L 15 SB 93/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 SB 1162/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 93/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision ist nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bei der Klägerin bereits ab 16.11.2000 streitig.

Die Klägerin hat erstmalig mit Antrag vom 16. Juli 2004 die Feststellung des Grades der Behinderung für die bei ihr vorliegenden Behinderungen nach dem SGB IX beantragt.
Der Beklagte hat Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. Z. vom 02.09.2004, von Dr. S. von der Radiologie-Praxis am Behandlungszentrum V. vom 30.09.2002 und der HNO-Ärztin Dr. F. vom 10.12.2004 eingeholt.
Die Klägerin wurde daraufhin seitens des Beklagten durch den Chirurgen W. untersucht. Der Chirurg W. sah bei der Klägerin einen Gesamt- Grad der Behinderung von 50 für gerechtfertigt an, wobei als Einzel-Behinderungen eine Osteoporose (Einzel-GdB 40) und eine Schwerhörigkeit beidseits (Einzel-GdB 20) festgestellt wurden.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 26.01.2005 bei der Klägerin einen Gesamt-Grad der Behinderung von 50 festgestellt für die Behinderungen:
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Osteoporose (Kalksalzminderung des Knochens) - Einzel-GdB 40 -
Schwerhörigkeit beidseits - Einzel-GdB 20 -

Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 09.02.2005 Widerspruch eingelegt. Sie habe sich aufgrund ihrer Grunderkrankung "hochgradige Osteoporose mit nur halbem Knochendichtewert" am 09.01.2005 erneut eine Knochenfraktur (= 9. Bruch in Folge) zugezogen. Dem Schreiben liegt ein Kurzarztbrief des Klinikums der Universität B-Stadt, G. vom 19.01.2005 bei. Im Widerspruchsverfahren wurden des Weiteren beigezogen bzw. zusätzlich eingereicht das Attest des Chirurgen Dr. F. vom 28.02.2005, der Befundbericht des Allgemeinarztes Dr. K. vom 15.03.2005, der Arztbrief des Behandlungszentrums V. (Neurochirurg Dr. F.) vom 30.09.2002, der Arztbrief der Radiologin Dr. K. vom 17.11.2004 und der Arztbrief des Kreiskrankenhauses E. vom 18.02.2005.
Der Ärztliche Dienst des Beklagten (Dres. von C. und S.) war in Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen der Auffassung, dass die bisherige Einstufung bei der Klägerin weiterhin zutreffend sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2005 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Der bei der Klägerin vorliegende Grad der Behinderung sei mit 50 weiterhin zutreffend eingestuft und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" würden nicht vorliegen.

Mit Schriftsatz vom 26.09.2006 hat die Klägerin um Überprüfung gebeten, ob die Schwerbehinderteneigenschaft bereits zum Stichtag 16.11.2000 vorgelegen habe. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 02.10.2006 wird dies verneint, weil im Jahre 2002 lediglich das Auftreten von rechtsseitigen Lumboischialgien seit drei bis vier Wochen belegt sei, wofür ein Grad der Behinderung von 20 bis 30 angesetzt werden könne, und eine Hörminderung sei erst ab Dezember 2004 belegt, wobei die Audiogrammkurven auch vom Dezember 2004 einen Grad der Behinderung von 20 noch nicht ausfüllen würden.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 09.10.2006 die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 bereits ab 16.11.2000 abgelehnt.
Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin vom 19.10.2006. Es sei Tatsache, dass die Schwerbehinderteneigenschaft gemäß den beiliegenden ärztlichen Attesten bereits vor dem Stichtag 16.11.2000 vorgelegen habe.
Dem Widerspruch der Klägerin liegen ein Arztbrief des Nervenarztes Dr. G. vom 28.09.1999, ein Kurzbrief des Behandlungszentrums V. vom 29.09.1999, eine ärztliche Erstbescheinigung für eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme des Orthopäden Dr. K. vom 14.10.1999, ein Arztbrief des Radiologen Dr. L. vom 31.08.1999, eine ärztliche Bescheinigung der HNO-Ärztin Dr. F. vom 12.10.2006, ein Arztbrief der Radiologin Dr. K. vom 01.10.1999, ein Arztbrief der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Technischen Universität B-Stadt vom 13.02.2000 sowie ein Abrechnungsschein des Kreiskrankenhauses E. vom 10.02.2000 bei. Im Weiteren wurde noch ein Audiogramm der Dr. F. vom 25.04.1997 beigezogen. Hierzu wurde eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Allgemeinarztes Dr. B. vom 17.11.2006 eingeholt. Entsprechend der Befundbeschreibung in den eingeholten Befundberichten sei der Grad der Behinderung für das Wirbelsäulenleiden mit 30 bis 40 bewertbar. Das Audiogramm aus der Zeit vor dem 16.11.2000 erreiche keinen Grad der Behinderung von wenigstens 20. Damit sei der Nachweis des Vorliegens eines Grades der Behinderung in Höhe von 50 nach vorliegender Aktenlage zum Zeitpunkt 16.11.2000 nicht erbracht. Es wurde eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme nach Aktenlage der Allgemeinärztin Dr. N. vom 10.01.2007 eingeholt. Nach dem Audiogramm auf Seite 68 der Akte ergebe sich nach der 4-Frequenz-Tabelle ein Hörverlust von 26 % rechts (mittelgradige Schwerhörigkeit) rechts bei Normalhörigkeit links (Hörverlust 7 %). Eine mittelgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei Normalhörigkeit des anderen Ohres bedinge einen Grad der Behinderung von 10. Auch hinsichtlich der Aussage zu den Wirbelsäulenveränderungen werde der versorgungsärztlichen Stellungnahme beigepflichtet. Nach dem Tonaudiogramm auf Seite 16 der Akte bestehe ein prozentualer Hörverlust von 34 % rechts und von 22 % links, entsprechend einer allenfalls knapp geringgradigen Schwerhörigkeit des linken Ohres bei geringgradiger Schwerhörigkeit rechts. Der Grad der Behinderung hierfür betrage maximal 15 %. Das Tonaudiogramm des rechten Ohres vom 15.11.2004 ergebe nach der 4-Frequenz-Tabelle für unregelmäßige Hörkurven einen prozentualen Hörverlust von 36, es bestehe weiterhin eine geringgradige Schwerhörigkeit beidseits. Festzuhalten sei, dass zum Zeitpunkt der versorgungsärztlichen Begutachtung bei an der oberen Grenze beurteilter Schwerhörigkeit die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ab Juli 2004 vertretbar gewesen sei. Zu dem gewünschten Stichtag 16.11.2000 habe allerdings seitens des Hörvermögens lediglich ein GdB-Wert von wenigstens 10 vorgelegen, so dass sich zu diesem Zeitpunkt die Schwerbehinderteneigenschaft keinesfalls ableiten lasse. Die Klägerin hat weitere Unterlagen der HNO-Ärztin Dr. F. vom 31.01.2007 sowie Audiogramme vom 25.06.1997, 09.09.1998 und 10.12.2000 übersandt. Hierzu wurde eine HNO-ärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. E. vom 01.10.2007 eingeholt. Lege man die neu vorgelegten Tonaudiogramme zu Grunde, habe bereits seinerzeit eine beidseitige Schallleitungsschwerhörigkeit, wohl verursacht durch eine chronische Mittelohrentzündung beidseits, mit Ahäsivprozess bestanden. Unter Annahme des Tonaudiogramms vom 07.04.2000 errechne sich nach der 4-Frequenz-Tabelle ein prozentualer Hörverlust rechts in Höhe von 42 %, links von 14 %, entsprechend einer gering- bis mittelgradigen Schallleitungsschwerhörigkeit rechts bei praktischer Normalhörigkeit links. Das Audiogramm vom 25.06.1997 ergebe einen prozentualen Hörverlust rechts in Höhe von 36 % und links von 11 %, ebenfalls entsprechend einer geringgradig vorliegenden Schallleitungsschwerhörigkeit rechts bei Normalhörigkeit links, so dass sich nach dem Schwerbehindertenrecht ein Grad der Behinderung von maximal 10, dies bereits unter großzügiger Sichtweise, ergebe. Ein höherer Grad der Behinderung als 10 habe seinerzeit definitiv seitens der Hörstörung nicht vorgelegen, so dass HNO-ärztlicherseits empfohlen werde, die rückwirkende Feststellung der Hörminderung abzulehnen.
Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2007 den Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin zum Sozialgericht München vom 14.11.2007. Ihre Schwerbehinderteneigenschaft, die sie erst am 13.07.2004 beantragt habe, liege seit mindestens 20 Jahren vor und sei laut sämtlichen ärztlichen Gutachten mindestens schon vor dem Stichtag am 16.11.2000 in vollem Umfang gegeben gewesen. Mit weiterem Schreiben vom 11.12.2007 hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie nicht nur um Überprüfung der Schwerhörigkeit, die bereits im Kindesalter voll vorhanden gewesen sei, sondern auch der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bitte. Bisher nicht oder noch nicht ausreichend berücksichtigt worden seien: Wirbeldeckplatteneinbrüche der Brustwirbelsäule in Folge hochgradiger Osteoporose, außerdem noch zehn weitere Knochenbrüche in Folge, zuletzt Rippenbruch, die Schallleitungsschwerhörigkeit beidseits 30 bis 50 dB, bereits 1997 durch Dr. F. festgestellt und die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund von Nervenwurzelschädigung im rechten Arm und im rechten Bein, das immer wieder unkontrolliert wegsacke. Es bestehe ein chronischer Bandscheibenschaden mit erheblicher Verschmälerung des Zwischenwirbelraums sowie Spondylolyse mit konsekutiver Spondylolisthesis vera und typischer versetzungsbedingter beidseitiger lateraler/foraminaler Raumbeschränkung der Spondylolisthesis vera sowie eine hochgradige Osteoporose. Sie habe praktisch ständig Schmerzen beim Gehen, Stehen oder Liegen, sowohl in der Lendenwirbelsäule als auch in Brust- und Halswirbelsäule. Bereits im Jahre 1981 habe der damals behandelnde Arzt Dr. Z. gesagt, sie müsse froh sein, dass sie noch nicht im Rollstuhl sitze. Beim Versorgungsausgleich im Jahre 2005 habe sie die Frage, ob die "Schwerbehinderteneigenschaft" zum oben genannten Stichtag bereits vorgelegen habe, wahrheitsgemäß mit "Ja" beantwortet.
Die Klägerin hat weitere medizinische Unterlagen übersandt (Arztbriefe des Radiologen Dr. L. vom 31.08.1999, der Radiologin Dr. K. vom 05.03.2001, des Radiologen Dr. S. vom 24.09.2002, der Dr. S. der Radiologie-Praxis am Behandlungszentrum V., der Dres. M. und N. des Orthopädischen Zentrums B-Stadt vom 10.11.2004, den Kurzbrief des Klinikums der Universität B-Stadt, G. vom 19.01.2005, des Chirurgen Dr. F. vom 28.02.2005, der HNO-Ärztin Dr. F. vom 10.12.2004 und 31.01.2007, des Kreiskrankenhauses E. vom 03.02.2007 und der Technischen Universität B-Stadt, Klinikum I. vom 29.11.2007).
Das Sozialgericht hat Befundberichte des Chirurgen Dr. F. vom 20.12.2007, der HNO-Ärztin Dr. F. vom 20.12.2007 und des Prof. Dr. A. vom Klinikum I. vom 18.12.2007 eingeholt. Mit Beweisanordnung vom 08.01.2008 wurde der HNO-Arzt Dr. S. zum Sachverständigen ernannt, der nach Untersuchung der Klägerin das HNO-ärztliche Fachgutachten vom 10.02.2008 erstellt hat. Es sei der Einschätzung von Dr. E. vom 01.10.2007 zu folgen, dass ein höherer Grad der Behinderung für die otologischen Befunde als 10 im Jahre 2000 bzw. ab 16.11.2000 nicht vorgelegen haben könne. Damit gelte unter der Voraussetzung, dass für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, für die Bandscheibenschäden, für die Nervenwurzelreizerscheinungen sowie für die Osteoporose zu dem besagten Zeitpunkt ein Grad der Behinderung von 40 zu veranschlagen sei, weiterhin ein Gesamt-Grad der Behinderung von 40 zum Stichtag 16.11.2000. Durch die Hörverschlechterung im Zuge der zunehmenden Fixierung der Gehörknöchelchen lasse sich anhand der audiologischen Untersuchungen anlässlich der gutachterlichen Untersuchung nunmehr ein Einzel-GdB für den otologischen Symptomenkomplex von 20 errechnen, im Hinblick auf ein vorliegendes Audiogramm vom 10.12.2004, das eine weitgehend ähnliche Hörschwelle aufweise, sei davon auszugehen, dass dieser Einzel-GdB ab 10.12.2004 bestehe. Damit sei eine Erhöhung des Gesamt-GdB ab 10.12.2004 auf 50 zu rechtfertigen. Hierzu hat sich die Klägerin mit Schreiben vom 19.03.2008 geäußert. Sie widerspreche dem Gutachten des Dr. S. vom 10.02.2008 zumindest hinsichtlich der Zeitangaben. Bei seinen Feststellungen stütze sich der Gutachter lediglich auf den Zeitpunkt der Beantragung des Schwerbehindertenausweises, berücksichtige jedoch nicht die vorliegenden Atteste bzw. die glaubhaft gemachten Angaben. Es müssten zum Beweis die ärztlichen Atteste herangezogen werden, die vor dem Stichtag 16.11.2000 datiert seien. Der Adhäsivprozess und die Schallleitungsschwerhörigkeit würden seit mindestens 25 Jahren, spätestens seit 1997, wie von Dr. F. bestätigt, bestehen. Die Klägerin hat noch ein aktuelles Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. W. vom 29.02.2008 übersandt.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 12.06.2008 die Klage der Klägerin abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 50 bereits ab dem 16.11.2000. Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Höhe des GdB seien vom Inhalt und von den Rechtswirkungen her grundsätzlich nur ab Antrag mit Wirkung für die Zukunft zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 29.05.1991 - Az.: 9a/9 RVs 11/89) wirke die Statusänderung prinzipiell in die Zukunft, eine beschränkte Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung trage dem Interesse der Behinderten daran Rechnung, dass sie nicht durch die Dauer des Verwaltungsverfahrens unzumutbar benachteiligt würden. Die weitere Rückwirkung des Antrages müsse auf offenkundige Fälle beschränkt werden und liege im Ermessen des Beklagten. Ein derart offenkundiger Fall sei vorliegend nach dem Gutachten des Dr. S. vom 10.02.2008 nicht gegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin zum Bayer. Landessozialgericht vom 01.08.2008, die mit Schriftsatz vom 26.11.2008 näher begründet wurde. Das erstinstanzliche Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Klägerin kein Anspruch auf Anerkennung eines Grades der Behinderung von 50 bereits ab dem 16.11.2000 zustehen würde. Die Entscheidung des Gerichts sei inhaltlich unzutreffend und anzugreifen, da das Gericht sich auf die Ausführung des Sachverständigen vollumfänglich gestützt habe, obwohl diese inhaltlich auch aus objektiver Betrachtungsweise heraus widersprüchlich seien und das Gericht sich nicht ausschließlich auf dieses Gutachten hätte stützen dürfen oder zumindest eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen oder ein Ergänzungsgutachten hätte einholen müssen. Das erstinstanzliche Gericht habe die Einschätzung des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 10.02.2008 auf Seite 18, dass bei der Klägerin eine "Hörverschlechterung" eingetreten sei, die letztlich dazu führen solle, dass zum Stichtag 10.12.2004 ein Gesamt-Grad der Behinderung von 50 zu rechtfertigen sei, völlig unberücksichtigt gelassen. Diese Aussage des Sachverständigen sei inhaltlich unzutreffend und stelle einen erheblichen Widerspruch dar, da eine "Hörverschlechterung" bei der Klägerin in den letzten zehn Jahren nicht stattgefunden habe. Die die Klägerin behandelnde HNO-Ärztin Dr. F. habe bereits im Rahmen eines erstinstanzlich vorgelegten Attests und nunmehr neuerlich gemäß Attest vom 12.11.2008 bestätigt, dass das Hörvermögen der Klägerin sich seit dem Jahre 1997 nicht nachweislich verschlechtert bzw. verändert habe und somit auch nicht erst durch eine angeblich eingetretene Hörverschlechterung zum 10.12.2004 ein Grad der Behinderung von 50 zu rechtfertigen gewesen sei, sondern bereits mindestens seit dem Jahre 2000. Dies sehe auch der die Klägerin behandelnde HNO-Arzt Dr. W. so, der mit dem beigefügten Attest vom 30.10.2008 unter Zugrundelegung von entsprechenden Audiogrammen aus dem Jahr 1997 und dem Jahr 2004 überzeugend und nachweislich festgestellt habe, dass sich das Hörvermögen der Klägerin in diesem Zeitraum entgegen der Einschätzung des Sachverständigen nicht verschlechtert habe. Wenn eine Hörverschlechterung von den die Klägerin behandelnden Ärzten ausgeschlossen und widerlegt werde, müsse der Sachverständige zumindest ergänzend begründen, wieso er von einer solchen Verschlechterung der Hörleistung der Klägerin ausgehe. Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige davon ausgehe, dass die Erholung eines weiteren Gutachtens auf einem Fachgebiet nicht notwendig sei. Die Klägerin habe dem erstinstanzlichen Gericht jedoch mit Schreiben vom 29.03.2008 mitgeteilt, dass weitere Gesundheitsstörungen bei ihr vorliegen würden, die noch gar nicht berücksichtigt worden seien. Insoweit handle es sich um Wirbeldeckplatteneinbrüche der Brustwirbel, Funktionsbeeinträchtigung auf Grund von Nervenwurzelschädigungen im rechten Arm und im rechten Bein sowie eine Heberdenarthrose und Rhizarthrose beider Hände und Versteifung eines Fingers. Da es sich bei diesen Diagnosen um für den Sachverständigen sachfremde Gebiete handle, hätte das erstinstanzliche Gericht bezüglich dieser neuerlichen Erkrankungen bzw. Diagnosen bei der Klägerin eine entsprechende ergänzende Begutachtung in Auftrag geben lassen müssen. Dem Schreiben liegt ein ärztliches Attest der HNO-Ärztin Dr. F. vom 12.11.2008 und ein Attest des HNO-Arztes Dr. W. vom 30.10.2008 mit einem Audiogramm vom 25.04.1997 und 10.12.2004 bei.

Der Klägervertreter stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 01.08.2008.

Der Vertreter des Beklagten stellt den Antrag,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.06.2008 zurückzuweisen.

Die Sozialmedizinerin Dr. B. hat mit versorgungsärztlicher Stellungnahme nach Aktenlage vom 16.12.2008 darauf hingewiesen, dass gemäß den gültigen Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht bei Hörschäden spezielle Hörprüfungen notwendig seien, insbesondere die Prüfung der Hörschwelle im Tonaudiogramm und des Sprachhörverlustes nach dem Sprachaudiogramm, wobei der prozentuale Hörverlust in erster Linie nach dem Sprachaudiogramm, in Ausnahmefällen nach dem Tonaudiogramm zu ermitteln sei. Da im Falle der Klägerin sprachaudiometrisch keine Befunde vorliegen würden, seien zur Berechnung des prozentualen Hörverlustes Tonaudiogramme herangezogen worden und nach der 4-Frequenz-Tabelle (Röser 1973) ausgewertet worden. Die von der Klägerin vorgelegten Tonaudiogramme ab dem Jahr 1997 seien bereits in einer HNO-ärztlichen Stellungnahme von Dr. E. (01.10.2007) ausgewertet worden mit dem Ergebnis, dass bei der Klägerin im Jahr 2000 ein höherer Grad der Behinderung als 10 seitens der Hörstörung definitiv nicht vorgelegen habe. Diesem Ergebnis hat sich der erstinstanzliche Gutachter Dr. S. in seinem Gutachten ausdrücklich angeschlossen. Dieses Ergebnis werde durch die neu eingereichten Tonaudiogramme vom 25.04.1997 und 10.12.2004 wiederum als zutreffend bestätigt. Nach dem Tonaudiogramm vom 25.04.1997 ergebe sich bei einer Auswertung nach der 4-Frequenz-Tabelle ein GdB-Vorschlag von 10 und nach dem Tonaudiogramm vom 10.12.2004 ein GdB-Vorschlag von 20. Der von Dr. F. im ärztlichen Attest vom 12.11.2008 angegebene Dreh- und Lagerungsschwindel sei in den bisher bereits vorliegenden HNO-ärztlichen Befundberichten von Dr. F., Dr. W. und Prof. Dr. A. nicht beschrieben worden. Der von der Klägerin geltend gemachte "Lagerungsschwindel in Folge von Sturz" habe im Rahmen einer eingehenden versorgungsärztlichen Untersuchung vom 06.12.2004 und auch im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. nicht festgestellt werden können. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin bemängle, dass bei der Klägerin weitere Gesundheitsstörungen vorliegen würden, die noch gar nicht berücksichtigt worden seien, nämlich Wirbeldeckplatteneinbrüche der Brustwirbel, Funktionsbeeinträchtigung auf Grund von Nervenwurzelschädigungen im rechten Arm und im rechten Bein sowie eine Heberden-Arthrose und Rhizarthrose beider Hände und Versteifung eines Fingers, sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin am 06.12.2004 eingehend versorgungsärztlich/chirurgisch untersucht worden sei, dabei seien detailliert auch die vom Bevollmächtigten angegebenen Gesundheitsstörungen beurteilt und auch die Osteoporose mit erhöhtem Frakturrisiko bereits bekannt gewesen. In der Zusammenfassung habe der Gutachter W. darauf hingewiesen, dass die geltend gemachten Gesundheitsstörungen im Bereich der oberen und unteren Extremität rechts bei der Bewertung des Achsenorgans, der Ursache für die Beschwerden, mitberücksichtigt worden seien. Eine periphere Nervenschädigung habe sich weder an der unteren noch der oberen Extremität nachweisen lassen. Klinisch-funktionell seien Folgen nach einem Becken-, Fuß- oder Handbruch nicht belegt gewesen und hätten deshalb auch nicht berücksichtigt werden können. Die Funktionsbefunde der Finger sowie auch die Knotenbildungen vor allem an den Langfingerendgelenken seien detailliert beschrieben worden, die Daumen seien beidseits frei beweglich gewesen, insgesamt habe sich für die Funktionsbeeinträchtigung der Fingergelenke beidseits noch kein GdB von mindestens 10 ergeben.

Dem Senat liegen die Schwerbehindertenakte des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts München mit dem Aktenzeichen S 35 SB 1162/07 sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 15 SB 93/08 zur Entscheidung vor, die zum Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nicht begründet.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach 10er-Graden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs.1 Satz 1 und 2 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs.1 Satz 1 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs.3 Satz 3 SGB IX). In welchem Grad sich die einzelnen Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit auswirken, ist durch eine natürliche wirklichkeitsorientierte funktionelle Betrachtungsweise festzustellen, die auf medizinischen Erkenntnissen beruht. Bei der Bewertung des Grades der Behinderung kommt den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" bzw. der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008, gültig ab 01.01.2009 die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten mit normähnlicher Wirkung zu.
Bei der Klägerin sind mit Bescheid des Beklagten vom 26.01.2005 folgende Behinderungen bei einem Gesamt-Grad der Behinderung von 50 ab 16.07.2004 anerkannt:
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Osteoporose (Kalksalzminderung des Knochens) - Einzel-GdB 40 - und
Schwerhörigkeit beidseits - Einzel-GdB 20.
Eine Vorverlegung der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bei der Klägerin auf den 16.11.2000 ist nach Auffassung des Senats nicht möglich, da das Vorliegen eines Gesamt-Grades der Behinderung von 50 bereits zum 16.11.2000 für den Senat weder nachgewiesen noch gar offenkundig ist. Hinsichtlich der bei der Klägerin vorliegenden Schwerhörigkeit beidseits ist für den Senat unter Zugrundelegung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit nachvollziehbar, dass der Einzelgrad der Behinderung für die Schwerhörigkeit beidseits zum 16.11.2000 mit 10 und ab Juli 2004 mit 20 festgesetzt wurde.
Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass für die Bewertung des Grades der Behinderung (GdB) bei Hörstörungen grundsätzlich maßgebend die Herabsetzung des Sprachgehörs ist, dessen Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Sprachaudiometrisch liegen bei der Klägerin hinsichtlich des Zeitraumes um den Stichtag 16.11.2000 aber keinerlei Befunde vor. Deshalb muss sich die Beurteilung des Grades der Behinderung auf die vorliegenden Tonaudiogramme stützen, wobei zur Berechnung des prozentualen Hörverlustes das 4-Frequenz-Audiogramm von Röser (1973) zugrunde gelegt wurde. Aus der Zeit vor dem streitgegenständlichen Stichtag 16.11.2000 liegen Tonaudiogramme vom 25.04.1997, 25.06.1997 und 09.09.1998/07.04.2000 vor. Das Audiogramm vom 25.04.1997 zeigt gemäß der 4-Frequenz-Tabelle nach Röser auf der rechten Seite einen prozentualen Hörverlust von 46 %, links von 8 %. Dies ergibt gemäß der Tabelle zur Ermittlung des GdB ausgehend von einer mittelgradigen Schwerhörigkeit rechts und einer Normalhörigkeit links einen Einzelgrad der Behinderung von 10. Das Tonaudiogramm vom 25.06.1997 zeigt rechts einen Hörverlust von 36 % und links einen solchen von 11 %, dies ergibt gemäß der Tabelle zur Ermittlung des GdB unter Zugrundelegung einer geringgradigen Schwerhörigkeit rechts und einer Normalhörigkeit links einen Einzelgrad der Behinderung von Null. Das Tonaudiogramm vom 07.04.2000 ergibt einen prozentualen Hörverlust rechts von 42 % und links von 14 %. Dies entspricht gemäß der Tabelle zur Ermittlung des GdB unter Zugrundelegung einer mittelgradigen Schwerhörigkeit rechts und einer Normalhörigkeit links einen Einzelgrad der Behinderung in Höhe von 10. Insgesamt ist festzustellen, dass in der Zeit vor dem Stichtag 16.11.2000 bzw. zum Zeitpunkt des Stichtages 16.11.2000 bei der Klägerin bereits eine beidseitige Schallleitungsschwerhörigkeit, wohl verursacht durch eine chronische Mittelohrentzündung beidseits, mit Adhäsivprozess bestand. Die dargestellten Tonaudiogramme entsprechen einer gering- bis mittelgradigen vorliegenden Schallleitungsschwerhörigkeit rechts bei praktischer Normalhörigkeit links. Deswegen war in der Tendenz, was den reinen Hörverlust anbelangt, ein Einzel-GdB von 10 insgesamt eher als großzügig anzusehen. Eine Erhöhung dieses großzügigen Einzelgrades der Behinderung von 10 auf 20 bereits zum 16.11.2000 unter Berücksichtigung einer zusätzlichen Bewertung des bestehenden Adhäsivprozesses ist in Übereinstimmung mit dem Gutachter Dr. S. nicht gerechtfertigt. Schließlich hat die Klägerin seinerzeit bei der Untersuchung durch Dr. S. über eine Jahrzehnte hinweg bestehende Symptomatik gesprochen, die sich hauptsächlich in der Hörminderung manifestiere. Ohrenentzündungen seien nur zeitweise aufgetreten, sie hat auch nicht über eine chronische Otorrhoe (Ohrenfluss) gesprochen. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 08.01.2008 wurde demgegenüber eine sprachaudiometrische und tonaudiometrische Untersuchung durchgeführt. Dabei ergab sich für die rechte Seite ein Hörverlust für Zahlen von 45 dB und ein Gesamtwortverstehen von 190 %, was einen prozentualen Hörverlust von 60 % ergibt. Auf der linken Seite ergibt sich ein Hörverlust von 35 dB bei einem Gesamtwortverstehen von 280 %. Hieraus ermittelt sich ein Hörverlust von 40 %. Unter Zugrundelegung einer mittelgradigen Schwerhörigkeit rechts und einer geringgradigen Schwerhörigkeit links war es zutreffend, einen Gesamtgrad der Behinderung von 20 feststellen. Entgegen der subjektiven Annahme der Klägerin hat sich zwischen 2000 und 2008 das Gehör deutlich verschlechtert, weil nunmehr eine mittelgradige Schwerhörigkeit im Grenzbereich zur hochgradigen Schwerhörigkeit rechts und eine geringgradige Schwerhörigkeit im Grenzbereich zur mittelgradigen Schwerhörigkeit links besteht. Zwischen den Befunden der Jahre 2000 und 2008 liegt das Tonaudiogramm vom 10.12.2004, das näher an den Werten des Jahres 2008 liegt. Von daher ist sehr wohl von einer Hörverschlechterung bei der Klägerin entgegen deren subjektiven Empfindungen im Zeitraum 2000, 2004 und 2008 auszugehen. Es ist der Einschätzung des HNO-Gutachters Dr. S. zuzustimmen, dass sich im Zuge der zunehmenden Fixierung der Gehörknöchelchen eine Hörverschlechterung bei der Klägerin eingestellt habe, die sich anhand der audiologischen Untersuchungen nunmehr mit einem Einzel-GdB für den otologischen Symptomenkomplex von 20 bewerten lasse. Da das vorliegende Tonaudiogramm vom 10.12.2004 in der Tendenz demjenigen der Untersuchung vom 08.01.2008 entspreche, sei davon auszugehen, dass der Einzel-GdB in Höhe von 20 ab 10.12.2000 besteht.

Hinsichtlich der Wirbelsäulenschäden ist darauf hinzuweisen, dass nach den Anhaltspunkten bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und wochenandauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Einzelgrad der Behinderung von 30 und bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Einzelgrad der Behinderung von 30 bis 40 vergeben werden kann. Vorliegend ist festzustellen, dass hier bereits mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40 auf Grund der eingehenden Begutachtung durch den Vertragsarzt und Chirurgen W. vom 06.12.2004 mit einem Einzelgrad der Behinderung für Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Osteoporose eine sehr großzügige Einstufung erfolgt ist. Soweit die Klägerin durch die Prozessbevollmächtigten sinngemäß vortragen lässt, dass die orthopädischen Behinderungen zum Stichtag 16.11.2000 höher (als Einzel-GdB von 40) bewertet werden müssen, ist dem nicht zu folgen. Die Klägerin wurde im Rahmen ihres Erstantrages seitens des Beklagten am 06.12.2004 durch den Chirurgen W. eingehend ambulant untersucht. Hierbei wurden insbesondere die mit den (orthopädischen) Gesundheitsstörungen einhergehenden funktionellen Einschränkungen umfassend dargestellt. Die festgestellten Funktionseinschränkungen am Achsenorgan, insbesondere der HWS und LWS wurden hier bei der Festsetzung des Einzel-GdB berücksichtigt. Das motorische Defizit an der unteren Extremität (Quadrizeps) wurde bei der Bewertung des Einzel-GdB ebenso berücksichtigt wie die für die obere Extremität rechts, der Schulter, angegebene Schwäche, die wohl auf die Schmerzausstrahlung von der LWS zurückgeführt wurde. Eine periphere Nervenschädigung ließ sich seinerzeit weder an der unteren noch an der oberen Extremität nachweisen. Soweit die Klägerin auf zahlreiche Brüche aufgrund ihrer Osteoporose hinweist, waren bei der Untersuchung durch den Chirurgen W. klinisch-funktionelle Folgen solcher Brüche (z.B. Becken, Fuß und Hand) nicht erkennbar. Hinsichtlich der jetzt geltend gemachten Heberdenarthrose und Rhizarthrose beider Hände und Versteifung eines Fingers ist darauf hinzuweisen, dass auch die Finger der Klägerin sehr genau untersucht wurden ("Fingerstrecken ist frei, das Fingerabspreizen ebenfalls, beim Faustschluss ist dieser links regulär möglich, rechts verbleibt Beugeeinschränkung am Kleinfinger mit etwa 2 cm Abstand zur Hohlhand. An den Langfingerendgelenken bestehen Knotenbildung, besonders 2, 3 und 5 zu beiden Seiten. An D4 keine Veränderung, Daumen beidseits frei beweglich") und nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (z.B. ist der Einzel-GdB bei Versteifung eines Fingers in günstiger Stellung mit 0 bis 10 zu bewerten) zum Stichtag 16.11.2000 nicht mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind. Hinweise für einen relevanten Lagerungsschwindel fanden sich bei der Klägerin bei der Untersuchung durch den Chirurgen W. am 06.12.2004 nicht. Soweit die HNO-Ärztin Dr. F. in dem Attest vom 12.11.2008 erstmalig davon berichtet, dass die Klägerin seit einem Unfall am 31.03.1999 über einen Dreh- und Lagerungsschwindel klage, ist festzustellen, dass die Klägerin bereits im Erstantrag im Juli 2004 als 8. Behinderung einen Lagerungsschwindel geltend gemacht hat, der aber bei der Untersuchung durch den Chirurgen W. nicht feststellbar war. In früheren ärztlichen Befunden, insbesondere auch in den HNO-ärztlichen Befunden der Dres. F., W. und A. war niemals von einem Lagerungs- oder Drehschwindel die Rede, ein solcher konnte auch im Rahmen der Untersuchung des Gutachters Dr. S. am 29.01.2008 nicht festgestellt werden. Von daher kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass zum Stichtag 16.11.2000 und später bei der Klägerin ein relevanter Schwindel vorlag.
Ein höherer Einzelgrad der Behinderung für die Wirbelsäulenschäden der Klägerin als 40 lässt sich nicht vertreten, weil nach den Anhaltspunkten ein Einzelgrad der Behinderung von 50 bis 70 nur bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst, z.B. Milwaukee-Korsett, vergeben werden kann. Vergleichbares liegt bei der Klägerin eindeutig nicht vor.
Nach alledem ist es für den Senat nicht nachgewiesen noch gar offenkundig, dass bei der Klägerin bereits zum Stichtag 16.11.2000 bzw. in der nachfolgenden Zeit bis Juni 2004 ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 vorlag.

Daher war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.06.2008 zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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