Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 P 37/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 39/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. Januar 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2004 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem 01. September 2007 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen nach der Pflegestufe II.
Die bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin wurde am 13. Januar 1982 geboren. Sie leidet ausgehend von einem frühkindlichen Hirnschaden im Wesentlichen an einer schweren chronischen Epilepsie und einer Intelligenzminderung bei Entwicklungsverzögerung. Der Grad ihrer Behinderung (GdB) beträgt 100 mit den Merkzeichen B, G und H. Die Eltern, beide Diplompädagogen, sind als Betreuer eingesetzt. Die Klägerin kann weder lesen noch schreiben noch rechnen. Die Beklagte gewährt ihr bislang Leistungen nach der Pflegestufe I.
Am 27. Mai 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Höherstufung auf Leistungen der Pflegestufe II. Die Beklagte holte über den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) ein Pflegegutachten der Pflegefachkraft B vom 10. September 2003 ein, welche bei der Körperpflege einen Hilfebedarf von 39 Minuten, bei der Ernährung einen Hilfebedarf von sechs Minuten und bei der Mobilität einen Hilfebedarf von neun Minuten täglich sowie einen Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten täglich feststellte. Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 16. September 2003 unter Bezugnahme auf das Pflegegutachten auf die beabsichtigte Ablehnung des Höherstufungsantrags hin. Die Klägerin widersprach den Ausführungen im Pflegegutachten, woraufhin die Beklagte über den MDK das Pflegegutachten der Pflegefachkraft V vom 28. November 2003 einholte, welche bei der Körperpflege einen täglichen Hilfebedarf von 54 Minuten, bei der Ernährung einen täglichen Hilfebedarf von sechs Minuten und bei der Mobilität einen täglichen Hilfebedarf von 17 Minuten sowie einen Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten täglich feststellte. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 unter Hinweis auf das zuletzt eingeholte Pflegegutachten ab. Die Klägerin erhob am 18. Dezember 2003 Widerspruch, welchen sie dahingehend begründete, dass der Hilfebedarf zunächst bei der Körperpflege höher liege. Zudem sei bislang nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass die Klägerin, welche zu unkontrolliertem und ungehemmtem Essen neigen würde, bei der Ernährung zu langsamem und ordentlichem Essen, Kauen und Schlucken angehalten werden müsse, was bei den drei Hauptmahlzeiten einen weiteren Hilfebedarf von jeweils fünf Minuten mit sich bringe. Ferner sei im Pflegegutachten der Hilfebedarf für Mobilität zu niedrig angesetzt. Insgesamt ergebe sich ein Grundpflegebedarf von 140 Minuten und ein Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung von 60 Minuten. Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung und Bezugnahme einer ergänzenden Stellungnahme des MDK vom 27. Mai 2004, auf welche verwiesen und inhaltlich Bezug genommen wird, mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2004 zurück.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 8. September 2004 zum Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat auf einen höheren Hilfebedarf bei der Körperpflege verwiesen. Im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Begutachtung habe sie ein- bis zweimal wöchentlich nachts eingenässt beziehungsweise eingekotet, was nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Seit Januar 2004 nässe und kote sie – wohl aufgrund einer neuen Medikation – fast jeden Tag und jede Nacht ein. Hierfür sei einmal täglich für einen Bekleidungswechsel ein zeitlicher Aufwand von zehn Minuten und, weil sie seit Januar 2004 zur Nacht gewindelt werde, hierfür ein weiterer zeitlicher Bedarf von vier Minuten täglich anzusetzen. Bislang unberücksichtigt sei das wegen ihrer sehr fettigen Haare regelmäßig notwendige Haarewaschen und –föhnen, was einen Zeitaufwand von sechs Minuten täglich mit sich bringe. Entgegen der Einschätzung der Beklagten sei auch ein weitergehender Hilfebedarf bei der Ernährung anzuerkennen. Sie (die Klägerin) müsse beim Essen ständig beobachtet werden, weil sie anderenfalls das Essen in sich hineinschlinge, was zu Würgen und Erbrechen führe. Die Mahlzeiten dauerten deshalb durchweg länger, weil die beaufsichtigenden Eltern selbst vom Essen abgehalten würden oder sie das Abendbrot mehrmals in der Woche zu einer Zeit einnehme, zu welcher die Eltern nicht mitäßen. Die Beklagte hat das beim MDK eingeholte Pflegegutachten der Pflegefachkraft P vom 10. Juni 2005 vorgelegt, welche bei der Klägerin einen Körperpflegebedarf von 66 Minuten, einen Ernährungspflegebedarf von 14 und einen Mobilitätspflegebedarf von 14 Minuten feststellte. Das Sozialgericht hat aufgrund Beweisanordnung vom 10. November 2005 bei der Ärztin für Chirurgie Dr. H das medizinische Sachverständigengutachten vom 25. Januar 2006 eingeholt und die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2007 mit der Begründung abgewiesen, dass nach dem überzeugenden Ergebnis der Beweisaufnahme die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe II nicht vorlägen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 14. Februar 2007 zugestellte Urteil am 12. März 2007 Berufung eingelegt. Die Klägerin vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Auffassung, dass im erstinstanzlichen Gerichtsgutachten der zeitweilig durchs Einkoten und –nässen höhere Pflegebedarf nicht hinreichend gewürdigt worden sei.
Die Klägerin hat die Berufung für die Zeit vor dem 1. September 2007 zurückgenommen.
Sie beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. Januar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2004 zu ändern und die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01. September 2007 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt der Berufung unter Bezugnahme auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils entgegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte. Ferner hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgrund Beweisanordnung vom 30. Oktober 2007 Beweis erhoben durch Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens des Arztes für Psychiatrie Prof. Z vom 7. Februar 2008, welches aufgrund einer Untersuchung am 29. Juni 2007 in Anwesenheit der Eltern der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung erstellt worden ist.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Befundberichte und Sachverständigengutachten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 SGG zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist nach der Teilrücknahme der Berufung mit dem zuletzt gestellten Antrag der Klägerin begründet. Das Sozialgericht hat die Klage für die Zeit ab 1. September 2007 zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte ab 1. September 2007 einen Anspruch auf Leistungen der Pflegstufe II.
Ein Anspruch auf Pflegeleistungen nach §§ 36 ff. des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) setzt unter anderem voraus, dass der Betroffene pflegebedürftig ist. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung im Sinne von § 14 Abs. 2 SGB XI für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Verlauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf, welche nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, welcher neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI setzt die Zuordnung der Pflegestufe II für Pflegebedürftige im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung und Mobilität (so genannte Grundpflege) mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt und dass der Zeitaufwand für die Pflege wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens drei Stunden beträgt, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.
Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats im Sinne von § 128 Abs. 1 S. 1 SGG jedenfalls ab September 2007 vor. Nach den plausiblen und widerspruchsfreien Feststellungen des Sachverständigen Prof. Z, an dessen fachlicher Kompetenz nicht zu zweifeln ist und welcher im Einzelnen ausgehend vom Krankheitsbild der Klägerin und seinem Besuch in der klägerischen Wohnung, vom Befragen der die Klägerin betreuenden Eltern und von der Inaugenscheinnahme den Pflegebedarf der Klägerin nachvollziehbar dargelegt hat, sind vernünftige Zweifel daran ausgeschlossen, dass die geistig behinderte Klägerin jedenfalls ab September 2007 die maßgeblichen zeitlichen Schwellen des Hilfebedarfs überschreitet. Zwar hat nach Angaben des Sachverständigen eine annähernd aussagekräftige Untersuchung der Klägerin, welche krankheitsbedingt allerdings ohnehin kaum verwertbare Angaben zu ihrem Gesundheitszustand, ihrer Anamnese oder ihrem Pflegebedarf machen kann, selbst nicht stattgefunden, weil sie diese vehement verweigerte. Der Sachverständige kommt aber aufgrund einer eingehenden Befragung der Eltern, welche die Pflegepersonen der Klägerin sind, zum nachvollziehbaren Schluss, dass jedenfalls seit September 2007 die Pflegesituation stark verändert ist, nachdem die Klägerin nach einem schweren Anfall stationär in einer Klinik behandelt worden und dort schwer gestürzt war. Der Sachverständige gelangt hierüber spätestens für die Zeit ab Sommer 2007 zu einem Grundpflegebedarf von 143,9 Minuten täglich, welcher sich wie folgt zusammensetzt: für Körperpflege 61,5 Minuten, für Ernährung 18 Minuten und für Mobilität 64,4 Minuten täglich. Für die hauswirtschaftliche Versorgung geht er wie die früheren Sachverständigen nachvollziehbar davon aus, dass die Klägerin selbst für sämtliche Verrichtungen auf Hilfe angewiesen ist und veranschlagt den Pflegebedarf in diesem Zusammenhang auf 100 Minuten täglich.
Die von der Beklagten gegen den vom Sachverständigen ermittelten Grundpflegebedarf erhobenen Einwendungen vermögen hingegen nicht zu überzeugen.
Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist der vom Sachverständigen Prof. Z unter anderem für die Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme der Klägerin durch eine Pflegeperson mit zwölf Minuten täglich veranschlagte Pflegebedarf für die Bemessung des Ernährungsbedarfs im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB XI zu berücksichtigen.
Die Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme vermittelt einen pflegerelevanten Bedarf, wenn das Essverhalten des Pflegebedürftigen die volle Aufmerksamkeit der Pflegeperson beansprucht und der Hilfebedarf insofern von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson – wie beim Füttern – praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist beziehungsweise diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das – gewissermaßen nebenher erfolgende – bloße Im-Auge-Behalten des Pflegebedürftigen hinausgeht (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 8. Mai 2001 – B 3 P 4 /01 B –, zitiert nach juris Rn. 4). Dies zugrunde gelegt geht der Klägerin, selbst wenn sie in der Lage sein mag, Nahrung selbständig aufzunehmen, allerdings hierbei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jegliche Kontrolle und Essschwelle ab und besteht die Gefahr des Würgens und Erbrechens, so dass die tatsächlich geleistete, in der Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme liegende Hilfestellung der Eltern in der Tat für die Bemessung des Pflegebedarfs erheblich ist und von Prof. Z zutreffend seiner Bedarfsermittlung zugrunde gelegt wird. Die Einschätzung Prof. Z wird vom behandelnden Facharzt für Innere Medizin Dr. K gestützt, welcher in seinem Befundbericht vom 3. Oktober 2007 angibt, dass die Nahrung mundgerecht zubereitet werden muss und Hilfestellung bei der Nahrungsaufnahme notwendig ist. Soweit die Beklagte den Hilfebedarf für nicht nachvollziehbar hält, weil der Sachverständige nun von einer nicht zeitgleichen Einnahme der Mahlzeiten ausgehe, wohingegen das erstinstanzliche Gutachten nach ausdrücklicher Befragung der Eltern gemeinsame Mahlzeiten im Familienverbund geschildert habe, geht sie von anderen als vom Sachverständigen überzeugend zugrunde gelegten tatsächlichen Umständen aus, welche möglicherweise noch bei den Vorbegutachtungen gegeben gewesen sein mögen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind bei der Bemessung des Pflegebedarfs zudem für die Arztbesuche der Klägerin unter Einbeziehung von Fahrt- und Wartezeiten der Pflegeperson 12,45 Minuten täglich zu berücksichtigen.
Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher sich der Senat anschließt, ist bei Arztbesuchen nicht nur die notwendige Begleitung des Pflegebedürftigen auf dem Hin- und Rückweg, sondern auch die Wartezeit der Pflegeperson für den Mobilitätsbedarf zu berücksichtigen, wenn die Pflegeperson während dieser Zeit keiner anderen sinnvollen Tätigkeit, die auch ohne die Wartezeit zu erledigen wäre, nachgehen kann (BSG, Urteil vom 29. April 1999 – B 3 P 7/98 R -, zitiert nach juris Rn. 25). Hiervon ausgehend ist der vom Sachverständigen Prof. Z für die Arztbesuche mit 12,45 Minuten veranschlagte Mobilitätsbedarf als pflegeerheblicher Bedarf anzuerkennen. Denn die Klägerin kann nach den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen, welche durch die Ausführungen des behandelnden Facharzts für Psychiatrie Dr. K in seinem Befundbericht vom 4. Oktober 2007 bestätigt werden, die Wohnung nur mit Hilfe einer Pflegeperson verlassen und wiederaufsuchen, mithin die medizinisch notwendigen Arztbesuche nur in Begleitung einer Pflegeperson durchführen. Der Sachverständige hat sich die entsprechenden Unterlagen von den Eltern der Klägerin vorlegen lassen und ist hiernach zum medizinisch begründeten Schluss gelangt, dass insgesamt spätestens ab Sommer 2007 zumindest einmal pro Woche ein Arztbesuch anstand, bei welchem die Klägerin von einer Pflegeperson begleitet werden musste. Hiervon ausgehend stellt der Sachverständige unter Zugrundelegung der jeweiligen Wegstrecke den sich eben hieraus und aus der pro Arztbesuch mit 45 Minuten angesetzten Wartezeit zusammensetzenden Mobilitätsbedarf in die Bemessung des Pflegebedarfs ein. Soweit nach Auffassung der Beklagten das Ausmaß des Hilfebedarfs beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht nachvollziehbar sei, weil insoweit nur zum Untersuchungszeitpunkt regelmäßig erfolgende wöchentliche Arztbesuche berücksichtigungsfähig seien, so hebt die Beklagte, ohne dies nachvollziehbar zu erklären, wiederum von anderen tatsächlichen Umständen ab als der Sachverständige Prof. Z, welcher plausibel den Pflegebedarf der Klägerin hinsichtlich ihrer Arztbesuche beschreibt.
Soweit die Beklagte ferner rügt, dass der Hilfebedarf von vier Minuten beim Gehen nicht nachvollziehbar sei, zumal die Klägerin sich nach den Beobachtungen des Sachverständigen im Erdgeschoss habe ohne fremde Hilfe bewegen können, ist ihr entgegenzuhalten, dass der behandelnde Facharzt für Psychiatrie Dr. K in seinem Befundbericht vom 4. Oktober 2007 der Klägerin im Hinblick auf ihre Oligophrenie und Anfallsneigung sogar einen weitaus höheren Hilfebedarf zugesteht. Gleichwohl kann dies dahinstehen, ohne dass der Grundpflegebedarf hierdurch unter die maßgebliche Schwelle von 120 Minuten bei den im Übrigen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu sinken vermag.
Auch erfüllt die Klägerin hinsichtlich des Hilfebedarfs an hauswirtschaftlicher Versorgung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XI enthaltenen Voraussetzungen. Nach dem Ergebnis sämtlicher Begutachtungen fällt die Klägerin für hauswirtschaftliche Verrichtungen vollständig aus, so dass der vom Sachverständigen Prof. Z hier angesetzte Pflegebedarf von 100 Minuten keinen Zweifeln unterliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht zuzulassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen nach der Pflegestufe II.
Die bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin wurde am 13. Januar 1982 geboren. Sie leidet ausgehend von einem frühkindlichen Hirnschaden im Wesentlichen an einer schweren chronischen Epilepsie und einer Intelligenzminderung bei Entwicklungsverzögerung. Der Grad ihrer Behinderung (GdB) beträgt 100 mit den Merkzeichen B, G und H. Die Eltern, beide Diplompädagogen, sind als Betreuer eingesetzt. Die Klägerin kann weder lesen noch schreiben noch rechnen. Die Beklagte gewährt ihr bislang Leistungen nach der Pflegestufe I.
Am 27. Mai 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Höherstufung auf Leistungen der Pflegestufe II. Die Beklagte holte über den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) ein Pflegegutachten der Pflegefachkraft B vom 10. September 2003 ein, welche bei der Körperpflege einen Hilfebedarf von 39 Minuten, bei der Ernährung einen Hilfebedarf von sechs Minuten und bei der Mobilität einen Hilfebedarf von neun Minuten täglich sowie einen Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten täglich feststellte. Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 16. September 2003 unter Bezugnahme auf das Pflegegutachten auf die beabsichtigte Ablehnung des Höherstufungsantrags hin. Die Klägerin widersprach den Ausführungen im Pflegegutachten, woraufhin die Beklagte über den MDK das Pflegegutachten der Pflegefachkraft V vom 28. November 2003 einholte, welche bei der Körperpflege einen täglichen Hilfebedarf von 54 Minuten, bei der Ernährung einen täglichen Hilfebedarf von sechs Minuten und bei der Mobilität einen täglichen Hilfebedarf von 17 Minuten sowie einen Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten täglich feststellte. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 unter Hinweis auf das zuletzt eingeholte Pflegegutachten ab. Die Klägerin erhob am 18. Dezember 2003 Widerspruch, welchen sie dahingehend begründete, dass der Hilfebedarf zunächst bei der Körperpflege höher liege. Zudem sei bislang nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass die Klägerin, welche zu unkontrolliertem und ungehemmtem Essen neigen würde, bei der Ernährung zu langsamem und ordentlichem Essen, Kauen und Schlucken angehalten werden müsse, was bei den drei Hauptmahlzeiten einen weiteren Hilfebedarf von jeweils fünf Minuten mit sich bringe. Ferner sei im Pflegegutachten der Hilfebedarf für Mobilität zu niedrig angesetzt. Insgesamt ergebe sich ein Grundpflegebedarf von 140 Minuten und ein Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung von 60 Minuten. Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung und Bezugnahme einer ergänzenden Stellungnahme des MDK vom 27. Mai 2004, auf welche verwiesen und inhaltlich Bezug genommen wird, mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2004 zurück.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 8. September 2004 zum Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat auf einen höheren Hilfebedarf bei der Körperpflege verwiesen. Im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Begutachtung habe sie ein- bis zweimal wöchentlich nachts eingenässt beziehungsweise eingekotet, was nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Seit Januar 2004 nässe und kote sie – wohl aufgrund einer neuen Medikation – fast jeden Tag und jede Nacht ein. Hierfür sei einmal täglich für einen Bekleidungswechsel ein zeitlicher Aufwand von zehn Minuten und, weil sie seit Januar 2004 zur Nacht gewindelt werde, hierfür ein weiterer zeitlicher Bedarf von vier Minuten täglich anzusetzen. Bislang unberücksichtigt sei das wegen ihrer sehr fettigen Haare regelmäßig notwendige Haarewaschen und –föhnen, was einen Zeitaufwand von sechs Minuten täglich mit sich bringe. Entgegen der Einschätzung der Beklagten sei auch ein weitergehender Hilfebedarf bei der Ernährung anzuerkennen. Sie (die Klägerin) müsse beim Essen ständig beobachtet werden, weil sie anderenfalls das Essen in sich hineinschlinge, was zu Würgen und Erbrechen führe. Die Mahlzeiten dauerten deshalb durchweg länger, weil die beaufsichtigenden Eltern selbst vom Essen abgehalten würden oder sie das Abendbrot mehrmals in der Woche zu einer Zeit einnehme, zu welcher die Eltern nicht mitäßen. Die Beklagte hat das beim MDK eingeholte Pflegegutachten der Pflegefachkraft P vom 10. Juni 2005 vorgelegt, welche bei der Klägerin einen Körperpflegebedarf von 66 Minuten, einen Ernährungspflegebedarf von 14 und einen Mobilitätspflegebedarf von 14 Minuten feststellte. Das Sozialgericht hat aufgrund Beweisanordnung vom 10. November 2005 bei der Ärztin für Chirurgie Dr. H das medizinische Sachverständigengutachten vom 25. Januar 2006 eingeholt und die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2007 mit der Begründung abgewiesen, dass nach dem überzeugenden Ergebnis der Beweisaufnahme die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe II nicht vorlägen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 14. Februar 2007 zugestellte Urteil am 12. März 2007 Berufung eingelegt. Die Klägerin vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Auffassung, dass im erstinstanzlichen Gerichtsgutachten der zeitweilig durchs Einkoten und –nässen höhere Pflegebedarf nicht hinreichend gewürdigt worden sei.
Die Klägerin hat die Berufung für die Zeit vor dem 1. September 2007 zurückgenommen.
Sie beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. Januar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2004 zu ändern und die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01. September 2007 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt der Berufung unter Bezugnahme auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils entgegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte. Ferner hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgrund Beweisanordnung vom 30. Oktober 2007 Beweis erhoben durch Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens des Arztes für Psychiatrie Prof. Z vom 7. Februar 2008, welches aufgrund einer Untersuchung am 29. Juni 2007 in Anwesenheit der Eltern der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung erstellt worden ist.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Befundberichte und Sachverständigengutachten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 SGG zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist nach der Teilrücknahme der Berufung mit dem zuletzt gestellten Antrag der Klägerin begründet. Das Sozialgericht hat die Klage für die Zeit ab 1. September 2007 zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte ab 1. September 2007 einen Anspruch auf Leistungen der Pflegstufe II.
Ein Anspruch auf Pflegeleistungen nach §§ 36 ff. des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) setzt unter anderem voraus, dass der Betroffene pflegebedürftig ist. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung im Sinne von § 14 Abs. 2 SGB XI für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Verlauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf, welche nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, welcher neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI setzt die Zuordnung der Pflegestufe II für Pflegebedürftige im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung und Mobilität (so genannte Grundpflege) mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt und dass der Zeitaufwand für die Pflege wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens drei Stunden beträgt, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.
Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats im Sinne von § 128 Abs. 1 S. 1 SGG jedenfalls ab September 2007 vor. Nach den plausiblen und widerspruchsfreien Feststellungen des Sachverständigen Prof. Z, an dessen fachlicher Kompetenz nicht zu zweifeln ist und welcher im Einzelnen ausgehend vom Krankheitsbild der Klägerin und seinem Besuch in der klägerischen Wohnung, vom Befragen der die Klägerin betreuenden Eltern und von der Inaugenscheinnahme den Pflegebedarf der Klägerin nachvollziehbar dargelegt hat, sind vernünftige Zweifel daran ausgeschlossen, dass die geistig behinderte Klägerin jedenfalls ab September 2007 die maßgeblichen zeitlichen Schwellen des Hilfebedarfs überschreitet. Zwar hat nach Angaben des Sachverständigen eine annähernd aussagekräftige Untersuchung der Klägerin, welche krankheitsbedingt allerdings ohnehin kaum verwertbare Angaben zu ihrem Gesundheitszustand, ihrer Anamnese oder ihrem Pflegebedarf machen kann, selbst nicht stattgefunden, weil sie diese vehement verweigerte. Der Sachverständige kommt aber aufgrund einer eingehenden Befragung der Eltern, welche die Pflegepersonen der Klägerin sind, zum nachvollziehbaren Schluss, dass jedenfalls seit September 2007 die Pflegesituation stark verändert ist, nachdem die Klägerin nach einem schweren Anfall stationär in einer Klinik behandelt worden und dort schwer gestürzt war. Der Sachverständige gelangt hierüber spätestens für die Zeit ab Sommer 2007 zu einem Grundpflegebedarf von 143,9 Minuten täglich, welcher sich wie folgt zusammensetzt: für Körperpflege 61,5 Minuten, für Ernährung 18 Minuten und für Mobilität 64,4 Minuten täglich. Für die hauswirtschaftliche Versorgung geht er wie die früheren Sachverständigen nachvollziehbar davon aus, dass die Klägerin selbst für sämtliche Verrichtungen auf Hilfe angewiesen ist und veranschlagt den Pflegebedarf in diesem Zusammenhang auf 100 Minuten täglich.
Die von der Beklagten gegen den vom Sachverständigen ermittelten Grundpflegebedarf erhobenen Einwendungen vermögen hingegen nicht zu überzeugen.
Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist der vom Sachverständigen Prof. Z unter anderem für die Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme der Klägerin durch eine Pflegeperson mit zwölf Minuten täglich veranschlagte Pflegebedarf für die Bemessung des Ernährungsbedarfs im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB XI zu berücksichtigen.
Die Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme vermittelt einen pflegerelevanten Bedarf, wenn das Essverhalten des Pflegebedürftigen die volle Aufmerksamkeit der Pflegeperson beansprucht und der Hilfebedarf insofern von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson – wie beim Füttern – praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist beziehungsweise diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das – gewissermaßen nebenher erfolgende – bloße Im-Auge-Behalten des Pflegebedürftigen hinausgeht (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 8. Mai 2001 – B 3 P 4 /01 B –, zitiert nach juris Rn. 4). Dies zugrunde gelegt geht der Klägerin, selbst wenn sie in der Lage sein mag, Nahrung selbständig aufzunehmen, allerdings hierbei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jegliche Kontrolle und Essschwelle ab und besteht die Gefahr des Würgens und Erbrechens, so dass die tatsächlich geleistete, in der Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme liegende Hilfestellung der Eltern in der Tat für die Bemessung des Pflegebedarfs erheblich ist und von Prof. Z zutreffend seiner Bedarfsermittlung zugrunde gelegt wird. Die Einschätzung Prof. Z wird vom behandelnden Facharzt für Innere Medizin Dr. K gestützt, welcher in seinem Befundbericht vom 3. Oktober 2007 angibt, dass die Nahrung mundgerecht zubereitet werden muss und Hilfestellung bei der Nahrungsaufnahme notwendig ist. Soweit die Beklagte den Hilfebedarf für nicht nachvollziehbar hält, weil der Sachverständige nun von einer nicht zeitgleichen Einnahme der Mahlzeiten ausgehe, wohingegen das erstinstanzliche Gutachten nach ausdrücklicher Befragung der Eltern gemeinsame Mahlzeiten im Familienverbund geschildert habe, geht sie von anderen als vom Sachverständigen überzeugend zugrunde gelegten tatsächlichen Umständen aus, welche möglicherweise noch bei den Vorbegutachtungen gegeben gewesen sein mögen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind bei der Bemessung des Pflegebedarfs zudem für die Arztbesuche der Klägerin unter Einbeziehung von Fahrt- und Wartezeiten der Pflegeperson 12,45 Minuten täglich zu berücksichtigen.
Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher sich der Senat anschließt, ist bei Arztbesuchen nicht nur die notwendige Begleitung des Pflegebedürftigen auf dem Hin- und Rückweg, sondern auch die Wartezeit der Pflegeperson für den Mobilitätsbedarf zu berücksichtigen, wenn die Pflegeperson während dieser Zeit keiner anderen sinnvollen Tätigkeit, die auch ohne die Wartezeit zu erledigen wäre, nachgehen kann (BSG, Urteil vom 29. April 1999 – B 3 P 7/98 R -, zitiert nach juris Rn. 25). Hiervon ausgehend ist der vom Sachverständigen Prof. Z für die Arztbesuche mit 12,45 Minuten veranschlagte Mobilitätsbedarf als pflegeerheblicher Bedarf anzuerkennen. Denn die Klägerin kann nach den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen, welche durch die Ausführungen des behandelnden Facharzts für Psychiatrie Dr. K in seinem Befundbericht vom 4. Oktober 2007 bestätigt werden, die Wohnung nur mit Hilfe einer Pflegeperson verlassen und wiederaufsuchen, mithin die medizinisch notwendigen Arztbesuche nur in Begleitung einer Pflegeperson durchführen. Der Sachverständige hat sich die entsprechenden Unterlagen von den Eltern der Klägerin vorlegen lassen und ist hiernach zum medizinisch begründeten Schluss gelangt, dass insgesamt spätestens ab Sommer 2007 zumindest einmal pro Woche ein Arztbesuch anstand, bei welchem die Klägerin von einer Pflegeperson begleitet werden musste. Hiervon ausgehend stellt der Sachverständige unter Zugrundelegung der jeweiligen Wegstrecke den sich eben hieraus und aus der pro Arztbesuch mit 45 Minuten angesetzten Wartezeit zusammensetzenden Mobilitätsbedarf in die Bemessung des Pflegebedarfs ein. Soweit nach Auffassung der Beklagten das Ausmaß des Hilfebedarfs beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht nachvollziehbar sei, weil insoweit nur zum Untersuchungszeitpunkt regelmäßig erfolgende wöchentliche Arztbesuche berücksichtigungsfähig seien, so hebt die Beklagte, ohne dies nachvollziehbar zu erklären, wiederum von anderen tatsächlichen Umständen ab als der Sachverständige Prof. Z, welcher plausibel den Pflegebedarf der Klägerin hinsichtlich ihrer Arztbesuche beschreibt.
Soweit die Beklagte ferner rügt, dass der Hilfebedarf von vier Minuten beim Gehen nicht nachvollziehbar sei, zumal die Klägerin sich nach den Beobachtungen des Sachverständigen im Erdgeschoss habe ohne fremde Hilfe bewegen können, ist ihr entgegenzuhalten, dass der behandelnde Facharzt für Psychiatrie Dr. K in seinem Befundbericht vom 4. Oktober 2007 der Klägerin im Hinblick auf ihre Oligophrenie und Anfallsneigung sogar einen weitaus höheren Hilfebedarf zugesteht. Gleichwohl kann dies dahinstehen, ohne dass der Grundpflegebedarf hierdurch unter die maßgebliche Schwelle von 120 Minuten bei den im Übrigen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu sinken vermag.
Auch erfüllt die Klägerin hinsichtlich des Hilfebedarfs an hauswirtschaftlicher Versorgung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XI enthaltenen Voraussetzungen. Nach dem Ergebnis sämtlicher Begutachtungen fällt die Klägerin für hauswirtschaftliche Verrichtungen vollständig aus, so dass der vom Sachverständigen Prof. Z hier angesetzte Pflegebedarf von 100 Minuten keinen Zweifeln unterliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht zuzulassen.
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