeitig zu erreichen - koste es was es wolle - konnte er in keiner Weise betrieblichen Interessen dienen. Demgegenüber resultierte die für den folgenschweren Unfall im vom BSG entschiedenen Falle ursächliche Übermüdung unmittelbar aus der nach § 550 RVO bzw. § 8 SGB 7 versicherten "Tätigkeit", der Heimfahrt des Versicherten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved